L 16 LW 38/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 LW 35/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 38/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 12.07.1999 und des Bescheids der Beklagten vom 04.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.1998 verpflichtet, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.10.1996 zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines Rentenbewilligungsbescheides vom 20.03.1995 durch streitgegenständlichen Bescheid vom 24.04.1996 und die Gewährung des vorzeitigen Altersgeldes in der Zeit vom 01.06.1996 bis 31.08.1997.

Streitig sind dabei auch die Abgabevorschriften nach § 21 i.V.m. § 30 Abs.2 Satz 4 ALG.

Der am 1936 geborene Kläger hat ab 1962 ein landwirtschaftliches Unternehmen von rund 9 ha Größe bewirtschaftet und war in das Mitgliederverzeichnis der Beklagten aufgenommen. Außerdem war er versicherungspflichtig als Kraftfahrer beschäftigt. Am 26.10.1994 beantragte er bei der Beklagten vorzeitiges Altersgeld. Bei der persönlichen Vorsprache gab er bekannt, zum 01.11.1994 seinen Betrieb an den Sohn J. verpachten zu wollen.

Der der Beklagten vorgelegte Pachtvertrag wurde nach Hinweis der Beklagten ergänzt, so dass eine Pachtdauer von neun Jahren, beginnend am 12.11.1994 und endend am 30.11.2003, vereinbart war.

Die Beklagte zog die Unterlagen über die Kuraufenthalte des Klägers 1993 und 1994 und die vertrauensärztlichen Gutachten bei. Aus der Reha-Maßnahme in F. wurde der Kläger am 26.08.1994 als arbeitsunfähig entlassen, gleichzeitig wurde aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen für mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Heben und Tragen oder Bewegen von Lasten im körperlichen Wechselrhythmus angenommen.

Mit Bescheid vom 02.12.1994 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, Erwerbsunfähigkeit liege nicht vor, da nach den medizinischen Unterlagen noch vollschichtig leichte Arbeiten teilweise im Sitzen ohne dauerndes Gehen und Stehen und ohne Heben und Tragen von Lasten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichtet werden könnten.

Unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Arztes Dr.M. erhob der Kläger Widerspruch, da er nach Ansicht seines Arztes keine einfachen Arbeiten mehr verrichten könne.

Ein Ergänzungspachtvertrag mit einer Laufzeit bis 30.04.2004 wurde abgeschlossen.

Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung des Klägers beim Orthopäden Dr.S ... Dieser stellte im Gutachten vom 27.01.1995 folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Chronisches allgemeines Wirbelsäulensyndrom mit ausgeprägten schmerzhaften Funktionsstörungen aller Wirbelsäulenabschnitte. 2. Chronische Periarthropathia humero scapularis beidseits mit schmerzhafter Funktionsstörung beider Schultergelenke, Coxarthrosen beidseits im Anfangsstadium mit mäßiger Funktionsstörung links größer rechts und initiale degenerative Kniegelenksveränderungen beidseits. Der Beruf des Landwirts sei nicht mehr zumutbar, völlige Erwerbsunfähigkeit liege aber nicht vor. Leichte Arbeiten teilweise im Sitzen könne der Kläger noch zweistündig bis unter halbschichtig ab Antragstellung verrichten. Der ärztliche Berater der Beklagten bejahte daraufhin ein ab 01.01.1994 vermindertes Leistungsvermögen.

Der Kläger berichtete über einen gescheiterten Arbeitsversuch und die Absicht, wegen Fehlens von Teilzeitarbeitsplätzen das Arbeitsverhältnis nach Rentengewährung auch rückwirkend lösen zu wollen.

Mit Bescheid vom 20.03.1995 gewährte die Beklagte nach § 2 Abs.2 GAL vorzeitiges Altersgeld ab 01.12.1994 wegen des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkts. Am 29.05.1995 teilte die LVA Schwaben der Beklagten mit, dass mit Bescheid vom gleichen Tag die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgelehnt worden sei.

Der Widerspruch gegen den Bescheid der LVA vom 29.05.1995 wurde mit Widerspruchsbescheid der LVA vom 24.01.1996 zurückgewiesen, da der Kläger, der keinen Berufsschutz genieße, als angelernter Arbeiter zu beurteilen und mit dem festgestellten Leistungsvermögen noch in der Lage sei, vollschichtig zu arbeiten. Die LVA nahm Bezug auf die Gutachten von Dr.K. und Dr.S. sowie die im Widerspruchsverfahren eingeholte Stellungnahme von Dr.W ... Bei gleichlautenden klinischen und radiologischen Befunden war dieser der Auffassung, dass sowohl die Beugefähigkeit der Hüftgelenke als auch der Kniegelenke noch ausreichend sei und weiterhin vollschichtig gearbeitet werden könne, wenn auch nicht als Landwirt. Diese Einschätzung habe auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen im November 1994 vertreten.

Mit Schreiben vom 13.03.1996 informierte die Beklagte den Kläger von ihrer Absicht, den Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Nach den ärztlichen Unterlagen der LVA und deren Auswertung stehe fest, dass Erwerbsunfähigkeit nicht vorgelegen habe. Der Kläger wurde zu diesem Sachverhalt angehört.

Er wandte ein, er habe gegen den ursprünglich ablehnenden Rentenbescheid der Beklagten nach Rücksprache mit seinem Hausarzt Widerspruch eingelegt, da es ihm nicht möglich sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten, noch habe er die Chance, dort einen entsprechenden Arbeitsplatz zu bekommen. Er habe seine Landwirtschaft auf ärztliches Anraten aufgegeben, um seinen Gesundheitszustand zu stabilisieren.

Die Beklagte nahm mit streitbefangenem Bescheid vom 24.04.1996 den Gewährungsbescheid vom 20.03.1995 mit Wirkung ab 01.05.1996 zurück. Erwerbsunfähigkeit habe von Anfang an nicht vorgelegen und das Interesse an der Rücknahme des Verwaltungsakts überwiege gegenüber den privaten Interessen des Klägers am Bestand der Entscheidung.

Der Kläger legte Widerspruch ein, der einvernehmlich bis zur Entscheidung im anhängigen Rechtsstreit gegen die LVA Schwaben ruhte.

Am 15.08.1997 schloss der Kläger mit seinem Sohn aufgrund des Hinweises der Beklagten eine Verlängerungsvereinbarung über die Pacht bis zum 16.08.2009.

Im sozialgerichtlichen Verfahren gegen die LVA erstellte Dr.S. aufgrund der Untersuchung vom 24.04.1996 das Gutachten vom 02.07.1996 mit dem Ergebnis, der Kläger könne Tätigkeiten aus dem bisherigen Berufskreis nicht mehr ausüben, da er aufgrund der diabetischen Stoffwechsellage als Kraftfahrer nicht mehr einsetzbar sei. Leichte körerpliche Arbeiten hielt Dr.S. aber für vollschichtig zumutbar. Ausgeschlossen seien Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord, im Schichtdienst, verbunden mit Zwangshaltung, häufigem Heben, Tragen von Lasten sowie unter Einwirkung von Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Nässe und Zugluft. Bezüglich der orthopädischen Befunde fand sich keine Befundänderung.

Ein weiteres Gutachten erstellte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.K ... Sie diagnostizierte bei der Untersuchung am 11.09.1996 eine sensible Polyneuropathie vom distal-symmetrischen Typ bei Diabetes mellitus. In Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr.S. sei der Kläger noch in der Lage, im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig zu sein.

Das auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG beim Arzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr.B. eingeholte Gutachten vom 14.03.1997 ergab keine relevante Befundveränderung. Obwohl im Verlauf von Jahren mit einer langsamen und kontinuierlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands zu rechnen sei, könne der Kläger derzeit leichte Arbeiten bei Berücksichtigung der bekannten Einschränkungen noch vollschichtig ausüben.

Als weiterer Gutachter wurde ebenfalls nach § 109 SGG der Neurologe und Psychiater Dr.L. gehört. Dieser diagnostizierte im Gutachten vom 30.07.1997: 1. Diabetische Polyneuropathie mit vorwiegend sensibler Ausfallsymptomatik und beginnend auch neurophysiologisch nachweisbaren motorischen Veränderungen, 2. Autonome Neuropathie bei diabetischer Polyneuropathie, 3. Arteriosklerotischer Gefäßumbau, 4. Algogenes depressives Syndrom.

Bei den bisherigen Untersuchungen seien die Gefäßveränderung mäßiger Ausprägung sowie das leichte bis mittelgradige algogene depressive Syndrom nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der periphere Gefäßbefund sei bereits im Attest von 1996 beschrieben. Eine leichte Verschlechterung auch der hirnversorgenden Gefäße sei anzunehmen. Unter Zusammenschau aller Krankheitsaspekte hält Dr.L. eine zeitliche Einschränkung auf vier Stunden für alle Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für notwendig. Da die erste neurologisch-psychiatrische Begutachtung erst am 09.10.1996 erfolgte und keine früheren neurologischen Befunde vorlägen, lasse sich kein früherer Zeitpunkt nachweisen. Er vermute aber, dass das Beschwerdebild schon längere Zeit bestehe.

Die LVA Schwaben unterbreitete das Angebot, dem Kläger ab 01.01.1997 Altersrente nach § 37 SGB VI zuzuerkennen. Dieses Angebot berücksichtigt neben dem Gutachten von Dr.L. auch die Stellungnahme von Dr.N. vom 29.09.1997, die von einem medizinischen Grenzfall ab der Begutachtung durch Dr.L. im Juli 1997 ausgeht. Mit Annahme des Angebots endete der Rechtsstreit gegenüber der LVA.

Auch der ärztliche Dienst der Beklagten bejahte ein ab 01.01. 1997 eingeschränktes Leistungsvermögen. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 04.05.1998 dem Kläger Rente nach § 13 Abs.1 ALG ab 01.09.1997 in Höhe von monatlich 1.133,60 DM. Erst durch die Pachtverlängerung am 16.08.1997 seien die Abgabevoraussetzungen erfüllt.

Der Klägerbevollmächtigte nahm den Widerspruch nicht zurück, da der Kläger auf die Bewilligung des vorzeitigen Altersgeldes ab 01.12.1994 vertraut habe. Es liege kein Verschulden des Klägers vor und deshalb sei dieser überzeugt, dass die Bewilligung nicht aufgehoben werden könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid vom 20.03.1995 sei rechtswidrig gewesen, da der Kläger ab Rentenbeginn am 01.12.1994 bzw. vor dem 01.10.1997 nicht erwerbsunfähig im Sinne von § 44 Abs.2 SGB VI war. Der Verwaltungsakt habe nach § 45 Abs.2 und 3 SGB X mit Wirkung vom 01.05.1996 zurückgenommen werden können, da das Vertrauen des Klägers gegenüber den öffentlichen Interessen nicht schutzwürdig sei. Er habe im Hinblick auf den Bescheid vom 20.03.1995 keine Vermögensentscheidungen getroffen, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen hätten rückgängig gemacht werden können, da er das landwirtschaftliche Unternehmen bereits am 26.10.1994 verpachtet habe ohne zu wissen, ob die beantragte Rente auch gewährt würde. Er könne sich auch nicht darauf berufen, die Leistung für die Zeit ab 01.05.1996 gutgläubig verbraucht zu haben, denn auf die nur vorläufige Zahlung der Rente ab 01.05.1996 in Abhängigkeit vom Ausgang des Widerspruchsverfahrens und die Rückforderung der vorläufig gezahlten Beträge sei er hingewiesen worden. Rente habe erst für die Zeit ab 01.09.1997 gewährt werden können, da frühestens am 01.01.1997 Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei, die Abgabe aber nicht vor dem 15.08.1997 mit der erforderlichen Verpachtungsdauer erfolgt sei. Der Bescheid vom 04.05.1998 sei somit zu Recht ergangen, die vorläufig weitergezahlte Geldleistung in Höhe von 26.708,60 DM für die Zeit von Mai 1996 bis April 1998 werde mit einem gesonderten Bescheid zurückgefordert werden.

Mit der Klage vom 15.07.1998 begehrte der Kläger die Aufhebung des Bescheides und die Verurteilung der Beklagten auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 01.05.1996 hinaus. Er habe auf die Gewährung des vorzeitigen Altersgeldes vertrauen können, da ihn kein Verschulden treffe und daher der Bescheid nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden könne.

Aus seiner Sicht bestehe lediglich ein Zweifel an der Rechtmäßigkeit des verbindlichen Bescheides vom 20.03.1995. Der Nachweis der Rechtswidrigkeit sei hingegen nicht geführt.

Die Auffassung des Dr.S. sei durchaus begründet, zumal wenn man das algogene Schmerzsyndrom mitberücksichtige. Es sei im Rahmen des Vertrauensschutzes auch zu bedenken, dass es dem Kläger durch die Gewährung des vorzeitigen Altersgeldes verwehrt gewesen sei, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen.

Das Sozialgericht hörte zum Sachverhalt Dr.H. nach Aktenlage. Diese hat im Gutachten vom 16.09.1998 für den Zeitraum vom 01.05.1996 bis 31.12.1996 folgende Gesundheitsstörungen beschrieben: 1. Chronisches Impingementsyndrom beider Schultern mit Unfähigkeit, die Arme aktiv über die Horizontale zu heben. 2. Beginnender Morbus Dupuytren im Bereich beider Hohlhandfascien noch ohne wesentliche Funktionseinschränkung. 3. Lumboischialgie bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und statomyalgischer Insuffizienz. 4. III-gradige Coxarthrose rechts, II- bis III-gradige Coxarthrose links mit mäßiger Funktionseinschränkung. 5. Beginnende degenerative Veränderungen der Kniegelenke. 6. Zustand nach Leistenbruchoperation links (2/96). 7. Zustand nach Unterschenkelthrombose rechts ohne wesentliche Blutumlaufstörung. 8. Mit Diät und Blutzucker regulierenden Medikamenten gut eingestellte Zuckerkrankheit. 9. Distal betonte Polyneuropathie bei Diabetes mellitus. Die Befunde haben sich seit 1997 geändert, zu den bereits fortgeschrittenen Leidenszuständen auf orthopädischem Fachgebiet sei das algogene depressive Syndrom sowie der Verdacht auf eine zusätzliche autonome Neuropathie als Diagnosen hinzugekommen. Es habe sich um eine kontinuierliche Verschlechterung insbesondere des nervenärztlichen Krankheitsbildes gehandelt, von einer wesentlichen Leidensverschlimmerung konnte frühestens etwa im im Januar 1997 ausgegangen werden. Aufgrund der bestehenden Funktionsausfälle seien nur noch leichte Arbeiten möglich gewesen, allerdings scheine die nervliche Belastbarkeit bereits 1996 vermindert gewesen zu sein. Das berufliche Leistungsvermögen wird von Dr.H. für die Zeit ab 01.05.1996 mit vollschichtig eingestuft, die Tätigkeiten des Landwirts und Kraftfahrers könnten nicht mehr ausgeübt werden.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 12.07.1999 ab. Zur Begründung wurde auf die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 16.06.1998 Bezug genommen. Die Beurteilung durch Dr.S. habe sich durch die nachfolgenden Gutachten als unzutreffend erwiesen, so dass die ursprüngliche Bewilligung des vorzeitigen Altersgeldes im Bescheid vom 20.03.1995 einen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt darstelle. Erst durch das Gutachten von Dr.L. seien die auf neurologischem Fachgebiet bestehenden Befunde dokumentiert worden. Es bestehe zwar die Möglichkeit, dass das Beschwerdebild aus neurologischer Sicht schon längere Zeit bestehe, es lasse sich aber ohne Vorbefunde nicht exakt datieren. Nach den Ausführungen von Dr.H. bestünden allenfalls geringfügige Zweifel, dass der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht der 01.01.1997 gewesen sei, sondern möglicherweise bereits im Oktober 1996 Erwerbsunfähigkeit vorgelegen habe. Da sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, habe die Beklagte den rechtswidrigen begünstigenden Bescheid mit Wirkung für die Zukunft zu Recht aufgehoben, zumal auch die Jahresfrist gewahrt sei. Im Übrigen habe die Beklagte das ihr obliegende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Auch die Wiederbewilligung der Rente beginnend ab 01.09.1997 entspreche der Sach- und Rechtslage, da die erforderliche Pachtverlängerung erst am 15.08.1997 erfolgt sei.

Mit der am 28.07.1999 eingegangenen Berufung gegen das am 21.09.1999 zugestellte Urteil verfolgt der Kläger die Gewährung des vorzeitigen Altersgelds über den 01.05.1996 hinaus unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen weiter.

