L 16 LW 33/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 LW 298/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 33/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Versicherungsfreiheit der Klägerin als Landwirtin vom 01.04.1999 bis 31.07.2001.

Die am 1963 geborene Klägerin hat bis Oktober 1989 Agrarwissenschaften studiert und ist seit 21.01.1993 verheiratet. Sie ist laut Gesellschaftsvertrag vom 20.07.1989 zu 15 % an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts beteiligt, die die gemeinsame Bewirtschaftung des gemeinsamen Gutshofs G. (land- und forstwirtschaftlicher Betrieb) in T. , H.straße, zum Gegenstand hat. Die übrigen Anteile halten ihre Eltern und ihre Schwester. Die Klägerin erhält für ihre Arbeitsleistung vorab eine jährliche Sondervergütung in Höhe von 12.000,00 DM; die Geschäftsführung liegt bei den Eltern; die Abstimmung geschieht nach Kapitalanteilen.

Mit Bescheid vom 21.04.1994 nahm die LAK Oberbayern die Klägerin ab Juni 1992 wegen hauptberuflicher Tätigkeit im Unternehmen ins Mitgliederverzeichnis der Land- und Forstwirtschaft auf. Dem widersprach die Klägerin mit der Begründung, seit ihrer Verheiratung und der Geburt des Sohnes am 1993 keinerlei berufliche Tätigkeit ausgeübt zu haben. Die Tätigkeit für die Gesellschaft sei allenfalls geringfügig und Gewinn- und Verlustzuweisungen seien nicht erfolgt.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.05.1995 erhob die Klägerin am 14.07.1995 u.a. mit der Begründung Klage, nicht Mitunternehmerin zu sein, da die Mehrheitsverhältnisse eine Unternehmerinitiative unterbänden und das Unternehmerrisiko fehle, nachdem sie beim Ausscheiden aus der Gesellschaft entsprechend ihrem Anteil den Anteil am Einheitswert erhalte, ohne ein eventuell negatives Kapitalkonto ausgleichen zu müssen.

Während des Klageverfahrens beantragte die Klägerin vorsorg- lich die Befreiung von der landwirtschaftlichen Versicherungspflicht, dem die LAK Oberbayern mit den Bescheiden vom 13.06. 1996, 16.07.1996 und 27.08.1996 gemäß § 3 Abs.1 Nr.2 ALG ab 01.01.1995 auf die Dauer der Erziehungszeit bis 30.06.1996 entsprach.

Im oben genannten Klageverfahren wies der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung am 25.08.1998 darauf hin, dass im Hinblick auf die Gesellschafterstellung der Klägerin an ihrer Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmerin dem Grunde nach nicht zu zweifeln sei, allerdings müsste in der Konsequenz des § 94 ALG die Befreiung wegen Kindererziehung nach dem ab 01.01.1995 geltenden Recht bereits rückwirkend ab 01.07.1993 gewährt werden. Darauf schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich: 1. Die Beklagte erkennt versicherungsbefreiende Kindererziehungszeiten für die ersten drei Lebensjahre des Kindes, also ab 01.07.1993 an. 2. Der Rechtssteit ist ansonsten erledigt. 3 Die Beklagte verzichtet auf eine Verzinsung des Beitragsrückstandes.

Im Ausführungsbescheid vom 21.10.1998 wurde der Bescheid vom 13.06.1996 gemäß § 44 SGB X insoweit zurückgenommen, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht bereits ab 01.07.1993 erfolgt.

Nach einer Befreiung wegen außerlandwirtschaftlichen versicherungspflichtigen Einkommens ab 01.01.1999 stellte die LAK Oberbayern mit Bescheid vom 03.08.2000 die Versicherungspflicht ab 01.04.1999 wegen Geringfügigkeit der Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft fest. Dem widersprach die Klägerin mit der Begründung, weil sie bis 30.06.1996 versicherungsfrei gewesen sei, müsse sie gemäß der Übergangsvorschrift des § 85 ALG beitragsfrei bleiben. Im Widerspruchsbescheid vom 25.10.2000 heißt es, § 85 ALG betreffe nur Befreiungen nach § 17 Abs.2 GAL, nicht solche nach § 94 ALG.

Die dagegen eingelegte Klage wies das Sozialgericht am 20.06. 2001 mit der Begründung ab, § 85 ALG betreffe nur Befreiungen nach § 14 Abs.2 GAL. Die Klägerin sei nicht am 31.12.1994 befreit gewesen, sei dies vielmehr erst 1998 rückwirkend geworden. Der Vorteil des § 94 ALG beschränke sich auf die Fiktion der Rückwirkung.

Gegen das am 06.08.2001 zugestellte Urteil legte die Klägerin am 27.08.2001 Berufung ein. Sie machte geltend, der Befreiungsanspruch lasse sich auf § 85 ALG stützen. Im Übrigen sei die Klägerin nach wie vor davon überzeugt, als Gesellschafterin nicht versicherungspflichtig zu sein.

Wegen selbständiger Tätigkeit wurde die Klägerin mit Bescheid vom 28.09.2001 ab 01.08.2001 entsprechend ihrem Antrag von der Versicherungspflicht befreit.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2001 und den Bescheid der LAK Oberbayern vom 03.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin für die Zeit vom 01.04.1999 bis zum 31.07.2001 von der Versicherungspflicht zu befreien bzw. festzustellen, dass die Klägerin in dem genannten Zeitraum von der Versicherungspflichtbefreit ist. Hilfsweise beantragt sie die Zulassung der Revision.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.

Die Passivlegitimation der LAK Franken und Oberbayern ergibt sich daraus, dass die bis Januar 2001 selbständigen landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger Oberfranken und Mittelfranken, Unterfranken sowie Oberbayern sich gemäß § 118 SGB VII in Verbindung mit der von der Aufsichtsbehörde genehmigten Satzung freiwillig zusammengeschlossen haben. Die neuen Gesamtträger sind in alle Rechtsverhältnisse der bisherigen Träger eingetreten (§ 118 Abs.1 Satz 5 SGB VII).

Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.06.2001 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der LAK Oberbayern vom 03.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2000. Die Klägerin ist nicht gemäß § 85 Abs.1 Satz 1 ALG versicherungsfrei. Zutreffend hat die LAK Oberbayern im angegriffenen Bescheid die Versicherungspflicht der Klägerin als Gesellschafterin ab 01.04.1999 festgestellt. Diese Feststellung ist durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 28.09.2001 beschränkt auf die Zeit bis 31.07.2001. Sie geschah in Wiederholung des Verfügungssatzes im erstfeststellenden Bescheid vom 21.04.1994, der mit der Erledigungserklärung im Vergleich vom 25.08.1998 bestandskräftig geworden ist. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, diesen Bescheid gemäß § 44 SGB X für rechtswidrig zu befinden.

Landwirt ist, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das die Mindestgröße erreicht. Unternehmer ist, wer seine berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Beschränkt haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder Mitglieder einer juristischen Person gelten als Landwirt, wenn sie hauptberuflich im Unternehmen tätig und wegen dieser Tätigkeit nicht kraft Gesetzes in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind (§ 1 Abs.2 ALG). Entscheidend ist danach das selbständige Betreiben eines Unternehmens. Dabei wird die Unternehmerstellung grundsätzlich unabhängig von der Rechtsform, in der das Unternehmen betrieben wird, vermittelt. Mitglieder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sind ohne weitere Voraussetzungen versicherungspflichtig, wenn ein Unternehmen der Bodenbewirtschaftung betrieben wird (Rombach in Alterssicherung der Landwirte, Freiburg, Haufeverlag, 1995, S.33). Aufgrund gesellschaftsrechtlicher Vorschriften über die persönliche und unbegrenzte Haftung der Gesellschafter tragen diese Personen ein so wesentliches Unternehmerrisiko, dass eine Arbeitnehmerstellung ausgeschlossen ist. Ihre Arbeitsleistung für die Gesellschaft ist in jedem Fall eine selbständige Tätigkeit. Dass eine Arbeitsleistung zugunsten der Gesellschaft erfolgt, geht aus § 7 Abs.2 des Gesellschaftsvertrags vom 20.07.1989 hervor, wonach die Klägerin vorab für ihre Arbeitsleistung eine Sondervergütung in Höhe eines Festbetrags von 12.000,00 DM jährlich erhält. Angesichts der Ausbildung der Klägerin ist dies auch nachvollziehbar. Angesichts des Umfangs der Sondervergütung kann auch von keiner unbedeutenden Tätigkeit ausgegangen werden. Jedenfalls ist die Klägerin nicht nur am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sondern arbeitet auch mit. § 1 Abs.2 Satz 3 ALG gilt nicht für die unbeschränkt haftenden Gesellschafter der BGB-Gesellschaft. Ihre Unternehmereigenschaft richtet sich allein nach Satz 2, ist also ab 01.01.1995 nicht mehr davon abhängig, dass sie hauptberuflich im Unternehmen tätig sind (Gesamtverband der Landwirtschaftlichen Alterskassen, Alterssicherung der Landwirte, Kommentar, § 1 ALG S.1.7). Dies ist in den Materialien zu § 1 Abs.2 festgehalten (Materialband zum Agrarsozialreformgesetz 1995 S.54). Soweit vom Klägerbevollmächtigten eingewandt wurde, die Klägerin treffe kein Risiko, weil sie im Fall des Ausscheidens einen Auseinandersetzungsanspruch nach § 13 Abs.1 des Gesellschaftsvertrags habe, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Gesellschafter der GbR für die eingegangenen Verbindlichkeiten grundsätzlich mit der Gesamthandschuld und mit ihrem Privatvermögen einzustehen haben. Die Haftungsbeschränkung zwischen den Gesellschaftern im Gesellschaftsvertrag wirkt gegenüber Dritten nicht unmittelbar, sondern nur, wenn sie nach außen erkennbar ist (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 28. Auflage, § 714 Rz.4). Wegen dieses Unternehmerrisikos und ihrer Mitarbeit ist die Klägerin daher Unternehmerin im Sinn des § 1 Abs.2 ALG. Dass sie wegen ihrer geringen Beteiligung keine Unternehmensinitiative entwickeln kann, hindert die Entstehung der Versicherungspflicht nicht, weil jedes Mitglied einer Personengemeinschaft unabhängig von einer Leitungsbefugnis Mitunternehmer ist. Die Klägerin ist nicht versicherungsfrei. Personen, die am 31.12.1994 als Landwirte oder mitarbeitende Familienangehörige von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreit oder kraft Gesetzes beitragsfrei waren, bleiben in dieser Tätigkeit versicherungsfrei (§ 85 Abs.1 Satz 1 ALG). Zwar ist zuzugeben, dass die Klägerin aufgrund des Vergleichs vom 25.08. 1998 bzw. des Ausführungsbescheids vom 21.10.1998 zum Stichtag am 31.12.1994 der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte nicht unterlegen hat. Die Beklagte erkannte versicherungsbefreiende Kindererziehungszeiten für die ersten drei Lebensjahre des Kindes, also ab 01.07.1993, an. Aus der Stellung des § 85 im ALG, nämlich unter dem 5. Kapitel Sonderregelungen, wird deutlich, dass die Vorschrift Regelungen hinsichtlich der Themenkomplexe Versicherungsfreiheit und Versicherungsbefreiung in Übergangsfällen beinhaltet. Dies macht klar, dass Regelungsgegenstand nur eine Befreiung nach dem bis 31.12.1994 geltenden Recht sein kann. Die Befreiung der Klägerin basiert jedoch ausdrücklich entsprechend der Bezugnahme des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung auf § 94 ALG, und durch die Bezugnahme im Ausführungsbescheid vom 21.10.1998 auf den Bescheid vom 13.06.1996 auf § 3 ALG. Ein Befreiungsrecht wegen Kindererziehungszeiten hat nach altem GAL-Recht nicht bestanden (§ 14 Abs.2 GAL in der vom 01.01.1992 bis 31.12.1994 gültigen Fassung). Die Bestimmung des § 85 Abs.1 Satz 1 ALG trägt der Tatsache Rechnung, dass nach § 14 Abs.2 GAL die Beitragsbefreiung des landwirtschaftlichen Unternehmers unwiderruflich und endgültig erfolgt ist. Eine derart endgültige Befreiung war mit dem Vergleich vom 25.08.1998 angesichts der Befristung der Befreiung auf drei Jahre eindeutig nicht gewollt. Der Bestand des Bescheids vom 16.07.1996 bzw. 27.08.1996, in dem das Wiederaufleben der Versicherungspflicht ab 01.07.1996 festgestellt wurde, blieb unangetastet. Er war Gegenstand des ab 14.07.1995 anhängigen Klageverfahrens. Der Befreiungsantrag der Klägerin ist auch nicht in der ausnahmsweise geltenden Übergangsfrist bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung des GAL - also bis zum 31.03. 1995 - gestellt worden (§ 94 Abs.2 ALG). Tatsächlich hat die Klägerin den Befreiungsantrag am 29.03.1996 gestellt. Damit war auf die Klägerin nicht mehr die bis zum 31.12.1994 geltende Vorschrift des § 14 Abs.2 GAL anzuwenden (ebenso BSG in Entscheidung vom 17.08.2000 in SozR 3-5868 § 34 Nr.2). Die zum 31.12.1994 bestehende Befreiung von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte beruhte weder auf einer der in § 14 Abs.1 GAL genannten Tatbestände noch auf § 94 ALG. § 94 Abs.1 ALG ist nämlich ebenso wie der gleichlautende § 300 Abs.1 SGB VI auf versicherungsrechtliche Tatbestände (ob z.B. Versicherungspflicht bestanden hat) nicht anwendbar (Niesel in KassKomm § 300 Rz.7 mit weiteren Nachweisen). Die Befreiung basierte allein auf dem vor dem Sozialgericht 1998 geschlossenen Vergleich, dem die Folgewirkung einer Übergangsregelung im ALG von vornherein nicht zukommen kann. Übergangsregelungen bestimmen, wann altes und wann neues Recht anzuwenden ist. Vergleichsweise getroffene Regelungen, die nach In-Kraft-Treten des neuen Rechts geschaffen werden, gehören von vornherein nicht zum Schutzkreis einer Übergangsregelung. Vor diesem Hintergrund erschöpft sich der 1998 getroffene Vergleich in seinem Regelungsgehalt und zieht keine weiteren Folgen nach sich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätziche Bedeutung, weil die Gefahr der Wiederholung ähnlicher Fälle nahezu ausgeschlossen erscheint. Die rückwirkende Anerkennung von Kindererziehungszeiten als Befreiungsgrund von der landwirtschaftlichen Versicherungspflicht für die Zeit vor dem 01.01.1995 läuft der tatsächlichen Verwaltungspraxis zuwider.
Rechtskraft
Aus
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