Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 LW 12/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 18/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.04.2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Beitragserstattung für die Zeit vom 01.10.1974 bis zum 30.11.1977 sowie vom 01.03.1978 bis zum 30.04.1981, also für 76 Kalendermonate.
Der am ...1938 geborene Kläger hat in den oben genannten Zeiten für zwei verschiedene landwirtschaftliche Anwesen in M ... und in R ... (Sch ...) Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterssicherung der Landwirte entrichtet. Von dem erstgenannten Betrieb trennte er sich zum 01.12.1977; hierzu teilte ihm die Beklagte (LAK) am 30.08.1978 mit, dass er insoweit nicht mehr Mitglied der Beklagten und damit nicht mehr beitragspflichtig sei.
Zum 16.04.1981 verkaufte der Kläger auch sein Anwesen in R ... Anschließend zog er mit seiner Familie nach Kanada.
Mit Bescheid vom 23.11.1981 teilte die Beklagte ihm mit, dass er auf Grund des Verkaufs seines Unternehmens in R ... aus dem Mitgliederverzeichnis der LAK gestrichen werde. Zugleich wurde er von der Möglichkeit der Weiterentrichtung von Beiträgen unterrichtet; als Frist für die hierfür notwendige Erklärung wurde ihm die Zeit bis zum 30.04.1983 genannt.
Auf telefonische Anfrage des Klägers am 03.08.1983 teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom selben Tag mit, dass die Frist zur Erklärung über eine freiwillige Weiterentrichtung von Beiträgen - wie angekündigt - am 30.04.1983 abgelaufen sei.
Mit Schreiben vom 15.10.1998, bei der Beklagten eingegangen am selben Tag, beantragte der Kläger die Erstattung seiner Beiträge. Dies wurde von der Beklagten mit - hier streitbefangenem - Bescheid vom 27.10.1998 abgelehnt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.01.1999).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht Nürnberg wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.04.2000 als unbegründet ab. Sowohl nach dem GAL als auch nach dem ab 01.01.1995 geltenden ALG sei der Anspruch des Klägers nicht begründet, weil das Gesetz eine Beitragserstattung unter den beim Kläger gegebenen Umständen nicht vorsehe.
Gegen diesen ihm am 22.04.2000 zugestellten Bescheid legte der Kläger mit am 05.05.2000 eingegangenem Schreiben Berufung ein.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.04.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 27.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die für die Zeit vom 01.10.1974 bis zum 30.11.1977 und vom 01.03.1978 bis zum 30.04.1981 entrichteten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Zurückweisung der Berufung.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Nürnberg, Az. S 9 Lw 12/99. Auf diese Unterlagen, auf den Inhalt der Berufungsakte und auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie erweist sich allerdings in der Sache selbst als nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann von der Beklagten keine Erstattung der von ihm gezahlten Beiträge verlangen.
Die Rechtsgrundlage für die Erstattung von zu Recht entrichteten Beiträgen ist, nachdem der entsprechende Antrag im Oktober 1998 gestellt wurde, "das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte" (ALG) vom 29.07.1994 in der Fassung des Rentenreformgesetzes vom 16.12.1997. Betroffen sind im vorliegenden Fall Beiträge aus der Zeit vor dem 01.01.1995, so dass die maßgebliche Vorschrift § 117 ALG ist. Diese Vorschrift geht jedenfalls in ihrem Abs. 1 als lex specialis zu § 75 ALG dieser allgemeinen (Neu-)Regelung vor (Verbandskommentar, GLA-Komm § 117 ALG Vorbem. vor 1). § 117 Abs. 1 ALG ist nämlich eine spezifische Übergangsvorschrift für die Beitragserstattung. Danach werden Versicherten, die am 31.12.1994 die Voraussetzungen nach § 27a GAL erfüllt hatten, innerhalb einer Erklärungsfrist von zwei Jahren nach dem Ende der Beitragspflicht auf Antrag ihre bis dahin entrichteten Beiträhe erstattet. Nach Ablauf der zwei Jahre ist eine Erstattung insoweit ausgeschlossen. Mit dieser Regelung wurde die nach dem GAL geltende unbefristete Möglichkeit einer Beitragserstattung ersetzt durch eine fristgebundene; zugleich war dies die letzte Möglichkeit, Beiträge in voller Höhe erstattet zu bekommen (vgl. BSG, Urteil vom 25.05.2000, Az. B 10 LW 16/99 R).
Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 ALG werden einem Landwirt die Beiträge in voller Höhe (§ 117 Abs. 1 Satz 2 ALG erklärt den § 76 Abs. 1 Satz 1 ALG hier nicht für anwendbar) erstattet, wenn er unter anderem für wenigstens 180 Kalendermonate Beiträge an die LAK gezahlt hat (aaO Nr. 1). Dies trifft hier nicht zu. Der Kläger bleibt mit insgesamt 76 tatsächlich gezahlten Kalendermonatsbeiträgen weit hinter der vom Gesetz geforderten Schwelle zurück.
Diese Lücke ist auch nicht auf anderem Weg nachträglich noch zu schließen. Der Kläger kann nämlich - abgesehen von der Frage nach der Wirtschaftlichkeit einer solchen Lösung - die fehlenden Beiträge aus Rechtsgründen auch nicht etwa jetzt noch nachzahlen.
So kann man die telefonische Anfrage des Klägers bei der Beklagten vom 03.08.1983 (die als solche von der Beklagten bestätigt worden ist) nicht als Antrag gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 des "Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte" (GAL) auf freiwillige Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses werten, mit der möglichen Konsequenz, dass der Kläger im Gefolge dieses Antrags noch Pflichtbeiträge zu zahlen und damit die in § 117 aa0 geforderten insgesamt 180 Kalendermonate auffüllen könnte. Diese Möglichkeit scheitert an einem wichtigen Tatbestandsmerkmal des § 27 aa0. Deren Abs. 1 Satz 1 verlangt nämlich, dass die entsprechende Erklärung des Landwirts " ...innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende der Beitragspflicht ..." abgegeben werden muss. Dies ist hier nicht der Fall. Die Beitragspflicht des Klägers hat Ende März 1981 geendet, wie die Beklagte auch vom Kläger unwidersprochen im Bescheid vom 23.11.1981 festgestellt hat. Damit ist eine am 03.08.1983 abgegebene Erklärung verspätet.
Zwar wäre die mögliche Erklärung des Klägers vom 03.08.1983, das Versicherungsverhältnis freiwillig fortsetzen zu wollen, dann noch rechtzeitig abgegeben worden, wenn man als maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der genannten Zweijahresfrist nicht das Ende der Versicherungspflicht (hier also den 30.03.1981) annimmt, sondern die Zustellung des diese Beendigung feststellenden Bescheids der Beklagten, also den November 1981. Diese Möglichkeit ist diskutabel, weil die Zweijahresfrist des § 27 Abs. 1 Satz 1 GAL dem Landwirt eine tatsächliche Bedenkzeit einräumen soll, die ihm nur dann zur Verfügung stünde, wenn man diese Frist erst mit Zustellung des Feststellungsbescheids anlaufen ließe; darauf weist auch die Beklagte im Schriftsatz vom 12.01.2001 hin. Im vorliegenden Fall führt jedoch auch diese Überlegung nicht zu einem dem Kläger günstigen Ergebnis. Seine möglicherweise auf dem skizzierten Weg in Frage kommende Berechtigung, seine Beiträge von der Beklagten erstattet zu bekommen, scheitert nämlich an seiner faktischen Auswanderung nach Kanada. Mit diesem Schritt hatte der Kläger zum Zeitpunkt des potenzielles Antrags im August 1983 seinen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland längst aufgegeben. Damit entfiel nun aber die Möglichkeit, in Deutschland weiterversichert bleiben zu können (§ 3 Nr. 2 SGB IV). Dass dies gerade auch für möglich Versicherte im Sinn des § 27 GAL gilt, hat das BSG hervorgehoben (Urteil vom 31.03.1992, Az. 4 RLw 9/91).
