Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
55
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 22521/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Assessoren ohne Anwaltszulassung oder außerhalb ihrer Tätigkeit für die in § 73 Abs 2 SGG genannten Einrichtungen sind vom Auftreten vor den Sozialgerichten auch in Untervollmacht für den bevollmächtigten Rechtsanwalt ausgeschlossen, sofern keine Zulassung als Beistand nach § 73 Abs 7 Satz 3 SGG erfolgt.
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kosten zur notwendigen Rechtsverfolgung in einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren.
Die Beklagte erließ am 19. November 2009 Verwaltungsakte über die Aufhebung und Erstattung von Leistungen zur Grundsicherung gegenüber dem Kläger, dessen Mutter und Schwester. Mit zwei Schreiben vom 26. November 2009 legte der Anwalt des Klägers zum einen für den Kläger und zum anderen für dessen Mutter und Schwester jeweils Widerspruch gegen die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen ein. Mit zwei weitestgehend wortgleichen Schreiben vom 5. Januar 2010 erfolgten die Begründungen der beiden Widersprüche durch den Anwalt des Klägers. Die Beklagte half den Widersprüchen mit den Bescheiden vom 25. März 2010 ab und verfügte jeweils die Übernahme der notwendigen Kosten zur Rechtsverfolgung.
Mit Schreiben vom 7. April 2010 beantragte der Kläger anwaltlich die Übernahme der Kosten in Höhe von 309,40 EUR, darunter die Geschäftsgebühr mit 240,00 EUR. Parallel beantragte der Anwalt des Klägers für das Widerspruchsverfahren der Mutter und der Schwester des Klägers die Übernahme von Kosten für deren Widerspruchsverfahren in Höhe von 395,08 EUR, darin enthalten eine Geschäftsgebühr mit dem Faktor 1,3 im Hinblick auf zwei Auftraggeber. Diese Kosten wurden von der Beklagten vollständig erstattet. Mit Bescheid vom 9. April 2010 erkannte die Beklagte für das Widerspruchsverfahren des Klägers Anwaltsgebühren in einer Gesamthöhe von 214,20 EUR an, darunter die Geschäftsgebühr mit einem Wert von 160,00 EUR. Der weitergehende Antrag wurde von der Beklagten abgelehnt.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 11. Mai 2010. Die anwaltliche Tätigkeit sei mindestens durchschnittlich gewesen. Der Erfolg erhöhe die Bedeutung der Angelegenheit. Dies sei auch im Falle des Klägers gelungen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2010 zurück. Es habe sich nur um einen unterdurchschnittlichen Fall gehandelt. Es seien zwei Schriftstücke verfasst worden: zum einen der fristwahrende Widerspruch und zum anderen die Begründung. Für die Begründung habe keinerlei inhaltliche Einarbeitung stattfinden müssen, weil es sich um das Parallelverfahren zum Verfahren der Mutter und der Schwester des Klägers gehandelt habe. Die Widerspruchsbegründung sei mit Schriftsatz vom gleichen Tag und gleichem Inhalt erstellt worden. Die Tätigkeit sei daher keinesfalls als umfangreich zu bewerten.
Mit seiner Klage vom 19. Juli 2007 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Gesetzgeber misstraue der Festsetzung der Anwaltsgebühren durch Behörden und Gerichte. Deshalb sei im Grundsatz die anwaltliche Bestimmung der Gebühren durch Ausübung anwaltlichen Ermessens festgelegt worden. Eine Korrektur der anwaltlichen Gebührenfestsetzung erfolge nur bei Unbilligkeit. Eine "gut bemessene" Gebührenfestsetzung sei noch nicht als unbillig zu korrigieren. Maßgeblich könnten nur die Umstände des Einzelfalles sein. Erst bei Überschreitung der Billigkeitsgrenze komme eine gerichtliche Festsetzung der Gebühren in Frage. Im Allgemeinen würden Abweichungen von bis zu 20 Prozent noch als verbindlich angesehen. Die Festsetzung der Mittelgebühren im vorliegenden Falle sei nicht unbillig. Verteidige ein Spezialist in einem Verfahren auf seinem – entlegenen – Spezialgebiet so sei dies bei der Bemessung der Vergütung gebührend zu berücksichtigen. Die Einführung eines Fachanwalts für Sozialrecht und von Fachkammern in der Sozialgerichtsbarkeit spreche dafür, dass es sich generell um ein schwieriges Rechtsgebiet handele.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2010 zu ändern, 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Kostenfestsetzungsantrag vom 7. April 2010 für das bei der Beklagten unter dem Geschäftszeichen W xxx geführte Widerspruchsverfahren weitere 95,20 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kammer haben außer den Prozessakten die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, das Protokoll und den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden, weil dieser bei der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war. Die durch unanfechtbaren Beschluss erfolgte Zurückweisung der im Rahmen eines Praktikums beim Bevollmächtigten des Klägers tätigen Assessorin schränkte die Rechte des Klägers, insbesondere auf sein rechtliches Gehör, nicht ein.
§ 73 Abs 2 SGG erlaubt nicht das Auftreten von Assessoren ohne Anwaltszulassung. Die Vorschrift regelt abschließend, welche Personen die Vertretung gegenüber dem Gericht übernehmen dürfen und wem entsprechende Vollmacht erteilt werden kann. Die ausdrückliche Zulassung von Stationsreferendaren zur Vertretungstätigkeit durch den Verweis auf § 157 ZPO in § 73 Abs 2 Satz 3 SGG gebietet im Umkehrschluss, dass andere Personen als die in § 73 Abs 2 SGG genannten nicht postulationsfähig sind. Ausgeschlossen sind demnach also auch Assessoren ohne Anwaltszulassung oder außerhalb ihrer Tätigkeit für die in § 73 Abs 2 SGG genannten Einrichtungen (so auch LAG Hamm, Beschluss vom 08.08.2011, 1 Ta 374/11, und Koch in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, RdNr 4 zu § 11 ArbGG als Parallelvorschrift zu § 73 SGG). Die Gesetzesmaterialien stützen diese Auffassung. Der Gesetzgeber hat für eine Vertretungsbefugnis von Assessoren ausdrücklich kein Regelungsbedürfnis gesehen und darauf verwiesen, dass auch nach früherer Auffassung ein ständiges, regelmäßiges Entsenden von Mitarbeitern eines Anwalts als unzulässig angesehen wurde (BT-Drs 16/3655, S 91 zum Entwurf des neuen § 157 ZPO im Rahmen der Neuregelung des Rechtsberatungsrecht). Es kann mithin auch keine Regelungslücke angenommen werden. Die vor der Neuregelung des Rechtsberatungsrechts 2008 ergangene Rechtsprechung ist für die neue Rechtslage irrelevant. Weil die Regelung des § 73 Abs 2 SGG ausdrücklich Bevollmächtigung und Vertretung betrifft, gilt sie auch im Falle einer durch einen Rechtsanwalt erteilten Untervollmacht. Das bedeutet, dass mit Untervollmacht auch nur nach § 73 SGG postulationsfähige Personen ausgestattet werden können (so auch LAG Hamm a.a.O.). § 5 RVG regelt die Vergütung; über diese Vorschrift kann eine nach § 73 SGG ausgeschlossene Vertretung vor Gericht nicht zulässig werden.
Das Auftreten der Assessorin, die zwar die Qualifikation zum Richteramt hat, jedoch nicht als Rechtsanwältin zugelassen ist, war insbesondere nicht nach § 73 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Variante 2 SGG zuzulassen, denn die Vertretungstätigkeit sollte im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen. Der Bevollmächtigte hatte in seinem Schreiben vom 19. September 2001 ausdrücklich die Geltendmachung von Anwaltskosten für die Wahrnehmung eines Termins über § 5 RVG angekündigt. Weil der Kläger nicht erschienen ist, kam eine Zulassung als Beistand nach § 73 Abs 7 Satz 3 SGG nicht in Betracht.
Nach der schriftlich bekundeten Absicht des Bevollmächtigten, die Assessorin mit Untervollmacht in den Termin zu entsenden, hat der Kammervorsitzende durch ein Telefonat unverzüglich auf die dagegen bestehenden Bedenken hingewiesen. Da Gründe für die Verhinderung einer anderweitigen Vertretung des Klägers, insbesondere durch den Bevollmächtigten selbst oder einen der bei ihm beschäftigten Rechtsanwälte, nicht glaubhaft gemacht wurden, konnte die Verhandlung durchgeführt werden und daraufhin auch eine Entscheidung getroffen werden.
Der Kläger hat nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X keinen Anspruch auf weitergehende Kostenerstattung.
Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Die Beklagte hat bindend entschieden, dass dem Kläger die Kosten des Vorverfahrens dem Grunde nach erstattet werden (vgl § 63 Abs 1 Satz 1, Abs 2, Abs 3 Satz 1 SGB X) und die Zuziehung eines Rechtsanwalts iS von § 63 Abs 2, Abs 3 Satz 2 SGB X notwendig war.
Gemäß § 63 Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten, hier dem Kläger, in Rechnung stellt. Diese Vergütung bemisst sich seit dem 01.07.2004 nach dem RVG (§ 1 Abs 1 Satz 1 RVG), sowie dem VV der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs 2 Satz 1 RVG).
