S 24 R 78/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 24 R 78/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 5/09
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 00.00.0000 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, die Zeit der beruflichen Ausbildung vom 00.00.0000 - 00.00.0000 für die ersten 36 Monate mit dem begrenzten Gesamtleistungswert von 75 % zu bewerten und die Rente entsprechend zu bewerten. Die Kosten werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung weiterer Anrechnungszeiten wegen Ausbildung mit höherer Bewertung aller Anrechnungszeiten wegen Ausbildung und zusätzlicher Entgeltpunkte.

Mit Bescheid vom 00.00.0000 gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 00.00.0000 befristet bis zum 00.00.0000.

Mit seinem Widerspruch vom 00.00.0000 machte der Kläger geltend, dass die Zeiten der echten beruflichen Ausbildung von September ´74 bis August ´78 nur mit 7 Monaten voll bewertet worden seien (Anlage 4, Seite 4 des Bescheides). Die restlichen 41 Monate bekämen nur einen reduzierten Wert. Hintergrund dürfte sein, dass eine Fachschulausbildung anerkannt wurde. Diese sei jedoch nicht als solche, sondern als Zeit der Arbeitslosigkeit bewertet worden. Nach seiner Auffassung könne eine Abschmelzung nicht erfolgen.

Mit Schreiben vom 00.00.0000 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er in der Zeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 eine Fachschulausbildung absolviert habe. Diese Zeit sei gleichzeitig Anrechnungszeit und werde bei der Gesamtleistungsbewertung mit dem Wert 0,0805 Entgeltpunkte bewertet. Die Zeit der Fachschulausbildung erhielte nämlich aufgrund der gleichzeitigen Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit eine günstigere Bewertung. Aus diesem Grund hätten allerdings nur noch wenige Monate (7Monate) Zeiten der beruflichen Ausbildung angerechnet werden können, da das Gesetz eine maximale Berücksichtigungszeit von 3 Jahren für die Schul- und Fachausbildung vorsehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Bewertung bzw. Höherbewertung von Zeiten einer beruflichen Ausbildung, Fachschulausbildung unter der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, sei auf insgesamt höchstens 36 Monate beschränkt worden. Bei Überschreiten dieser 36 Monate seien vorrangig die Zeiten der Fachschulausbildung und der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme zu bewerten. Allerdings bestehe gleichzeitig - neben der Fachschule - vorliegend eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit, die gem. § 263 Abs. 2 a SGB VI mit einem auf 80 % des Gesamtleistungswertes begrenzten Wert zu berücksichtigen sei. Die Bewertung der Zeit als Fachschule (Bewertung in Höhe von 75 % des maßgebenden Gesamtleistungswertes, begrenzt auf 0,0625 Entgeltpunkte je Monat) hätte insoweit bei der Rentenberechnung keine Auswirkung,

da sie letztendlich als Zeit der Arbeitslosigkeit (Bewertung in Höhe von 80 % des maßgebenden Gesamtleistungswertes) zu bewerten sei. Nur die günstigere Bewertung (80 %) werde in den Berechnungsanlagen dargestellt.

Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.

Der Kläger weist darauf hin, dass in seinem Versicherungsverlauf für die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 der Eintrag "Fachschulausbildung" sowie ferner der Eintrag "Bezug von Unterhaltsgeld AFG" befinde. Nach den Arbeitsanweisungen der Beklagten sei für die Dauer der Teilnahme an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung und Umschulung nach dem SGB III, AFG bzw. AVAVG grundsätzlich Arbeitslosigkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI anzunehmen. Habe während der Maßnahmen dem Grunde nach Anspruch auf eine öffentlich-rechtliche Leistung (z. B. Unterhaltsgeld) bestanden und seien die übrigen Voraussetzungen erfüllt, so seien die Maßnahmen Anrechnungszeiten im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Vorliegend handele es sich also um eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit sowie gleichzeitig um eine Anrechnungszeit wegen Fachschulbesuchs nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XI. Eine Bewertung als Fachschulzeit erfolge im Bescheid vom 00.00.0000 so nicht. Dies werde auch so hingenommen. Unstreitig sei, dass eine Bewertung der Zeit als Arbeitslosigkeit günstiger sei, als eine Bewertung der Zeit als Fachschulzeit. Vorliegend verdränge die Bewertung der Zeit als Zeit der Arbeitslosigkeit die Bewertung der Zeit als Fachschulzeit. § 74 Abs. 3 Satz. 3 SGB VI definiere hingegen, welche Zeiten bewertet würden. Gem. § 74 Abs. 3 Satz 3 SGB VI würden Zeiten einer beruflichen Ausbildung und Fachschulausbildung für insgesamt höchstens 3 Jahre bewertet, vorrangig die Zeiten der Fachschulausbildung. Die Zeiten erhielten nach der Grundregel des § 74 Satz 1 SGB VI einen sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebenden Wert von 75 % für jeden Monat. Der Kläger habe Zeiten einer echten beruflichen Ausbildung zurückgelegt, die im Versicherungsverlauf entsprechend gekennzeichnet seien (September 0000 bis August 0000). Davon seien jedoch nur 7 Monate voll bewertet worden, die restlichen 41 Monate bekämen nur einen reduzierten Wert. Dementsprechend gewährte die Beklagte nicht mindestens 36 Monate der beruflichen Ausbildung oder Fachschulausbildung mit 75 %, da sie der Auffassung sei, die (ja gar nicht bewerteten) Zeiten der Fachschulausbildung verdrängten die Zeiten der beruflichen Ausbildung. Nach seiner Auffassung könnten aber nur Zeiten angerechnet werden, die auch bewertet worden seien.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 00.00.0000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 00.00.0000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit der beruflichen Ausbildung vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 für die ersten 36 Monate mit dem begrenzten Gesamtleistungswert von 75 % zu bewerten und die Rente entsprechend zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat eine Probeberechnung der Beklagten eingeholt. Daraus ergibt sich, dass die Rente des Klägers etwa 24,00 EUR höher wäre, wenn seine Klage Erfolg hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitgegenstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger ist im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig, als dem Kläger nicht mindestens 36 Monate Anrechnungszeiten wegen Ausbildung im Rentenverlauf bewertet werden. Bei der Rentenberechnung des Klägers sind weitere Anrechnungszeiten wegen Ausbildung zu berücksichtigen.

Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich unter anderem aus den ermittelten, persönlichen Entgeltpunkten (§ 64 Nr. 1 SGB), die aus der Summe aller Entgeltpunkte insbesondere für Beitragszeiten (§§ 55, 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) und den beitragsfreien Zeiten (§ 54 IV SGB VI), insbesondere Anrechnungszeiten wegen einer schulischen Ausbildung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI) resultieren (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 SGB VI). Gem. § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erhalten beitragsfreie Zeiten den Durchschnittswert an Entgeltpunkten, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Zeitraum ergibt. Gem. § 263 Abs. 3 SGB VI wird der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert für jeden Kalendermonat wegen einer Schul- oder Hochschulausbildung auf 75 % begrenzt. Der so begrenzte Gesamtleistungswert darf für einen Kalendermonat 0,0625 Entgeltpunkte nicht übersteigen. Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung werden insgesamt für höchstens 3 Jahre bewertet; auf die 3 Jahre werden Zeiten einer Fachschulausbildung oder der Teilnahme einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme angerechnet. § 74 SGB VI begrenzt die Gesamtleistungsbewertung und definiert, welche Zeiten bewertet werden. Nach § 74 Abs. 3 Satz 3 SGB VI werden Zeiten einer beruflichen Ausbildung und Fachschulausbildung für insgesamt höchstens 3 Jahre bewertet, vorrangig die Zeiten der Fachschulausbildung. Diese Zeiten erhalten nach der Grundregel des § 74 Satz 1 SGB VI einen sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebenen Wert von 75 % für jeden Monat. Der Kläger hat unter anderem Zeiten einer echten beruflichen Ausbildung zurückgelegt, die im Versicherungsverlauf von September 0000 bis August 0000 gekennzeichnet sind. Hiervon sind jedoch nur 7 Monate voll bewertet worden (Anlage 4, Seite 4 des Bescheides vom 00.00.0000). Die restlichen Monate bekommen nur einen reduzierten Wert. Abweichend von der Grundregel des § 74 Satz 1 SGB VI, wonach der aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert für jeden Monat einer beruflichen Ausbildung oder Fachschulausbildung mit 75 % bewertet wird, erfolgt dies vorliegend nicht. Nach Auffassung der Beklagten verdrängen die Zeiten der Fachschulausbildung, während derer Unterhaltsgeld bezogen wurde und die daher letztlich als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit gewertet werden, die Zeiten der beruflichen Ausbildung. Vorliegend werden also Ausbildungszeiten angerechnet, obwohl diese in die Bewertung letztlich nicht eingehen. Dem Gesetz ist jedoch nicht zu entnehmen, dass Ausbildungszeiten angerechnet werden dürfen, insbesondere im Rahmen der Obergrenze von höchstens 3 Jahren nach § 74 Abs. 1 Satz 3 SGB VI, obwohl sie vorrangig als Zeiten der Arbeitslosigkeit bewertet wurden. Verdrängte Zeiten können schlechterdings nicht die Zeiten der beruflichen Ausbildung verdrängen.

Andernfalls würde der Kläger rentenrechtlich schlechter gestellt, als wenn er in der Zeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 überhaupt keine Fachschulausbildung absolviert hätte, sondern lediglich arbeitslos geblieben wäre. In diesem Fall stünde ihm nämlich nach der Proberechnung der Beklagten vom 00.00.0000 eine Rente in Höhe von 1.183,12 EUR zu. Allein die Tatsache, dass der Kläger in der Zeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 nicht lediglich arbeitslos war, sondern gleichzeitig die Fachschulausbildung mit dem Bezug von Unterhaltsgeld machte, darf sich für ihn nicht rentenrechtlich nachteilig insofern auswirken, als dass seine Rente dadurch auf 1.159,69 EUR monatlich gemindert ist. Letzteres ist dem Gesetzeszweck nicht zu entnehmen. Der Normzweck der Anrechnung von Zeiten einer schulischen Ausbildung bei der Rentenberechnung besteht darin, denjenigen Versicherten einen Ausgleich zu geben, die sich über das vollendete 17. Lebensjahr hinaus einer für den späteren Beruf notwendigen weiteren Ausbildung unterzogen haben und deshalb keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten konnten (vgl. Niesel in Kassler Kommentar zum SGB VI, § 58 Randnummer 39). Dass sich eine Ausbildung im Vergleich zur bloßen Arbeitslosigkeit nachteilig im Rentenrecht auswirken soll, ist vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved