Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 LW 165/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 20/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
+ S 30 LW 41/99 ER
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.01.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Befreiung von der Versicherungspflicht.
Der am 1960 geborene Kläger ist gelernter Sägewerker und seit 01.05.1997 Pächter einer landwirtschaftlichen Fläche von ca. 28,00 ha, wovon der überwiegende Teil seinen Eltern gehört.
Mit Bescheid vom 18.02.1998 stellte die LAK Oberbayern seine Versicherungspflicht als Landwirt ab 01.05.1997 fest.
Am 26.02.1998 ging eine Bestätigung einer Steuerberatungsgesellschaft ein, dass der Kläger im Sägewerksbetrieb des Vaters mitarbeitet und hierfür freie Kost und Unterkunft und gelegentliches Taschengeld erhält. Laut den eigenen Angaben arbeitet er seit 1986 als selbstständiger Sägewerker ca. 40 bis 50 Stunden wöchentlich, während er für das landwirtschaftliche Unternehmen wöchentlich ca. 20 bis 25 Stunden aufwendet. Die AOK bestätigte eine versicherungspflichtige Beschäftigung beim Vater lediglich für die Zeit vom 01.06.1982 bis 31.12.1984. Rentenversicherungsbeiträge werden seit 1986 ebenfalls nicht entrichtet. Die LAK lehnte den Befreiungsantrag des Klägers am 21.04.1998 mit der Begründung ab, der Kläger erziele weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen. Freie Kost und Unterkunft sowie Taschengeld würden nur im Rahmen der Familienbindung gewährt.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, mit seiner hauptberuflichen Tätigkeit im Sägewerk erwirtschafte er freie Kost, Unterkunft, Krankenversicherung und private Rentenversicherung. Als 70-Jähriger könne der Vater nur in geringem Umfang mithelfen. Ein schriftlicher Vertrag mit dem Vater existiere ebenso wenig wie eine Gewerbeanmeldung.
Auf Befragen teilte das Finanzamt Rosenheim mit, dass der Vater die Sachbezüge nicht als Ausgaben geltend gemacht hat. Der Kläger selbst ist steuerlich nicht erfasst.
Die LKK stellte am 07.05.1998 fest, dass der Kläger ab 01.05. 1997 gesetzlich kranken- und pflegeversichert sei.
Die LAK Oberbayern wies den Widerspruch am 24.09.1998 zurück. Die geltend gemachten Einkünfte seien weder solche aus abhängiger Beschäftigung noch aus selbständiger Tätigkeit.
Mit der am 22.10.1998 erhobenen Klage machte der Kläger geltend, freie Kost und Wohnung stellten gemäß § 14 SGB IV Arbeitsentgelt dar. Wegen Überschreitens der Mindestgrenze des § 3 Abs.1 Ziffer I ALG stehe ihm ein Befreiungsrecht zu. Das Sozialgericht München wies die Klage am 27.01.2000 mit der Begründung zurück, wegen fehlender Lohnsteuerpflicht und fehlendem Korrelat zwischen Arbeitszeit und Entgelt sei die Arbeitnehmereigenschaft zu verneinen. Das Motiv für die Mitarbeit im elterlichen Betrieb sei das Interesse, Substanz und Ertrag des später dem Kläger zufallenden Sägewerksbetriebs zu stärken.
Gegen das am 10.04.2000 zugestellte Urteil legte der Kläger am 10.05.2000 Berufung ein. Seines Erachtens ist die steuerrechtliche Behandlung nur ein Indiz gegen die Arbeitnehmereigenschaft; er sei in seiner Lebensgestaltung frei und für keinen anderen Arbeitgeber tätig. Die Übergabe des Sägewerks an ihn stehe in Aussicht, ein genauer Zeitpunkt könne aber nicht genannt werden. Wegen der Ungewissheit der möglichen Erbenstellung könne von keiner familienhaften Mitarbeit ausgegangen werden. Er wehre sich auch gegen den Unsinn einer doppelten Krankenversicherung.
Entsprechend der vorgelegten Bestätigungen entrichtete der Vater des Klägers ab 1997 monatlich über 640,00 DM an Leistungen für die private Kranken-, Pflege- und Lebensversicherung des Klägers.
Ein am 14.05.2002 geschlossener widerruflicher Vergleich wurde vom Kläger am 26.06.2002 innerhalb der bis 30.06.2002 eingeräumten Widerrufsfrist widerrufen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.01.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 21.04.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse zu befreien.
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Klageakten des Sozialgerichts München sowie die Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.01.2000 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der LAK Oberbayern vom 21.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.1998. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Befreiung von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung.
Landwirte werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet (§ 3 Abs.1 Ziffer 1 ALG). Angesichts der Bestandskraft des Feststellungsbescheids vom 18.02.1998 ist unstreitig, dass der Kläger als Landwirt versicherungspflichtig ist. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs.2 ALG hängt die Versicherungspflicht des Allein-Unternehmers keinesfalls davon ab, dass er die landwirtschaftliche Tätigkeit hauptberuflich ausübt. Dieser Aspekt ist auch für die Befreiung unmaßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob die oben genannten Einkünfte erzielt werden. Aus der Mitarbeit im Sägewerksbetrieb seines Vaters erzielt der Kläger weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen, das ein Befreiungsrecht begründet.
Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs.1 SGB IV). Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs.1 SGB IV). Grundsätzlich schließt die Tatsache der Verwandtschaft das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht aus. Auch bei der Beschäftigung von Kindern des Betriebsinhabers kommt es darauf an, ob nach den gesamten Umständen des Einzelfalls ein Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung vorliegt oder nur Mithilfe auf Grund der Familienzugehörigkeit ohne Eingliederung in den Betrieb und ohne Gewährung von Arbeitsentgelt (für mitarbeitende Familienangehörige in der Landwirtschaft BSGE 17, 1 ff.). In Abgrenzung zur lediglich familienhaften Mithilfe setzt ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem ggf. abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers voraus, dass der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Weitere Abgrenzungskriterien sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung betreffend das gesamte Sozialversicherungsrecht, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt (BSG vom 27.06.2000 in SozR 3-2200 § 548 Nr.37). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann von keinem echten Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vater ausgegangen werden, vielmehr handelt es sich dabei um familienhafte Mitarbeit.
Hierfür spricht insbesondere, dass der Kläger keinen angemessenen Gegenwert für seine 40 Stunden wöchentlich umfassende Mitarbeit erhält. Die Summe der von ihm genannten Leistungen in Form von Kost, Unterkunft, Beiträgen für Kranken-, Pflege- und Lebensversicherung ergibt mit ca. 1.400,00 DM 1997 einen Stundenlohn von 8,75 DM. Für die Leistung eines gelernten Sägewerkers ist dies zweifellos inadäquat. Hinzu kommt, dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, und die Leistungen des Vaters weder als Betriebsausgabe verbucht noch an den Kläger zur freien Verfügung ausgezahlt werden. Auch wird vom Vater keine Lohnsteuer abgeführt.
Der Kläger erzielt auch kein befreiungsrelevantes Arbeitseinkommen. Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist (§ 15 Abs.1 SGB IV). Der Kläger, der nicht zur Einkommensteuer veranlagt wird, kann keinen Gewinn im Sinne des § 15 Abs.1 Satz 1 vorweisen. In Betracht käme allenfalls, wie von den Steuerberatern vorgetragen, der geldwerte Vorteil in Form von Kost und Wohnung. Die Übernahme der Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Lebensversicherung ist kein Arbeitseinkommen im Sinne des Einkommensteuerrechts. Es handelt sich dabei um Sonderausgaben (§ 10 Abs.1 Ziffer 2a und b EStG), die einkunftsmindernd zu berücksichtigen sind. "Einkommen" ist der um die Sonderausgaben verminderte Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs.4 EStG). Die Bewertung von Unterkunft und Verpflegung als Arbeitseinkommen scheitert jedoch daran, dass der Kläger mangels Kapitaleinsatz und Unternehmerrisiko im Sägewerksbetrieb seines Vaters nicht wie ein Selbstständiger tätig sein kann. Er arbeitet ausschließlich im Betrieb des Vaters mit, sodass er keinen anderen Auftraggeber hat. Hinzu kommt, dass der Zusammenhang zwischen der Gewährung von Unterkunft und Kost mit der Mitarbeit im Sägewerk äußerst fraglich erscheint. Dass ein Landwirt von seinem ledigen Kind, das auf dem elterlichen Anwesen wohnt und die landwirtschaftlichen Flächen plus Hoffläche gepachtet hat, Miete und Kostgeld fordert, ist äußerst ungewöhnlich. Es liegt im Interesse des Verpächters, dass der Pächter in unmittelbarer Nähe des Hofs wohnt, so dass der Zusammenhang zwischen der Mitarbeit im Sägewerk und den Leistungen des Vaters konstruiert erscheint. Der Vater setzt die Sachbezüge auch nicht als Ausgaben ab.
Der Kläger arbeitet im Betrieb des Vaters nahezu unentgeltlich in Erwartung einer späteren Übernahme des Betriebs mit. Zutreffend schreibt das Sozialgericht, Motiv des Klägers sei das völlig plausible Interesse, Substanz und Ertrag des irgendwann einmal ihm zufallenden Sägewerkbetriebs zu stärken. Dies liegt im gemeinsamen Interesse der gesamten Familie, sodass die Arbeitsleistung des Klägers als familienhafte Mithilfe zu qualifizieren ist.
Die daraus fließenden Leistungen des Vaters können nicht als "vergleichbare Einkünfte" im Sinne des § 3 Abs.1 Ziffer 1 ALG gewertet werden. Die Gesetzgebungsmaterialien zu § 3 Abs.1 ALG geben zum Begriff "vergleichbares Einkommen" keinen näheren Aufschluss. Wie das Bundessozialgericht festgestellt hat (Entscheidung vom 02.12.1999 Az.: B 10 LW 6/99 R), wurde mit der Bestimmung des maßgeblichen Einkommens der Regelungsgehalt des früheren § 3c Abs.2 GAL fast wörtlich übernommen. Zu dieser Norm heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf, vergleichbare Einkommen seien z.B. Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis (z.B. der Minister und parlamentarischen Staatssekretäre), Entschädigungen für Abgeordnete, vom Arbeitgeber gezahlte Überbrückungsgelder und Vorruhestandsgelder (3. ASEG, Stellungnahme zu den Art.1, 2, 4 und 6 bis 10, herausgegeben vom Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen, S.106). Nur derartiges Einkommen ist dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen von seiner Funktion her und seiner rechtlichen Ausgestaltung vergleichbar (siehe auch Kommentar Hauck/ Haines zum SGB IV, § 18a Rdnr.34). Typisch ist für diese, dass sie Verdienstausfall adäquat ersetzen. Das geschieht vorliegend in keiner Weise.
Zu berücksichtigen ist, dass § 3 Abs.1 Ziffer 1 ALG auch von mitarbeitenden Familienangehörigen in Anspruch genommen werden kann. Diese hat der Gesetzgeber gemäß § 1 Abs.8 ALG allein auf Grund ihrer hauptberuflichen Tätigkeit im Unternehmen der Landwirtschaft für versicherungspflichtig gehalten. Die Zielrichtung des Gesetzes, diesen Personenkreis in die landwirtschaftliche Alterssicherung einzubeziehen, würde verfehlt, wollte man ein Befreiungsrecht schon bei der üblichen Gewährung von freier Kost und Wohnung bejahen. Es würde Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung widersprechen, die vom Begriff des Arbeitsentgelts zu trennenden Leistungen aus familienhafter Mithilfe über den Begriff des vergleichbaren Einkommens wieder zu privilegieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Nachdem zur Berücksichtigung von Einkünften aus familienhafter Mitarbeit bei der Befreiung weder zum GAL noch zum ALG höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache die Revision zuzulassen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Befreiung von der Versicherungspflicht.
Der am 1960 geborene Kläger ist gelernter Sägewerker und seit 01.05.1997 Pächter einer landwirtschaftlichen Fläche von ca. 28,00 ha, wovon der überwiegende Teil seinen Eltern gehört.
Mit Bescheid vom 18.02.1998 stellte die LAK Oberbayern seine Versicherungspflicht als Landwirt ab 01.05.1997 fest.
Am 26.02.1998 ging eine Bestätigung einer Steuerberatungsgesellschaft ein, dass der Kläger im Sägewerksbetrieb des Vaters mitarbeitet und hierfür freie Kost und Unterkunft und gelegentliches Taschengeld erhält. Laut den eigenen Angaben arbeitet er seit 1986 als selbstständiger Sägewerker ca. 40 bis 50 Stunden wöchentlich, während er für das landwirtschaftliche Unternehmen wöchentlich ca. 20 bis 25 Stunden aufwendet. Die AOK bestätigte eine versicherungspflichtige Beschäftigung beim Vater lediglich für die Zeit vom 01.06.1982 bis 31.12.1984. Rentenversicherungsbeiträge werden seit 1986 ebenfalls nicht entrichtet. Die LAK lehnte den Befreiungsantrag des Klägers am 21.04.1998 mit der Begründung ab, der Kläger erziele weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen. Freie Kost und Unterkunft sowie Taschengeld würden nur im Rahmen der Familienbindung gewährt.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, mit seiner hauptberuflichen Tätigkeit im Sägewerk erwirtschafte er freie Kost, Unterkunft, Krankenversicherung und private Rentenversicherung. Als 70-Jähriger könne der Vater nur in geringem Umfang mithelfen. Ein schriftlicher Vertrag mit dem Vater existiere ebenso wenig wie eine Gewerbeanmeldung.
Auf Befragen teilte das Finanzamt Rosenheim mit, dass der Vater die Sachbezüge nicht als Ausgaben geltend gemacht hat. Der Kläger selbst ist steuerlich nicht erfasst.
Die LKK stellte am 07.05.1998 fest, dass der Kläger ab 01.05. 1997 gesetzlich kranken- und pflegeversichert sei.
Die LAK Oberbayern wies den Widerspruch am 24.09.1998 zurück. Die geltend gemachten Einkünfte seien weder solche aus abhängiger Beschäftigung noch aus selbständiger Tätigkeit.
Mit der am 22.10.1998 erhobenen Klage machte der Kläger geltend, freie Kost und Wohnung stellten gemäß § 14 SGB IV Arbeitsentgelt dar. Wegen Überschreitens der Mindestgrenze des § 3 Abs.1 Ziffer I ALG stehe ihm ein Befreiungsrecht zu. Das Sozialgericht München wies die Klage am 27.01.2000 mit der Begründung zurück, wegen fehlender Lohnsteuerpflicht und fehlendem Korrelat zwischen Arbeitszeit und Entgelt sei die Arbeitnehmereigenschaft zu verneinen. Das Motiv für die Mitarbeit im elterlichen Betrieb sei das Interesse, Substanz und Ertrag des später dem Kläger zufallenden Sägewerksbetriebs zu stärken.
Gegen das am 10.04.2000 zugestellte Urteil legte der Kläger am 10.05.2000 Berufung ein. Seines Erachtens ist die steuerrechtliche Behandlung nur ein Indiz gegen die Arbeitnehmereigenschaft; er sei in seiner Lebensgestaltung frei und für keinen anderen Arbeitgeber tätig. Die Übergabe des Sägewerks an ihn stehe in Aussicht, ein genauer Zeitpunkt könne aber nicht genannt werden. Wegen der Ungewissheit der möglichen Erbenstellung könne von keiner familienhaften Mitarbeit ausgegangen werden. Er wehre sich auch gegen den Unsinn einer doppelten Krankenversicherung.
Entsprechend der vorgelegten Bestätigungen entrichtete der Vater des Klägers ab 1997 monatlich über 640,00 DM an Leistungen für die private Kranken-, Pflege- und Lebensversicherung des Klägers.
Ein am 14.05.2002 geschlossener widerruflicher Vergleich wurde vom Kläger am 26.06.2002 innerhalb der bis 30.06.2002 eingeräumten Widerrufsfrist widerrufen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.01.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 21.04.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse zu befreien.
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Klageakten des Sozialgerichts München sowie die Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.01.2000 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der LAK Oberbayern vom 21.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.1998. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Befreiung von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung.
Landwirte werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet (§ 3 Abs.1 Ziffer 1 ALG). Angesichts der Bestandskraft des Feststellungsbescheids vom 18.02.1998 ist unstreitig, dass der Kläger als Landwirt versicherungspflichtig ist. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs.2 ALG hängt die Versicherungspflicht des Allein-Unternehmers keinesfalls davon ab, dass er die landwirtschaftliche Tätigkeit hauptberuflich ausübt. Dieser Aspekt ist auch für die Befreiung unmaßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob die oben genannten Einkünfte erzielt werden. Aus der Mitarbeit im Sägewerksbetrieb seines Vaters erzielt der Kläger weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen, das ein Befreiungsrecht begründet.
Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs.1 SGB IV). Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs.1 SGB IV). Grundsätzlich schließt die Tatsache der Verwandtschaft das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht aus. Auch bei der Beschäftigung von Kindern des Betriebsinhabers kommt es darauf an, ob nach den gesamten Umständen des Einzelfalls ein Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung vorliegt oder nur Mithilfe auf Grund der Familienzugehörigkeit ohne Eingliederung in den Betrieb und ohne Gewährung von Arbeitsentgelt (für mitarbeitende Familienangehörige in der Landwirtschaft BSGE 17, 1 ff.). In Abgrenzung zur lediglich familienhaften Mithilfe setzt ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem ggf. abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers voraus, dass der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Weitere Abgrenzungskriterien sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung betreffend das gesamte Sozialversicherungsrecht, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt (BSG vom 27.06.2000 in SozR 3-2200 § 548 Nr.37). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann von keinem echten Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vater ausgegangen werden, vielmehr handelt es sich dabei um familienhafte Mitarbeit.
Hierfür spricht insbesondere, dass der Kläger keinen angemessenen Gegenwert für seine 40 Stunden wöchentlich umfassende Mitarbeit erhält. Die Summe der von ihm genannten Leistungen in Form von Kost, Unterkunft, Beiträgen für Kranken-, Pflege- und Lebensversicherung ergibt mit ca. 1.400,00 DM 1997 einen Stundenlohn von 8,75 DM. Für die Leistung eines gelernten Sägewerkers ist dies zweifellos inadäquat. Hinzu kommt, dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, und die Leistungen des Vaters weder als Betriebsausgabe verbucht noch an den Kläger zur freien Verfügung ausgezahlt werden. Auch wird vom Vater keine Lohnsteuer abgeführt.
Der Kläger erzielt auch kein befreiungsrelevantes Arbeitseinkommen. Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist (§ 15 Abs.1 SGB IV). Der Kläger, der nicht zur Einkommensteuer veranlagt wird, kann keinen Gewinn im Sinne des § 15 Abs.1 Satz 1 vorweisen. In Betracht käme allenfalls, wie von den Steuerberatern vorgetragen, der geldwerte Vorteil in Form von Kost und Wohnung. Die Übernahme der Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Lebensversicherung ist kein Arbeitseinkommen im Sinne des Einkommensteuerrechts. Es handelt sich dabei um Sonderausgaben (§ 10 Abs.1 Ziffer 2a und b EStG), die einkunftsmindernd zu berücksichtigen sind. "Einkommen" ist der um die Sonderausgaben verminderte Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs.4 EStG). Die Bewertung von Unterkunft und Verpflegung als Arbeitseinkommen scheitert jedoch daran, dass der Kläger mangels Kapitaleinsatz und Unternehmerrisiko im Sägewerksbetrieb seines Vaters nicht wie ein Selbstständiger tätig sein kann. Er arbeitet ausschließlich im Betrieb des Vaters mit, sodass er keinen anderen Auftraggeber hat. Hinzu kommt, dass der Zusammenhang zwischen der Gewährung von Unterkunft und Kost mit der Mitarbeit im Sägewerk äußerst fraglich erscheint. Dass ein Landwirt von seinem ledigen Kind, das auf dem elterlichen Anwesen wohnt und die landwirtschaftlichen Flächen plus Hoffläche gepachtet hat, Miete und Kostgeld fordert, ist äußerst ungewöhnlich. Es liegt im Interesse des Verpächters, dass der Pächter in unmittelbarer Nähe des Hofs wohnt, so dass der Zusammenhang zwischen der Mitarbeit im Sägewerk und den Leistungen des Vaters konstruiert erscheint. Der Vater setzt die Sachbezüge auch nicht als Ausgaben ab.
Der Kläger arbeitet im Betrieb des Vaters nahezu unentgeltlich in Erwartung einer späteren Übernahme des Betriebs mit. Zutreffend schreibt das Sozialgericht, Motiv des Klägers sei das völlig plausible Interesse, Substanz und Ertrag des irgendwann einmal ihm zufallenden Sägewerkbetriebs zu stärken. Dies liegt im gemeinsamen Interesse der gesamten Familie, sodass die Arbeitsleistung des Klägers als familienhafte Mithilfe zu qualifizieren ist.
Die daraus fließenden Leistungen des Vaters können nicht als "vergleichbare Einkünfte" im Sinne des § 3 Abs.1 Ziffer 1 ALG gewertet werden. Die Gesetzgebungsmaterialien zu § 3 Abs.1 ALG geben zum Begriff "vergleichbares Einkommen" keinen näheren Aufschluss. Wie das Bundessozialgericht festgestellt hat (Entscheidung vom 02.12.1999 Az.: B 10 LW 6/99 R), wurde mit der Bestimmung des maßgeblichen Einkommens der Regelungsgehalt des früheren § 3c Abs.2 GAL fast wörtlich übernommen. Zu dieser Norm heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf, vergleichbare Einkommen seien z.B. Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis (z.B. der Minister und parlamentarischen Staatssekretäre), Entschädigungen für Abgeordnete, vom Arbeitgeber gezahlte Überbrückungsgelder und Vorruhestandsgelder (3. ASEG, Stellungnahme zu den Art.1, 2, 4 und 6 bis 10, herausgegeben vom Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen, S.106). Nur derartiges Einkommen ist dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen von seiner Funktion her und seiner rechtlichen Ausgestaltung vergleichbar (siehe auch Kommentar Hauck/ Haines zum SGB IV, § 18a Rdnr.34). Typisch ist für diese, dass sie Verdienstausfall adäquat ersetzen. Das geschieht vorliegend in keiner Weise.
Zu berücksichtigen ist, dass § 3 Abs.1 Ziffer 1 ALG auch von mitarbeitenden Familienangehörigen in Anspruch genommen werden kann. Diese hat der Gesetzgeber gemäß § 1 Abs.8 ALG allein auf Grund ihrer hauptberuflichen Tätigkeit im Unternehmen der Landwirtschaft für versicherungspflichtig gehalten. Die Zielrichtung des Gesetzes, diesen Personenkreis in die landwirtschaftliche Alterssicherung einzubeziehen, würde verfehlt, wollte man ein Befreiungsrecht schon bei der üblichen Gewährung von freier Kost und Wohnung bejahen. Es würde Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung widersprechen, die vom Begriff des Arbeitsentgelts zu trennenden Leistungen aus familienhafter Mithilfe über den Begriff des vergleichbaren Einkommens wieder zu privilegieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Nachdem zur Berücksichtigung von Einkünften aus familienhafter Mitarbeit bei der Befreiung weder zum GAL noch zum ALG höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache die Revision zuzulassen.
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