L 16 LW 18/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 LW 210/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 18/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.03.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Beitragsforderung der beklagten Landwirtschaftlichen Alterskasse für die Zeit vom 01.09.1998 bis 30.06.1999 in Höhe von insgesamt 2.091,- DM, dabei insbesondere um die Frage, ob der Kläger gegen diese Forderung mit von ihm gegen die LKK geltend gemachten Ansprüchen auf Erstattung der Kosten selbst beschaffter Betriebshelfer aufrechnen kann.

Der am 20.01.1938 geborene Kläger ist seit 01.12.1969 als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten.

Er ist inzwischen Alleineigentümer des früher mit der geschiedenen Ehefrau bewirtschafteten Betriebes von 33 ha. Trotz zeitweiser Verpachtungen ab 01.10.1994 an Frau H. war die vom Kläger bewirtschaftete Fläche, auch nach eigenen Angaben, nie geringer als 19,07 ha.

Bereits ab 1993 kam es immer wieder zu Beitragsrückständen, die entweder durch Einzahlung des Klägers bzw. durch Umbuchungen getilgt wurden. Bei den Umbuchungen handelte es sich um Verrechnungen mit Leistungen für Betriebs- und Haushaltshilfe, soweit diese von der Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK) anerkannt waren.

Im Schreiben vom 13.07.1998 wies die Beklagte den Kläger auf einen damaligen Rückstand von 2.260,81 DM und auf das Schreiben der Vollstreckungsstelle vom 13.03.1998 hin, wonach eine Verrechnung mit den Erstattungen für Betriebshelfer nur möglich sei, soweit ein solcher Anspruch bestehe. Die von ihm genannte Summe sei mit Sicherheit falsch. Er wurde darauf hingewiesen, dass in der Vergangenheit Beitragsrückstände mit Betriebshelferlohn verrechnet worden sind, zuletzt rund 10.000,- DM mit einem Rückstand bei der Krankenkasse.

Mit streitigem Bescheid vom 15.12.1998 machte die Beklagte Beiträge für die Zeit vom 01.09.1998 bis 31.12.1998 einschließlich von Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten in Höhe von 805,- DM geltend.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Fax vom 24.12.1998 Widerspruch und begehrte die Aufrechnung mit den ihm zustehenden 100.000,- DM an Betriebshelferkosten. Es könnten ihm deshalb auch keine Säumniszuschläge in Rechnung gestellt werden. Diesen Widerspruch wiederholte der Kläger mit Schreiben vom 05.02.1999.

Mit einem weiteren streitigen Bescheid vom 22.06.1999 stellte die Beklagte für die Zeit vom 01.01.1999 bis 30.06.1999 Beitragsrückstände, Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten in Gesamthöhe von 1.286,- DM fest und forderte den Kläger zur Zahlung auf.

Erneut erhob der Kläger Widerspruch und beantragte die Aufrechnung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.1999 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.06.1999 zurück. Sie beschäftigte sich in diesem Widerspruchsbescheid ausschließlich mit der Zahlung der rückständigen Beiträge in Höhe von 1.286,- DM, legte allerdings grundsätzlich dar, dass der Kläger ein landwirtschaftliches Anwesen seit 1969 bewirtschafte, das immer die Mindestgröße überschritten habe, und somit Beitragspflicht bestehe. Mit dem Bescheid vom 22.06.1999 würden lediglich für die Zeit vom 01.01.1999 bis 30.06.1999 die rückständigen Beiträge und die aufgelaufenen Säumniszuschläge und Kosten gefordert. Allerdings betrage der Gesamtrückstand derzeit 2.045,- DM unter Berücksichtigung des Beitragszuschusses. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hätten und dass eine Verrechnung mit Forderungen gegenüber der Landwirtschaftlichen Krankenkasse aus Betriebs- und Haushaltshilfeleistungen nicht möglich sei, da diese Leistungen Gegenstand eines Verfahrens vor dem Sozialgericht München seien und in keinem Zusammenhang mit der Beitragsforderung der Landwirtschaftlichen Alterskasse stünden.

Mit Schreiben vom 27.11.1999 erhob der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.11.1999 Klage. Erneut beantragte er die Aufrechnung seiner Beitragsschuld mit der von der LKK geschuldeten Betriebshelferkostenerstattung, die er mit 130.000,- DM bezifferte.

Die damalige Klägerbevollmächtigte beantragte das Ruhen bis zur Entscheidung des Verfahrens gegen die LKK über die Rückstände der Betriebshelferkosten, da der Kläger ohne diesen Ausgleich nicht in der Lage sei, die Beiträge zu bezahlen.

Das Sozialgericht wies mit Urteil vom 14.03.2001 die Klage gegen die Bescheide vom 15. Dezember 1998 und 22. Juli 1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1999 ab. Es führte aus, dass im Widerspruchsbescheid zwar der Bescheid vom 15.12. 1998 nicht erwähnt sei, es aber unterstellt werden könne, dass die Beklagte auch diesen Widerspruch verbescheiden wollte, da er die gleiche Materie wie der weitere Bescheid vom 22.06.1999 betreffe, nämlich die Frage der Aufrechnung von Beitragsschulden gegen Erstattung von Betriebshelferkosten. Es entspräche nicht der Prozessökonomie, wollte man hier das Verfahren aussetzen und das Widerspruchsverfahren nachholen lassen. Der Kläger könne mit seinem Begehren aber nicht obsiegen, da eine Aufrechnung von Beitragsschulden gegen Leistungsansprüche nur möglich sei, wenn sich diese gegen denselben Versicherungsträger richteten und wenn sie nach Art und Höhe verbindlich festgestellt seien. Davon könne vorliegend keine Rede sein, da der Anspruch auf Erstattung von Betriebshelferkosten in einem anderen Prozess Streitgegenstand sei. Bevor dieser nicht rechtskräftig entschieden sei, sei eine Aufrechnung nicht möglich.

Gegen das am 25.05.2001 zugestellte Urteil legte der Kläger mit am 15.03.2001 eingegangenem Schreiben Berufung ein. Die Beiträge zur Sozialversicherung seien solange zu stunden, bis im Verfahren S 2 KR 562/98 LW über die Erstattung der Betriebshelferkosten entschieden sei. Sodann könne die LAK die Beitragszahlung gegen die Betriebshelferkosten, die sich auf DM 135.000,- belaufen, aufrechnen. Die Verfahren stünden in einem Zusammenhang, da die Beklagte und die LKK als ein Sozialversicherungsträger aufträten. Die Beklagte nahm im Schriftsatz vom 07.06.2001 auf das nach ihrer Auffassung zutreffende Urteil des Sozialgerichts Bezug.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG München vom 14.03.2001 und die Bescheide der Beklagten vom 15.12.1998 und 22.06.1999, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1999, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Beitragsforderungen mit den ausstehenden Betriebshelferkosten zu verrechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts München S 30 LW 210/99, des BayLSG, sowie aller beigezogenen Akten des Sozialgerichts München über Streitsachen gegen die LKK Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesestz -GG-) ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.

Ebenso wie das Sozialgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass der vom Kläger auch mit Widerspruch angefochtene Bescheid vom 15.12.1998 Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Die Beteiligten haben die Ausführungen des Sozialgerichts zur Einbeziehung des Bescheides vom 15.12.1998 nicht gerügt. Der Kläger hatte vielmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht, wo er anwaltschaftlich vertreten war, ausdrücklich den Bescheid vom 15.12.1998 in seinen Antrag einbezogen und damit zu erkennen gegeben, dass er mit der Einbeziehung dieses Bescheides, was sich aus prozessökonomischen Gründen anbietet, einverstanden ist.

In der Sache kann der Kläger aber keinen Erfolg haben, denn die begehrte Aufrechnung der Beitragsschuld mit vermeintlichen oder noch festzustellenden Leistungsansprüchen auf Erstattung von Betriebhelferkosten gegen die LKK ist nicht zulässig. Seine Beitragsschuld bei der Beklagten bestreitet der Kläger nicht. Eigene Ansprüche gegen die LAK auf Erstattung von Betriebs- und Haushaltshilfe nach § 36 ALG, macht der Kläger weder geltend noch sind dazu Verwaltungsentscheidungen der Beklagten ergangen. Vielmehr richten sich alle beim Sozialgericht München anhängigen Verfahren gegen Entscheidungen der Landwirtschaftlichen Krankenkasse, die im Übrigen für diese Leistungen auch zuständig ist. Ansprüche nach § 36 ALG, also gegen die Beklagte, wären dagegen nur denkbar, wenn eine Leistung des Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung oder der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft kraft Gesetzes ausgeschlossen wäre. Dafür ergeben sich aber weder aus dem Vortrag des Klägers selbst noch aus sonstigen Umständen Hinweise. Soweit beim Sozialgericht München ein weiteres Verfahren gegen die Beklagte (S 30 LW 85/2000 bzw. 14/01) anhängig ist, betrifft dies eine Feststellung der zu zahlenden Beiträge für den Zeitraum ab 01.07.1999. Da der dort streitige Folgebescheid die hier streitigen Bescheide weder verändert noch ersetzt, wurde er nicht nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens.

Das Rechtsinstitut der Aufrechnung ist im Sozialrecht, insbesondere im Sozialgesetzbuch nicht geregelt. Die hier vorhandenen Bestimmungen beschränken sich auf die Normierung einiger Besonderheiten. So erschöpft sich die Funktion des § 51 SGB in der Ziehung der Grenze, bis zu der ein Leistungsträger gegen Ansprüche eines Leistungsempfängers auf laufende Geldleistungen aufrechnen darf; darüber hinaus enthält diese Vorschrift keinen Regelungsinhalt. § 28 SGB IV regelt die Aufrechnung eines Erstattungsanspruchs des Leistungsträgers und ist für Versicherte somit nicht anwendbar

Deshalb bleiben - wie auch schon vor Einführung des SGB -die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts, also im Wesentlichen die §§ 387 ff. BGB, die Rechtsgrundlage auch für eine Aufrechnung im Sozialrecht (vgl. zu Allem Kretschmer/von Maydell/Schellhorn, Gemeinschaftskomm. zum SGB I, Vorbem. vor §§ 51 f, Rdnr.1 bis 4).

Nach der somit maßgebenden Vorschrift des § 387 BGB ist damit eine Aufrechnung nur zulässig, wenn die daran Beteiligten identisch sind; der Aufrechnende muss Gläubiger der Gegenforderung und Schuldner der Hauptforderung sein, der Aufrechnungsgegner Schuldner der Gegenforderung und Gläubiger der Hauptforderung (Gebot der Gegenseitigkeit; Palandt, Komm. zum BGB, 61. Aufl. § 387 Rdnr.4; Staudinger-Gursky, Komm.zum BGB, Neubearbeitung 2000, § 387 Rdnr.20).

Im vorliegenden Fall kommt daher eine Aufrechnung durch den Kläger gegen eine Forderung der Beklagten nur in Betracht, wenn er eigene Ansprüche gegen die Beklagte geltend machen könnte.

Dies trifft nicht zu, da der Kläger wie ausgeführt, keine Ansprüche gegen die Beklagte auf Erstattung der Betriebshelferkosten hat.

Der Versuch des Klägers, mit Forderungen gegen die Landwirtschaftliche Krankenkasse (LKK) aufzurechnen, scheitert gleichfalls, und zwar nicht wegen Fehlens möglicher Ansprüche des Klägers an die LKK, sondern wegen mangelnder Gegenseitigkeit von Aufrechnendem und Aufrechnungsgegner (s.o.). Die (beklagte) Landwirtschaftliche Alterskasse und die Landwirtschaftliche Krankenkasse sind nämlich zwei selbständige Körperschaften des Öffentlichen Rechts und damit voneinander strikt zu trennende juristische Personen (§ 49 ALG bzw. § 17 Abs.1 KVLG 1989 i.V. mit §§ 21, insbes. Abs.2; 23 Abs.2 SGB I sowie Satzungen der LAK und LKK). Diese selbständigen Körperschaften haben unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche. Ihre Eigenständigkeit zeigt sich auch in der voneinander unabhängigen Beitragsverpflichtung und Leistungserbringung.

Die LKK ist deshalb ein am Aufrechnungsverhältnis unbeteiligter Dritter.

Das Verfahren ist auch nicht nach § 114 SGG auszusetzen. Eine Aussetzung kommt nur dann in Frage, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist (§ 114 Abs.2 Satz 1 SGG). Dass die vom Kläger behaupteten und vor dem Sozialgericht verfolgten Ansprüche gegen die LKK den hier anhängigen Rechtsstreit gerade nicht berühren, wurde oben ausgeführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 Ziff.1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved