Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 Ka 48/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 55/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. September 1998 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rückforderung vertragsärztlichen Honorars für das I. und II. Quartal 1996.
Am 1. Januar 1996 war eine Neufassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) in Kraft getreten, durch den insbesondere ärztliche Gesprächsleistungen höher bewertet wurden. Nach Ablauf des I. Quartals 1996 stellten die Kassenärztlichen Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland fest, dass die Honoraranforderungen für diese Leistungen ein von dem Bewertungsausschuss nicht vorhergesehenes Ausmaß angenommen hatten. Der Ausschuss beschloss daher am 13. Juni 1996 die Einführung von Teilbudgets für Gesprächsleistungen (Nrn. 10,11,17,18,42,44 und 851 EBM), den Ganzkörperstatus (Nr. 60 EBM) und die "Klinisch-Neurologische-Basisdiagnostik" (Nr. 801 EBM). Die Änderung trat rückwirkend zum 1. Januar 1996 in Kraft. Obwohl große Teile der Ärzteschaft und die meisten Kassenärztlichen Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland Bedenken gegen das rückwirkende In-Kraft-Treten hatten, berechnete die Beklagte die Honorare für das I. und II. Quartal 1996 nach der Neufassung des EBM. Der Honorarabrechnung legte sie nach ihren ab 1. Januar 1996 bzw. 1. April 1996 geltenden Honorarverteilungsmaßstäben -HVM- für die sog. „übrigen Leistungen“ gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 HVM einen Punktwert von 5,679 DPf (I/96) bzw. 5,167 DPf (II/96) für die Primärkassen und von 7,541 DPf (I/96) bzw. 7,745 DPf (II/96) für die Ersatzkassen zugrunde. Außerdem fügte sie allen Honorarbescheiden Alternativberechnungen auf der Grundlage der ursprünglichen Fassung des EBM bei. Danach betrug der Punktwert für die "übrigen Leistungen" 4,709 DPf (I/96) bzw. 4,245 DPf (II/96) bei den Primärkassen und 6,252 DPf (I/96) bzw. 6,568 DPf (II/96) bei den Ersatzkassen.
Die dem Kläger - Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde - erteilten Honorarbescheide setzten für das I. Quartal 1996 ein Honorar in Höhe von 112.360,83 DM und für das II. Quartal 1996 ein Honorar in Höhe von 94.204,54 DM fest. Nach den beigefügten Alternativberechnungen beliefen sich die Honorare für das I. Quartal 1996 auf 94.065,67 DM (Differenz: 18.295,16 DM) und für das II. Quartal 1996 auf 78.669,73 DM (Differenz: 15.246,72 DM). Die Honorarbescheide enthielten im Anschluss an die Rechtsmittelbelehrung folgenden Zusatz:
Die Abrechnung erfolgt auf der Grundlage des EBM 96 in der vom Bewertungsausschuss vom 13. Juni 1996 beschlossenen Fassung.
Im Hinblick auf die hiergegen bundesweit erhobenen Klagen steht die Abrechnung unter dem Vorbehalt der nachträglichen Berichtigung für den Fall, dass der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 13. Juni 1996 endgültig für rechtswidrig erklärt werden sollte (§ 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X).
Gegen die Ablehnung der Honorierung eines Teils der erbrachten Gesprächs- und Untersuchungsleistungen erhoben Berliner Vertragsärzte, die von der rückwirkenden Budgetierung betroffen waren, mehr als 2.000 Widersprüche. Um den mit der Bescheidung dieser Widersprüche verbundenen hohen Verwaltungsaufwand und die dadurch entstehenden Kosten gering zu halten und um die Erhebung weiterer Widersprüche zu vermeiden, sagte der Vorstand der Beklagten allen Berliner Vertragsärzten zu, ihre Honorare in den Quartalen I und II/1996 neu zu berechnen, falls sich die rückwirkende Budgetierung als rechtswidrig erweisen sollte (KV-Blatt, Mitteilungsblatt der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, Heft 12/1996, S. 33).
Nachdem das Bundessozialgericht mit Urteil vom 17. September 1997 (BSGE 81, 86 ff) die rückwirkende Budgetierung für rechtswidrig erklärt hatte, errechnete die Beklagte, dass sich die nicht honorierten Leistungen aus diesem Bereich auf 45.079.251,19 DM beliefen, während Vergütungen in Höhe von 44.736.017,31 DM überzahlt worden seien (KV-Blatt 1/1998, S. 91). Wegen des Überzahlungsbetrages berechnete die Beklagte die Honorare der betroffenen Vertragsärzte entsprechend den Alternativberechnungen neu. Mit Bescheid vom 24. November 1997 änderte sie die dem Kläger erteilten Honorarbescheide für die Quartale I/96 und II/96 ab und forderte Honorar in Höhe von 33.541,88 DM zurück (Differenz zwischen den tatsächlich gezahlten Honoraren und den alternativ errechneten). Zur Begründung verwies sie auf § 45 Abs. 3 Nr. 2 und § 50 Abs. 3 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch -SGB X-. Sie kündigte in dem Bescheid gleichzeitig an, der zu erstattende Betrag werde mit der Restzahlung für das II. Quartal 1997 oder in den Folgequartalen verrechnet.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 23. März 1998 mit der Begründung zurück, sie habe alle Honorarbescheide mit Widerrufsvorbehalten versehen und die Ärzte durch die Alternativberechnung darauf hingewiesen, auf welches Honorar sie sich im Falle einer eventuell notwendig werdenden Neuberechnung ihres Honorars einstellen müssten. Damit liege ein dem Regelfall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vergleichbarer Fall vor. Das Ermessen bei der Aufhebung der ursprünglichen Honorarbescheide habe sich auf Null reduziert. Die Besonderheit des gegenwärtigen vertragsärztlichen Abrechnungssystems bestehe darin, dass eine budgetierte Gesamtvergütung an die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte verteilt werde, was zur Folge habe, dass die Abrechnung eines Vertragsarztes den Honoraranspruch der anderen Vertragsärzte unmittelbar und untrennbar berühre. Verzichte die Beklagte gegenüber einem oder mehreren Vertragsärzten auf die Rückforderung von zuviel gezahltem Honorar, dann müssten dies die anderen Vertragsärzte bezahlen. Die Ausübung des Ermessens im Sinne des § 45 SGB X zugunsten eines Vertragsarztes im Sinne des Verzichts auf die Rückforderung stelle sich damit als belastende Maßnahme gegenüber allen anderen Vertragsärzten dar. Somit komme ein Verzicht auf die Rückforderung nicht in Betracht. Schließlich hätte sich der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid auch auf § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X stützen lassen. Diese Bestimmung stelle in Verbindung mit den in den ursprünglichen Honorarbescheiden für die Quartale I und II/96 enthaltenen Widerrufsvorbehalten eine selbständige Rechtsgrundlage für den Widerruf eines Verwaltungsaktes dar, die neben §§ 44 ff SGB X träte. Auf Erwägungen zum Vertrauensschutz käme es dann nicht an.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Berlin durch Urteil vom 16. September 1998 abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Neuberechnungen stellten sich als ein Fall der rechnerischen Richtigstellung bzw. Berichtigung der ursprünglichen Honorarbescheide dar. Darüber hinaus sei die Beklagte im Hinblick auf die von ihr zu beachtende Grundlage der Honorarberechnung nach § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X berechtigt gewesen, die Honorarbescheide aus konkretem Anlass mit dem Vorbehalt des Widerrufs zu versehen. Zumindest lägen jedoch die Voraussetzungen vor, unter denen nach § 45 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt für die Vergangenheit hätte zurückgenommen werden können.
Gegen das ihm am 1. Oktober 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Oktober 1998 Berufung eingelegt. Er trägt vor: Die Rücknahme der Honorarbescheide für die Quartale I und II/96, die Neuberechnung der Honorare durch den angefochtenen Bescheid und die Erstattungsforderung der Beklagten ließen sich weder im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung, über eine Rücknahme der Honorarbescheide nach § 45 SGB X noch durch die Ausübung eines in den ursprünglichen Honorarbescheiden vorbehaltenen Widerrufs gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X durchsetzen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. September 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 24. November 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und beruft sich zur Begründung auf den Inhalt des sozialgerichtlichen Urteils und ihres Widerspruchsbescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere auf das Urteil des Sozialgerichts, sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid, durch den die ursprünglichen Honorarbescheide geändert und überzahltes Honorar zurückgefordert wurde, ist rechtmäßig.
1) Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale I und II/1996 und die Neuberechnung der Vergütungen entsprechend der Alternativberechnung sind § 32 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. den den ursprünglichen Honorarbescheiden beigefügten bestandskräftigen Widerrufsvorbehalten. Die Beklagte war danach zur Aufhebung der rechtswidrigen begünstigenden Honorarbescheide für die Vergangenheit berechtigt, ohne dass es hierfür einer über § 32 SGB X hinausgehenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedurft hätte (vgl. hierzu BSGE 62, 32, 42, 43; SozR 3-1300 § 32 Nrn 2 und 4).
a) Zu Unrecht wird gerügt, dass die Zusätze zu den ursprünglichen Honorarbescheiden nur unverbindliche Hinweise auf eine unklare Rechtslage und keine Nebenbestimmungen im Sinne des § 32 SGB X enthielten. Die Aufnahme eines "Vorbehaltes der nachträglichen Berichtigung im Falle der Rechtswidrigkeit der rückwirkenden Budgetierung" in die Zusätze und das darin enthaltene ausdrückliche Zitat des § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X belegen, dass es sich bei diesen Zusätzen um echte Nebenbestimmungen im Sinne des § 32 SGB X zur Regelung der Honorarhöhe handelte, mit der diese in sachlicher Hinsicht beschränkt werden sollte (zur Definition der Nebenbestimmung vgl. BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 2).
b) Zur Beifügung dieser Nebenbestimmungen war die Beklagte gemäß § 32 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X befugt; es kann deshalb offen bleiben, ob die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmungen angesichts ihrer Bestandskraft überhaupt noch zu überprüfen ist (dafür BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 2, BSGE 48, 120, 124; 38, 41; differenzierend Kasseler Kommentar-Krasney, § 32 SGB X Rdnr. 12, anderer Ansicht Bundesverwaltungsgericht Buchholz 316 § 49 Verwaltungsverfahrensgesetz Nr. 9).
Nach § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dem Kläger stand ein Anspruch auf einen Honorarbescheid zu, jedoch besaß er keinen Anspruch auf ein Honorar einer bestimmten bezifferbaren Höhe, sondern nur ein Recht auf Teilnahme an der Honorarverteilung der Beklagten (Beschluss des Senats vom 5. Dezember 1996 - L 7 Ka-SE 45/96 -). Die konkrete Höhe des ihm zustehenden Honorars bestimmt sich einerseits aus dem von ihm im streitigen Zeitraum in Punktmengen ausgedrückten Umfang der erbrachten Leistungen und dem Punktwert andererseits. Dieser war im Hinblick auf die Unklarheit, ob die rückwirkende Einführung der Budgetierung der genannten Gesprächs- und Untersuchungsleistungen rechtmäßig war, ungewiss, bevor eine höchstrichterliche Entscheidung über den EBM 96 in der Fassung vom 13. Juni 1996 vorlag. Vor dem Ergehen dieser Entscheidung war die Beklagte, der eine eigene Verwerfungskompetenz für die durch den EBM 96 eingeführte rückwirkende Budgetierung nicht zustand, grundsätzlich verpflichtet, die vertragsärztlichen Leistungen unter Zugrundelegung des EBM 96 in der Fassung vom 13. Juni 1996 mit dem sich danach ergebenden Punktwert zu honorieren. Die Unklarheit der Rechtmäßigkeit dieser Regelungen und die damit zwangsläufig verbundenen Auswirkungen auf den Punktwert sowie die Vergütung aller Berliner Vertragsärzte berechtigte die Beklagte gemäß § 32 Abs. 1 SGB X, die Honorarbescheide mit einem Widerrufsvorbehalt zu verbinden, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Honorarbescheide erfüllt werden (§ 32 Abs. 1 2. Alternative SGB X; in diesem Sinne wohl auch BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23). Mit dieser Nebenbestimmung konnte und sollte sichergestellt werden, dass alle Berliner Vertragsärzte endgültig nur ein Honorar in rechtmäßiger Höhe erhielten. Der Begriff der Sicherstellung in § 32 Abs. 1 SGB X ist dahingehend auszulegen, dass ein Verwaltungsakt vor Eintritt der gesetzlichen Voraussetzungen der in ihm getroffenen Regelung mit einer Ne-benbestimmung ergehen darf, wenn eine abschließende Entscheidung - aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen - noch nicht möglich ist, so dass durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden muss, dass diese Regelung nur bei Eintritt der Voraussetzungen wirksam wird oder wirksam bleibt. Aus der Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zur Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen folgt auch, dass der Gesetzgeber der Verwaltung die Befugnis einräumt, Verwaltungsakte bereits dann zu erlassen, wenn noch nicht alle gesetzlichen und untergesetzlichen Voraussetzungen zu ihrer Überzeugung erfüllt sind, wie dies hier bei der Höhe des Punktwertes und damit der vertragsärztlichen Vergütung der Fall war. Im Bereich der gebundenen Entscheidungen lässt sich daher die generelle Befugnis zu vorläufigen Leistungen aus § 32 Abs. 1 SGB X herleiten (vgl. zum Vorstehenden BSGE 62, 32, 39, 49). Ist eine abschließende Entscheidung im Entscheidungszeitpunkt noch nicht möglich, weil zwingende Gründe die endgültige Leistungsgewährung unmöglich machen, kann aber der gesetzliche Zweck der Leistung nur erreicht werden, wenn sie möglichst zeitnah erbracht wird, darf die Leistung in voller Höhe vorläufig gewährt und die Vorläufigkeit über einen Widerrufsvorbehalt abgesichert werden. Eine abschließende Entscheidung über einen Anspruch ist auch dann noch nicht möglich, wenn sie hinsichtlich einzelner Voraussetzungen von einer - alsbald zu erwartenden - höchstrichterlichen Entscheidung abhängt. Die Beifügung des Widerrufsvorbehaltes in einem solchen Fall entspricht auch den Interessen der Vertragsärzte an einer schnellen Honorierung ihrer bereits erbrachten vertragsärztlichen Leistungen auf der Grundlage des im Zeitpunkt des Erlasses der Honorarbescheide anwendbaren Rechts (vgl. dazu BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23). Die den Honorarbescheiden beigefügte Nebenbestimmung läuft damit den Zwecken der Honorarbescheide erkennbar nicht zuwider, so dass in diesem Verfahren auch kein Verstoß gegen § 32 Abs. 3 SGB X liegt. Der Einwand, die Beklagte hätte statt eines unter dem Vorbehalt des Widerrufs erlassenen Honorarbescheides nur eine Vorauszahlung leisten dürfen, vermag deshalb nicht zu überzeugen. Vielmehr lag es im Ermessen der Beklagten, auf das auszuzahlende Honorar gemäß § 42 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch -SGB I- einen Vorschuss zu zahlen oder die volle Leistung vorweg zu leisten und ihre Vorläufigkeit durch einen Widerrufsvorbehalt sicherzustellen.
c) Die Beklagte war deshalb gemäß § 32 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 SGB X dazu berechtigt, in die ursprünglichen Honorarbescheide für die Quartale I und II/96 Widerrufsvorbehalte in der Form von Rücknahmevorbehalten aufzunehmen. Die Befugnis hierzu ergibt sich entweder unmittelbar aus § 32 Abs. 1 SGB X, der die Aufnahme auch solcher Nebenbestimmungen erlaubt, die in § 32 Abs. 2 SGB X nicht geregelt sind, weil die Aufzählung in § 32 Abs. 2 SGB X nicht abschließend ist (so BSGE 62, 32, 42; Kasseler Kommentar-Krasney § 32 SGB X Rdnr. 4) oder aber deswegen, weil der Rücknahmevorbehalt einen speziellen Fall des in § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X geregelten Widerrufsvorbehaltes darstellt (so BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 2 und 4 sowie BVerwGE 67, 99, 102).
d) Nachdem das BSG den Beschluss des Bewertungsausschusses vom 13. Juni 1996 über die Einführung einer rückwirkenden Budgetierung endgültig für rechtswidrig erklärt hatte, durfte die Beklagte die ursprünglichen Honorarbescheide unter Berufung auf den Rücknahmevorbehalt aufheben und das Honorar - wie bereits angekündigt - neu berechnen. Hierbei war sie nicht an die gesetzlich geregelten Vertrauensschutzgründe des § 45 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 SGB X gebunden (in diesem Sinne BSGE 62, 32, 42, 43; SozR 3-1300 § 32 Nrn 2 und 4). § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X stellt eine eigenständige, neben § 45 SGB X tretende Rechtsgrundlage dar, einen Verwaltungsakt mit einem Rücknahmevorbehalt zu versehen und gestützt darauf, einen begünstigenden Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Die Vorschrift knüpft anders als § 45 SGB X nicht an die Rechtswidrigkeit begünstigender Bescheide an, sondern setzt - wie bereits dargestellt - eine Unklarheit der Voraussetzungen des begünstigenden Bescheides in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraus. Ob die danach rechtmäßige Rücknahme gleichwohl nur innerhalb der in § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X genannten Frist ergehen durfte, bedarf hier keiner Entscheidung, weil die Beklagte sie innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen ausgesprochen hat (vgl. zum Problem BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 4).
e) Die Rücknahme der ursprünglichen Honorarbescheide und die Neuberechnung der Honorare wäre auch dann nicht rechtswidrig, wenn die Beklagte auf eine Ermessensentscheidung bei der Ausübung des Rücknahmevorbehaltes verzichtet hätte (vgl. zur Notwendigkeit der Ermessensausübung BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 5 m.w.N.). Soweit in den Erwägungen des Widerspruchsbescheides zu der Unverzichtbarkeit der Rücknahme der ursprünglichen Honorarbescheide und der darauf gestützten Rückforderung überzahlten Honorars keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit den widerstreitenden Interessen der durch die rückwirkende Budgetierung benachteiligten und begünstigten Ärzte und damit keine am Zweck der Ermächtigung orientierte Entscheidung vorläge, die die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhielte, läge jedenfalls eine Reduzierung des Ermessens dergestalt vor, dass nur die Ausübung des Rücknahmevorbehaltes rechtmäßig wäre (sogenannte Ermessensreduzierung auf Null). Denn nur auf diese Weise konnte sich die Beklagte rechtmäßig die benötigten Mittel für die Befriedigung der Nachzahlungsansprüche der von der rückwirkenden Budgetierung betroffenen Vertragsärzte beschaffen.
Die Beklagte war nach der Entscheidung des BSG vom 17. September 1997 verpflichtet, den von der rückwirkenden Budgetierung von Gesprächs- und Untersuchungsleistungen im EBM 96 in der Fassung vom 13. Juni 1996 betroffenen Berliner Vertragsärzten mehr als 45 Millionen DM nachzuvergüten. Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 18. März 1998 (SozR 3-1300 § 44 Nr. 23) betont, dass eine Kassenärztliche Vereinigung -KV- im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Honorarverteilungsmaßstabes bei der von ihr gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X zu treffenden Ermessensentscheidung die Rücknahme rechtswidriger bestandskräftiger Honorarkürzungsbescheide unter bestimmten Umständen ablehnen und der Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Vergütung gegenüber dem Anspruch des Einzelnen auf materielle Gerechtigkeit den Vorrang geben darf. Eine solche Situation lag hier aber nicht vor. Denn die von der rückwirkenden Budgetierung betroffenen Berliner Vertragsärzte hatten gegen die Honorarkürzungen mehr als 2.000 Widersprüche erhoben, so dass diese Honorarkürzungen nicht bestandskräftig werden konnten. Darüber hinaus hatte der Vorstand der Beklagten allen Berliner Vertragsärzten zugesagt, auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur rückwirkenden Budgetierung gegebenenfalls eine Neuberechnung aller vertragsärztlichen Honorare für die Quartale I und II/1996 vorzunehmen. Hierzu war er durch § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- und die dazu von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Honorarverteilungsgrundsätze sowie durch § 72 Abs. 2 SGB V berechtigt, um die Funktionsfähigkeit der KV dadurch sicherzustellen, dass eine Bearbeitung der Mehrzahl der bereits erhobenen Widersprüche zurückgestellt, die Einlegung weiterer verhindert und die Verursachung unverhältnismäßig hoher Verfahrens- und Prozesskosten vermieden werden konnte. Aber selbst wenn die Neuberechnung der Honorare mangels Zusicherung gemäß § 34 Abs. 1 SGB X bei den Vertragsärzten, die keine Rechtsbehelfe gegen die Honorarkürzungen eingelegt hatten, nicht zu einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten geführt haben sollte, zwangen die 2.000 erhobenen Widersprüche aus verfahrensrechtlichen bzw. prozessrechtlichen Gründen zu einer erneuten Honorarverteilung zwischen den von der rückwirkenden Budgetierung benachteiligten und allen anderen Berliner Vertragsärzten. Diese verfahrensrechtlich veranlasste, nachträgliche Honorarverteilung kann ebensowenig wie die ursprüngliche durch Grundsätze des Vertrauensschutzes oder ein Ermessen der KV ausgeschlossen werden. Denn die Beklagte hatte außer einer teilweisen Neuverteilung des Honorars für die Quartale I und II/96 keine andere rechtmäßige Möglichkeit, sich die Mittel für die Honorarnachzahlungen zu beschaffen.
Einer Nachforderung gegenüber den Krankenkassen steht das vom Gesetz vorgesehene gesamtvertragliche Vergütungssystem entgegen. Die Beklagte durfte auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V nur die vereinbarte und von den Krankenkassen gezahlte Gesamtvergütung an die Vertragsärzte verteilen. Nachforderungen gegenüber den Krankenkassen im Hinblick auf die entstandenen Nachforderungsansprüche eines Teils der Berliner Vertragsärzte waren grundsätzlich ausgeschlossen und mussten in einem beitragsfinanzierten Krankenversicherungssystem ausgeschlossen sein, weil die Kassen ihrerseits von den Versicherten keine höheren Beiträge einziehen konnten (BSG, Urteil vom 3. März 1999 - B 6 KA 8/98 R = SGb 1999, 294, zur Veröffentlichung in Sozialrecht -SozR- vorgesehen). Auch ein Rückgriff auf den gemäß § 11 HVM gebildeten Honorarausgleichsfond schied aus, weil dieser mit 1 % der Gesamtvergütung aller Krankenkassen gebildet war und eine (nachträgliche) Erhöhung der Rückstellungen im Hinblick auf die rückwirkende Einführung der Budgetierung der Gesprächs- und Untersuchungsleistungen denselben rechtlichen Bedenken begegnet wäre, wie die Budgetierung selbst (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 18); aus diesem Grunde kann der Beklagten nicht entgegengehalten werden, dass sie im vorliegenden Falle keine Rückstellungen gebildet hat (vgl. zu dieser Pflicht BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23). Mit 1 % der Gesamtvergütung hätten nach den Feststellungen des Senats die erforderlichen 45 Millionen DM nicht nachvergütet werden können; dies hätte eine jährliche vertragsärztliche Vergütung von 4,5 Milliarden DM vorausgesetzt. Die Berliner Vertragsärzte haben jedoch von den Krankenkassen lediglich eine Gesamtvergütung in Höhe von ca. 2 Milliarden DM im Jahre 1996 erhalten. Der Beklagten wäre deshalb bei dieser Sachlage nur der Rückgriff auf die laufende Gesamtvergütung zur Deckung der Honoraransprüche wegen der rückwirkenden Budgetierung als Alternative übrig geblieben. Bei der genannten Summe hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die aktuellen Honorarzahlungen gehabt. Ungeachtet der Tatsache, ob die dadurch erforderlich werdende Absenkung des ohnehin schon niedrigen Punktwertes zu einer ausreichenden Honorierung der Berliner Vertragsärzte gereicht hätte, stünden dieser Lösung auch erhebliche rechtliche Bedenken entgegen, weil nicht nur die durch die rückwirkende Budgetierung betroffenen Vertragsärzte ihre Nachvergütung zum Teil selbst hätten mitbezahlen müssen, sondern auch diejenigen Ärzte belastet würden, die in den früheren, hier betroffenen Zeiträumen noch nicht Mitglieder der Beklagten gewesen waren (vgl. zu diesem Problem BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23 Seite 52). Bei dieser Sachlage scheint es dem Senat insbesondere aus dem in Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG- vorgesehenen rechtsstaatlichen Gebot, rechtmäßige Zustände auch für die Vergangenheit herzustellen, geboten, verfahrensrechtlich bedingte, nicht anders zu befriedigende Honoraransprüche eines Teils der Berliner Vertragsärzte zu Lasten der durch den EBM 96 begünstigten Vertragsärzte durch eine teilweise neue Honorarverteilung vorzunehmen. Dies entspricht im Übrigen auch der vom Gesetzgeber dem § 49 SGB X zugrunde gelegten Interessenlage. Denn auch wenn durch die rechtswidrige Honorarkürzung aufgrund der rückwirkenden Budgetierung im EBM 96 die von der Rückforderung nunmehr betroffenen Vertragsärzte nicht nach der Art eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung unmittelbar rechtlich begünstigt waren, ist ihre Begünstigung wirtschaftlich doch unmittelbar durch diese rückwirkende Budgetierung herbeigeführt worden. Der in § 49 SGB X enthaltene Rechtsgedanke spricht deshalb dafür, ihre Honorare rückwirkend auf die rechtmäßige Höhe zu kürzen, ohne dass sie sich auf Vertrauensschutz, Ausschlussfristen oder eine Ermessensausübungspflicht der Beklagten zu ihren Gunsten berufen durften. Dies hat die Beklagte in der Sache in dem Widerspruchsbescheid vom 23. März 1998 auch ausgeführt und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.
2) Bei dieser Rechtslage bedurfte es keiner Erörterung mehr darüber, ob der streitige Abänderungsbescheid auch auf § 45 SGB X oder eine sachlich-rechnerische Richtigstellung gestützt werden durfte. Es spricht allerdings Vieles dafür, dass die Beklagte die Änderung der ursprünglichen Honorarbescheide auch auf § 85 Abs. 4 SGB V stützen durfte, ohne dabei an die Voraussetzungen des § 45 SGB X gebunden zu sein.
Nach § 85 Abs. 4 Satz 1 - 3 SGB V verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütung unter die Kassenärzte. Sie wendet dabei den im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung sind Art und Umfang der Leistungen des Kassenarztes zugrunde zu legen. Honorarverteilungsregelungen müssen darüber hinaus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art. 12 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, entsprechen (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 26 m.w.N.) und unterliegen der Beobachtungs- und Korrekturpflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen (vgl. hierzu BSG SozR 3-5533 Nr. 763 BMÄ Nr. 1, SozR 3-2500 § 85 Nr. 29). Zwar gelten diese Bestimmungen nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nur für den Erlass von Honorarverteilungsmaßstäben. Sie sind jedoch in einem Falle wie dem vorliegenden auch auf andere Verteilungsmaßnahmen einer KV außerhalb eines Honorarverteilungsmaßstabes anzuwenden, denen eine gesetzliche Verpflichtung zugrunde liegt und die wegen des grundsätzlichen Verbotes einer rückwirkenden Änderung von Normen nicht durch einen (nachträglich zu erlassenden) Honorarverteilungsmaßstab geregelt werden können. Eine solche Sachlage lag hier - wie bereits oben dargelegt - vor. Die Beklagte war verpflichtet, eine Vergütung von mehr als 45 Millionen DM aufgrund verfahrens-rechtlicher Verpflichtungen außerhalb des vom Honorarverteilungsmaßstab geregelten Verteilungsverfahrens nachzuvergüten. Hierbei war sie ebenso wie bei der primären Honorarverteilung an die oben genannten, von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Honorarverteilungsgrundsätze gebunden. Dies schließt eine Anwendung des § 45 SGB X aus, so dass sich die von den Rücknahmebescheiden nunmehr betroffenen Berliner Vertragsärzten mit Erfolg weder auf Vertrauensschutz noch auf eine Pflicht der Beklagten zu einer Ermessensentscheidung zu ihren Gunsten berufen dürfen.
Wie das BSG für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung mehrfach entschieden hat, unterliegt die Rücknahme bestandskräftiger Honorarbescheide nicht den Einschränkungen des § 45 SGB X, soweit diese Vorschrift kraft abweichender gesetzlicher Regelung oder kraft auf gesetzlicher Grundlage erlassener untergesetzlicher Normen nicht anwendbar ist (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23; SozR 3-1300 § 45 Nrn 21 und 22; SozR 3-5525 § 32 Nr. 1). Rechtsgrundlage ist in diesen Fällen vielmehr § 37 SGB I i.V.m. den verdrängenden Sondervorschriften des Vertragsarztrechts, wenn diese Bestimmungen für die von ihnen erfassten Sachverhalte eine eigene, abschließende Regelung der Rücknahmevoraussetzungen treffen (BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn 21 und 22; SozR 3-2500 § 76 Nr. 2 sowie SozR 3-5525 § 32 Nr. 1). Diese Bestimmungen gehen dann den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte vor und schließen deren Anwendung aus (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1). Dazu dürfte auch § 85 Abs. 4 SGB V in Fällen wie dem vorliegenden gehören. Ob durch die §§ 72 ff SGB V i.V.m. den auf ihrer Grundlage erlassenen untergesetzlichen Normen zur vertragsärztlichen Honorarfestsetzung generell die Anwendbarkeit des § 45 SGB X für die Rücknahme von Honorarbescheiden ausgeschlossen ist (so angedeutet in BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 21, 64, 65) bedarf deshalb hier keiner abschließenden Prüfung.
3) Im Hinblick auf die (teilweise) Aufhebung der ursprünglichen Honorarbescheide für die Quartale I und II/96 und die Neuberechnung der dem Kläger zustehenden Vergütung, war er gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, das überzahlte Honorar zu erstatten.
4) Die Verrechnung der von der Beklagten festgestellten Überzahlungen mit offenen Honoraransprüchen findet ihre Rechtsgrundlage in § 51 SGB I, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG-.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rückforderung vertragsärztlichen Honorars für das I. und II. Quartal 1996.