Die Beurteilung von Dr.H. überzeuge nicht. Da ihm kein doloses Verhalten vorzuwerfen sei, genieße er Vertrauensschutz. Er habe durch die Verpachtung der Landwirtschaft auf mindestens neun Jahre Vermögensdispositionen getroffen, die er nicht mehr rückgängig machen konnte. Insoweit musste er auf die Bewilligung von vorzeitigem Altersgeld vertrauen. Im Bescheid vom 24.04.1996 finde sich kein Hinweis auf eine Meldung beim Arbeitsamt. Hilfsweise wird beantragt, die Beklagte habe die Leistung bereits ab 01.01.1997, nicht erst ab September 1997 zu gewähren, da durchgehend, beginnend ab November 1994, ein Pachtvertrag vorgelegen habe. Eine Missbrauchsmöglichkeit sei ausgeschlossen gewesen, da der Kläger bis April 1998 vorzeitiges Altersgeld erhalten habe. Es sei auf § 30 Abs.2 ALG zu verweisen, wo Zeiten einer vorgehenden Abgabe nach 21 Abs.2 AlG sehr wohl berücksichtigt werden könnten. Insoweit müsse zumindest ab 01.01.1997 Erwerbsunfähigkeitsrente zuerkannt werden.

Mit Schriftsatz vom 16.09.1999 nahm die Beklagte zum Berufungsvorbringen Stellung. § 30 Abs.2 ALG sei nur auf Fälle anwendbar, in denen die sonstigen Voraussetzungen für eine Rentengewährung durchgehend bei der ersten Rentenbewilligung gegeben waren. Dies treffe beim Kläger nicht zu, da er vor dem 01.01.1997 nicht erwerbsunfähig gewesen sei. Es treffe auch nicht zu, dass Dr.S. in seinem Gutachten bereits damals ein Schmerzsyndrom beim Kläger erkannt und entsprechend gewürdigt habe. Jedenfalls am 01.05.1996 sei der Kläger nicht erwerbsunfähig gewesen, so dass frühestens mit der am 15.08.1997 vereinbarten Pachtverlängerung die Abgabevoraussetzung erfüllt sei.

Aber auch bei analoger Anrechnung der Zeit vor dem 15.08.1997 nach § 30 Abs.2 ALG würde der ursprünglich abgeschlossene Pachtvertrag dem geforderten Neunjahreszeitraum nicht genügen. Aus dem Verweis von § 30 Abs.2 auf § 21 Abs.2 ALG ergebe sich, dass dessen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sein müssen, deshalb seien nur Zeiträume anrechenbar, in denen Erwerbsunfähigkeit vorlag. Aufgrund des Rücknahmebescheides war für den Kläger erkennbar, dass eine Lücke ab dem 01.05.1996 bestand, während der weder Erwerbsunfähigkeit gegeben noch fälschlich festgestellt war. Eine Anrechnung nach § 30 Abs.2 ALG ohne zusätzliche Verlängerung der Pachtvertragslaufzeit sei deshalb nicht geeignet, das Erfordernis der neunjährigen Laufzeit zu erfüllen. Der Verlängerungszeitpunkt am 15.08.1997 sei damit der früheste Zeitpunkt der erfolgten Abgabe und folglich könne die Rente frühestens ab 01.09.1997 gewährt werden. Es liege auch keine Verletzung von Beratungs- oder Auskunftspflichten mit der Folge eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor, denn die Rechtsprechung fordere eine klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeit, auf die der Versicherte hinzuweisen sei. Die Beklagte habe von einem anhängigen Verfahren beim Arbeitsamt erst durch die Ladung im Rechtsstreit des Klägers gegen die LVA Kenntnis erhalten. Da der dortige Bescheid vom 02.06.1995 auf den Bezug der Rente von der Beklagten wegen Erwerbsunfähigkeit gestützt wurde, hätte er nach Erhalt des Rentenentziehungsbescheides vom 24.04.1996 selbst erneut beim zuständigen Arbeitsamt Antrag stellen müssen.

Die Beklagte stützt sich im Übrigen auf die im angefochtenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid dargestellten Gründe sowie auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils. Sie wies nochmals darauf hin, dass besonders die Tatsache der Unternehmensabgabe für sich allein keinen Vertrauensschutz begründe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12.07.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 24.04.1996 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 04.05.1998, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.1998 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 01.05.1996 hinaus, hilfsweise bereits ab Oktober 1996 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Augsburg S 13 Ar 75/96 und S 8 Vs 705/96 sowie die Akte des Sozialgerichts S 10 LW 35/98 und die Akte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, und erweist sich als teilweise begründet.

I. Die Beklagte durfte im streitigen Bescheid vom 24.04. 1996 die frühere Rentengewährung ab 01.05.1996 (Bescheid vom 20.03.1995) zurücknehmen, da Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 44 SGB VI beim Kläger weder zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 20.03.1995 noch zum Zeitpunkt der Aufhebung des Bescheides im März 1996, sondern erst ab September 1996 vorlag. Der gewährende Verwaltungsakt vom 20.03.1995 war somit bei seinem Erlass rechtswidrig und konnte im streitigen Bescheid von der Beklagten nach § 45 SGB X für die Zukunft zurückgenommen werden. Nicht streitig ist in diesem Verfahren die von der Beklagten angekündigte, aber noch nicht durchgeführte Rückforderung der über den 01.05.1996 hinaus aufgrund der aufschiebenden Wirkung bezahlten Rente bis Mai 1998. Die Beklagte hat dazu im Widerspruchsbescheid vom 16.06.1994 unter Ziffer 4 einen eigenen Bescheid angekündigt, der noch nicht erlassen wurde.

Nur der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren gehörte Dr.S. hat Erwerbsunfähigkeit beim Kläger bereits ab 01.05.1996 auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt angenommen. Er beschreibt dabei die gleichen Gesundheitsstörungen, wie sie auch z.B. im Entlassungsbericht aus dem Heilverfahren vom Juli 1994 bezeichnet werden. Zusätzlich erwähnt er die initialen degenerativen Kniegelenksveränderungen beidseits, wobei er die Verschmälerung des Gelenkspalts und die Arthrose als leicht bezeichnet. Er betont in seiner Beurteilung die ausgeprägten schmerzhaften Funktionsstörungen aller Wirbelsäulenabschnitte bei röntgenologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. In seiner zusammenfassenden Beurteilung schreibt er, aufgrund der genannten Gesundheitsstörungen sei die Tätigkeit im Beruf eines Landwirts nicht mehr zumutbar, völlige Erwerbsunfähigkeit liege nicht vor. Bezüglich des Restleistungsvermögens verweist er auf das Formblatt Schlussbeurteilung und kreuzt dort an, dass leichte Arbeiten teilweise im Sitzen noch verrichtet werden können und zwar ab Antragstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zweistündig bis unter halbschichtig. Diese Beurteilung ist in sich widerprüchlich. Sie steht auch im Widerspruch zum Entlassungsbericht aus dem Heilverfahren 1994, wo die dortigen Ärzte den Kläger zwar wegen der deutlich schmerzhaften Bewegungseinschränkung bis auf Weiteres als arbeitsunfähig entließen und Behandlung am Wohnort empfahlen, bei der Leistungsbeurteilung von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ohne häufiges Heben und Tragen oder Bewegen von Lasten ohne technische Hilfsmittel und ohne häufiges Bücken im Wechselrhythmus ausgehen. Die ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer war aus orthopädischer Sicht bei begleitender orthopädischer und physiotherapeutischer Betreuung weiterhin möglich, wenn die Be- und Entladeverrichtungen sowie das Heben und Tragen schwerer Gegenstände sowie häufiges Bücken vermieden werden. Nach Auswertung des erwähnten HV-Berichts vom Juli 1994 sowie der sozialmedizinischen Gutachten und des HV-Berichts des Jahres 1993 hatte die Beklagte auch zunächst im Bescheid vom 02.12.1994 den Rentenantrag abgelehnt. Die Untersuchung bei Dr.S. erfolgte erst aufgrund des Widerspruchs des Klägers und des im Widerspruchsverfahren vorgelegten hausärztlichen Attestes. Diese ursprüngliche Beurteilung wurde von Dr.W. , der sich auch mit dem Gutachten von Dr.S. vom Januar 1995 aueinander setzte, bestätigt. Dr.W. beschreibt bei der klinischen Untersuchung nur eine mäßige Einschränkung der Rumpfbeweglichkeit und altersentsprechende Aufbraucherscheinungen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Für die geklagten Beschwerden fanden sich radiologisch keine entsprechenden Veränderungen. Die Funktionsstörung beider Schultergelenke ist am ehesten durch Muskelsehnenreizungen verursacht, wobei radiologisch keine das altersentsprechene Maß überschreitenden Veränderungen bestanden. Auch die noch relativ gute Beweglichkeit beider Hüftgelenke sprach trotz der radiologich deutlichen Verformung eher für einen beginnenden Verschleiß. Eine wesentliche Diskrepanz zu den klinischen und radiologischen Befunden bestand somit nicht, die gestellten Diagnosen sind als identisch bezeichnet. Aufgrund dieses Untersuchungsergebnisses waren leichte Arbeiten möglich. Geteilt wurde diese Beurteilung von Dr.W. im April 1995 von Dr.K. , und von dem im Klageverfahren gegen die LVA Schwaben gehörten Gutachtern Dr.S. und Dr.B ...

Erst deutlich später, im Rahmen des Klageverfahrens, wurden im Gutachten der Neurologin Dr.K. im Oktober 1996 die sensible Polyneuropathie sowie eine depressive Stimmung objektiviert, wobei diese Befunde im Kontrast zu den klinischen bzw. psychopathologischen Befunden stehen. Dr.K. nahm eine Verdeutlichungstendenz im Rahmen des Rentenbegehrens an und bestätigte für den allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen.

Dr.K. stimmte der orthopädischen Beurteilung durch Dr.S. ausdrücklich zu. Auch der nach § 109 SGG gehörte Dr.B. kam zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis. Eine Wende in der Beurteilung des Leistungsvermögens im Verfahren gegen die LVA Schwaben trat durch das Gutachten von Dr.L. vom Juli 1997 ein, der bezüglich der diabetischen Polyneuropathie eine weitere Verschlechterung feststellte sowie zusätzlich das algogene depressive Syndrom diagnostizierte. In seiner Gesamtschau zeigte Dr.L. auf, dass rückblickend erstmals im September 1996 neurologische Befunde festgestellt wurden.

Der Senat stützt seine Beurteilung überwiegend auf das Gutachten Dr.L. , der in sorgfältiger Zusammenstellung des Verlaufs der Erkrankungen und der umfassenden Würdigung aller Befunde zu seiner Bewertung kann und diese überzeugend begründet hat. Dabei hat er die fachfremden Ergebnisse berücksichtigt und nachvollziehbar sein Gesamturteil begründet. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Sachverständiger im Bereich der Bayerischen Sozialgerichtsbarkeit und niedergelassener Facharzt verfügt Dr.L. über die erforderlichen Kenntnisse und die praktische Erfahrung sämtliche zu berücksichtigende Gesundheitsstörungen in ihrer ganzheitlichen Auswirkung auf das Leistungsvermögen des Klägers zu beurteilen. Wie im einzelnen darzustellen ist, ist seinen Schlussfolgerungen der Vorzuug zu geben, gegenüber den Bewertungen der anderen gehörten Sachverständigen.

Die Gutachten besagen eindeutig, dass der ursprüngliche Gewährungsbescheid der Beklagten zu Unrecht ergangen ist, denn erstmals mit der Feststellung von neurologischen Befunden im September 1996 lässt sich Erwerbsunfähigkeit beim Kläger begründen. Die diabetische Polyneuropathie ist ein progressives Krankheitsbild und Dr.L. beschreibt ausführlich, dass die von ihm gefundenen Beschwerden und Symptome bereits bei der Voruntersuchung durch Dr.K. bestanden. Diese hat bereits eine Einschränkung des Vibrationsempfindens vermerkt, die Dr.L. unverändert vorfand. Auch der periphere Gefäßbefund ist bereits in der Attestierung von 1996 erwähnt, wobei der von Dr.L. gemessene periphere Blutdruck deutlich über dem damaligen Wert lag, so dass hier eine leichte Verschlechterung eingetreten ist. Daneben wurden bei den früheren Untersuchungen die Veränderungen an den hirnversorgenden Gefäßen nicht berücksichtigt. Dr. L. zeigte auch auf, dass bereits bei der Untersuchung durch Dr.K. Widersprüche zwischen der damaligen testpychologischen Untersuchung und dem als unauffällig beschriebenen psychiatrichen Befund bestehen. Dr.K. hat diese Widersprüche als Rentenbegehren gedeutet. Im Gegensatz dazu sieht Dr.L. darin aber Zeichen des von ihm beschriebenen algogenen depressiven Syndroms, zumal er keine Zeichen erkennen konnte, die für eine Aggravation im Sine eines Rentenbegehrens sprechen würden. Diesen Ausführungen von Dr.L. ist eindeutig zu entnehmen, dass die für die Beurteilung maßgeblichen Befunde nicht erst bei der Untersuchung durch ihn, sondern bereits bei der Untersuchung durch Dr.K. am 11.09.1996 vorlagen. Auch Dr.H. hat eine bereits 1996 verminderte nervliche Belastbarkeit erwähnt. Dr.L. hat bei Fehlen einer früheren neurologischen Befundbeschreibung rückwirkend als Beginn der Leistungsminderung den September 1996 angenommen, vermutete aber, dass das Beschwerdebild auch aus neurologischer Sicht schon längere Zeit bestehe, ohne Vorbefunde jedoch nicht exakter zu datieren sei. Während die diabetische Polyneuropathie und die Gefäßveränderungen ein progressives Krankheitsbild darstellen, geht das algogene depressive Syndrom mit einem gleichbleibenden Befund einher. Die Einschränkung des Leistungsvermögens auf maximal halbschichtig begründet sich jedoch durch das algogene depressive Syndrom und die damit verbundenen Schlafstörungen, die die Konzentrationsfähigkeit und die Ausdauer in einem Ausmaß beeinträchtigen, dass eine dauernde Arbeit nicht mehr vorstellbar ist. Mit dieser Begründung geht der Senat deshalb von einer Einschränkung des Leistungsvermögens bereits ab der Untersuchung durch Dr.K. aus. Sofern Dr.N. und Dr.H. dazu andere Ausführungen machen, sind diese nicht überzeugend, da dem Gutachten von Dr.L. zu entnehmen ist, dass sich weder der psychische Befund noch der neurologische Befund verändert haben. Dr.L. betont ja gerade, dass eine wesentliche Veränderung der diabetischen Polyneuropathie zwischen der Ersterwähnung im Gutachten von Dr.K. und seiner Untersuchung fehlt. Die Datierung des Versicherungsfalles durch Dr.N. auf Januar 1997 überzeugt deshalb nicht, sie hat diese Auffassung auch nicht begründet. Dr.H. hat hingegen auf eine kontinuierliche Verschlechterung des nervenärztlichen Krankheitsbildes Bezug genommen und frühestens eine Leidensverschlimmerung etwa ab 01.01.1997 angenommen. Auch dies steht im Gegensatz zu den Ausführungen von Dr.L. und überzeugt nicht. Denn zwischen der erstmaligen Erwähnung der neurologischen Befunde und der Untersuchung durch Dr.L. sind keine Veränderungen aufgetreten. Dr.H. ist nur insoweit zuzustimmen, als am 01.05.1996 bzw. zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Bescheids im März 1996 ein vollschichtiges Leistungsvermögen beim Kläger noch bestanden hat. Der Beklagten ist deshalb zuzustimmen, dass im Oktober 1994 Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 44 SGB VI nicht vorlag. Der Bescheid der Beklagten vom 20.03.1995 war deshalb rechtswidrig.

Nach § 45 Abs.1 in Verbindung mit Abs.2 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Abs.2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Abs.3 kann die Rücknahme nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe erfolgen. Diese Frist des Abs.3 Satz 1 wurde von der Beklagten eingehalten. Der aufzuhebende Verwaltungsakt ist am 20.03.1995 ergangen, nach der erforderlichen Anhörung (§ 24 Abs.1 SGB X) wurde er mit Bescheid vom 24.04.1996 aufgehoben.

Außerdem ist bei der Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte nach § 45 SGB X der von § 45 Abs.2 Sätze 1 und 2 SGB X zu berücksichtigen. Die Fallgruppen des Satz 3 sind hier nicht zu diskutieren, da der Kläger keine Kenntnis von der Unrichtigkeit des Verwaltungsaktes haben musste und konnte. Der Vertrauensschutz nach § 45 Abs.1 und 2 SGB X unterscheidet sich, je nach dem, ob der Verwaltungsakt für die Vergangenheit oder nur für die Zukunft aufgehoben wird. Grundsätzlich sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen und des öffentlichen Interesses an einer Rücknahme abzuwägen, wobei die in Satz 2 genannten Schutzgründe, nämlich der Verbrauch der erbrachten Leistungen bzw. die getroffenen Vermögensdispositionen zu prüfen sind. Der Verbrauch erbrachter Leistungen kann bei der Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft nicht eingewandt werden (vgl. Steinwedel, Kasseler Kommentar § 45 SGB X Anm.48, 49). Hier hat der Gesetzgeber dem schutzwürdigen Vertrauen des gutgläubig Begünstigten dadurch Rechnung getragen, dass die Zweijahresfrist für die Zukunft einen Schutz darstellt, wenn der Betroffene sich auf Dauer auf die gewährte Leistung eingestellt hat, so dass er also nach zwei Jahren bei Gutgläubigkeit nicht mehr mit der Änderung der Leistungsgewährung rechnen muss. Vor Ablauf dieser Zweijahresfrist ist hingegen das Interesse der Öffentlichkeit gerade beim Vorliegen eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung besonders hoch. Einen besonderen Vertrauensschutz genießt auch der gutgläubig Versicherte, der im Hinblick auf die Begünstigung, also z.B. die Leistungsgewährung, einschneidende und dauernde Änderungen der Lebensführung vorgenommen hat. Dies trifft auf den Kläger nicht zu, da dieser seinen landwirtschaftlichen Betrieb bereits bei Antragstellung verpachtet, die Entscheidung der Beklagten zur Erwerbsunfähigkeit also nicht abgewartet hat. Der Kläger kann also nicht mit dem Argument gehört werden, er habe die Übergabe erst im Hinblick auf die zu erwartende Erwerbsunfähigkeitsrente der Beklagten vorgenommen. Diese Abwägungen führen zu keinem entscheidenden Vertrauensschutz des Klägers. Auch die übrigen Abwägungsgesichtspunkte, wie sie in der Rechtsprechung diskutiert werden (vgl. Steinwedel in KassKomm § 45 SGB X Anm.47), wie z.B. grobes Verschulden der Behörde oder wiederholende Entscheidungen der Beklagten, liegen hier nicht vor. Soweit der Kläger einwendet, einen Antrag auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nicht gestellt zu haben, ist fraglich, ob dies aufgrund der Rentengewährung durch die Beklagte unterblieben ist oder inwieweit die Ablehnung deswegen erfolgt ist. Für die Entscheidung über das Arbeitslosengeld ist vor allem die Entscheidung der LVA zu berücksichtigen, da der Kläger bei entsprechender Bereiterklärung zur Verfügbarkeit und Ablehnung der Leistung durch den Rentenversicherungsträger trotzdem einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe hat. Im Übrigen kann die Entscheidung der Beklagten insoweit nicht ursächlich sein, da der Kläger sich ja auch nach Aufhebung des Bescheides durch die Beklagte nicht erneut arbeitslos gemeldet hat. Zu dieser Meldung und Antragstellung beim Arbeitsamt hätte er sich aber aufgrund des ablehnenden Bescheids des Arbeitsamts gedrängt fühlen müssen, eine Beratung durch die Beklagte kann hier weder ursächlich noch ausschlaggebend sein, da diese von einem möglichen Anspruch gegen das Arbeitsamt gar keine Kenntnis hatte.

Bei ihrer Ermessensentscheidung (Steinwedel KassKomm § 45 SGB X Anm.50), ob sie den Bescheid vom 20.03.1995 zurücknimmt, hatte die Beklagte auch keine weiteren besonderen Überlegungen, die über die Frage der Schutz- würdigkeit des Vertrauens hinausgehen, zu berücksichtigen. Der Kläger trug bei der Anhörung keine Argumente vor, die eine andere Entscheidung begründen könnten. Das vorgelegte Attest seines Hausarztes zielt vor allem auf die nicht mehr zumutbaren Tätigkeiten in der Landwirtschaft bzw. im zuletzt ausgeübten Beruf ab und berührt somit nicht die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Auch die Frage, ob der Kläger einen zumutbaren Arbeitsplatz tatsächich finden kann, ist im Rahmen des § 44 SGB VI nicht zu berücksichtigen. Dass die Landwirtschaft auf ärztliches Anraten aufgegeben wurde, ändert ebenfalls nichts an der medizinischen Frage der Erwerbsunfähigkeit im Sinne von §§ 44 SGB VI, da im Recht der landwirtschaftlichen Alterssicherung gerade kein Berufsschutz für die Tätigkeit des Landwirts besteht. Im Übrigen hat die Beklagte durch die Weiterzahlung der Rente bis Mai 1998 dem Argument der Lebenssicherung bereits Rechnung getragen. Inwieweit sie bei der Rückforderung dieser Leistungen bis Mai 1998 hier Ermessen ausüben wird, ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

II. Nach § 86 SGG ist der Bescheid vom 04.05.1998 Gegenstand des Verfahrens geworden. Mit diesem Bescheid gewährte die Beklagte Rente ab 01.09.1997. Zwischen den Beteiligten ist aber streitig, ob nicht bereits ab 01.10.1996 wieder gewährt werden kann. Die Beklagte begründet den Rentenbeginn ab 01.09.1997 damit, dass die erforderliche Abgabevoraussetzung nach § 21 ALG erst mit der Pachtverlängerung vom 15.08.1997 erneut vorlag und deshalb Rentenbeginn erst im folgenden Monat sein kann. Der Klägerbevollmächtigte hingegen vertritt die Auffassung, der Rentenbeginn könne bereits ab 01.10.1996 erfolgen, da im Falle des Klägers durchgehend ein Pachtvertrag beginnend im November 1994 zunächst bis 2000 und nach Verlängerung bis 2009 vorgelegen hat. Unter Berücksichtigung des analog anzuwendenen § 30 Abs.2 ALG könne die Rente früher beginnen.

Dieser Auffassung ist zu folgen, der Kläger hat aufgrund der analogen Anwendung von § 30, Abs.2 S.4 ALG Anspruch auf Rente ab 01.10.1996.

§ 30 Abs.2 lautet:"Übernimmt ein Empfänger einer Rente ein oder mehrere Unternehmen der Landwirtschaft oder Unternehmensteile, deren Wirtschaftswert allein oder zusammen mit demjenigen nicht abgegebener Unternehmensteile die Grenzwerte nach § 21 Abs.7 überschreitet, wird der Mitunternehmer eines Unternehmens der Landwirtschaft, Gesellschafter einer Personenhandelgesellchaft oder Mitglied einer juristischen Person, deren Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne von § 1 Abs.2 betreibt, oder endet die Abgabe nach § 21 Abs.2 und 4 vor Ablauf von 9 Jahren, wobei Zeiten einer vorhergehenden Abgabe nach § 21 Abs.2 oder 4 berücksichtigt werden kann, ruht der Anspruch auf die Rente vom Beginn des folgenden Kalendermonats an." Satz 3 lautet:"Das Ruhen der Rente endet frühestens von dem Kalendermont an, zu dessen Beginn die Voraussetzungen für die Abgabe des Untenehmens wieder erfüllt sind. Zeiten einer vorübergehenden Abgabe nach § 21 Abs.2 oder 4 werden bei einer erneuten Abgabe nach § 21 Abs.2 auf die Mindestabgabedauer von 9 Jahren angerechnet." Diese Vorschrift findet hier analoge Anwendung. Zwar ist § 30 Abs.2 ALG geschaffen, um das Ruhen einer Rente zu regeln, wenn wegen erneuter Aufnahme einer landwirtschaftlichen Tätigkeit z.B. wegen Beendigung eines Pachtvertrages die Unternehnereigenschaft erneut eintritt. Das Gesetz ordnet für diese Fälle an, dass hier der Rentenanspruch ruht, bis zur erneuten Abgabe, wobei im Falle der Verpachtung dann die bereits zurückgelegten Pachtzeiten bei der Gesamtabgabevorausetzung berücksichtigt werden. Im Falle des Klägers ist eine analoge Anwendung dieser Bestimmung deshalb gerechtfertigt, da er schutzwürdig ist. Er hat bei Antragstellung die Abgabevoraussetzungen erfüllt und konnte keinerlei Einfluss auf die nachträglich entfallenen Anspruchsvoraussetzungen nehmen. Insbesondere gab es keine tatsächliche Möglichkeit für ihn, das landwirtschaftliche Anwesen zu betreiben und seinen Lebensunterhalt daraus zu bestreiten. Wenn eine einmal ordnungsgemäß erfüllte Abgabevoraussetzung erhalten bleibt bei einer willentlichen "Unterbrechung" der Abgabe, muss dies erst recht für die ungewollt eingetretene Abgabeunterbrechung gelten.

Der Kläger hatte mangels Aufhebung für die Vergangenheit einen Anspruch auf Rente in der Zeit vom 01.12. 1994 bis 01.05.1996. In dieser Zeit war er zwar - und dies ist der Beklagten zuzugeben - objektiv nicht erwerbsunfähig, wie die nachträgliche Beurteilung durch die Ärzte ergab, die Rente bezog er aber, mangels rechtlicher Möglichkeiten einer Aufhebung des gewährenden Bescheides, bis 01.05.1996 zu Recht. Es ist daher kein Unterschied zu machen zwischen dem Landwirt, der aufgrund eigener Entscheidung oder zu vertretender Umstände die Abgabevoraussetzungen unterbricht und somit das Ruhen der Rente nach § 30 Abs.2 auslöst gegenüber dem Landwirt, der ohne eigenes Wissen aufgrund der anderen ärztlichen Beurteilung ebenfalls für einen gewissen Zeitraum den Wegfall seiner Leistungen hinnehmen muss. Gerade im Fall des Klägers zeigt sich seine Schutzbedürftigkeit auch darin, da er ja erst nach Kenntnis der eingetretenen Erwerbsunfähigkeit in der Lage war, die Ruhensvoraussetzungen des § 21 ALG durch Pachtverlängerung wiederherzustellen. Der Sinn und Zweck der Bestimmung des § 21 ALG bleibt in diesen Fällen erreicht, denn der Kläger hat grundsätzlich seinen langfristigen Willen zur Aufgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens bekundet. Allein die Verweisung in § 30 Abs.2 Satz 4 ALG auf die Abgabe nach § 21 Abs.2 ALG bedeutet nicht zwingend, dass nur die Zeiten angerechnet werden können, in denen wie die Beklagte meint, Erwerbsunfähigkeit vorlag. § 30 Abs.2 Satz 4 ALG verweist zwar auf § 21 Abs.2 und 4 ALG, aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich aber, dass hier die in der genannten Bestimmung normierte Definition der Abgabe des Unternehmens gemeint ist und auf diese verwiesen wird. Denn die Frage der Erwerbsminderung steht bei den Regelungen des § 21 ALG nicht im Vordergrund. Diese sind nur im Zusammenspiel von § 21 ALG mit §§ 11, 12 oder 13 ALG von Bedeutung, wenn die Voraussetzungen für die Rentenleistung festzustellen sind.

Da der Versicherungsfall im September 1996 eingetreten ist, erfüllt der Kläger durch Anwendung von § 30 Abs.2 Satz 4 ALG die Voraussetzungen des Rentenbezugs bereits ab 01.10.1996. Durch Anrechnung sind die Abgabevoraussetzungen noch erfüllt. Bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit im September 1996 betrug die restliche Abgabezeit nach dem Pachtvertrag von 1994 noch 7 Jahre und 8 Monate. Unter Hinzurechnung der 17 Monate des Rentenbezugs ergeben sich 9 Jahre Abgabezeit. Die Erfüllung der Pachtzeit und damit die Abgabevoraussetzungen nach § 21 ALG sind somit erfüllt, mit der Folge eines Rentenbeginns am 01.10.1996.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung von § 30 Abs.2 Satz 4 ALG ist nach § 160 SGG die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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