Auch auf dem Weg eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann dem Kläger nicht zu dem von ihm erstrebten Erfolg verholfen werden. Selbst wenn man über die Konstruktion einer Verletzung der Beratungs- und Auskunftspflicht der Beklagten (§§ 14f SGB I) zu einer Zulassung der nachträglichen Erklärung des Klägers über die Fortsetzung seines Versicherungsverhältnisses gemäß § 27 GAL kommen wollte, würde dies an den oben angestellten Überlegungen zur Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts weg aus Deutschland scheitern. Zugleich würde es an einer Kausalität zwischen möglicher Falschberatung bzw. auskunft einerseits und der Nichtfortsetzung des Versicherungsverhältnisses fehlen, weil der Kläger seinen eigenen Angaben nach in den Jahren 1981/82 aus wirtschaftlichen Gründen keineswegs in der Lage gewesen wäre, finanzielle Mittel für Versicherungsbeiträge aufzubringen.
Nachdem somit insgesamt mangels für 180 Kalendermonate gezahlter Beiträge eine Erstattung nach § 117 Abs. 1 ALG nicht stattfindet, stellt sich die Frage, ob dieses Ziel nicht doch über § 75 ALG - dann zumindest in Höhe der Hälfte, § 76 Abs. 1 Satz 1 ALG - erreicht werden kann.
Dies ist nicht der Fall.
§ 75 ALG ist als lex generalis durch § 117 ALG als lex specialis für Beiträge, die vor dem 01.01.1995 bezahlt wurden, grundsätzlich ausgeschlossen. § 117 Abs. 2 ALG entfaltet eine Sperrwirkung gegenüber § 75 ALG zumindest dann, wenn seine Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind. Durch diese Vorschrift sollten die bis zum 01.01.1995 bestehenden Möglichkeiten einer Beitragserstattung eingeschränkt, nicht aber etwa ausgeweitet werden (vgl. Materialien zum Agrarsozialreformgesetz 1995, im Materialband des Gesamtverbands der Landwirtschaftlichen Alterskassen S. 164).
Die gesamte Vorschrift des § 117 ALG ist nämlich im Fünften Kapitel des ALG, dem über "Sonderregelungen", und dort wiederum im Zweiten Abschnitt, also demjenigen über "Ausnahmen von der Anwendung neuen Rechts", angesiedelt. Sie enthält, soweit ihr Tatbestand reicht, eine abschließende und gegenüber allgemeineren Vorschriften ausschließliche Regelung. Daraus folgt, dass Sachverhalte, die unter diese Regelung zu subsumieren sind, allein nach diesen Regeln beurteilt werden müssen; eine Berücksichtigung abweichender Vorschriften wie der des § 75 ALG ist insoweit ausgeschlossen. Dass dies nur dann gelten dürfte, wenn der Gesetzgeber in § 75 ALG eine ausdrückliche Verweisung auf § 117 Abs. 2 ALG angebracht hätte (so das LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.08.1999, Az. L 5 Lw 5/98), vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Die vorrangige Bedeutung einer lex specialis gegenüber einer lex generalis tritt allein durch ihren Regelungsinhalt, der die besondere Fallregelung deutlich macht, ein und nicht durch einen Vorbehaltsvermerk in der allgemeinen Vorschrift; eine solche steht nämlich immer unter der Einschränkung, gegenüber einer besonderen Regelung zurücktreten zu müssen. Das BSG hat sich zu dieser Frage bisher nicht geäußert (vgl. Urteil vom 31.03.1992, Az. 4 RLw 9/91).
Ob die Sperrklausel des § 117 Abs. 2 ALG eine Anwendung des § 75 ALG generell ausschließt oder aber in den Fällen, in denen ihre Tatbestandsmerkmale im Einzelfall nicht verwirklicht sind, eine hilfsweise Heranziehung der § 75 ALG zulässt, kann im vorliegenden Fall offen bleiben (diese Frage im letzteren Sinn beantwortet der Verbandskommentar, GLA-Komm § 117 ALG Vorbem. vor 1).
Hier hat der Kläger nämlich die Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 ALG erfüllt. Er kann deshalb aus keiner Rechtsgrundlage heraus eine Erstattung seiner Beiträge verlangen.
Zum einen hat er am 31.12.1994 keine Beiträge an die Beklagte bezahlt. Zum andern wir nach dem am 31.12.1994 geltenden Recht eine Beitragserstattung ausgeschlossen.
Die für eine Beitragserstattung maßgebliche Vorschrift war am 31.12.1994 der § 27a GAL. Auch diese Vorschrift verlangte, dass der Versicherte für wenigstens 180 Kalendermonate Beiträge bezahlt hatte. Dass dies hier nicht der Fall ist, wurde oben ausgeführt.
Die Vorschrift des § 117 Abs. 2 ALG verstößt dabei keineswegs gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Durch § 117 Abs. 2 ALG kommt es nicht etwa zu einem Verlust einer durch das Grundgesetz geschützten Anwartschaft. Der Kläger hatte nämlich auch nach dem GAL von vornherein keinen Erstattungsanspruch oder keinen Anspruch auf Altersgeld bzw. rente. Das Risiko, trotz Beitragszahlungen letztlich keinen Leistungs- oder zumindest keinen Erstattungsanspruch zu erlangen, ist ein typisches Versicherungswagnis und rechtmäßiger systemimmanenter Bestandteil eines Versicherungsverhältnisses.
Der Kläger hätte im Übrigen durchaus die Möglichkeit gehabt, gem. § 27 GAL freiwillig eine Pflichtversicherung einzugehen und damit seine Option auf Leistungen zu einem vollen Leistungs- bzw. Erstattungsanspruch aufzustocken.
Gründe für Bedenken, dass die angesprochenen Regelungen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen könnten, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist die Revision zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
II. Die Beklagte hat dem Kläger keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Beitragserstattung für die Zeit vom 01.10.1974 bis zum 30.11.1977 sowie vom 01.03.1978 bis zum 30.04.1981, also für 76 Kalendermonate.
Der am ...1938 geborene Kläger hat in den oben genannten Zeiten für zwei verschiedene landwirtschaftliche Anwesen in M ... und in R ... (Sch ...) Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterssicherung der Landwirte entrichtet. Von dem erstgenannten Betrieb trennte er sich zum 01.12.1977; hierzu teilte ihm die Beklagte (LAK) am 30.08.1978 mit, dass er insoweit nicht mehr Mitglied der Beklagten und damit nicht mehr beitragspflichtig sei.
Zum 16.04.1981 verkaufte der Kläger auch sein Anwesen in R ... Anschließend zog er mit seiner Familie nach Kanada.
Mit Bescheid vom 23.11.1981 teilte die Beklagte ihm mit, dass er auf Grund des Verkaufs seines Unternehmens in R ... aus dem Mitgliederverzeichnis der LAK gestrichen werde. Zugleich wurde er von der Möglichkeit der Weiterentrichtung von Beiträgen unterrichtet; als Frist für die hierfür notwendige Erklärung wurde ihm die Zeit bis zum 30.04.1983 genannt.
Auf telefonische Anfrage des Klägers am 03.08.1983 teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom selben Tag mit, dass die Frist zur Erklärung über eine freiwillige Weiterentrichtung von Beiträgen - wie angekündigt - am 30.04.1983 abgelaufen sei.
Mit Schreiben vom 15.10.1998, bei der Beklagten eingegangen am selben Tag, beantragte der Kläger die Erstattung seiner Beiträge. Dies wurde von der Beklagten mit - hier streitbefangenem - Bescheid vom 27.10.1998 abgelehnt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.01.1999).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht Nürnberg wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.04.2000 als unbegründet ab. Sowohl nach dem GAL als auch nach dem ab 01.01.1995 geltenden ALG sei der Anspruch des Klägers nicht begründet, weil das Gesetz eine Beitragserstattung unter den beim Kläger gegebenen Umständen nicht vorsehe.
Gegen diesen ihm am 22.04.2000 zugestellten Bescheid legte der Kläger mit am 05.05.2000 eingegangenem Schreiben Berufung ein.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.04.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 27.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die für die Zeit vom 01.10.1974 bis zum 30.11.1977 und vom 01.03.1978 bis zum 30.04.1981 entrichteten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Zurückweisung der Berufung.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Nürnberg, Az. S 9 Lw 12/99. Auf diese Unterlagen, auf den Inhalt der Berufungsakte und auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie erweist sich allerdings in der Sache selbst als nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann von der Beklagten keine Erstattung der von ihm gezahlten Beiträge verlangen.
Die Rechtsgrundlage für die Erstattung von zu Recht entrichteten Beiträgen ist, nachdem der entsprechende Antrag im Oktober 1998 gestellt wurde, "das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte" (ALG) vom 29.07.1994 in der Fassung des Rentenreformgesetzes vom 16.12.1997. Betroffen sind im vorliegenden Fall Beiträge aus der Zeit vor dem 01.01.1995, so dass die maßgebliche Vorschrift § 117 ALG ist. Diese Vorschrift geht jedenfalls in ihrem Abs. 1 als lex specialis zu § 75 ALG dieser allgemeinen (Neu-)Regelung vor (Verbandskommentar, GLA-Komm § 117 ALG Vorbem. vor 1). § 117 Abs. 1 ALG ist nämlich eine spezifische Übergangsvorschrift für die Beitragserstattung. Danach werden Versicherten, die am 31.12.1994 die Voraussetzungen nach § 27a GAL erfüllt hatten, innerhalb einer Erklärungsfrist von zwei Jahren nach dem Ende der Beitragspflicht auf Antrag ihre bis dahin entrichteten Beiträhe erstattet. Nach Ablauf der zwei Jahre ist eine Erstattung insoweit ausgeschlossen. Mit dieser Regelung wurde die nach dem GAL geltende unbefristete Möglichkeit einer Beitragserstattung ersetzt durch eine fristgebundene; zugleich war dies die letzte Möglichkeit, Beiträge in voller Höhe erstattet zu bekommen (vgl. BSG, Urteil vom 25.05.2000, Az. B 10 LW 16/99 R).
Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 ALG werden einem Landwirt die Beiträge in voller Höhe (§ 117 Abs. 1 Satz 2 ALG erklärt den § 76 Abs. 1 Satz 1 ALG hier nicht für anwendbar) erstattet, wenn er unter anderem für wenigstens 180 Kalendermonate Beiträge an die LAK gezahlt hat (aaO Nr. 1). Dies trifft hier nicht zu. Der Kläger bleibt mit insgesamt 76 tatsächlich gezahlten Kalendermonatsbeiträgen weit hinter der vom Gesetz geforderten Schwelle zurück.
Diese Lücke ist auch nicht auf anderem Weg nachträglich noch zu schließen. Der Kläger kann nämlich - abgesehen von der Frage nach der Wirtschaftlichkeit einer solchen Lösung - die fehlenden Beiträge aus Rechtsgründen auch nicht etwa jetzt noch nachzahlen.
So kann man die telefonische Anfrage des Klägers bei der Beklagten vom 03.08.1983 (die als solche von der Beklagten bestätigt worden ist) nicht als Antrag gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 des "Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte" (GAL) auf freiwillige Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses werten, mit der möglichen Konsequenz, dass der Kläger im Gefolge dieses Antrags noch Pflichtbeiträge zu zahlen und damit die in § 117 aa0 geforderten insgesamt 180 Kalendermonate auffüllen könnte. Diese Möglichkeit scheitert an einem wichtigen Tatbestandsmerkmal des § 27 aa0. Deren Abs. 1 Satz 1 verlangt nämlich, dass die entsprechende Erklärung des Landwirts " ...innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende der Beitragspflicht ..." abgegeben werden muss. Dies ist hier nicht der Fall. Die Beitragspflicht des Klägers hat Ende März 1981 geendet, wie die Beklagte auch vom Kläger unwidersprochen im Bescheid vom 23.11.1981 festgestellt hat. Damit ist eine am 03.08.1983 abgegebene Erklärung verspätet.
Zwar wäre die mögliche Erklärung des Klägers vom 03.08.1983, das Versicherungsverhältnis freiwillig fortsetzen zu wollen, dann noch rechtzeitig abgegeben worden, wenn man als maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der genannten Zweijahresfrist nicht das Ende der Versicherungspflicht (hier also den 30.03.1981) annimmt, sondern die Zustellung des diese Beendigung feststellenden Bescheids der Beklagten, also den November 1981. Diese Möglichkeit ist diskutabel, weil die Zweijahresfrist des § 27 Abs. 1 Satz 1 GAL dem Landwirt eine tatsächliche Bedenkzeit einräumen soll, die ihm nur dann zur Verfügung stünde, wenn man diese Frist erst mit Zustellung des Feststellungsbescheids anlaufen ließe; darauf weist auch die Beklagte im Schriftsatz vom 12.01.2001 hin. Im vorliegenden Fall führt jedoch auch diese Überlegung nicht zu einem dem Kläger günstigen Ergebnis. Seine möglicherweise auf dem skizzierten Weg in Frage kommende Berechtigung, seine Beiträge von der Beklagten erstattet zu bekommen, scheitert nämlich an seiner faktischen Auswanderung nach Kanada. Mit diesem Schritt hatte der Kläger zum Zeitpunkt des potenzielles Antrags im August 1983 seinen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland längst aufgegeben. Damit entfiel nun aber die Möglichkeit, in Deutschland weiterversichert bleiben zu können (§ 3 Nr. 2 SGB IV). Dass dies gerade auch für möglich Versicherte im Sinn des § 27 GAL gilt, hat das BSG hervorgehoben (Urteil vom 31.03.1992, Az. 4 RLw 9/91).
Auch auf dem Weg eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann dem Kläger nicht zu dem von ihm erstrebten Erfolg verholfen werden. Selbst wenn man über die Konstruktion einer Verletzung der Beratungs- und Auskunftspflicht der Beklagten (§§ 14f SGB I) zu einer Zulassung der nachträglichen Erklärung des Klägers über die Fortsetzung seines Versicherungsverhältnisses gemäß § 27 GAL kommen wollte, würde dies an den oben angestellten Überlegungen zur Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts weg aus Deutschland scheitern. Zugleich würde es an einer Kausalität zwischen möglicher Falschberatung bzw. auskunft einerseits und der Nichtfortsetzung des Versicherungsverhältnisses fehlen, weil der Kläger seinen eigenen Angaben nach in den Jahren 1981/82 aus wirtschaftlichen Gründen keineswegs in der Lage gewesen wäre, finanzielle Mittel für Versicherungsbeiträge aufzubringen.
Nachdem somit insgesamt mangels für 180 Kalendermonate gezahlter Beiträge eine Erstattung nach § 117 Abs. 1 ALG nicht stattfindet, stellt sich die Frage, ob dieses Ziel nicht doch über § 75 ALG - dann zumindest in Höhe der Hälfte, § 76 Abs. 1 Satz 1 ALG - erreicht werden kann.
Dies ist nicht der Fall.
§ 75 ALG ist als lex generalis durch § 117 ALG als lex specialis für Beiträge, die vor dem 01.01.1995 bezahlt wurden, grundsätzlich ausgeschlossen. § 117 Abs. 2 ALG entfaltet eine Sperrwirkung gegenüber § 75 ALG zumindest dann, wenn seine Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind. Durch diese Vorschrift sollten die bis zum 01.01.1995 bestehenden Möglichkeiten einer Beitragserstattung eingeschränkt, nicht aber etwa ausgeweitet werden (vgl. Materialien zum Agrarsozialreformgesetz 1995, im Materialband des Gesamtverbands der Landwirtschaftlichen Alterskassen S. 164).
Die gesamte Vorschrift des § 117 ALG ist nämlich im Fünften Kapitel des ALG, dem über "Sonderregelungen", und dort wiederum im Zweiten Abschnitt, also demjenigen über "Ausnahmen von der Anwendung neuen Rechts", angesiedelt. Sie enthält, soweit ihr Tatbestand reicht, eine abschließende und gegenüber allgemeineren Vorschriften ausschließliche Regelung. Daraus folgt, dass Sachverhalte, die unter diese Regelung zu subsumieren sind, allein nach diesen Regeln beurteilt werden müssen; eine Berücksichtigung abweichender Vorschriften wie der des § 75 ALG ist insoweit ausgeschlossen. Dass dies nur dann gelten dürfte, wenn der Gesetzgeber in § 75 ALG eine ausdrückliche Verweisung auf § 117 Abs. 2 ALG angebracht hätte (so das LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.08.1999, Az. L 5 Lw 5/98), vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Die vorrangige Bedeutung einer lex specialis gegenüber einer lex generalis tritt allein durch ihren Regelungsinhalt, der die besondere Fallregelung deutlich macht, ein und nicht durch einen Vorbehaltsvermerk in der allgemeinen Vorschrift; eine solche steht nämlich immer unter der Einschränkung, gegenüber einer besonderen Regelung zurücktreten zu müssen. Das BSG hat sich zu dieser Frage bisher nicht geäußert (vgl. Urteil vom 31.03.1992, Az. 4 RLw 9/91).
Ob die Sperrklausel des § 117 Abs. 2 ALG eine Anwendung des § 75 ALG generell ausschließt oder aber in den Fällen, in denen ihre Tatbestandsmerkmale im Einzelfall nicht verwirklicht sind, eine hilfsweise Heranziehung der § 75 ALG zulässt, kann im vorliegenden Fall offen bleiben (diese Frage im letzteren Sinn beantwortet der Verbandskommentar, GLA-Komm § 117 ALG Vorbem. vor 1).
Hier hat der Kläger nämlich die Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 ALG erfüllt. Er kann deshalb aus keiner Rechtsgrundlage heraus eine Erstattung seiner Beiträge verlangen.
Zum einen hat er am 31.12.1994 keine Beiträge an die Beklagte bezahlt. Zum andern wir nach dem am 31.12.1994 geltenden Recht eine Beitragserstattung ausgeschlossen.
Die für eine Beitragserstattung maßgebliche Vorschrift war am 31.12.1994 der § 27a GAL. Auch diese Vorschrift verlangte, dass der Versicherte für wenigstens 180 Kalendermonate Beiträge bezahlt hatte. Dass dies hier nicht der Fall ist, wurde oben ausgeführt.
Die Vorschrift des § 117 Abs. 2 ALG verstößt dabei keineswegs gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Durch § 117 Abs. 2 ALG kommt es nicht etwa zu einem Verlust einer durch das Grundgesetz geschützten Anwartschaft. Der Kläger hatte nämlich auch nach dem GAL von vornherein keinen Erstattungsanspruch oder keinen Anspruch auf Altersgeld bzw. rente. Das Risiko, trotz Beitragszahlungen letztlich keinen Leistungs- oder zumindest keinen Erstattungsanspruch zu erlangen, ist ein typisches Versicherungswagnis und rechtmäßiger systemimmanenter Bestandteil eines Versicherungsverhältnisses.
Der Kläger hätte im Übrigen durchaus die Möglichkeit gehabt, gem. § 27 GAL freiwillig eine Pflichtversicherung einzugehen und damit seine Option auf Leistungen zu einem vollen Leistungs- bzw. Erstattungsanspruch aufzustocken.
Gründe für Bedenken, dass die angesprochenen Regelungen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen könnten, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist die Revision zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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