Am 1. Januar 1996 war eine Neufassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) in Kraft getreten, durch den insbesondere ärztliche Gesprächsleistungen höher bewertet wurden. Nach Ablauf des I. Quartals 1996 stellten die Kassenärztlichen Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland fest, dass die Honoraranforderungen für diese Leistungen ein von dem Bewertungsausschuss nicht vorhergesehenes Ausmaß angenommen hatten. Der Ausschuss beschloss daher am 13. Juni 1996 die Einführung von Teilbudgets für Gesprächsleistungen (Nrn. 10,11,17,18,42,44 und 851 EBM), den Ganzkörperstatus (Nr. 60 EBM) und die "Klinisch-Neurologische-Basisdiagnostik" (Nr. 801 EBM). Die Änderung trat rückwirkend zum 1. Januar 1996 in Kraft. Obwohl große Teile der Ärzteschaft und die meisten Kassenärztlichen Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland Bedenken gegen das rückwirkende In-Kraft-Treten hatten, berechnete die Beklagte die Honorare für das I. und II. Quartal 1996 nach der Neufassung des EBM. Der Honorarabrechnung legte sie nach ihren ab 1. Januar 1996 bzw. 1. April 1996 geltenden Honorarverteilungsmaßstäben -HVM- für die sog. „übrigen Leistungen“ gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 HVM einen Punktwert von 5,679 DPf (I/96) bzw. 5,167 DPf (II/96) für die Primärkassen und von 7,541 DPf (I/96) bzw. 7,745 DPf (II/96) für die Ersatzkassen zugrunde. Außerdem fügte sie allen Honorarbescheiden Alternativberechnungen auf der Grundlage der ursprünglichen Fassung des EBM bei. Danach betrug der Punktwert für die "übrigen Leistungen" 4,709 DPf (I/96) bzw. 4,245 DPf (II/96) bei den Primärkassen und 6,252 DPf (I/96) bzw. 6,568 DPf (II/96) bei den Ersatzkassen.
Die dem Kläger - Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde - erteilten Honorarbescheide setzten für das I. Quartal 1996 ein Honorar in Höhe von 112.360,83 DM und für das II. Quartal 1996 ein Honorar in Höhe von 94.204,54 DM fest. Nach den beigefügten Alternativberechnungen beliefen sich die Honorare für das I. Quartal 1996 auf 94.065,67 DM (Differenz: 18.295,16 DM) und für das II. Quartal 1996 auf 78.669,73 DM (Differenz: 15.246,72 DM). Die Honorarbescheide enthielten im Anschluss an die Rechtsmittelbelehrung folgenden Zusatz:
Die Abrechnung erfolgt auf der Grundlage des EBM 96 in der vom Bewertungsausschuss vom 13. Juni 1996 beschlossenen Fassung.
Im Hinblick auf die hiergegen bundesweit erhobenen Klagen steht die Abrechnung unter dem Vorbehalt der nachträglichen Berichtigung für den Fall, dass der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 13. Juni 1996 endgültig für rechtswidrig erklärt werden sollte (§ 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X).
Gegen die Ablehnung der Honorierung eines Teils der erbrachten Gesprächs- und Untersuchungsleistungen erhoben Berliner Vertragsärzte, die von der rückwirkenden Budgetierung betroffen waren, mehr als 2.000 Widersprüche. Um den mit der Bescheidung dieser Widersprüche verbundenen hohen Verwaltungsaufwand und die dadurch entstehenden Kosten gering zu halten und um die Erhebung weiterer Widersprüche zu vermeiden, sagte der Vorstand der Beklagten allen Berliner Vertragsärzten zu, ihre Honorare in den Quartalen I und II/1996 neu zu berechnen, falls sich die rückwirkende Budgetierung als rechtswidrig erweisen sollte (KV-Blatt, Mitteilungsblatt der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, Heft 12/1996, S. 33).
Nachdem das Bundessozialgericht mit Urteil vom 17. September 1997 (BSGE 81, 86 ff) die rückwirkende Budgetierung für rechtswidrig erklärt hatte, errechnete die Beklagte, dass sich die nicht honorierten Leistungen aus diesem Bereich auf 45.079.251,19 DM beliefen, während Vergütungen in Höhe von 44.736.017,31 DM überzahlt worden seien (KV-Blatt 1/1998, S. 91). Wegen des Überzahlungsbetrages berechnete die Beklagte die Honorare der betroffenen Vertragsärzte entsprechend den Alternativberechnungen neu. Mit Bescheid vom 24. November 1997 änderte sie die dem Kläger erteilten Honorarbescheide für die Quartale I/96 und II/96 ab und forderte Honorar in Höhe von 33.541,88 DM zurück (Differenz zwischen den tatsächlich gezahlten Honoraren und den alternativ errechneten). Zur Begründung verwies sie auf § 45 Abs. 3 Nr. 2 und § 50 Abs. 3 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch -SGB X-. Sie kündigte in dem Bescheid gleichzeitig an, der zu erstattende Betrag werde mit der Restzahlung für das II. Quartal 1997 oder in den Folgequartalen verrechnet.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 23. März 1998 mit der Begründung zurück, sie habe alle Honorarbescheide mit Widerrufsvorbehalten versehen und die Ärzte durch die Alternativberechnung darauf hingewiesen, auf welches Honorar sie sich im Falle einer eventuell notwendig werdenden Neuberechnung ihres Honorars einstellen müssten. Damit liege ein dem Regelfall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vergleichbarer Fall vor. Das Ermessen bei der Aufhebung der ursprünglichen Honorarbescheide habe sich auf Null reduziert. Die Besonderheit des gegenwärtigen vertragsärztlichen Abrechnungssystems bestehe darin, dass eine budgetierte Gesamtvergütung an die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte verteilt werde, was zur Folge habe, dass die Abrechnung eines Vertragsarztes den Honoraranspruch der anderen Vertragsärzte unmittelbar und untrennbar berühre. Verzichte die Beklagte gegenüber einem oder mehreren Vertragsärzten auf die Rückforderung von zuviel gezahltem Honorar, dann müssten dies die anderen Vertragsärzte bezahlen. Die Ausübung des Ermessens im Sinne des § 45 SGB X zugunsten eines Vertragsarztes im Sinne des Verzichts auf die Rückforderung stelle sich damit als belastende Maßnahme gegenüber allen anderen Vertragsärzten dar. Somit komme ein Verzicht auf die Rückforderung nicht in Betracht. Schließlich hätte sich der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid auch auf § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X stützen lassen. Diese Bestimmung stelle in Verbindung mit den in den ursprünglichen Honorarbescheiden für die Quartale I und II/96 enthaltenen Widerrufsvorbehalten eine selbständige Rechtsgrundlage für den Widerruf eines Verwaltungsaktes dar, die neben §§ 44 ff SGB X träte. Auf Erwägungen zum Vertrauensschutz käme es dann nicht an.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Berlin durch Urteil vom 16. September 1998 abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Neuberechnungen stellten sich als ein Fall der rechnerischen Richtigstellung bzw. Berichtigung der ursprünglichen Honorarbescheide dar. Darüber hinaus sei die Beklagte im Hinblick auf die von ihr zu beachtende Grundlage der Honorarberechnung nach § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X berechtigt gewesen, die Honorarbescheide aus konkretem Anlass mit dem Vorbehalt des Widerrufs zu versehen. Zumindest lägen jedoch die Voraussetzungen vor, unter denen nach § 45 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt für die Vergangenheit hätte zurückgenommen werden können.
Gegen das ihm am 1. Oktober 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Oktober 1998 Berufung eingelegt. Er trägt vor: Die Rücknahme der Honorarbescheide für die Quartale I und II/96, die Neuberechnung der Honorare durch den angefochtenen Bescheid und die Erstattungsforderung der Beklagten ließen sich weder im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung, über eine Rücknahme der Honorarbescheide nach § 45 SGB X noch durch die Ausübung eines in den ursprünglichen Honorarbescheiden vorbehaltenen Widerrufs gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X durchsetzen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. September 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 24. November 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und beruft sich zur Begründung auf den Inhalt des sozialgerichtlichen Urteils und ihres Widerspruchsbescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere auf das Urteil des Sozialgerichts, sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid, durch den die ursprünglichen Honorarbescheide geändert und überzahltes Honorar zurückgefordert wurde, ist rechtmäßig.
1) Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale I und II/1996 und die Neuberechnung der Vergütungen entsprechend der Alternativberechnung sind § 32 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. den den ursprünglichen Honorarbescheiden beigefügten bestandskräftigen Widerrufsvorbehalten. Die Beklagte war danach zur Aufhebung der rechtswidrigen begünstigenden Honorarbescheide für die Vergangenheit berechtigt, ohne dass es hierfür einer über § 32 SGB X hinausgehenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedurft hätte (vgl. hierzu BSGE 62, 32, 42, 43; SozR 3-1300 § 32 Nrn 2 und 4).
a) Zu Unrecht wird gerügt, dass die Zusätze zu den ursprünglichen Honorarbescheiden nur unverbindliche Hinweise auf eine unklare Rechtslage und keine Nebenbestimmungen im Sinne des § 32 SGB X enthielten. Die Aufnahme eines "Vorbehaltes der nachträglichen Berichtigung im Falle der Rechtswidrigkeit der rückwirkenden Budgetierung" in die Zusätze und das darin enthaltene ausdrückliche Zitat des § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X belegen, dass es sich bei diesen Zusätzen um echte Nebenbestimmungen im Sinne des § 32 SGB X zur Regelung der Honorarhöhe handelte, mit der diese in sachlicher Hinsicht beschränkt werden sollte (zur Definition der Nebenbestimmung vgl. BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 2).
b) Zur Beifügung dieser Nebenbestimmungen war die Beklagte gemäß § 32 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X befugt; es kann deshalb offen bleiben, ob die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmungen angesichts ihrer Bestandskraft überhaupt noch zu überprüfen ist (dafür BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 2, BSGE 48, 120, 124; 38, 41; differenzierend Kasseler Kommentar-Krasney, § 32 SGB X Rdnr. 12, anderer Ansicht Bundesverwaltungsgericht Buchholz 316 § 49 Verwaltungsverfahrensgesetz Nr. 9).
Nach § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dem Kläger stand ein Anspruch auf einen Honorarbescheid zu, jedoch besaß er keinen Anspruch auf ein Honorar einer bestimmten bezifferbaren Höhe, sondern nur ein Recht auf Teilnahme an der Honorarverteilung der Beklagten (Beschluss des Senats vom 5. Dezember 1996 - L 7 Ka-SE 45/96 -). Die konkrete Höhe des ihm zustehenden Honorars bestimmt sich einerseits aus dem von ihm im streitigen Zeitraum in Punktmengen ausgedrückten Umfang der erbrachten Leistungen und dem Punktwert andererseits. Dieser war im Hinblick auf die Unklarheit, ob die rückwirkende Einführung der Budgetierung der genannten Gesprächs- und Untersuchungsleistungen rechtmäßig war, ungewiss, bevor eine höchstrichterliche Entscheidung über den EBM 96 in der Fassung vom 13. Juni 1996 vorlag. Vor dem Ergehen dieser Entscheidung war die Beklagte, der eine eigene Verwerfungskompetenz für die durch den EBM 96 eingeführte rückwirkende Budgetierung nicht zustand, grundsätzlich verpflichtet, die vertragsärztlichen Leistungen unter Zugrundelegung des EBM 96 in der Fassung vom 13. Juni 1996 mit dem sich danach ergebenden Punktwert zu honorieren. Die Unklarheit der Rechtmäßigkeit dieser Regelungen und die damit zwangsläufig verbundenen Auswirkungen auf den Punktwert sowie die Vergütung aller Berliner Vertragsärzte berechtigte die Beklagte gemäß § 32 Abs. 1 SGB X, die Honorarbescheide mit einem Widerrufsvorbehalt zu verbinden, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Honorarbescheide erfüllt werden (§ 32 Abs. 1 2. Alternative SGB X; in diesem Sinne wohl auch BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23). Mit dieser Nebenbestimmung konnte und sollte sichergestellt werden, dass alle Berliner Vertragsärzte endgültig nur ein Honorar in rechtmäßiger Höhe erhielten. Der Begriff der Sicherstellung in § 32 Abs. 1 SGB X ist dahingehend auszulegen, dass ein Verwaltungsakt vor Eintritt der gesetzlichen Voraussetzungen der in ihm getroffenen Regelung mit einer Ne-benbestimmung ergehen darf, wenn eine abschließende Entscheidung - aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen - noch nicht möglich ist, so dass durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden muss, dass diese Regelung nur bei Eintritt der Voraussetzungen wirksam wird oder wirksam bleibt. Aus der Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zur Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen folgt auch, dass der Gesetzgeber der Verwaltung die Befugnis einräumt, Verwaltungsakte bereits dann zu erlassen, wenn noch nicht alle gesetzlichen und untergesetzlichen Voraussetzungen zu ihrer Überzeugung erfüllt sind, wie dies hier bei der Höhe des Punktwertes und damit der vertragsärztlichen Vergütung der Fall war. Im Bereich der gebundenen Entscheidungen lässt sich daher die generelle Befugnis zu vorläufigen Leistungen aus § 32 Abs. 1 SGB X herleiten (vgl. zum Vorstehenden BSGE 62, 32, 39, 49). Ist eine abschließende Entscheidung im Entscheidungszeitpunkt noch nicht möglich, weil zwingende Gründe die endgültige Leistungsgewährung unmöglich machen, kann aber der gesetzliche Zweck der Leistung nur erreicht werden, wenn sie möglichst zeitnah erbracht wird, darf die Leistung in voller Höhe vorläufig gewährt und die Vorläufigkeit über einen Widerrufsvorbehalt abgesichert werden. Eine abschließende Entscheidung über einen Anspruch ist auch dann noch nicht möglich, wenn sie hinsichtlich einzelner Voraussetzungen von einer - alsbald zu erwartenden - höchstrichterlichen Entscheidung abhängt. Die Beifügung des Widerrufsvorbehaltes in einem solchen Fall entspricht auch den Interessen der Vertragsärzte an einer schnellen Honorierung ihrer bereits erbrachten vertragsärztlichen Leistungen auf der Grundlage des im Zeitpunkt des Erlasses der Honorarbescheide anwendbaren Rechts (vgl. dazu BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23). Die den Honorarbescheiden beigefügte Nebenbestimmung läuft damit den Zwecken der Honorarbescheide erkennbar nicht zuwider, so dass in diesem Verfahren auch kein Verstoß gegen § 32 Abs. 3 SGB X liegt. Der Einwand, die Beklagte hätte statt eines unter dem Vorbehalt des Widerrufs erlassenen Honorarbescheides nur eine Vorauszahlung leisten dürfen, vermag deshalb nicht zu überzeugen. Vielmehr lag es im Ermessen der Beklagten, auf das auszuzahlende Honorar gemäß § 42 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch -SGB I- einen Vorschuss zu zahlen oder die volle Leistung vorweg zu leisten und ihre Vorläufigkeit durch einen Widerrufsvorbehalt sicherzustellen.
