Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 LW 56/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 1/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 20. November 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente.
Der am 1942 geborene Kläger beantragte am 29.10.1998 wegen Schmerzen im linken Knie seit einem Arbeitsunfall im August 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Klage gegen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hatte er am 05.03.1998 aufgrund eines Terminsgutachtens zurückgenommen. Dr.D. hatte infolge des angeschuldigten Unfallereignisses eine Bewegungseinschränkung am linken Knie, eine Schwellneigung und Sensibilitätsstörungen ausgehend von der Operationsnarbe diagnostiziert und die MdE mit 10 v.H. eingeschätzt. Die Beklagte veranlasste neben einer internistischen Begutachtung eine ambulante Untersuchung durch den Chirurgen Dr.H ... Dieser schrieb in seinem Gutachten vom 01.03.1999, es liege eine mäßiggradige mediale Instabilität des linken Kniegelenkes vor, so dass schwere körperliche Arbeiten nicht mehr zumutbar seien. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag am 19.05.1999 mit der Begrün- dung ab, wegen vollschichtiger Leistungsfähigkeit sei Erwerbsunfähigkeit ausgeschlossen. Dem widersprach der Kläger und trug vor, Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihm unmöglich, da er Schwierigkeiten beim Laufen, Bücken und in unebenem Gelände habe. Er legte eine ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr.K. vom 17.01.2000 vor, wonach er wegen des Zustands am linken Knie als Landwirt dauerhaft arbeitsunfähig sei. Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme wies die Beklagte den Widerspruch am 28.03.2000 zurück. Der Kläger sei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, dieser sei ihm auch nicht verschlossen. Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Ausübung landwirtschaftlicher Tätigkeiten sei ihm unmöglich. Darin wurde er vom Orthopäden Dr.J. unterstützt, der ihm wegen einer Trochanteransatztendinose, initialer Coxarthrose und Zustand am linken Knie Berufsunfähigkeit attestierte. Im Auftrag des Sozialgerichts erstellte Dr.K. am 17.08.2001 nach ambulanter Untersuchung ein fachchirurgisches Gutachten. Er hielt leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Heben von Lasten über 15 kg und ohne Zwangshaltungen für vollschichtig zumutbar. Gestützt auf das Gutachten wies das Sozialgericht die Klage am 20.11.2001 ab. Das Arbeitsplatzrisiko sei nicht von der LAK zu tragen. Gegen den am 29.11.2001 zugestellten Gerichtsbescheid legte der Kläger am 21.12.2001 Berufung ein. Seit 01.05.2001 habe er sein Unternehmen verpachtet. Bereits leichte Belastung des Knies führe zu tagelangen Schmerzen. Er bitte um die Vermittlung geeigneter Tätigkeiten. Nach Einholung eines Befundberichts vom Hausarzt Dr.Ü. beauftragte das Gericht den Orthopäden Dr.A. mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Sachverständige stellte in seinem Gutachten vom 10.07.2002 nach ambulanter Untersuchung krankhafte Veränderungen an der Halswirbelwirbelsäule, der Lendenwirbelsäule, beiden Knien, Schultern, Hüften und Füßen fest. Gegenüber dem Gutachten Dr.K. sah er keine wesentliche Befundänderung, insbesondere keine Schonungs- oder Entlastungshaltung links und keine neurologischen Auffälligkeiten. Er hielt leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Zwangshaltung im Wechselrhythmus, ohne Kälte, Nässe oder Zugluft für vollschichtig zumutbar. Auch ortsübliche Wegstrecken kann der Kläger seines Erachtens zurücklegen. Nach Aufklärung über die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung schrieb der Kläger, die Gutachten stellten nur deshalb ein so günstiges Bild dar, weil Monate vorher keine Arbeiten ausgeführt wurden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 20.11.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 19.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2000 zu verurteilen, ab 01.05. 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Bayreuth sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 20.11.2001 ist ebenso- wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 19.05. 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2000. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nachdem der Kläger seinen Anspruch nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform der Agrarsozialsicherung vom 29.07.1994 (BGBl.I S.1890) am 01.01.1995 und vor In-Kraft-Treten des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16.12.1997 (BGBl.I S.2998) zum 01.01.2001 geltend gemacht hat, beurteilt sich sein Begehren gemäß § 13 ALG in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung. Danach haben Landwirte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn
1. sie erwerbsunfähig nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse gezahlt haben,
3. sie vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben und
4. das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Unstreitig ist, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Verpachtung der Landwirtschaft ab 01.05.2001 erfüllt sind. Der Rentenanspruch scheitert jedoch daran, dass der Kläger bislang nicht erwerbsunfähig ist.
Gemäß § 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI in der bis 31.12.2000 maßgebenden Fassung sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 Satz 2 Ziffer 2 SGB VI). Bei der Prüfung, ob Erwerbsunfähigkeit vorliegt, kommt es (anders als bei der Berufsunfähigkeit) nicht auf den bisherigen Beruf an. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichtet werden können. Unstreitig ist wohl, dass der Kläger in seinem Beruf als Landwirt nicht mehr vollwertig tätig sein kann. Sein Restleistungsvermögen stellt sich jedoch so dar, dass er es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wirtschaftlich verwerten kann.
Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr.A. , der den Kläger persönlich untersucht und seine Auffassung schlüssig begründet hat. Er befindet sich in Übereinstimmung mit dem ebenso neutralen und fachlich kompetenten Dr.K. , der vom Sozialgericht gehört worden ist. Auch der von der Beklagten gehörte Chirurg Dr.H. hat nach ebenfalls ambulanter Untersuchung im März 1999 ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht. Die behandelnden Orthopäden attestieren zwar Berufsunfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit als Landwirt, widersprechen den Beurteilungen der Sachverständigen in der relevanten Frage der Erwerbsunfähigkeit hingegen nicht. Wenn der Kläger jetzt einwendet, die Untersuchungen der Sachverständigen hätten nur deshalb ein positives Leistungsbild ergeben, weil er davor monatelang nicht gearbeitet habe, so verkennt er, dass Sachverständige in Rentenstreitverfahren regelmäßig Arbeitsunfähige zu beurteilen haben, die monate- oder jahrelang keine Erwerbstätigkeit verrichtet haben. In der Mehrzahl der Fälle stehen sie vor der Frage, welche hypothetischen Belastungen beim vorhandenen Krankheitsbild noch tolerabel sind. Erfahrene Sachverständige wie Dr.A. oder Dr.K. sind daher mit dem vom Kläger genannten Problem vertraut und haben es bei ihrer Würdigung in Rechnung gestellt. Sicher unterliegt der Kläger Leistungseinschränkungen. Werden diese jedoch berücksichtigt, kann der Kläger einer körperlich anspruchslosen Ganztagsarbeit nachgehen.
Im Vordergrund des Beschwerdebildes steht der Zustand am linken Kniegelenk. Beklagt werden ein Instabilitätsgefühl, eine erhebliche Stoßempfindlichkeit und die schmerzbedingte Unfähigkeit, eine kniende Position einzunehmen. Klinisch zeigte sich ein medial leicht instabiles linkes Kniegelenk bei Zustand nach Innenbandverletzung vom 17.08.1995 mit anschließender Operation. Während die Beweglichkeit frei war, deuteten ein positiver Patellaverschiebeschmerz und ein positives Zohlenzeichen auf ein Überlastungssyndrom hin. Radiologisch zeigte sich eine beginnende, medial betonte Gonarthrose mit Verkalkungen im Innenbandbereich sowie Verschleißerscheinungen retropatellar. Das rechte Kniegelenk weist ebenfalls gelegentlich Überlastungs- zeichen im Kniescheibenbereich auf und ist radiologisch ebenso verändert wie das linke Kniegelenk. Von Seiten der Wirbelsäule waren im Lendenwirbelsäulenbereich leichte, im Halswirbelsäulenbereich mäßiggradige muskuläre Verspannungen auffällig. Die Halswirbelsäulenbeweglichkeit war in allen Ebenen leicht eingeschränkt, im Lendenwirbelsäulenbereich zeigte sich eine leichte Einschränkung der Entfaltbarkeit. Radiologisch nachweisbar waren an der Halswirbelsäule leichte statische und fortgeschrittene degenerative Veränderungen ohne Anhalt für eine Nervenwurzelirritation. Auch die ausgeprägten degenerativen Veränderungen im lumbosakralen Übergang sind nicht mit einer Nervenwurzelirritation verbunden. Die geklag- ten Schmerzen im Bereich der linken Leiste, ausstrahlend in die linke Genitalregion sind einer pseudoradikulären Symptomatik zuzurechnen. An den oberen Extremitäten war lediglich eine leichte Bewegungseinschränkung an beiden Schultern objektivierbar. Beginnende degenerative Veränderungen an beiden Hüften sind funktionell bedeutungslos. Auch die Veränderungen an den Füßen sind nicht rentenrelevant. Entscheidend ist, dass die Muskelausprägung der unteren Extremitäten wie im Vorgutachten nahezu identisch war, also keine Zeichen der Schonungs- oder Entlastungshaltung des linken Beins feststellbar waren. Die Veränderungen an den unteren Extremitäten und der Wirbelsäule haben zur Folge, dass der Kläger keine schweren Arbeiten mehr verrichten kann. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten sind hingegen zumutbar, sofern die Möglichkeit eines Haltungswechsels gegeben ist, statische Zwangshaltungen ebenso vermieden werden können wie Kälte, Nässe und Zugluftexposition. Leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen und temperierten Räumen kann der Kläger hingegen noch vollschichtig ausüben. Damit wäre den orthopädischen Gesundheitsstörungen in vollem Umfang Rechnung getragen. Nachdem keine weiteren Gesundheitsstörungen geklagt werden und die internistische Untersuchung im Auftrag der Beklagten auch keine nennenswerten Gesundheitsstörungen ergeben hat, ist von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers auszugehen. Erwerbsunfähigkeit ist daher gemäß § 44 Abs.2 Satz 2 Ziffer 2 SGB VI ausgeschlossen. Zwar ist in Ausnahmefällen, nämlich bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung die Benennung einer Verweisungs- tätigkeit zur näheren Prüfung erforderlich, ob trotz dieser besonderen Leistungshindernisse noch eine Erwerbstätigkeit möglich ist (Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19.12.1996 in SozR 3-2600 § 43 SGB VI Nr.8). Die Entbehrlichkeit der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich danach, ob ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt oder ob ernste Zweifel daran aufkommen, dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist. Das Bestehen einer derartigen Bezeichnungspflicht hängt danach in diesem Zusammenhang entscheidend von Anzahl, Art und Umfang der beim Versicherten bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab (BSGE vom 11.05. 1999 in SozR 3-2600 § 43 Nr.21). Vorliegend ist eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen jedoch nicht gegeben. Dies schon deshalb, weil das Leistungsvermögen des Klgäers nicht auf nur leichte Arbeiten beschränkt ist. Er kann noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg vollschichtig verrichten. Ob dem 60-jährigen Kläger ein Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, weil vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt offen steht und das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Ren- tenversicherung getragen wird (vgl. u.a. SozR 3-2200 § 1246 Nr.50). Ebenso wie der Gesetzgeber älteren Langzeitarbeitslosen nach dem begrenzten Bezug von Arbeitslosengeld den Aufbrauch ihres Vermögens bzw. Sozialhilfe zumutet, verweist er Landwirte mit der undifferenzierten Bezugnahme auf den Erwerbsunfähigkeitsbegriff des SGB VI auf die Verwertung eigenen Vermögens, um die Zeit der Erwerbsminderung bis zum Bezug von Altersgeld zu überbrücken. Entscheidend ist, dass der Kläger entsprechend den eingeholten Gutachten die vollschichtige Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen erbringen kann, weil zusätzliche Pausen nicht erforderlich sind und dass die Anmarschwege zur Arbeit problemlos zurückgelegt werden können. Der Kläger kann ortsübliche Anmarschwege von mehr als 500 m zu Fuß mehrfach am Tag in angemessener Geschwindigkeit zurücklegen. Auch können öffentliche Verkehrsmittel uneingeschränkt benutzt werden.
Mit der Ablehnung eines Anspruchs auf Erwerbsunfähigkeitsrente steht auch fest, dass die strengeren Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem ab 01.01. 2001 geltenden Recht nicht erfüllt sind. Nach neuem Recht ist erwerbsgemindert nur, wer keine sechs Stunden täglich mehr erwerbstätig sein kann (§ 13 ALG in Verbindung mit § 43 Abs.1 und 2 SGB VI). Der Kläger ist jedoch in der Lage, auf einem zustandsangemessenen Arbeitsplatz acht Stunden täglich zu arbeiten. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente.
Der am 1942 geborene Kläger beantragte am 29.10.1998 wegen Schmerzen im linken Knie seit einem Arbeitsunfall im August 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Klage gegen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hatte er am 05.03.1998 aufgrund eines Terminsgutachtens zurückgenommen. Dr.D. hatte infolge des angeschuldigten Unfallereignisses eine Bewegungseinschränkung am linken Knie, eine Schwellneigung und Sensibilitätsstörungen ausgehend von der Operationsnarbe diagnostiziert und die MdE mit 10 v.H. eingeschätzt. Die Beklagte veranlasste neben einer internistischen Begutachtung eine ambulante Untersuchung durch den Chirurgen Dr.H ... Dieser schrieb in seinem Gutachten vom 01.03.1999, es liege eine mäßiggradige mediale Instabilität des linken Kniegelenkes vor, so dass schwere körperliche Arbeiten nicht mehr zumutbar seien. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag am 19.05.1999 mit der Begrün- dung ab, wegen vollschichtiger Leistungsfähigkeit sei Erwerbsunfähigkeit ausgeschlossen. Dem widersprach der Kläger und trug vor, Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihm unmöglich, da er Schwierigkeiten beim Laufen, Bücken und in unebenem Gelände habe. Er legte eine ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr.K. vom 17.01.2000 vor, wonach er wegen des Zustands am linken Knie als Landwirt dauerhaft arbeitsunfähig sei. Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme wies die Beklagte den Widerspruch am 28.03.2000 zurück. Der Kläger sei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, dieser sei ihm auch nicht verschlossen. Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Ausübung landwirtschaftlicher Tätigkeiten sei ihm unmöglich. Darin wurde er vom Orthopäden Dr.J. unterstützt, der ihm wegen einer Trochanteransatztendinose, initialer Coxarthrose und Zustand am linken Knie Berufsunfähigkeit attestierte. Im Auftrag des Sozialgerichts erstellte Dr.K. am 17.08.2001 nach ambulanter Untersuchung ein fachchirurgisches Gutachten. Er hielt leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Heben von Lasten über 15 kg und ohne Zwangshaltungen für vollschichtig zumutbar. Gestützt auf das Gutachten wies das Sozialgericht die Klage am 20.11.2001 ab. Das Arbeitsplatzrisiko sei nicht von der LAK zu tragen. Gegen den am 29.11.2001 zugestellten Gerichtsbescheid legte der Kläger am 21.12.2001 Berufung ein. Seit 01.05.2001 habe er sein Unternehmen verpachtet. Bereits leichte Belastung des Knies führe zu tagelangen Schmerzen. Er bitte um die Vermittlung geeigneter Tätigkeiten. Nach Einholung eines Befundberichts vom Hausarzt Dr.Ü. beauftragte das Gericht den Orthopäden Dr.A. mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Sachverständige stellte in seinem Gutachten vom 10.07.2002 nach ambulanter Untersuchung krankhafte Veränderungen an der Halswirbelwirbelsäule, der Lendenwirbelsäule, beiden Knien, Schultern, Hüften und Füßen fest. Gegenüber dem Gutachten Dr.K. sah er keine wesentliche Befundänderung, insbesondere keine Schonungs- oder Entlastungshaltung links und keine neurologischen Auffälligkeiten. Er hielt leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Zwangshaltung im Wechselrhythmus, ohne Kälte, Nässe oder Zugluft für vollschichtig zumutbar. Auch ortsübliche Wegstrecken kann der Kläger seines Erachtens zurücklegen. Nach Aufklärung über die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung schrieb der Kläger, die Gutachten stellten nur deshalb ein so günstiges Bild dar, weil Monate vorher keine Arbeiten ausgeführt wurden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 20.11.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 19.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2000 zu verurteilen, ab 01.05. 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Bayreuth sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 20.11.2001 ist ebenso- wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 19.05. 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2000. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nachdem der Kläger seinen Anspruch nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform der Agrarsozialsicherung vom 29.07.1994 (BGBl.I S.1890) am 01.01.1995 und vor In-Kraft-Treten des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16.12.1997 (BGBl.I S.2998) zum 01.01.2001 geltend gemacht hat, beurteilt sich sein Begehren gemäß § 13 ALG in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung. Danach haben Landwirte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn
1. sie erwerbsunfähig nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse gezahlt haben,
3. sie vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben und
4. das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Unstreitig ist, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Verpachtung der Landwirtschaft ab 01.05.2001 erfüllt sind. Der Rentenanspruch scheitert jedoch daran, dass der Kläger bislang nicht erwerbsunfähig ist.
Gemäß § 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI in der bis 31.12.2000 maßgebenden Fassung sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 Satz 2 Ziffer 2 SGB VI). Bei der Prüfung, ob Erwerbsunfähigkeit vorliegt, kommt es (anders als bei der Berufsunfähigkeit) nicht auf den bisherigen Beruf an. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichtet werden können. Unstreitig ist wohl, dass der Kläger in seinem Beruf als Landwirt nicht mehr vollwertig tätig sein kann. Sein Restleistungsvermögen stellt sich jedoch so dar, dass er es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wirtschaftlich verwerten kann.
Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr.A. , der den Kläger persönlich untersucht und seine Auffassung schlüssig begründet hat. Er befindet sich in Übereinstimmung mit dem ebenso neutralen und fachlich kompetenten Dr.K. , der vom Sozialgericht gehört worden ist. Auch der von der Beklagten gehörte Chirurg Dr.H. hat nach ebenfalls ambulanter Untersuchung im März 1999 ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht. Die behandelnden Orthopäden attestieren zwar Berufsunfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit als Landwirt, widersprechen den Beurteilungen der Sachverständigen in der relevanten Frage der Erwerbsunfähigkeit hingegen nicht. Wenn der Kläger jetzt einwendet, die Untersuchungen der Sachverständigen hätten nur deshalb ein positives Leistungsbild ergeben, weil er davor monatelang nicht gearbeitet habe, so verkennt er, dass Sachverständige in Rentenstreitverfahren regelmäßig Arbeitsunfähige zu beurteilen haben, die monate- oder jahrelang keine Erwerbstätigkeit verrichtet haben. In der Mehrzahl der Fälle stehen sie vor der Frage, welche hypothetischen Belastungen beim vorhandenen Krankheitsbild noch tolerabel sind. Erfahrene Sachverständige wie Dr.A. oder Dr.K. sind daher mit dem vom Kläger genannten Problem vertraut und haben es bei ihrer Würdigung in Rechnung gestellt. Sicher unterliegt der Kläger Leistungseinschränkungen. Werden diese jedoch berücksichtigt, kann der Kläger einer körperlich anspruchslosen Ganztagsarbeit nachgehen.
Im Vordergrund des Beschwerdebildes steht der Zustand am linken Kniegelenk. Beklagt werden ein Instabilitätsgefühl, eine erhebliche Stoßempfindlichkeit und die schmerzbedingte Unfähigkeit, eine kniende Position einzunehmen. Klinisch zeigte sich ein medial leicht instabiles linkes Kniegelenk bei Zustand nach Innenbandverletzung vom 17.08.1995 mit anschließender Operation. Während die Beweglichkeit frei war, deuteten ein positiver Patellaverschiebeschmerz und ein positives Zohlenzeichen auf ein Überlastungssyndrom hin. Radiologisch zeigte sich eine beginnende, medial betonte Gonarthrose mit Verkalkungen im Innenbandbereich sowie Verschleißerscheinungen retropatellar. Das rechte Kniegelenk weist ebenfalls gelegentlich Überlastungs- zeichen im Kniescheibenbereich auf und ist radiologisch ebenso verändert wie das linke Kniegelenk. Von Seiten der Wirbelsäule waren im Lendenwirbelsäulenbereich leichte, im Halswirbelsäulenbereich mäßiggradige muskuläre Verspannungen auffällig. Die Halswirbelsäulenbeweglichkeit war in allen Ebenen leicht eingeschränkt, im Lendenwirbelsäulenbereich zeigte sich eine leichte Einschränkung der Entfaltbarkeit. Radiologisch nachweisbar waren an der Halswirbelsäule leichte statische und fortgeschrittene degenerative Veränderungen ohne Anhalt für eine Nervenwurzelirritation. Auch die ausgeprägten degenerativen Veränderungen im lumbosakralen Übergang sind nicht mit einer Nervenwurzelirritation verbunden. Die geklag- ten Schmerzen im Bereich der linken Leiste, ausstrahlend in die linke Genitalregion sind einer pseudoradikulären Symptomatik zuzurechnen. An den oberen Extremitäten war lediglich eine leichte Bewegungseinschränkung an beiden Schultern objektivierbar. Beginnende degenerative Veränderungen an beiden Hüften sind funktionell bedeutungslos. Auch die Veränderungen an den Füßen sind nicht rentenrelevant. Entscheidend ist, dass die Muskelausprägung der unteren Extremitäten wie im Vorgutachten nahezu identisch war, also keine Zeichen der Schonungs- oder Entlastungshaltung des linken Beins feststellbar waren. Die Veränderungen an den unteren Extremitäten und der Wirbelsäule haben zur Folge, dass der Kläger keine schweren Arbeiten mehr verrichten kann. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten sind hingegen zumutbar, sofern die Möglichkeit eines Haltungswechsels gegeben ist, statische Zwangshaltungen ebenso vermieden werden können wie Kälte, Nässe und Zugluftexposition. Leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen und temperierten Räumen kann der Kläger hingegen noch vollschichtig ausüben. Damit wäre den orthopädischen Gesundheitsstörungen in vollem Umfang Rechnung getragen. Nachdem keine weiteren Gesundheitsstörungen geklagt werden und die internistische Untersuchung im Auftrag der Beklagten auch keine nennenswerten Gesundheitsstörungen ergeben hat, ist von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers auszugehen. Erwerbsunfähigkeit ist daher gemäß § 44 Abs.2 Satz 2 Ziffer 2 SGB VI ausgeschlossen. Zwar ist in Ausnahmefällen, nämlich bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung die Benennung einer Verweisungs- tätigkeit zur näheren Prüfung erforderlich, ob trotz dieser besonderen Leistungshindernisse noch eine Erwerbstätigkeit möglich ist (Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19.12.1996 in SozR 3-2600 § 43 SGB VI Nr.8). Die Entbehrlichkeit der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich danach, ob ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt oder ob ernste Zweifel daran aufkommen, dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist. Das Bestehen einer derartigen Bezeichnungspflicht hängt danach in diesem Zusammenhang entscheidend von Anzahl, Art und Umfang der beim Versicherten bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab (BSGE vom 11.05. 1999 in SozR 3-2600 § 43 Nr.21). Vorliegend ist eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen jedoch nicht gegeben. Dies schon deshalb, weil das Leistungsvermögen des Klgäers nicht auf nur leichte Arbeiten beschränkt ist. Er kann noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg vollschichtig verrichten. Ob dem 60-jährigen Kläger ein Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, weil vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt offen steht und das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Ren- tenversicherung getragen wird (vgl. u.a. SozR 3-2200 § 1246 Nr.50). Ebenso wie der Gesetzgeber älteren Langzeitarbeitslosen nach dem begrenzten Bezug von Arbeitslosengeld den Aufbrauch ihres Vermögens bzw. Sozialhilfe zumutet, verweist er Landwirte mit der undifferenzierten Bezugnahme auf den Erwerbsunfähigkeitsbegriff des SGB VI auf die Verwertung eigenen Vermögens, um die Zeit der Erwerbsminderung bis zum Bezug von Altersgeld zu überbrücken. Entscheidend ist, dass der Kläger entsprechend den eingeholten Gutachten die vollschichtige Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen erbringen kann, weil zusätzliche Pausen nicht erforderlich sind und dass die Anmarschwege zur Arbeit problemlos zurückgelegt werden können. Der Kläger kann ortsübliche Anmarschwege von mehr als 500 m zu Fuß mehrfach am Tag in angemessener Geschwindigkeit zurücklegen. Auch können öffentliche Verkehrsmittel uneingeschränkt benutzt werden.
Mit der Ablehnung eines Anspruchs auf Erwerbsunfähigkeitsrente steht auch fest, dass die strengeren Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem ab 01.01. 2001 geltenden Recht nicht erfüllt sind. Nach neuem Recht ist erwerbsgemindert nur, wer keine sechs Stunden täglich mehr erwerbstätig sein kann (§ 13 ALG in Verbindung mit § 43 Abs.1 und 2 SGB VI). Der Kläger ist jedoch in der Lage, auf einem zustandsangemessenen Arbeitsplatz acht Stunden täglich zu arbeiten. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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