Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KA 2021/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 575/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.12.2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Herausgabe der Unterlagen des Beklagten über die Behandlung der Beigeladenen Nr. 2.
Der Beklagte nimmt als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Die 1981 geborene Beigeladene Nr. 2, Mitglied der Klägerin, befand sich während der Jahre 1991 bis 1999 beim Beklagten in kieferorthopädischer Behandlung. Der Klägerin sind hierdurch Behandlungskosten von 5.150,49 EUR entstanden.
Mit Schreiben vom 15.1.2004 (SG-Akte S. 6) bat die Beigeladene Nr. 2 die Klägerin um Prüfung eines etwaigen Regressanspruchs gegen den Beklagten. Sie machte geltend, dessen kieferorthopädische Behandlung sei insofern misslungen, als sich ihre (behandelten) Zähne wieder in die ursprüngliche Lage zurückversetzt hätten. Der Beklagte habe die vom Unterlippenmuskel ausgehende Spannung offenbar unterschätzt und unterlassen, einen Bügel an den Vorderzähnen des Unterkiefers anzubringen. Nachdem er ihr als weitere Behandlungsmaßnahme eine Muskelablösung oder eine Botulinuminjektion in den Muskel vorgeschlagen habe, habe sie das Vertrauen verloren und sich bei einem anderen Arzt in Behandlung begeben. Zwei von ihr konsultierte Zahnärzte hätten die Behandlungsvorschläge des Beklagten abgelehnt. Dieser habe den Behandlungsfehler eingeräumt und den Schaden seiner Haftpflichtversicherung melden wollen. Dazu sei es aber offenbar nicht gekommen. Ggf. könne die Klägerin die vom Beklagten abgerechneten Behandlungskosten zurückfordern und ihr für die Nachbehandlung (nachdem sie mittlerweile über 18 Jahre alt sei) zur Verfügung stellen.
Zuvor hatte die Beigeladene Nr. 2 mit ihrem Bevollmächtigten (und Vater) am 10.7.2003 eine Besprechung mit dem Beklagten in dessen Praxis durchgeführt (wofür der Beklagte offenbar ein Honorar in Rechnung stellte). Der Bevollmächtigte der Beigeladenen Nr. 2 fertigte über die Besprechung eine Aktennotiz an. Darin heißt es u.a., der Beklagte habe die bestehende Problematik aus seiner Sicht unter Hinzuziehung von Lehrbüchern, Modellen, Röntgenbildern und Funktionsdarstellungen erläutert und Empfehlungen für die Folgebehandlung gegeben. Diese habe er zu Selbstkosten (1.700 EUR zzgl. Materialkosten 50,00 EUR bis 60,00 EUR) vornehmen wollen. In einem an den Beklagten gerichteten Schreiben der Beigeladenen Nr. 2 (bzw. ihres Bevollmächtigten) vom 19.10.2003 ist (u.a.) ausgeführt, ein zu den Behandlungsvorschlägen des Beklagten befragter Zahnarzt habe diese in den "Bereich der vorsätzlichen Körperverletzung" verwiesen und die angegebenen Selbstkosten als nicht nachvollziehbar bezeichnet.
Nachdem sich der Beklagte in der Folgezeit geweigert hatte, die Behandlungsunterlagen an die Beigeladene Nr. 2 herauszugeben, forderte ihn die Klägerin unter dem 15.8.2005 zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen auf. Die Beigeladene Nr. 2 habe sie um Unterstützung gem. § 66 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) durch eine gutachterliche Stellungnahme gebeten. Außerdem wolle man prüfen, ob ihr (der Klägerin) durch eine Fehlbehandlung Kosten entstanden seien; etwaige Schadensersatzansprüche der Beigeladenen Nr. 2 wären gem. § 116 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf sie übergegangen.
Unter dem 29.9. und 8.11.2005 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Beigeladene Nr. 2 habe bereits am 10.7.2003 zusammen mit ihrem Bevollmächtigten in den Praxisräumen Einsicht in die Behandlungsunterlagen genommen. Zur Herausgabe der Unterlagen sei er entsprechend der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 11.6.2003 - IV ZR 418/02) nur bereit, wenn die Klägerin zuvor die Identität des mit der Prüfung beauftragten Sachverständigen bekannt gebe. Er erbringe hochqualifizierte kieferorthopädische Leistungen, die nur von entsprechend geeigneten Fachkollegen beurteilt werden könnten; Zahnärzte seien dazu auch nicht ansatzweise in der Lage.
Die Klägerin befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK), ob der Sachverständige im Vorhinein benannt werden könne. Der MDK lehnte dies mit Schreiben vom 7.12.2005 ab. Ohne Einsicht in die Behandlungsunterlagen und Mitteilung des dem Beklagten vorgeworfenen Behandlungsfehlers könne der Gutachter nicht ausgewählt werden. Man verfüge über eigene kieferorthopädische Gutachter und könne ggf. auch auf externe Gutachter zurückgreifen.
Nachdem der Beklagte auf eine letztmalige Aufforderung der Klägerin zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen (Schreiben vom 13.12.2005) nicht reagiert hatte, erhob diese am 6.2.2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen; dieses verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20.3.2006 an das örtlich zuständige Sozialgericht Stuttgart.
Zur Begründung ihrer Klage trug die Klägerin vor, sie unterstütze die Beigeladene Nr. 2 bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gem. § 66 SGB V. Außerdem könnten Schadensersatzansprüche auch nach § 116 SGB X auf sie übergegangen sein. Man wolle prüfen, ob dem Beklagten ein Behandlungsfehler unterlaufen und dadurch ein ersatzpflichtiger Schaden entstanden sei; außerdem könnten Folgeschäden nicht ausgeschlossen werden. Zu diesem Zweck solle der MDK die Behandlungsunterlagen des Beklagten prüfen. Es sei dagegen nicht beabsichtigt, ein Mängelregressverfahren bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung einzuleiten. Der Herausgabeanspruch folge aus § 275 Abs. 4 Nr. 3 SGB V und aus § 294a SGB V (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.12.1996, - L 5 KA 1130/95 -; Bayerisches LSG, Urt. v. 23.9.1998, - L 12 KA 533/96 -; auch SG Berlin, Urt. v. 1.6.2004, - S 82 KR 2038/02 -). Die Beigeladene Nr. 2 habe (vorsorglich) unter dem 11.7.2005 eine Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben.
Der Beklagte trug vor, er könne zur Sicherstellung eines ausreichenden Begutachtungsniveaus verlangen, dass der Gutachter vor Versendung der Unterlagen namentlich benannt werde, da dieser ebenso hoch qualifiziert sein müsse wie er selbst. Außerdem müsse der Gutachter unvoreingenommen und objektiv sein, was beim MDK wenig wahrscheinlich sei. Die Beigeladene Nr. 2, die künftig von einem anderen Zahnarzt behandelt werde, habe die Behandlungsunterlagen gemeinsam mit ihrem Bevollmächtigten bereits eingesehen und verfüge so über alle notwendigen Informationen. Die Klägerin möge deswegen die Beigeladene Nr. 2 befragen, falls trotz seiner Erläuterungen noch Aufklärungsbedarf bestehen sollte. Außerdem seien konkrete Fragen an ihn zu richten, bevor man die Behandlungsunterlagen herausverlange.
Am 2.12.2009 führte das Sozialgericht eine Erörterungsverhandlung durch. Der Beklagte verzichte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen Nr. 2 auf die Einrede der Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche.
Mit Urteil vom 22.12.2009 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten, an die Klägerin sämtliche Behandlungsunterlagen einschließlich etwaiger bildgebender Darstellungen und Modellanfertigungen betreffend die Beigeladene Nr. 2 zum Zweck der Weiterleitung an den MDK herauszugeben. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch zu. Die Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten sei nicht von Belang, da dieser gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen Nr. 2 auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe.
Gem. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V dürften die Krankenkassen in geeigneten Fällen durch den MDK prüfen lassen, ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden sei. Die Vorschrift verweise auf § 66 SGB V, wonach die Krankenkassen die Versicherten bei der Verfolgung von (nicht gem. § 116 SGB X übergegangenen) Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern unterstützten. Hier gehe es (u.a.) um die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen solcher Ansprüche. Die Einholung einer Stellungnahme des MDK diene auch der Unterstützung der Beigeladenen Nr. 2 bei der Verfolgung weiterer Ansprüche gegen den Beklagten, etwa von Ansprüchen wegen einer erneuten kieferorthopädischen Behandlung, die von der Krankenkasse nicht oder nur unter Eigenbeteiligung gewährt werde (vgl. § 29 SGB V). Solche Ansprüche seien auch nicht ganz fernliegend, nachdem Hinweise auf eine fehlerhafte Behandlung vorlägen und die Beigeladene Nr. 2 eine weitere kieferorthopädische Behandlung anstrebe.
§ 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V sei zwar (erst) durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (BGBl. I S. 378) mit Wirkung zum 1.4.2007 eingefügt worden, wegen der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechts- und Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aber gleichwohl anwendbar. Auf Vertrauensschutz könne sich der Beklagte nicht berufen, da der Prüfvorgang (im Unterschied zur Behandlung der Beigeladenen Nr. 2) bei Inkrafttreten des § 275 Abs. 3 Satz 4 SGB V noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Eine tatbestandliche Rückanknüpfung liege daher nicht vor.
Aus § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V folge nicht nur das Recht der Krankenkasse, eine Prüfung durch den MDK herbeizuführen, sondern auch die damit notwendigerweise zusammenhängende Pflicht des Leistungserbringers, die erforderlichen Unterlagen an die Krankenkasse zum Zweck der Weiterleitung an den MDK herauszugeben. Dies werde durch die Regelung in § 276 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 SGB V bestätigt, wonach sogar der MDK selbst die Herausgabe der für die Stellungnahme und Prüfung erforderlichen Sozialdaten verlangen könne, um einen während der Prüfung auftretenden Informationsbedarf auf direktem Wege zu befriedigen (vgl. BT-Drs. 12/5187, S. 32). Der Anspruch der Krankenkasse auf Herausgabe zum Zwecke der Weiterleitung an den MDK bleibe hiervon unberührt (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.12.1996, - L 5 Ka 1130/95 -; vgl. auch BSG, Urt. v. 28.02.2007, - B 3 KR 12/06 R -, juris Rdnr. 15).
Die Herausgabe sämtlicher Behandlungsunterlagen sei vorliegend erforderlich, um Behandlungsfehler und damit zusammenhängende Schäden feststellen zu können. Gezielte Fragen an den Beklagten oder die Vorlage des Protokolls über die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen durch die Beigeladene Nr. 2 selbst genügten dafür nicht. Gem. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V müsse sich der MDK auf entsprechende Schilderungen der Beigeladenen Nr. 2 nicht verweisen lassen. Er dürfe die gesamte kieferorthopädische Behandlung auf etwaige Fehler hin überprüfen, wofür er alle Behandlungsunterlagen einschließlich etwaiger bildgebender Darstellungen und Modellanfertigungen benötige.
Die Klägerin müsse dem Beklagten den begutachtenden Arzt des MDK nicht im Vorhinein benennen. Das Gesetz sehe das als Voraussetzung des Herausgabeanspruchs der Krankenkasse aus § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V nicht vor. Die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 11.6.2003, - IV ZR 418/02 -) habe eine andere Fallgestaltung zum Gegenstand (nachträgliche Offenlegung der Identität des Gutachters) und betreffe ohnehin die private und nicht die gesetzliche Krankenversicherung. Offen bleiben könne, ob die Klägerin den Herausgabeanspruch auch auf § 116 SGB X bzw. einen ggf. auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch der Beigeladenen Nr. 2 stützen könnte.
Auf das ihm am 4.1.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 2.2.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Vorwurf eines ärztlichen Kunstfehlers den Vorwurf eines Körperverletzungsdelikts einschließe. Man wolle ihn daher zur Mitwirkung an seiner strafrechtlichen Überführung zwingen, was rechtsstaatlich nicht zulässig sei. Das Sozialrecht könne nicht verlangen, was das Strafprozessrecht untersage.
Bei Inkrafttreten des § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V sei die Behandlung der Beigeladenen Nr. 2 bereits abgeschlossen gewesen, die Vorschrift sei deshalb nicht anwendbar. Jedenfalls müsse man auf den Herausgabeanspruch die Verjährungsvorschriften des BGB entsprechend anwenden. Maßgeblich sei die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist, beginnend mit dem Ende der Behandlung im Jahr 1999. Er habe daher ein berechtigtes Interesse daran, die Angelegenheit endgültig abschließen zu können. Hinsichtlich des Herausgabeanspruchs habe er auf die Einrede der Verjährung auch nicht verzichtet. Diese mache er ausdrücklich geltend.
Aus § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V folge kein Herausgabeanspruch der Klägerin. Ein solcher Anspruch stehe nur dem MDK zu. Dieser könnte die Beigeladene Nr. 2 zunächst begutachten und ihn danach gezielt zu möglichen Behandlungsfehlern befragen. Im Verhältnis zu § 116 SGB X stelle § 294a SGB V, wonach die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die erforderlichen Daten an die Krankenkassen übermittelten, eine vorrangige Sonderregelung dar. Etwaige Herausgabeansprüche könnten nur auf § 294a SGB V gestützt werden; die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien freilich nicht erfüllt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.12.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, in einem Strafverfahren gegen den Beklagten wegen des Verdachtes der Körperverletzung könnten die Behandlungsunterlagen ggf. beschlagnahmt werden; ein Strafverfahren finde jedoch nicht statt und wäre wohl wegen Verfolgungsverjährung auch nicht mehr durchzuführen. Ein Zusammenhang zwischen dem sozialrechtlichen Herausgabeanspruch und der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches bestehe ohnehin nicht. Davon abgesehen habe jeder Patient zivilrechtlich einen Anspruch gegen seinen Arzt auf Einsichtnahme in die Behandlungsdokumentation unabhängig von strafprozessrechtlichen Bestimmungen. Das Rückwirkungsverbot sei nicht verletzt, nachdem der Gesetzgeber mit § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V nur das Bestehen des obergerichtlich bereits aus § 275 Abs. 4 SGB V hergeleiteten Herausgabeanspruchs für die Fälle des § 66 SGB V klargestellt habe. Der Herausgabeanspruch unterliege nicht der Verjährung; Verjährung wäre auch nicht eingetreten. Die persönliche Untersuchung der Beigeladenen Nr. 2 durch den MDK sei nicht vorgesehen und könnte ohnehin keine hinreichenden Informationen darüber geben, ob der Beklagte seinerzeit lege artis behandelt habe oder nicht. Schließlich könne sie das Herausgabeverlangen auch auf Schadensersatzansprüche der Beigeladenen Nr. 2 stützen, die gem. § 116 SGB X i. V. m. §§ 401, 412 BGB auf sie übergegangen seien (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23.3.2010, — - VI ZR 327/08 – juris Rdnr. 13); auch über solche privatrechtlichen Ansprüche hätten die Sozialgerichte zu entscheiden (§ 51 Abs. 2 SGG).
Der Beklagte macht abschließend geltend, da die Beigeladene Nr. 2 die Behandlungsunterlagen bereits eingesehen habe, müsse er sie an die Klägerin nicht herausgeben; diese möge die Beigeladene Nr. 2 zum Inhalt der Dokumentation befragen. Außerdem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin die Unterlagen an die Strafverfolgungsbehörden weitergebe und so rechtsstaatliche Verfahrensgarantien unterlaufe. Mit der Regelung des § 275 Abs.3 Nr. 4 SGB V habe er nicht rechnen müssen, da er die von der Klägerin angegebene Rechtsprechung zu Herausgabeansprüchen nicht gekannt habe. § 294a SGB V stelle eine Sonderregelung dar, deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien; daneben kämen andere Anspruchsgrundlagen nicht in Betracht.
Die Beigeladene Nr. 1 trägt vor, die Klägerin könne den geltend gemachten Herausgabeanspruch nicht auf § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V stützen. Die Vorschrift regele nur Ansprüche des Versicherten selbst; Ansprüche von Krankenkassen gegen Leistungserbringer auf Herausgabe ärztlicher Unterlagen sehe das Gesetz nicht vor. Der Gesetzgeber habe mit der Bestimmung des § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V einen bereits richterrechtlich begründeten Herausgabeanspruch nicht klargestellt. Das folge schon aus dem Wortlaut von § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Das BSG habe Herausgabeansprüche von Krankenkassen im Übrigen auf § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V gestützt. Es habe im Urteil vom 28.2.2007 (- B 3 KR 12/06 R -) zwar Ansprüche der in Rede stehenden Art anerkannt; die hierfür vom BSG gegebene Begründung passe jedoch nicht zur (seinerzeit noch nicht existierenden) Vorschrift in § 274 Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Die Krankenkasse habe im Fall des BSG zudem einen eigenen Anspruch (öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch) verfolgen und nicht einen ihrer Versicherten unterstützen wollen. Der Versicherte könne (und müsse) etwaige Herausgabeansprüche gegen den Vertrags(zahn)arzt selbst geltend machen; das sei in entsprechenden Haftpflichtprozessen auch üblich. Wenn er seinen Herausgabeanspruch auf Dritte, wie eine Krankenkasse, übertragen wolle, sei zudem die Entbindung von der Schweigepflicht erforderlich. Die in § 276 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 SGB V vorgesehene Verpflichtung, Daten an den MDK zu übermitteln, setze die Angabe eines konkreten Grundes hierfür voraus. Eine routinemäßige Anforderung sei nicht zulässig (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 1.9.1995, - L 5 EA K 21/95 -). Außerdem sei die Herausgabe (nur) an den MDK und nicht an die Krankenkasse selbst vorgesehen.
Die Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 28.2.2007, - B 3 KR 12/06 R -) sei schließlich nicht überzeugend. Die Krankenkasse könne allenfalls auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den MDK klagen. Dies sei zumutbar und auch sachgerecht, da die Krankenkasse in aller Regel nicht über qualifiziertes Personal verfüge, das die medizinischen Unterlagen auswerten könne. Über abrechnungstechnische Daten verfüge sie ohnehin; diese genügten für die Erfüllung ihrer Aufgaben. Erforderliche medizinische Überprüfungen seien ggf. von ihr, der Beigeladenen Nr. 1, im Rahmen des Sicherstellungsauftrags (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V) vorzunehmen. Auch Gründe des Datenschutzes und die ärztliche Schweigepflicht sprächen gegen die Herausgabe von Arztunterlagen an die Krankenkasse. Zwar könne ein Herausgabeanspruch auch als Nebenrecht eines gem. § 116 SGB X übergegangenen Hauptanspruchs des Versicherten geltend gemacht werden. Das setze freilich das Bestehen eines solchen Hauptanspruchs voraus, der zudem dem Zivilrecht zuzuordnen wäre; hierfür sei sie, die Beigeladene Nr. 1, nicht zuständig. Schließlich unterliege der geltend gemachte Herausgabeanspruch der Verjährung (BSG, Urt. v. 28.2.2007, - B 3 R 12/06 R -), wobei eine 4-jährige Verjährungsfrist in Abhängigkeit vom entsprechenden Hauptanspruch maßgeblich sei.
Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, der Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen ergebe sich nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 28.2.2007, - B 3 R 12/06 R -) aus § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V i. V. m. § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V. Soweit sie zur Unterstützung der Beigeladenen Nr. 2 gemäß § 66 SGB V tätig werde, folge der Herausgabeanspruch also aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 und § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Fälle dieser Art würden bei ihr in spezialisierten Regressgeschäftsstellen bearbeitet, denen Mitarbeiter ausschließlich im Bereich des Medizinschadensrechts tätig seien. Die Versicherten könnten die sachdienlichen (medizinischen) Begutachtungsfragen in aller Regel nicht selbst formulieren. Die Beschaffung der Patientendokumentation sei Teil der Unterstützungsleistung, die sie für ihre Versicherten erbringe. Diese seien dazu vielfach (nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen infolge streitiger Behandlungsfehler) selbst nicht in der Lage. Die Krankenkassen würden freilich nur nach Abgabe einer entsprechenden Schweigepflichtentbindungserklärung tätig. Soweit sie sich mit dem Herausgabeverlangen auf gem. § 116 SGB X übergegangene und je nach dem Ergebnis der Begutachtung ggf. geltend zu machende Ersatzansprüche stütze, wolle sie mit der Einschaltung des MDK gemäß § 275 Abs. 4 SGB V tätig werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat ihn zu Recht dazu verurteilt, die Unterlagen über die kieferorthopädische Behandlung der Beigeladenen Nr. 2 an die Klägerin zur Weiterleitung an den MDK herauszugeben.
I. Die Krankenkassen haben – wie noch darzulegen sein wird - einen Rechtsanspruch auf Herausgabe der Unterlagen von Vertrags(zahn)ärzten über die Behandlung gesetzlich Versicherter zur Weiterleitung an den MDK aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V. Diesen Anspruch können sie vor den Sozialgerichten geltend machen. Eine entsprechende Leistungsklage hat unzweifelhaft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zum Gegenstand (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Rechtswegfragen stellen sich daher nicht, unbeschadet dessen, dass die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs im Rechtsmittelverfahren ohnehin nicht geprüft wird (§ 17a Abs. 5 GVG). Ob die Krankenkassen die Herausgabe von Behandlungsunterlagen auch auf der Grundlage privatrechtlicher Ansprüche ihrer Mitglieder, die auf sie gem. § 116 SGB X übergegangen sind, verlangen können, und auf welchem Rechtsweg solche Ansprüche geltend zu machen wären (vgl. § 51 Abs. 2 SGG und dazu etwa SG Dresden, Beschl. v. 4.11.2003, - S 1 SF 14/03 -), kann der Senat offen lassen.
Der Herausgabeanspruch aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V ist gem. § 54 Abs. 5 SGG statthaft mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen. Einer solchen Klage fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Die Krankenkassen müssen sich insbesondere nicht darauf verweisen lassen, den Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen durch Verwaltungsakt (§ 33 SGB X) gegenüber dem Vertrags(zahn)arzt geltend zu machen. Da ihre Befugnis hierzu zumindest zweifelhaft ist, stellt der Erlass eines Verwaltungsakts einen einfacheren Weg zur Verwirklichung des Rechtsschutzziels nicht dar (vgl. auch Senatsurteil vom 11.12.1996, - L 5 Ka 1130/95 -, MedR 1997,331).
Der Rechtsstreit über die Herausgabe vertrags(zahn)ärztlicher Behandlungsunterlagen betrifft nicht allein die Rechtsstellung der Vertrags(zahn)ärzte, sondern auch diejenige der Krankenkassen. Er hat damit eine Angelegenheit des Vertrags(zahn)arztrechts i. S. d. § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG und nicht der Vertrags(zahn)ärzte i. S. d. § 12 Abs. 3 Satz 2 SGG zum Gegenstand. Das Sozialgericht bzw. im Berufungsverfahren das Landessozialgericht entscheidet deswegen in der Besetzung, die für Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertrags(zahn)ärzten bzw. Psychotherapeuten vorgesehen ist (§§ 10 Abs. 2, 31 Abs. 2 SGG), hier also mit einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragszahnärzte (Senatsurteil vom 11.12.1996, a. a. O.)
II. Die Krankenkassen können nach näherer Maßgabe des § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V von den Vertrags(zahn)ärzten die Herausgabe der Unterlagen über die Behandlung gesetzlich Versicherter zur Weiterleitung an den MDK verlangen; im Streitfall ist hierüber aufgrund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts zu entscheiden. Der Herausgabeanspruch steht der Krankenkasse zu. Er unterliegt der allgemeinen sozialrechtlichen Verjährung (§ 45 Abs. 1 SGB I).
1.) Grundlage des Anspruchs der Krankenkasse auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen zur Weiterleitung an den MDK ist § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V. Die Vorschrift lautet: Haben die Krankenkassen nach § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V eine gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung durch den MDK veranlasst, sind die Leistungserbringer verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des MDK unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist; Sozialdaten in diesem Sinne (vgl. § 67 SGB X) sind auch Unterlagen über die Behandlung Versicherter als Aktendaten (vgl. etwa BSG, Urt. v. 28.2.2007, - B 3 KR 12706 R -; LPK-SGB V/Roß, Vor §§ 284 – 305 Rdnr. 3; auch LSG Bayern, Urt. v. 23.9.1998, - L 12 KA 533/96 -). § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V regelt den Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen zum einen (implizit) hinsichtlich der materiellen Grundlegung, zum andern (explizit) hinsichtlich der Art und Weise, wie er zu erfüllen ist, nämlich durch Herausgabe nicht an die Krankenkasse zur Prüfung und Auswertung durch eigene Mitarbeiter, sondern an den MDK. Dieser ist in § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aber nicht als (alleiniger) Inhaber des Herausgabeanspruchs, sondern als diejenige Stelle benannt, die die Behandlungsunterlagen (ebenfalls) anfordern darf und in jedem Fall zu erhalten und zu bearbeiten hat. Der Herausgabeanspruch steht (zumindest auch) der Krankenkasse zu (vgl. BSG, Urt. v. 28.2.2007, - B 3 KR 12/06 R -). Er soll als (akzessorischer) Hilfsanspruch sicherstellen, dass diese ihre in § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V festgelegten Rechte und Pflichten wahrnehmen, bspw. (Haupt-)Ansprüche gegen Leistungserbringer auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Vergütungen mit Hilfe einer Abrechnungsprüfung durch den MDK durchsetzen (zu einer solchen Fallgestaltung BSG, Urt. v. 28.2.2007, - B 3 KR 12/06 R -), unberechtigte Leistungsansprüche Versicherter abwehren oder diese bei Behandlungsfehlern unterstützen kann (§ 275 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. § 66 SGB V). Deswegen knüpft § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V nach Wortlaut und systematischer Stellung an die Regelung des § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V über die Zusammenarbeit zwischen Krankenkasse und MDK an. In dieser Zusammenarbeit ist die Krankenkasse Herrin des Verfahrens. Sie veranlasst gutachtliche Stellungnahmen oder Prüfungen durch den MDK nach näherer Maßgabe des § 275 SGB V und kann die Gutachtens- oder Prüfaufträge im Laufe des Verfahrens jederzeit ändern. Hierauf stellt § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V als tatbestandliche Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs ausdrücklich ab und verdeutlicht dadurch zugleich, dass der Herausgabeanspruch als Hilfsanspruch primär nicht der Erfüllung der Aufgaben des MDK, sondern der Aufgaben der Krankenkasse dient.
Die Bestimmungen in § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V regeln, in welchen Fällen die Krankenkasse den MDK mit gutachtlichen Stellungnahmen oder Prüfungen beauftragen muss oder darf. Mit der Bezugnahme hierauf in § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ist der Anwendungsbereich des Herausgabeanspruchs als (akzessorischem) Hilfsanspruch festgelegt. Gem. § 276 Abs. 2 Satz 2 SGB V dürfen die rechtmäßig erhobenen und gespeicherten Sozialdaten bzw. Behandlungsunterlagen folglich auch nur für die in § 275 SGB V genannten Zwecke verarbeitet oder genutzt werden.
Nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V können die Krankenkassen in geeigneten Fällen durch den MDK prüfen lassen, ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66 SGB V). § 66 SGB V sieht vor, dass die Krankenkassen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 SGB X auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen können. Beantragt der Versicherte solche Unterstützungsleistungen und ist die Krankenkasse zu deren Erbringung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 39 SGB I) bereit, darf sie zur weiteren Prüfung des Sachverhalts den MDK einschalten. Der Leistungserbringer muss die Behandlungsunterlagen des Versicherten dem MDK auf Verlangen der Krankenkasse gem. § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V und § 66 SGB V herausgeben. Auf die ärztliche Schweigepflicht kann er sich nicht berufen, da die Herausgabe der Behandlungsunterlagen mit den genannten Vorschriften gesetzlich zugelassen ist.
Der Herausgabeanspruch der Krankenkasse aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V wird durch die Bestimmung in § 294a Abs. 1 Satz 1 SGB V (i. V. m. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V) nicht verdrängt. Danach sind (u.a.) die Vertrags(zahn)ärzte verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vorliegen. Die Vorschrift soll durch Schaffung einer gesetzlichen Übermittlungs- und Offenbarungsbefugnis den gesetzlichen Krankenkassen einen eigenen Anspruch auf Mitteilung von Krankheitsursachen und drittverursachten Gesundheitsschäden geben und den damit verbundenen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung des Versicherten und die korrespondierende ärztliche Schweigepflicht rechtfertigen. Sie verpflichtet u.a. Vertrags(zahn)ärzte, unaufgefordert den Krankenkassen Angaben über Ursachen und mögliche Verursacher mitzuteilen, wenn aus ihrer Sicht Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vorliegen. Der verpflichtete Leistungserbringer muss von sich aus oder ggf. auf Anforderung der Krankenkassen die erforderlichen Daten mitteilen, ohne dass eine Zustimmung oder Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherten erforderlich ist (KassKomm/Hess, SGB V § 294a Rdnr. 1 f.; BGH, Urt. v. 23.3.2010, - VI ZR 327/08 -). Damit wird den Krankenkassen die Prüfung und Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegen andere Leistungsträger (§§ 104 ff. SGB X) oder von auf sie gem. § 116 SGB X übergegangenen Schadensersatzansprüchen des Versicherten gegen Dritte ermöglicht. § 294a Abs. 1 Satz 1 SGB V bezieht sich nach dem klaren Gesetzeswortlaut aber allein auf Dritten zuzurechnende Gesundheitsschäden und nicht – wie § 66 SGB V – auf Behandlungsfehler durch den auskunfts- bzw. herausgabepflichtigen Vertrags(zahn)arzt selbst (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 11.11.2009, - L 1 KR 152/08 -). Der aus § 294a Abs. 1 Satz 1 SGB V folgende Hilfsanspruch der Krankenkasse ist damit anderen Hauptansprüchen bzw. Rechten zugeordnet als der Hilfsanspruch aus § 276 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V i. V. m. § 275 Abs. 3 Nr. 4 und § 66 SGB V. Beide Hilfsansprüche stehen selbständig nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus.
2.) Das Gericht entscheidet über den Anspruch der Krankenkasse auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Maßgeblich ist das in diesem Zeitpunkt geltende materielle Recht. Es hat – vorbehaltlich anderweitiger Regelung - grundsätzlich uneingeschränkten Geltungswillen auch für Sachverhalte vor seinem Inkrafttreten und bestimmt darüber, ob eine im Verlauf des (Verwaltungs-)Verfahrens eingetretene Änderung des Sachverhalts oder der Rechtslage beachtlich ist oder nicht. Bei Leistungsklagen muss der geltend gemachte Anspruch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts bestehen (vgl. etwa Hk-SGG/Castendiek, § 54 Rdnr. 76; NK-VwGO/Wolff, § 113 Rdnr. 90, 94 ff.; jeweils mit Nachw. zur Rspr.).
Maßgeblich sind danach § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V (in Kraft seit 1.1.1993 - Gesetz vom 21.12.1992, BGBl. I S. 1266) und § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V (in Kraft seit 1.4.2007 - Gesetz vom 26.3.2007, BGBl. I S. 378) in der derzeit geltenden Gesetzesfassung. Die Vorschriften sind nicht nur auf Behandlungen anzuwenden, die bei ihrem Inkrafttreten bereits begonnen hatten oder danach aufgenommen worden sind, sondern auch für bereits abgeschlossene Behandlungen. Eine anderweitige Geltungsanordnung ist weder ausdrücklich festgelegt noch den genannten Vorschriften im Wege der Auslegung zu entnehmen.
Eine unzulässige Rückwirkung von Gesetzen steht auch bei vor dem 1.4.2007 (Inkrafttreten des § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V) beendeten Behandlungen nicht in Rede (zur Rückwirkung von Gesetzen Sodan, GG Art. 20 Rdnr. 59 ff.; Maurer, Staatsrecht I § 17 Rdnr. 101 ff.). Vor diesem Tag war ein Anspruch der Krankenkasse auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK zur Prüfung von Unterstützungsleistungen nach der (seit 1989 unverändert geltenden) Bestimmung des § 66 SGB V allerdings noch nicht vorgesehen. § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V bindet den Herausgabeanspruch an die in § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V genannten "Veranlassungsfälle", wozu die Unterstützung des Versicherten nach § 66 SGB V (§ 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V) seinerzeit nicht gehörte; § 275 Abs. 4 SGB V, wonach die Krankenkassen den MDK auch in – nur beispielhaft aufgeführten - anderen Fällen zu Rate ziehen sollen, ist ausdrücklich nicht in Bezug genommen (vgl. aber auch auf diese Vorschrift für einen Herausgabeanspruch abstellend Senatsurteil vom 11.12.1996, a. a. O., durch die neuere Rechtsprechung des BSG zu § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V – Urt. v. 28.2.2007 – B 3 KR 12/06 R - überholt). Mit § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V i. V. m. § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ist zum 1.4.2007 aber lediglich ein bis dahin noch nicht bestehender Herausgabeanspruch der Krankenkasse bzw. eine entsprechende Pflicht des Vertrags(zahn)arztes zur Herausgabe von Behandlungsunterlagen (auch) über bereits abgeschlossene Behandlungen eingeführt worden. Die Vorschrift legt den Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs nicht auf einen Zeitpunkt vor ihrer rechtlichen Existenz fest (BVerfGE 72,200,241 – tatbestandliche Rückanknüpfung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen) bzw. unterwirft den in der Vergangenheit abgeschlossenen Behandlungssachverhalt selbst nicht im Nachhinein einer anderweitigen gesetzlichen Regelung (BVerfGE 11,139,145 – echte Rückwirkung). Danach mag allenfalls eine unechte Rückwirkung (näher: Maurer, Staatsrecht I § 17 Rdnr. 101 ff. m. N.) in Frage kommen. Ein etwaiges Vertrauen des Vertrags(zahn)arztes in den umfassenden und unveränderten Fortbestand der während der Leistungserbringung bestehenden Rechtslage hinsichtlich seiner Pflicht zur Herausgabe von Behandlungsunterlagen an Krankenkassen ist nicht geschützt. Der Gesetzgeber darf solche Pflichten auch für bereits abgeschlossene Behandlungen, namentlich zum Schutz des Versicherten bei etwaigen Behandlungsfehlern (§ 66 SGB V), einführen oder erweitern.
3.) Der Herausgabeanspruch der Krankenkasse aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V unterliegt der allgemeinen sozialrechtlichen Verjährung nach Maßgabe des § 45 SGB I (BSG, Urt. v. 28.02.2007, - B 3 KR 12/06 R -). Gem. § 45 Abs. 1 SGB I verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen (§ 11 Satz 1 SGB VI) in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß (§ 45 Abs. 2 SGB I). Gem. § 40 Abs. 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Bei Ermessensleistungen ist grundsätzlich der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Entscheidung über die Leistung bekannt gegeben wird (§ 40 Abs. 2 SGB I).
Als (akzessorischer) Hilfsanspruch kann der Herausgabeanspruch aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V nicht eher verjähren als der Hauptanspruch bzw. die daraus folgenden Rechte der Krankenkasse, die der Hilfsanspruch sichern soll (vgl. BSG, Urt. v. 28.2.2007, - B 3 KR 12/06 R –). Das gilt nicht nur dann, wenn es sich bei dem Hauptanspruch um einen Anspruch der Krankenkasse (selbst) gegen einen Leistungserbringer, etwa auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Vergütungen, handelt (dazu BSG, a. a. O.), sondern in entsprechender Weise auch in solchen Fällen, in denen der Herausgabeanspruch akzessorisch mit dem Anspruch des Versicherten auf Unterstützung durch die Krankenkasse bei Behandlungsfehlern (§ 66 SGB V i. V. m. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V) verknüpft ist und dessen Sicherung dient. Maßgeblich für den Beginn der Verjährung des Herausgabeanspruchs der Krankenkasse ist dann der Beginn der Verjährung des Unterstützungsanspruchs des Versicherten. Ist der Unterstützungsanspruch verjährt, darf der Vertrags(zahn)arzt dem Herausgabeverlangen der Krankenkasse die Verjährungseinrede entgegen halten, auch wenn diese selbst von ihr (gegenüber dem Versicherten) nicht Gebrauch macht. Die Unterstützung des Versicherten bei Behandlungsfehlern stellt nach der "Kann-Bestimmung" des § 66 SGB V eine Ermessensleistung der Krankenkasse dar. Deswegen entsteht der Unterstützungsanspruch gem. § 40 Abs. 2 SGB I im Zeitpunkt der Bekanntgabe der (auch formlos oder durch schlüssiges Verhalten möglichen) Entscheidung der Krankenkasse, naturgemäß nach vorausgehendem Unterstützungsbegehren bzw. Unterstützungsantrag des Versicherten. Die vierjährige Verjährungsfrist kann für den Anspruch der Krankenkasse auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen zur Weiterleitung an den MDK vorher nicht beginnen.
III. Davon ausgehend ist der Beklagte verpflichtet, die Unterlagen über die kieferorthopädische Behandlung der Beigeladenen Nr. 2 an die Klägerin (in verschlossenem Umschlag) zur Weiterleitung an den MDK herauszugeben. Er kann die Unterlagen auch unmittelbar dem MDK zukommen lassen.
Die Beigeladene Nr. 2 hat bei der Klägerin im Jahr 2004 die Unterstützung bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten wegen der von 1991 bis 1999 durchgeführten kieferorthopädischen Behandlung beantragt (§ 66 SGB V). Die Klägerin hat sich hierzu nach pflichtgemäßem Ermessen bereit erklärt und deswegen dem MDK gem. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V einen entsprechenden Prüfauftrag erteilt. Daraus erwachsen ihr Rechte (und Pflichten), deren Sicherung (bzw. Erfüllung) der Herausgabeanspruch nach § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V und § 66 SGB V als Hilfsanspruch dient. Diesen hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten rechtsfehlerfrei geltend gemacht, insbesondere die Herausgabe der Behandlungsunterlagen nicht an sie selbst zur Prüfung durch eigene Mitarbeiter, sondern an den MDK verlangt.
Der Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen zur Weiterleitung an den MDK setzt nicht voraus, dass die Klägerin dem Beklagten zuvor den zuständigen Gutachter des MDK benennt. Das ist im Gesetz nicht vorgesehen und meist auch nicht möglich. Die Beigeladene Nr. 2 hat sich mit der Herausgabe der Behandlungsunterlagen zur Weiterleitung an den MDK einverstanden erklärt und unter dem 11.7.2005 eine Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben, weshalb der Beklagte dem Herausgabeverlangen der Klägerin die ärztliche Schweigepflicht schon deshalb nicht entgegen halten kann; im Übrigen ist die Herausgabe der Behandlungsunterlagen gesetzlich zugelassen. Verjährung ist nicht eingetreten. Über den Antrag der Beigeladenen Nr. 2 auf Unterstützung durch die Klägerin gem. § 66 SGB V ist im Jahr 2004, dem Jahr der Antragstellung, entschieden worden. Diese Entscheidung ist nach dem Gesagten für den Beginn der Verjährung (auch) des Herausgabeanspruchs maßgeblich. Die vierjährige Verjährungsfrist (§ 45 Abs. 1 SGB I) war bei Klagerhebung im Jahr 2006 daher nicht abgelaufen; mit Klageerhebung ist Hemmung der Verjährung eingetreten (§ 45 Abs. 2 SGB I i. V. m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Strafprozessrechtliche Grundsätze stehen dem sozialrechtlichen Herausgabeanspruch der Krankenkasse nicht entgegen. Der Herausgabeanspruch richtet sich allein auf die Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den MDK und nicht an die Strafverfolgungsbehörden. Die Behandlungsunterlagen dürfen gem. § 276 Abs. 2 Satz 3 SGGB V auch nur zu den in § 275 SGB V genannten Zwecken, hier also zur Unterstützung der Beigeladenen Nr. 2 nach Maßgabe des § 66 SGB V, und nicht zur Einleitung einer Strafverfolgung des Beklagten genutzt werden; das beabsichtigt die Klägerin ersichtlich auch nicht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Herausgabe der Unterlagen des Beklagten über die Behandlung der Beigeladenen Nr. 2.
Der Beklagte nimmt als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Die 1981 geborene Beigeladene Nr. 2, Mitglied der Klägerin, befand sich während der Jahre 1991 bis 1999 beim Beklagten in kieferorthopädischer Behandlung. Der Klägerin sind hierdurch Behandlungskosten von 5.150,49 EUR entstanden.
Mit Schreiben vom 15.1.2004 (SG-Akte S. 6) bat die Beigeladene Nr. 2 die Klägerin um Prüfung eines etwaigen Regressanspruchs gegen den Beklagten. Sie machte geltend, dessen kieferorthopädische Behandlung sei insofern misslungen, als sich ihre (behandelten) Zähne wieder in die ursprüngliche Lage zurückversetzt hätten. Der Beklagte habe die vom Unterlippenmuskel ausgehende Spannung offenbar unterschätzt und unterlassen, einen Bügel an den Vorderzähnen des Unterkiefers anzubringen. Nachdem er ihr als weitere Behandlungsmaßnahme eine Muskelablösung oder eine Botulinuminjektion in den Muskel vorgeschlagen habe, habe sie das Vertrauen verloren und sich bei einem anderen Arzt in Behandlung begeben. Zwei von ihr konsultierte Zahnärzte hätten die Behandlungsvorschläge des Beklagten abgelehnt. Dieser habe den Behandlungsfehler eingeräumt und den Schaden seiner Haftpflichtversicherung melden wollen. Dazu sei es aber offenbar nicht gekommen. Ggf. könne die Klägerin die vom Beklagten abgerechneten Behandlungskosten zurückfordern und ihr für die Nachbehandlung (nachdem sie mittlerweile über 18 Jahre alt sei) zur Verfügung stellen.
Zuvor hatte die Beigeladene Nr. 2 mit ihrem Bevollmächtigten (und Vater) am 10.7.2003 eine Besprechung mit dem Beklagten in dessen Praxis durchgeführt (wofür der Beklagte offenbar ein Honorar in Rechnung stellte). Der Bevollmächtigte der Beigeladenen Nr. 2 fertigte über die Besprechung eine Aktennotiz an. Darin heißt es u.a., der Beklagte habe die bestehende Problematik aus seiner Sicht unter Hinzuziehung von Lehrbüchern, Modellen, Röntgenbildern und Funktionsdarstellungen erläutert und Empfehlungen für die Folgebehandlung gegeben. Diese habe er zu Selbstkosten (1.700 EUR zzgl. Materialkosten 50,00 EUR bis 60,00 EUR) vornehmen wollen. In einem an den Beklagten gerichteten Schreiben der Beigeladenen Nr. 2 (bzw. ihres Bevollmächtigten) vom 19.10.2003 ist (u.a.) ausgeführt, ein zu den Behandlungsvorschlägen des Beklagten befragter Zahnarzt habe diese in den "Bereich der vorsätzlichen Körperverletzung" verwiesen und die angegebenen Selbstkosten als nicht nachvollziehbar bezeichnet.
Nachdem sich der Beklagte in der Folgezeit geweigert hatte, die Behandlungsunterlagen an die Beigeladene Nr. 2 herauszugeben, forderte ihn die Klägerin unter dem 15.8.2005 zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen auf. Die Beigeladene Nr. 2 habe sie um Unterstützung gem. § 66 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) durch eine gutachterliche Stellungnahme gebeten. Außerdem wolle man prüfen, ob ihr (der Klägerin) durch eine Fehlbehandlung Kosten entstanden seien; etwaige Schadensersatzansprüche der Beigeladenen Nr. 2 wären gem. § 116 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf sie übergegangen.
Unter dem 29.9. und 8.11.2005 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Beigeladene Nr. 2 habe bereits am 10.7.2003 zusammen mit ihrem Bevollmächtigten in den Praxisräumen Einsicht in die Behandlungsunterlagen genommen. Zur Herausgabe der Unterlagen sei er entsprechend der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 11.6.2003 - IV ZR 418/02) nur bereit, wenn die Klägerin zuvor die Identität des mit der Prüfung beauftragten Sachverständigen bekannt gebe. Er erbringe hochqualifizierte kieferorthopädische Leistungen, die nur von entsprechend geeigneten Fachkollegen beurteilt werden könnten; Zahnärzte seien dazu auch nicht ansatzweise in der Lage.
Die Klägerin befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK), ob der Sachverständige im Vorhinein benannt werden könne. Der MDK lehnte dies mit Schreiben vom 7.12.2005 ab. Ohne Einsicht in die Behandlungsunterlagen und Mitteilung des dem Beklagten vorgeworfenen Behandlungsfehlers könne der Gutachter nicht ausgewählt werden. Man verfüge über eigene kieferorthopädische Gutachter und könne ggf. auch auf externe Gutachter zurückgreifen.
Nachdem der Beklagte auf eine letztmalige Aufforderung der Klägerin zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen (Schreiben vom 13.12.2005) nicht reagiert hatte, erhob diese am 6.2.2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen; dieses verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20.3.2006 an das örtlich zuständige Sozialgericht Stuttgart.
Zur Begründung ihrer Klage trug die Klägerin vor, sie unterstütze die Beigeladene Nr. 2 bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gem. § 66 SGB V. Außerdem könnten Schadensersatzansprüche auch nach § 116 SGB X auf sie übergegangen sein. Man wolle prüfen, ob dem Beklagten ein Behandlungsfehler unterlaufen und dadurch ein ersatzpflichtiger Schaden entstanden sei; außerdem könnten Folgeschäden nicht ausgeschlossen werden. Zu diesem Zweck solle der MDK die Behandlungsunterlagen des Beklagten prüfen. Es sei dagegen nicht beabsichtigt, ein Mängelregressverfahren bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung einzuleiten. Der Herausgabeanspruch folge aus § 275 Abs. 4 Nr. 3 SGB V und aus § 294a SGB V (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.12.1996, - L 5 KA 1130/95 -; Bayerisches LSG, Urt. v. 23.9.1998, - L 12 KA 533/96 -; auch SG Berlin, Urt. v. 1.6.2004, - S 82 KR 2038/02 -). Die Beigeladene Nr. 2 habe (vorsorglich) unter dem 11.7.2005 eine Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben.
Der Beklagte trug vor, er könne zur Sicherstellung eines ausreichenden Begutachtungsniveaus verlangen, dass der Gutachter vor Versendung der Unterlagen namentlich benannt werde, da dieser ebenso hoch qualifiziert sein müsse wie er selbst. Außerdem müsse der Gutachter unvoreingenommen und objektiv sein, was beim MDK wenig wahrscheinlich sei. Die Beigeladene Nr. 2, die künftig von einem anderen Zahnarzt behandelt werde, habe die Behandlungsunterlagen gemeinsam mit ihrem Bevollmächtigten bereits eingesehen und verfüge so über alle notwendigen Informationen. Die Klägerin möge deswegen die Beigeladene Nr. 2 befragen, falls trotz seiner Erläuterungen noch Aufklärungsbedarf bestehen sollte. Außerdem seien konkrete Fragen an ihn zu richten, bevor man die Behandlungsunterlagen herausverlange.
Am 2.12.2009 führte das Sozialgericht eine Erörterungsverhandlung durch. Der Beklagte verzichte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen Nr. 2 auf die Einrede der Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche.
Mit Urteil vom 22.12.2009 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten, an die Klägerin sämtliche Behandlungsunterlagen einschließlich etwaiger bildgebender Darstellungen und Modellanfertigungen betreffend die Beigeladene Nr. 2 zum Zweck der Weiterleitung an den MDK herauszugeben. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch zu. Die Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten sei nicht von Belang, da dieser gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen Nr. 2 auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe.
Gem. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V dürften die Krankenkassen in geeigneten Fällen durch den MDK prüfen lassen, ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden sei. Die Vorschrift verweise auf § 66 SGB V, wonach die Krankenkassen die Versicherten bei der Verfolgung von (nicht gem. § 116 SGB X übergegangenen) Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern unterstützten. Hier gehe es (u.a.) um die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen solcher Ansprüche. Die Einholung einer Stellungnahme des MDK diene auch der Unterstützung der Beigeladenen Nr. 2 bei der Verfolgung weiterer Ansprüche gegen den Beklagten, etwa von Ansprüchen wegen einer erneuten kieferorthopädischen Behandlung, die von der Krankenkasse nicht oder nur unter Eigenbeteiligung gewährt werde (vgl. § 29 SGB V). Solche Ansprüche seien auch nicht ganz fernliegend, nachdem Hinweise auf eine fehlerhafte Behandlung vorlägen und die Beigeladene Nr. 2 eine weitere kieferorthopädische Behandlung anstrebe.
§ 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V sei zwar (erst) durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (BGBl. I S. 378) mit Wirkung zum 1.4.2007 eingefügt worden, wegen der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechts- und Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aber gleichwohl anwendbar. Auf Vertrauensschutz könne sich der Beklagte nicht berufen, da der Prüfvorgang (im Unterschied zur Behandlung der Beigeladenen Nr. 2) bei Inkrafttreten des § 275 Abs. 3 Satz 4 SGB V noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Eine tatbestandliche Rückanknüpfung liege daher nicht vor.
Aus § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V folge nicht nur das Recht der Krankenkasse, eine Prüfung durch den MDK herbeizuführen, sondern auch die damit notwendigerweise zusammenhängende Pflicht des Leistungserbringers, die erforderlichen Unterlagen an die Krankenkasse zum Zweck der Weiterleitung an den MDK herauszugeben. Dies werde durch die Regelung in § 276 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 SGB V bestätigt, wonach sogar der MDK selbst die Herausgabe der für die Stellungnahme und Prüfung erforderlichen Sozialdaten verlangen könne, um einen während der Prüfung auftretenden Informationsbedarf auf direktem Wege zu befriedigen (vgl. BT-Drs. 12/5187, S. 32). Der Anspruch der Krankenkasse auf Herausgabe zum Zwecke der Weiterleitung an den MDK bleibe hiervon unberührt (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.12.1996, - L 5 Ka 1130/95 -; vgl. auch BSG, Urt. v. 28.02.2007, - B 3 KR 12/06 R -, juris Rdnr. 15).
Die Herausgabe sämtlicher Behandlungsunterlagen sei vorliegend erforderlich, um Behandlungsfehler und damit zusammenhängende Schäden feststellen zu können. Gezielte Fragen an den Beklagten oder die Vorlage des Protokolls über die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen durch die Beigeladene Nr. 2 selbst genügten dafür nicht. Gem. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V müsse sich der MDK auf entsprechende Schilderungen der Beigeladenen Nr. 2 nicht verweisen lassen. Er dürfe die gesamte kieferorthopädische Behandlung auf etwaige Fehler hin überprüfen, wofür er alle Behandlungsunterlagen einschließlich etwaiger bildgebender Darstellungen und Modellanfertigungen benötige.
Die Klägerin müsse dem Beklagten den begutachtenden Arzt des MDK nicht im Vorhinein benennen. Das Gesetz sehe das als Voraussetzung des Herausgabeanspruchs der Krankenkasse aus § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V nicht vor. Die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 11.6.2003, - IV ZR 418/02 -) habe eine andere Fallgestaltung zum Gegenstand (nachträgliche Offenlegung der Identität des Gutachters) und betreffe ohnehin die private und nicht die gesetzliche Krankenversicherung. Offen bleiben könne, ob die Klägerin den Herausgabeanspruch auch auf § 116 SGB X bzw. einen ggf. auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch der Beigeladenen Nr. 2 stützen könnte.
Auf das ihm am 4.1.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 2.2.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Vorwurf eines ärztlichen Kunstfehlers den Vorwurf eines Körperverletzungsdelikts einschließe. Man wolle ihn daher zur Mitwirkung an seiner strafrechtlichen Überführung zwingen, was rechtsstaatlich nicht zulässig sei. Das Sozialrecht könne nicht verlangen, was das Strafprozessrecht untersage.
Bei Inkrafttreten des § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V sei die Behandlung der Beigeladenen Nr. 2 bereits abgeschlossen gewesen, die Vorschrift sei deshalb nicht anwendbar. Jedenfalls müsse man auf den Herausgabeanspruch die Verjährungsvorschriften des BGB entsprechend anwenden. Maßgeblich sei die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist, beginnend mit dem Ende der Behandlung im Jahr 1999. Er habe daher ein berechtigtes Interesse daran, die Angelegenheit endgültig abschließen zu können. Hinsichtlich des Herausgabeanspruchs habe er auf die Einrede der Verjährung auch nicht verzichtet. Diese mache er ausdrücklich geltend.
Aus § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V folge kein Herausgabeanspruch der Klägerin. Ein solcher Anspruch stehe nur dem MDK zu. Dieser könnte die Beigeladene Nr. 2 zunächst begutachten und ihn danach gezielt zu möglichen Behandlungsfehlern befragen. Im Verhältnis zu § 116 SGB X stelle § 294a SGB V, wonach die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die erforderlichen Daten an die Krankenkassen übermittelten, eine vorrangige Sonderregelung dar. Etwaige Herausgabeansprüche könnten nur auf § 294a SGB V gestützt werden; die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien freilich nicht erfüllt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.12.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, in einem Strafverfahren gegen den Beklagten wegen des Verdachtes der Körperverletzung könnten die Behandlungsunterlagen ggf. beschlagnahmt werden; ein Strafverfahren finde jedoch nicht statt und wäre wohl wegen Verfolgungsverjährung auch nicht mehr durchzuführen. Ein Zusammenhang zwischen dem sozialrechtlichen Herausgabeanspruch und der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches bestehe ohnehin nicht. Davon abgesehen habe jeder Patient zivilrechtlich einen Anspruch gegen seinen Arzt auf Einsichtnahme in die Behandlungsdokumentation unabhängig von strafprozessrechtlichen Bestimmungen. Das Rückwirkungsverbot sei nicht verletzt, nachdem der Gesetzgeber mit § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V nur das Bestehen des obergerichtlich bereits aus § 275 Abs. 4 SGB V hergeleiteten Herausgabeanspruchs für die Fälle des § 66 SGB V klargestellt habe. Der Herausgabeanspruch unterliege nicht der Verjährung; Verjährung wäre auch nicht eingetreten. Die persönliche Untersuchung der Beigeladenen Nr. 2 durch den MDK sei nicht vorgesehen und könnte ohnehin keine hinreichenden Informationen darüber geben, ob der Beklagte seinerzeit lege artis behandelt habe oder nicht. Schließlich könne sie das Herausgabeverlangen auch auf Schadensersatzansprüche der Beigeladenen Nr. 2 stützen, die gem. § 116 SGB X i. V. m. §§ 401, 412 BGB auf sie übergegangen seien (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23.3.2010, — - VI ZR 327/08 – juris Rdnr. 13); auch über solche privatrechtlichen Ansprüche hätten die Sozialgerichte zu entscheiden (§ 51 Abs. 2 SGG).
Der Beklagte macht abschließend geltend, da die Beigeladene Nr. 2 die Behandlungsunterlagen bereits eingesehen habe, müsse er sie an die Klägerin nicht herausgeben; diese möge die Beigeladene Nr. 2 zum Inhalt der Dokumentation befragen. Außerdem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin die Unterlagen an die Strafverfolgungsbehörden weitergebe und so rechtsstaatliche Verfahrensgarantien unterlaufe. Mit der Regelung des § 275 Abs.3 Nr. 4 SGB V habe er nicht rechnen müssen, da er die von der Klägerin angegebene Rechtsprechung zu Herausgabeansprüchen nicht gekannt habe. § 294a SGB V stelle eine Sonderregelung dar, deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien; daneben kämen andere Anspruchsgrundlagen nicht in Betracht.
Die Beigeladene Nr. 1 trägt vor, die Klägerin könne den geltend gemachten Herausgabeanspruch nicht auf § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V stützen. Die Vorschrift regele nur Ansprüche des Versicherten selbst; Ansprüche von Krankenkassen gegen Leistungserbringer auf Herausgabe ärztlicher Unterlagen sehe das Gesetz nicht vor. Der Gesetzgeber habe mit der Bestimmung des § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V einen bereits richterrechtlich begründeten Herausgabeanspruch nicht klargestellt. Das folge schon aus dem Wortlaut von § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Das BSG habe Herausgabeansprüche von Krankenkassen im Übrigen auf § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V gestützt. Es habe im Urteil vom 28.2.2007 (- B 3 KR 12/06 R -) zwar Ansprüche der in Rede stehenden Art anerkannt; die hierfür vom BSG gegebene Begründung passe jedoch nicht zur (seinerzeit noch nicht existierenden) Vorschrift in § 274 Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Die Krankenkasse habe im Fall des BSG zudem einen eigenen Anspruch (öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch) verfolgen und nicht einen ihrer Versicherten unterstützen wollen. Der Versicherte könne (und müsse) etwaige Herausgabeansprüche gegen den Vertrags(zahn)arzt selbst geltend machen; das sei in entsprechenden Haftpflichtprozessen auch üblich. Wenn er seinen Herausgabeanspruch auf Dritte, wie eine Krankenkasse, übertragen wolle, sei zudem die Entbindung von der Schweigepflicht erforderlich. Die in § 276 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 SGB V vorgesehene Verpflichtung, Daten an den MDK zu übermitteln, setze die Angabe eines konkreten Grundes hierfür voraus. Eine routinemäßige Anforderung sei nicht zulässig (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 1.9.1995, - L 5 EA K 21/95 -). Außerdem sei die Herausgabe (nur) an den MDK und nicht an die Krankenkasse selbst vorgesehen.
Die Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 28.2.2007, - B 3 KR 12/06 R -) sei schließlich nicht überzeugend. Die Krankenkasse könne allenfalls auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den MDK klagen. Dies sei zumutbar und auch sachgerecht, da die Krankenkasse in aller Regel nicht über qualifiziertes Personal verfüge, das die medizinischen Unterlagen auswerten könne. Über abrechnungstechnische Daten verfüge sie ohnehin; diese genügten für die Erfüllung ihrer Aufgaben. Erforderliche medizinische Überprüfungen seien ggf. von ihr, der Beigeladenen Nr. 1, im Rahmen des Sicherstellungsauftrags (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V) vorzunehmen. Auch Gründe des Datenschutzes und die ärztliche Schweigepflicht sprächen gegen die Herausgabe von Arztunterlagen an die Krankenkasse. Zwar könne ein Herausgabeanspruch auch als Nebenrecht eines gem. § 116 SGB X übergegangenen Hauptanspruchs des Versicherten geltend gemacht werden. Das setze freilich das Bestehen eines solchen Hauptanspruchs voraus, der zudem dem Zivilrecht zuzuordnen wäre; hierfür sei sie, die Beigeladene Nr. 1, nicht zuständig. Schließlich unterliege der geltend gemachte Herausgabeanspruch der Verjährung (BSG, Urt. v. 28.2.2007, - B 3 R 12/06 R -), wobei eine 4-jährige Verjährungsfrist in Abhängigkeit vom entsprechenden Hauptanspruch maßgeblich sei.
Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, der Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen ergebe sich nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 28.2.2007, - B 3 R 12/06 R -) aus § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V i. V. m. § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V. Soweit sie zur Unterstützung der Beigeladenen Nr. 2 gemäß § 66 SGB V tätig werde, folge der Herausgabeanspruch also aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 und § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Fälle dieser Art würden bei ihr in spezialisierten Regressgeschäftsstellen bearbeitet, denen Mitarbeiter ausschließlich im Bereich des Medizinschadensrechts tätig seien. Die Versicherten könnten die sachdienlichen (medizinischen) Begutachtungsfragen in aller Regel nicht selbst formulieren. Die Beschaffung der Patientendokumentation sei Teil der Unterstützungsleistung, die sie für ihre Versicherten erbringe. Diese seien dazu vielfach (nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen infolge streitiger Behandlungsfehler) selbst nicht in der Lage. Die Krankenkassen würden freilich nur nach Abgabe einer entsprechenden Schweigepflichtentbindungserklärung tätig. Soweit sie sich mit dem Herausgabeverlangen auf gem. § 116 SGB X übergegangene und je nach dem Ergebnis der Begutachtung ggf. geltend zu machende Ersatzansprüche stütze, wolle sie mit der Einschaltung des MDK gemäß § 275 Abs. 4 SGB V tätig werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat ihn zu Recht dazu verurteilt, die Unterlagen über die kieferorthopädische Behandlung der Beigeladenen Nr. 2 an die Klägerin zur Weiterleitung an den MDK herauszugeben.
I. Die Krankenkassen haben – wie noch darzulegen sein wird - einen Rechtsanspruch auf Herausgabe der Unterlagen von Vertrags(zahn)ärzten über die Behandlung gesetzlich Versicherter zur Weiterleitung an den MDK aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V. Diesen Anspruch können sie vor den Sozialgerichten geltend machen. Eine entsprechende Leistungsklage hat unzweifelhaft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zum Gegenstand (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Rechtswegfragen stellen sich daher nicht, unbeschadet dessen, dass die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs im Rechtsmittelverfahren ohnehin nicht geprüft wird (§ 17a Abs. 5 GVG). Ob die Krankenkassen die Herausgabe von Behandlungsunterlagen auch auf der Grundlage privatrechtlicher Ansprüche ihrer Mitglieder, die auf sie gem. § 116 SGB X übergegangen sind, verlangen können, und auf welchem Rechtsweg solche Ansprüche geltend zu machen wären (vgl. § 51 Abs. 2 SGG und dazu etwa SG Dresden, Beschl. v. 4.11.2003, - S 1 SF 14/03 -), kann der Senat offen lassen.
Der Herausgabeanspruch aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V ist gem. § 54 Abs. 5 SGG statthaft mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen. Einer solchen Klage fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Die Krankenkassen müssen sich insbesondere nicht darauf verweisen lassen, den Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen durch Verwaltungsakt (§ 33 SGB X) gegenüber dem Vertrags(zahn)arzt geltend zu machen. Da ihre Befugnis hierzu zumindest zweifelhaft ist, stellt der Erlass eines Verwaltungsakts einen einfacheren Weg zur Verwirklichung des Rechtsschutzziels nicht dar (vgl. auch Senatsurteil vom 11.12.1996, - L 5 Ka 1130/95 -, MedR 1997,331).
Der Rechtsstreit über die Herausgabe vertrags(zahn)ärztlicher Behandlungsunterlagen betrifft nicht allein die Rechtsstellung der Vertrags(zahn)ärzte, sondern auch diejenige der Krankenkassen. Er hat damit eine Angelegenheit des Vertrags(zahn)arztrechts i. S. d. § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG und nicht der Vertrags(zahn)ärzte i. S. d. § 12 Abs. 3 Satz 2 SGG zum Gegenstand. Das Sozialgericht bzw. im Berufungsverfahren das Landessozialgericht entscheidet deswegen in der Besetzung, die für Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertrags(zahn)ärzten bzw. Psychotherapeuten vorgesehen ist (§§ 10 Abs. 2, 31 Abs. 2 SGG), hier also mit einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragszahnärzte (Senatsurteil vom 11.12.1996, a. a. O.)
II. Die Krankenkassen können nach näherer Maßgabe des § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V von den Vertrags(zahn)ärzten die Herausgabe der Unterlagen über die Behandlung gesetzlich Versicherter zur Weiterleitung an den MDK verlangen; im Streitfall ist hierüber aufgrund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts zu entscheiden. Der Herausgabeanspruch steht der Krankenkasse zu. Er unterliegt der allgemeinen sozialrechtlichen Verjährung (§ 45 Abs. 1 SGB I).
1.) Grundlage des Anspruchs der Krankenkasse auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen zur Weiterleitung an den MDK ist § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V. Die Vorschrift lautet: Haben die Krankenkassen nach § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V eine gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung durch den MDK veranlasst, sind die Leistungserbringer verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des MDK unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist; Sozialdaten in diesem Sinne (vgl. § 67 SGB X) sind auch Unterlagen über die Behandlung Versicherter als Aktendaten (vgl. etwa BSG, Urt. v. 28.2.2007, - B 3 KR 12706 R -; LPK-SGB V/Roß, Vor §§ 284 – 305 Rdnr. 3; auch LSG Bayern, Urt. v. 23.9.1998, - L 12 KA 533/96 -). § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V regelt den Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen zum einen (implizit) hinsichtlich der materiellen Grundlegung, zum andern (explizit) hinsichtlich der Art und Weise, wie er zu erfüllen ist, nämlich durch Herausgabe nicht an die Krankenkasse zur Prüfung und Auswertung durch eigene Mitarbeiter, sondern an den MDK. Dieser ist in § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aber nicht als (alleiniger) Inhaber des Herausgabeanspruchs, sondern als diejenige Stelle benannt, die die Behandlungsunterlagen (ebenfalls) anfordern darf und in jedem Fall zu erhalten und zu bearbeiten hat. Der Herausgabeanspruch steht (zumindest auch) der Krankenkasse zu (vgl. BSG, Urt. v. 28.2.2007, - B 3 KR 12/06 R -). Er soll als (akzessorischer) Hilfsanspruch sicherstellen, dass diese ihre in § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V festgelegten Rechte und Pflichten wahrnehmen, bspw. (Haupt-)Ansprüche gegen Leistungserbringer auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Vergütungen mit Hilfe einer Abrechnungsprüfung durch den MDK durchsetzen (zu einer solchen Fallgestaltung BSG, Urt. v. 28.2.2007, - B 3 KR 12/06 R -), unberechtigte Leistungsansprüche Versicherter abwehren oder diese bei Behandlungsfehlern unterstützen kann (§ 275 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. § 66 SGB V). Deswegen knüpft § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V nach Wortlaut und systematischer Stellung an die Regelung des § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V über die Zusammenarbeit zwischen Krankenkasse und MDK an. In dieser Zusammenarbeit ist die Krankenkasse Herrin des Verfahrens. Sie veranlasst gutachtliche Stellungnahmen oder Prüfungen durch den MDK nach näherer Maßgabe des § 275 SGB V und kann die Gutachtens- oder Prüfaufträge im Laufe des Verfahrens jederzeit ändern. Hierauf stellt § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V als tatbestandliche Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs ausdrücklich ab und verdeutlicht dadurch zugleich, dass der Herausgabeanspruch als Hilfsanspruch primär nicht der Erfüllung der Aufgaben des MDK, sondern der Aufgaben der Krankenkasse dient.
Die Bestimmungen in § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V regeln, in welchen Fällen die Krankenkasse den MDK mit gutachtlichen Stellungnahmen oder Prüfungen beauftragen muss oder darf. Mit der Bezugnahme hierauf in § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ist der Anwendungsbereich des Herausgabeanspruchs als (akzessorischem) Hilfsanspruch festgelegt. Gem. § 276 Abs. 2 Satz 2 SGB V dürfen die rechtmäßig erhobenen und gespeicherten Sozialdaten bzw. Behandlungsunterlagen folglich auch nur für die in § 275 SGB V genannten Zwecke verarbeitet oder genutzt werden.
Nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V können die Krankenkassen in geeigneten Fällen durch den MDK prüfen lassen, ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66 SGB V). § 66 SGB V sieht vor, dass die Krankenkassen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 SGB X auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen können. Beantragt der Versicherte solche Unterstützungsleistungen und ist die Krankenkasse zu deren Erbringung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 39 SGB I) bereit, darf sie zur weiteren Prüfung des Sachverhalts den MDK einschalten. Der Leistungserbringer muss die Behandlungsunterlagen des Versicherten dem MDK auf Verlangen der Krankenkasse gem. § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V und § 66 SGB V herausgeben. Auf die ärztliche Schweigepflicht kann er sich nicht berufen, da die Herausgabe der Behandlungsunterlagen mit den genannten Vorschriften gesetzlich zugelassen ist.
Der Herausgabeanspruch der Krankenkasse aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V wird durch die Bestimmung in § 294a Abs. 1 Satz 1 SGB V (i. V. m. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V) nicht verdrängt. Danach sind (u.a.) die Vertrags(zahn)ärzte verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vorliegen. Die Vorschrift soll durch Schaffung einer gesetzlichen Übermittlungs- und Offenbarungsbefugnis den gesetzlichen Krankenkassen einen eigenen Anspruch auf Mitteilung von Krankheitsursachen und drittverursachten Gesundheitsschäden geben und den damit verbundenen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung des Versicherten und die korrespondierende ärztliche Schweigepflicht rechtfertigen. Sie verpflichtet u.a. Vertrags(zahn)ärzte, unaufgefordert den Krankenkassen Angaben über Ursachen und mögliche Verursacher mitzuteilen, wenn aus ihrer Sicht Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vorliegen. Der verpflichtete Leistungserbringer muss von sich aus oder ggf. auf Anforderung der Krankenkassen die erforderlichen Daten mitteilen, ohne dass eine Zustimmung oder Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherten erforderlich ist (KassKomm/Hess, SGB V § 294a Rdnr. 1 f.; BGH, Urt. v. 23.3.2010, - VI ZR 327/08 -). Damit wird den Krankenkassen die Prüfung und Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegen andere Leistungsträger (§§ 104 ff. SGB X) oder von auf sie gem. § 116 SGB X übergegangenen Schadensersatzansprüchen des Versicherten gegen Dritte ermöglicht. § 294a Abs. 1 Satz 1 SGB V bezieht sich nach dem klaren Gesetzeswortlaut aber allein auf Dritten zuzurechnende Gesundheitsschäden und nicht – wie § 66 SGB V – auf Behandlungsfehler durch den auskunfts- bzw. herausgabepflichtigen Vertrags(zahn)arzt selbst (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 11.11.2009, - L 1 KR 152/08 -). Der aus § 294a Abs. 1 Satz 1 SGB V folgende Hilfsanspruch der Krankenkasse ist damit anderen Hauptansprüchen bzw. Rechten zugeordnet als der Hilfsanspruch aus § 276 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V i. V. m. § 275 Abs. 3 Nr. 4 und § 66 SGB V. Beide Hilfsansprüche stehen selbständig nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus.
2.) Das Gericht entscheidet über den Anspruch der Krankenkasse auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Maßgeblich ist das in diesem Zeitpunkt geltende materielle Recht. Es hat – vorbehaltlich anderweitiger Regelung - grundsätzlich uneingeschränkten Geltungswillen auch für Sachverhalte vor seinem Inkrafttreten und bestimmt darüber, ob eine im Verlauf des (Verwaltungs-)Verfahrens eingetretene Änderung des Sachverhalts oder der Rechtslage beachtlich ist oder nicht. Bei Leistungsklagen muss der geltend gemachte Anspruch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts bestehen (vgl. etwa Hk-SGG/Castendiek, § 54 Rdnr. 76; NK-VwGO/Wolff, § 113 Rdnr. 90, 94 ff.; jeweils mit Nachw. zur Rspr.).
Maßgeblich sind danach § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V (in Kraft seit 1.1.1993 - Gesetz vom 21.12.1992, BGBl. I S. 1266) und § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V (in Kraft seit 1.4.2007 - Gesetz vom 26.3.2007, BGBl. I S. 378) in der derzeit geltenden Gesetzesfassung. Die Vorschriften sind nicht nur auf Behandlungen anzuwenden, die bei ihrem Inkrafttreten bereits begonnen hatten oder danach aufgenommen worden sind, sondern auch für bereits abgeschlossene Behandlungen. Eine anderweitige Geltungsanordnung ist weder ausdrücklich festgelegt noch den genannten Vorschriften im Wege der Auslegung zu entnehmen.
Eine unzulässige Rückwirkung von Gesetzen steht auch bei vor dem 1.4.2007 (Inkrafttreten des § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V) beendeten Behandlungen nicht in Rede (zur Rückwirkung von Gesetzen Sodan, GG Art. 20 Rdnr. 59 ff.; Maurer, Staatsrecht I § 17 Rdnr. 101 ff.). Vor diesem Tag war ein Anspruch der Krankenkasse auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK zur Prüfung von Unterstützungsleistungen nach der (seit 1989 unverändert geltenden) Bestimmung des § 66 SGB V allerdings noch nicht vorgesehen. § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V bindet den Herausgabeanspruch an die in § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V genannten "Veranlassungsfälle", wozu die Unterstützung des Versicherten nach § 66 SGB V (§ 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V) seinerzeit nicht gehörte; § 275 Abs. 4 SGB V, wonach die Krankenkassen den MDK auch in – nur beispielhaft aufgeführten - anderen Fällen zu Rate ziehen sollen, ist ausdrücklich nicht in Bezug genommen (vgl. aber auch auf diese Vorschrift für einen Herausgabeanspruch abstellend Senatsurteil vom 11.12.1996, a. a. O., durch die neuere Rechtsprechung des BSG zu § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V – Urt. v. 28.2.2007 – B 3 KR 12/06 R - überholt). Mit § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V i. V. m. § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ist zum 1.4.2007 aber lediglich ein bis dahin noch nicht bestehender Herausgabeanspruch der Krankenkasse bzw. eine entsprechende Pflicht des Vertrags(zahn)arztes zur Herausgabe von Behandlungsunterlagen (auch) über bereits abgeschlossene Behandlungen eingeführt worden. Die Vorschrift legt den Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs nicht auf einen Zeitpunkt vor ihrer rechtlichen Existenz fest (BVerfGE 72,200,241 – tatbestandliche Rückanknüpfung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen) bzw. unterwirft den in der Vergangenheit abgeschlossenen Behandlungssachverhalt selbst nicht im Nachhinein einer anderweitigen gesetzlichen Regelung (BVerfGE 11,139,145 – echte Rückwirkung). Danach mag allenfalls eine unechte Rückwirkung (näher: Maurer, Staatsrecht I § 17 Rdnr. 101 ff. m. N.) in Frage kommen. Ein etwaiges Vertrauen des Vertrags(zahn)arztes in den umfassenden und unveränderten Fortbestand der während der Leistungserbringung bestehenden Rechtslage hinsichtlich seiner Pflicht zur Herausgabe von Behandlungsunterlagen an Krankenkassen ist nicht geschützt. Der Gesetzgeber darf solche Pflichten auch für bereits abgeschlossene Behandlungen, namentlich zum Schutz des Versicherten bei etwaigen Behandlungsfehlern (§ 66 SGB V), einführen oder erweitern.
3.) Der Herausgabeanspruch der Krankenkasse aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V unterliegt der allgemeinen sozialrechtlichen Verjährung nach Maßgabe des § 45 SGB I (BSG, Urt. v. 28.02.2007, - B 3 KR 12/06 R -). Gem. § 45 Abs. 1 SGB I verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen (§ 11 Satz 1 SGB VI) in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß (§ 45 Abs. 2 SGB I). Gem. § 40 Abs. 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Bei Ermessensleistungen ist grundsätzlich der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Entscheidung über die Leistung bekannt gegeben wird (§ 40 Abs. 2 SGB I).
Als (akzessorischer) Hilfsanspruch kann der Herausgabeanspruch aus § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V nicht eher verjähren als der Hauptanspruch bzw. die daraus folgenden Rechte der Krankenkasse, die der Hilfsanspruch sichern soll (vgl. BSG, Urt. v. 28.2.2007, - B 3 KR 12/06 R –). Das gilt nicht nur dann, wenn es sich bei dem Hauptanspruch um einen Anspruch der Krankenkasse (selbst) gegen einen Leistungserbringer, etwa auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Vergütungen, handelt (dazu BSG, a. a. O.), sondern in entsprechender Weise auch in solchen Fällen, in denen der Herausgabeanspruch akzessorisch mit dem Anspruch des Versicherten auf Unterstützung durch die Krankenkasse bei Behandlungsfehlern (§ 66 SGB V i. V. m. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V) verknüpft ist und dessen Sicherung dient. Maßgeblich für den Beginn der Verjährung des Herausgabeanspruchs der Krankenkasse ist dann der Beginn der Verjährung des Unterstützungsanspruchs des Versicherten. Ist der Unterstützungsanspruch verjährt, darf der Vertrags(zahn)arzt dem Herausgabeverlangen der Krankenkasse die Verjährungseinrede entgegen halten, auch wenn diese selbst von ihr (gegenüber dem Versicherten) nicht Gebrauch macht. Die Unterstützung des Versicherten bei Behandlungsfehlern stellt nach der "Kann-Bestimmung" des § 66 SGB V eine Ermessensleistung der Krankenkasse dar. Deswegen entsteht der Unterstützungsanspruch gem. § 40 Abs. 2 SGB I im Zeitpunkt der Bekanntgabe der (auch formlos oder durch schlüssiges Verhalten möglichen) Entscheidung der Krankenkasse, naturgemäß nach vorausgehendem Unterstützungsbegehren bzw. Unterstützungsantrag des Versicherten. Die vierjährige Verjährungsfrist kann für den Anspruch der Krankenkasse auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen zur Weiterleitung an den MDK vorher nicht beginnen.
III. Davon ausgehend ist der Beklagte verpflichtet, die Unterlagen über die kieferorthopädische Behandlung der Beigeladenen Nr. 2 an die Klägerin (in verschlossenem Umschlag) zur Weiterleitung an den MDK herauszugeben. Er kann die Unterlagen auch unmittelbar dem MDK zukommen lassen.
Die Beigeladene Nr. 2 hat bei der Klägerin im Jahr 2004 die Unterstützung bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten wegen der von 1991 bis 1999 durchgeführten kieferorthopädischen Behandlung beantragt (§ 66 SGB V). Die Klägerin hat sich hierzu nach pflichtgemäßem Ermessen bereit erklärt und deswegen dem MDK gem. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V einen entsprechenden Prüfauftrag erteilt. Daraus erwachsen ihr Rechte (und Pflichten), deren Sicherung (bzw. Erfüllung) der Herausgabeanspruch nach § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V und § 66 SGB V als Hilfsanspruch dient. Diesen hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten rechtsfehlerfrei geltend gemacht, insbesondere die Herausgabe der Behandlungsunterlagen nicht an sie selbst zur Prüfung durch eigene Mitarbeiter, sondern an den MDK verlangt.
Der Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen zur Weiterleitung an den MDK setzt nicht voraus, dass die Klägerin dem Beklagten zuvor den zuständigen Gutachter des MDK benennt. Das ist im Gesetz nicht vorgesehen und meist auch nicht möglich. Die Beigeladene Nr. 2 hat sich mit der Herausgabe der Behandlungsunterlagen zur Weiterleitung an den MDK einverstanden erklärt und unter dem 11.7.2005 eine Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben, weshalb der Beklagte dem Herausgabeverlangen der Klägerin die ärztliche Schweigepflicht schon deshalb nicht entgegen halten kann; im Übrigen ist die Herausgabe der Behandlungsunterlagen gesetzlich zugelassen. Verjährung ist nicht eingetreten. Über den Antrag der Beigeladenen Nr. 2 auf Unterstützung durch die Klägerin gem. § 66 SGB V ist im Jahr 2004, dem Jahr der Antragstellung, entschieden worden. Diese Entscheidung ist nach dem Gesagten für den Beginn der Verjährung (auch) des Herausgabeanspruchs maßgeblich. Die vierjährige Verjährungsfrist (§ 45 Abs. 1 SGB I) war bei Klagerhebung im Jahr 2006 daher nicht abgelaufen; mit Klageerhebung ist Hemmung der Verjährung eingetreten (§ 45 Abs. 2 SGB I i. V. m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Strafprozessrechtliche Grundsätze stehen dem sozialrechtlichen Herausgabeanspruch der Krankenkasse nicht entgegen. Der Herausgabeanspruch richtet sich allein auf die Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den MDK und nicht an die Strafverfolgungsbehörden. Die Behandlungsunterlagen dürfen gem. § 276 Abs. 2 Satz 3 SGGB V auch nur zu den in § 275 SGB V genannten Zwecken, hier also zur Unterstützung der Beigeladenen Nr. 2 nach Maßgabe des § 66 SGB V, und nicht zur Einleitung einer Strafverfolgung des Beklagten genutzt werden; das beabsichtigt die Klägerin ersichtlich auch nicht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
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