c) Die Beklagte war deshalb gemäß § 32 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 SGB X dazu berechtigt, in die ursprünglichen Honorarbescheide für die Quartale I und II/96 Widerrufsvorbehalte in der Form von Rücknahmevorbehalten aufzunehmen. Die Befugnis hierzu ergibt sich entweder unmittelbar aus § 32 Abs. 1 SGB X, der die Aufnahme auch solcher Nebenbestimmungen erlaubt, die in § 32 Abs. 2 SGB X nicht geregelt sind, weil die Aufzählung in § 32 Abs. 2 SGB X nicht abschließend ist (so BSGE 62, 32, 42; Kasseler Kommentar-Krasney § 32 SGB X Rdnr. 4) oder aber deswegen, weil der Rücknahmevorbehalt einen speziellen Fall des in § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X geregelten Widerrufsvorbehaltes darstellt (so BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 2 und 4 sowie BVerwGE 67, 99, 102).
d) Nachdem das BSG den Beschluss des Bewertungsausschusses vom 13. Juni 1996 über die Einführung einer rückwirkenden Budgetierung endgültig für rechtswidrig erklärt hatte, durfte die Beklagte die ursprünglichen Honorarbescheide unter Berufung auf den Rücknahmevorbehalt aufheben und das Honorar - wie bereits angekündigt - neu berechnen. Hierbei war sie nicht an die gesetzlich geregelten Vertrauensschutzgründe des § 45 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 SGB X gebunden (in diesem Sinne BSGE 62, 32, 42, 43; SozR 3-1300 § 32 Nrn 2 und 4). § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X stellt eine eigenständige, neben § 45 SGB X tretende Rechtsgrundlage dar, einen Verwaltungsakt mit einem Rücknahmevorbehalt zu versehen und gestützt darauf, einen begünstigenden Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Die Vorschrift knüpft anders als § 45 SGB X nicht an die Rechtswidrigkeit begünstigender Bescheide an, sondern setzt - wie bereits dargestellt - eine Unklarheit der Voraussetzungen des begünstigenden Bescheides in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraus. Ob die danach rechtmäßige Rücknahme gleichwohl nur innerhalb der in § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X genannten Frist ergehen durfte, bedarf hier keiner Entscheidung, weil die Beklagte sie innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen ausgesprochen hat (vgl. zum Problem BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 4).
e) Die Rücknahme der ursprünglichen Honorarbescheide und die Neuberechnung der Honorare wäre auch dann nicht rechtswidrig, wenn die Beklagte auf eine Ermessensentscheidung bei der Ausübung des Rücknahmevorbehaltes verzichtet hätte (vgl. zur Notwendigkeit der Ermessensausübung BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 5 m.w.N.). Soweit in den Erwägungen des Widerspruchsbescheides zu der Unverzichtbarkeit der Rücknahme der ursprünglichen Honorarbescheide und der darauf gestützten Rückforderung überzahlten Honorars keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit den widerstreitenden Interessen der durch die rückwirkende Budgetierung benachteiligten und begünstigten Ärzte und damit keine am Zweck der Ermächtigung orientierte Entscheidung vorläge, die die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhielte, läge jedenfalls eine Reduzierung des Ermessens dergestalt vor, dass nur die Ausübung des Rücknahmevorbehaltes rechtmäßig wäre (sogenannte Ermessensreduzierung auf Null). Denn nur auf diese Weise konnte sich die Beklagte rechtmäßig die benötigten Mittel für die Befriedigung der Nachzahlungsansprüche der von der rückwirkenden Budgetierung betroffenen Vertragsärzte beschaffen.
Die Beklagte war nach der Entscheidung des BSG vom 17. September 1997 verpflichtet, den von der rückwirkenden Budgetierung von Gesprächs- und Untersuchungsleistungen im EBM 96 in der Fassung vom 13. Juni 1996 betroffenen Berliner Vertragsärzten mehr als 45 Millionen DM nachzuvergüten. Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 18. März 1998 (SozR 3-1300 § 44 Nr. 23) betont, dass eine Kassenärztliche Vereinigung -KV- im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Honorarverteilungsmaßstabes bei der von ihr gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X zu treffenden Ermessensentscheidung die Rücknahme rechtswidriger bestandskräftiger Honorarkürzungsbescheide unter bestimmten Umständen ablehnen und der Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Vergütung gegenüber dem Anspruch des Einzelnen auf materielle Gerechtigkeit den Vorrang geben darf. Eine solche Situation lag hier aber nicht vor. Denn die von der rückwirkenden Budgetierung betroffenen Berliner Vertragsärzte hatten gegen die Honorarkürzungen mehr als 2.000 Widersprüche erhoben, so dass diese Honorarkürzungen nicht bestandskräftig werden konnten. Darüber hinaus hatte der Vorstand der Beklagten allen Berliner Vertragsärzten zugesagt, auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur rückwirkenden Budgetierung gegebenenfalls eine Neuberechnung aller vertragsärztlichen Honorare für die Quartale I und II/1996 vorzunehmen. Hierzu war er durch § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- und die dazu von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Honorarverteilungsgrundsätze sowie durch § 72 Abs. 2 SGB V berechtigt, um die Funktionsfähigkeit der KV dadurch sicherzustellen, dass eine Bearbeitung der Mehrzahl der bereits erhobenen Widersprüche zurückgestellt, die Einlegung weiterer verhindert und die Verursachung unverhältnismäßig hoher Verfahrens- und Prozesskosten vermieden werden konnte. Aber selbst wenn die Neuberechnung der Honorare mangels Zusicherung gemäß § 34 Abs. 1 SGB X bei den Vertragsärzten, die keine Rechtsbehelfe gegen die Honorarkürzungen eingelegt hatten, nicht zu einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten geführt haben sollte, zwangen die 2.000 erhobenen Widersprüche aus verfahrensrechtlichen bzw. prozessrechtlichen Gründen zu einer erneuten Honorarverteilung zwischen den von der rückwirkenden Budgetierung benachteiligten und allen anderen Berliner Vertragsärzten. Diese verfahrensrechtlich veranlasste, nachträgliche Honorarverteilung kann ebensowenig wie die ursprüngliche durch Grundsätze des Vertrauensschutzes oder ein Ermessen der KV ausgeschlossen werden. Denn die Beklagte hatte außer einer teilweisen Neuverteilung des Honorars für die Quartale I und II/96 keine andere rechtmäßige Möglichkeit, sich die Mittel für die Honorarnachzahlungen zu beschaffen.
Einer Nachforderung gegenüber den Krankenkassen steht das vom Gesetz vorgesehene gesamtvertragliche Vergütungssystem entgegen. Die Beklagte durfte auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V nur die vereinbarte und von den Krankenkassen gezahlte Gesamtvergütung an die Vertragsärzte verteilen. Nachforderungen gegenüber den Krankenkassen im Hinblick auf die entstandenen Nachforderungsansprüche eines Teils der Berliner Vertragsärzte waren grundsätzlich ausgeschlossen und mussten in einem beitragsfinanzierten Krankenversicherungssystem ausgeschlossen sein, weil die Kassen ihrerseits von den Versicherten keine höheren Beiträge einziehen konnten (BSG, Urteil vom 3. März 1999 - B 6 KA 8/98 R = SGb 1999, 294, zur Veröffentlichung in Sozialrecht -SozR- vorgesehen). Auch ein Rückgriff auf den gemäß § 11 HVM gebildeten Honorarausgleichsfond schied aus, weil dieser mit 1 % der Gesamtvergütung aller Krankenkassen gebildet war und eine (nachträgliche) Erhöhung der Rückstellungen im Hinblick auf die rückwirkende Einführung der Budgetierung der Gesprächs- und Untersuchungsleistungen denselben rechtlichen Bedenken begegnet wäre, wie die Budgetierung selbst (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 18); aus diesem Grunde kann der Beklagten nicht entgegengehalten werden, dass sie im vorliegenden Falle keine Rückstellungen gebildet hat (vgl. zu dieser Pflicht BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23). Mit 1 % der Gesamtvergütung hätten nach den Feststellungen des Senats die erforderlichen 45 Millionen DM nicht nachvergütet werden können; dies hätte eine jährliche vertragsärztliche Vergütung von 4,5 Milliarden DM vorausgesetzt. Die Berliner Vertragsärzte haben jedoch von den Krankenkassen lediglich eine Gesamtvergütung in Höhe von ca. 2 Milliarden DM im Jahre 1996 erhalten. Der Beklagten wäre deshalb bei dieser Sachlage nur der Rückgriff auf die laufende Gesamtvergütung zur Deckung der Honoraransprüche wegen der rückwirkenden Budgetierung als Alternative übrig geblieben. Bei der genannten Summe hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die aktuellen Honorarzahlungen gehabt. Ungeachtet der Tatsache, ob die dadurch erforderlich werdende Absenkung des ohnehin schon niedrigen Punktwertes zu einer ausreichenden Honorierung der Berliner Vertragsärzte gereicht hätte, stünden dieser Lösung auch erhebliche rechtliche Bedenken entgegen, weil nicht nur die durch die rückwirkende Budgetierung betroffenen Vertragsärzte ihre Nachvergütung zum Teil selbst hätten mitbezahlen müssen, sondern auch diejenigen Ärzte belastet würden, die in den früheren, hier betroffenen Zeiträumen noch nicht Mitglieder der Beklagten gewesen waren (vgl. zu diesem Problem BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23 Seite 52). Bei dieser Sachlage scheint es dem Senat insbesondere aus dem in Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG- vorgesehenen rechtsstaatlichen Gebot, rechtmäßige Zustände auch für die Vergangenheit herzustellen, geboten, verfahrensrechtlich bedingte, nicht anders zu befriedigende Honoraransprüche eines Teils der Berliner Vertragsärzte zu Lasten der durch den EBM 96 begünstigten Vertragsärzte durch eine teilweise neue Honorarverteilung vorzunehmen. Dies entspricht im Übrigen auch der vom Gesetzgeber dem § 49 SGB X zugrunde gelegten Interessenlage. Denn auch wenn durch die rechtswidrige Honorarkürzung aufgrund der rückwirkenden Budgetierung im EBM 96 die von der Rückforderung nunmehr betroffenen Vertragsärzte nicht nach der Art eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung unmittelbar rechtlich begünstigt waren, ist ihre Begünstigung wirtschaftlich doch unmittelbar durch diese rückwirkende Budgetierung herbeigeführt worden. Der in § 49 SGB X enthaltene Rechtsgedanke spricht deshalb dafür, ihre Honorare rückwirkend auf die rechtmäßige Höhe zu kürzen, ohne dass sie sich auf Vertrauensschutz, Ausschlussfristen oder eine Ermessensausübungspflicht der Beklagten zu ihren Gunsten berufen durften. Dies hat die Beklagte in der Sache in dem Widerspruchsbescheid vom 23. März 1998 auch ausgeführt und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.
2) Bei dieser Rechtslage bedurfte es keiner Erörterung mehr darüber, ob der streitige Abänderungsbescheid auch auf § 45 SGB X oder eine sachlich-rechnerische Richtigstellung gestützt werden durfte. Es spricht allerdings Vieles dafür, dass die Beklagte die Änderung der ursprünglichen Honorarbescheide auch auf § 85 Abs. 4 SGB V stützen durfte, ohne dabei an die Voraussetzungen des § 45 SGB X gebunden zu sein.
Nach § 85 Abs. 4 Satz 1 - 3 SGB V verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütung unter die Kassenärzte. Sie wendet dabei den im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung sind Art und Umfang der Leistungen des Kassenarztes zugrunde zu legen. Honorarverteilungsregelungen müssen darüber hinaus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art. 12 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, entsprechen (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 26 m.w.N.) und unterliegen der Beobachtungs- und Korrekturpflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen (vgl. hierzu BSG SozR 3-5533 Nr. 763 BMÄ Nr. 1, SozR 3-2500 § 85 Nr. 29). Zwar gelten diese Bestimmungen nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nur für den Erlass von Honorarverteilungsmaßstäben. Sie sind jedoch in einem Falle wie dem vorliegenden auch auf andere Verteilungsmaßnahmen einer KV außerhalb eines Honorarverteilungsmaßstabes anzuwenden, denen eine gesetzliche Verpflichtung zugrunde liegt und die wegen des grundsätzlichen Verbotes einer rückwirkenden Änderung von Normen nicht durch einen (nachträglich zu erlassenden) Honorarverteilungsmaßstab geregelt werden können. Eine solche Sachlage lag hier - wie bereits oben dargelegt - vor. Die Beklagte war verpflichtet, eine Vergütung von mehr als 45 Millionen DM aufgrund verfahrens-rechtlicher Verpflichtungen außerhalb des vom Honorarverteilungsmaßstab geregelten Verteilungsverfahrens nachzuvergüten. Hierbei war sie ebenso wie bei der primären Honorarverteilung an die oben genannten, von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Honorarverteilungsgrundsätze gebunden. Dies schließt eine Anwendung des § 45 SGB X aus, so dass sich die von den Rücknahmebescheiden nunmehr betroffenen Berliner Vertragsärzten mit Erfolg weder auf Vertrauensschutz noch auf eine Pflicht der Beklagten zu einer Ermessensentscheidung zu ihren Gunsten berufen dürfen.
Wie das BSG für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung mehrfach entschieden hat, unterliegt die Rücknahme bestandskräftiger Honorarbescheide nicht den Einschränkungen des § 45 SGB X, soweit diese Vorschrift kraft abweichender gesetzlicher Regelung oder kraft auf gesetzlicher Grundlage erlassener untergesetzlicher Normen nicht anwendbar ist (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 23; SozR 3-1300 § 45 Nrn 21 und 22; SozR 3-5525 § 32 Nr. 1). Rechtsgrundlage ist in diesen Fällen vielmehr § 37 SGB I i.V.m. den verdrängenden Sondervorschriften des Vertragsarztrechts, wenn diese Bestimmungen für die von ihnen erfassten Sachverhalte eine eigene, abschließende Regelung der Rücknahmevoraussetzungen treffen (BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn 21 und 22; SozR 3-2500 § 76 Nr. 2 sowie SozR 3-5525 § 32 Nr. 1). Diese Bestimmungen gehen dann den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte vor und schließen deren Anwendung aus (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1). Dazu dürfte auch § 85 Abs. 4 SGB V in Fällen wie dem vorliegenden gehören. Ob durch die §§ 72 ff SGB V i.V.m. den auf ihrer Grundlage erlassenen untergesetzlichen Normen zur vertragsärztlichen Honorarfestsetzung generell die Anwendbarkeit des § 45 SGB X für die Rücknahme von Honorarbescheiden ausgeschlossen ist (so angedeutet in BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 21, 64, 65) bedarf deshalb hier keiner abschließenden Prüfung.
3) Im Hinblick auf die (teilweise) Aufhebung der ursprünglichen Honorarbescheide für die Quartale I und II/96 und die Neuberechnung der dem Kläger zustehenden Vergütung, war er gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, das überzahlte Honorar zu erstatten.
4) Die Verrechnung der von der Beklagten festgestellten Überzahlungen mit offenen Honoraransprüchen findet ihre Rechtsgrundlage in § 51 SGB I, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG-.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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