Danach erhält der Rechtsanwalt für die Vertretung im Verwaltungsverfahren in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten die Geschäftsgebühr. Die Geschäftsgebühr entsteht insbesondere für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Die Geschäftsgebühr umfasst einen Betragsrahmen von 40 Euro bis 520 Euro. Eine Gebühr von mehr als 240 Euro kann aber nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog Schwellengebühr). Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Der Gesetzgeber will möglichst Streit über die Bestimmung dessen, was noch als billig oder schon als unbillig zu gelten hat, vermeiden, indem er dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt hat, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung jedenfalls der in § 14 RVG genannten Kriterien verbunden ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, RdNr 19). Die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt darüber hinaus einen Spielraum von 20 Prozent (Toleranzgrenze) zu, der von dem Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (BSG aaO mwN). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs 1 Satz 4 RVG).
Der Ansatz der Mittelgebühr erscheint auch der Kammer angesichts des geringen Aufwands für das Betreiben des Widerspruchsverfahrens und der geringen Schwierigkeit der Tätigkeit nicht gerechtfertigt; sie wäre unbillig zu Lasten der Beklagten (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Sowohl für den Aufwand wie auch die Schwierigkeit ist hier zu berücksichtigen, dass entsprechende Klärungen bereits im Widerspruchsverfahren für die Mutter und die Schwester des Klägers durch dessen Bevollmächtigten vorgenommen wurden und eine davon abweichende tatsächliche und rechtliche Beurteilung nicht erforderlich war und auch nicht geltend gemacht wurde. Das BSG hat eine durchschnittliche Tätigkeit beim Anfertigen von sechs Schriftsätzen an die Behörde angenommen (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, RdNr 31). Für besonderen Zeitaufwand etwa in Form besonders langer Besprechungen, besonders aufwändiger Recherchearbeit, besonders umfangreichen Aktenstudiums, besonders umfangreicher Anfertigung von Notizen oder komplexen Schriftverkehrs (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, RdNr 29) ist nichts von Substanz vorgetragen, geschweige denn Beweis angetreten. Vor diesem Hintergrund ist die Tätigkeit des den Kläger vertretenden Rechtsanwalts als deutlich unterdurchschnittlich zu betrachten.
Hinsichtlich der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich, über- oder unterdurchschnittlich ist, hält es das BSG (Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, RdNr 35) hingegen zutreffend nicht für angebracht, nach einzelnen Rechtsgebieten zu differenzieren Ohne Aussagekraft ist daher auch, ob hierfür ein Fachanwaltstitel erworben werden kann. Von einer nur durchschnittlich schwierigen anwaltlichen Tätigkeit ist dann nicht mehr auszugehen, wenn der zu bearbeitende Fall unter Berücksichtigung des aufgezeigten Maßstabs von einem Normal- bzw Routinefall abweicht; und zwar bezogen auf jedes Rechtsgebiet (zB Sozialrecht), nicht aber jedes Teilrechtsgebiet (zB Sozialhilferecht). Damit ist gewährleistet, dass in Rechtsgebieten, die gemeinhin nur deshalb als schwierig empfunden werden, weil kein Fall dem anderen gleicht, überwiegend eine überdurchschnittliche Schwierigkeit angenommen werden kann. Der Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts ist danach etwa die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsvorschriften, aber ohne umfangreichere Beweiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur. (BSG ebd.) Schließlich ist der Argumentation des Klägers entgegen zu halten, dass die Rahmengebühren in dieser konkreten Ausgestaltung gerade für die anwaltliche Tätigkeit im Sozialrecht geregelt wurden. Wäre grundsätzlich die anwaltliche Tätigkeit angesichts ihres Spezialcharakters als besonders schwierig anzusehen, müsste dies im Gebührenrahmen bereits berücksichtigt sein. Daraus folgt, dass bei der Tätigkeit auf dem Gebiet des Sozialrechts innerhalb des Gebührenrahmes der untere Bereich nicht von vornherein unbeachtlich sein kann.
Die von der Beklagten angesetzte Geschäftsgebühr von 160,00 EUR ist nicht zu beanstanden, die Differenz zum Ansatz des Anwalts des Klägers beträgt deutlich mehr als 20 Prozent und ist daher beachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kosten zur notwendigen Rechtsverfolgung in einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren.
Die Beklagte erließ am 19. November 2009 Verwaltungsakte über die Aufhebung und Erstattung von Leistungen zur Grundsicherung gegenüber dem Kläger, dessen Mutter und Schwester. Mit zwei Schreiben vom 26. November 2009 legte der Anwalt des Klägers zum einen für den Kläger und zum anderen für dessen Mutter und Schwester jeweils Widerspruch gegen die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen ein. Mit zwei weitestgehend wortgleichen Schreiben vom 5. Januar 2010 erfolgten die Begründungen der beiden Widersprüche durch den Anwalt des Klägers. Die Beklagte half den Widersprüchen mit den Bescheiden vom 25. März 2010 ab und verfügte jeweils die Übernahme der notwendigen Kosten zur Rechtsverfolgung.
Mit Schreiben vom 7. April 2010 beantragte der Kläger anwaltlich die Übernahme der Kosten in Höhe von 309,40 EUR, darunter die Geschäftsgebühr mit 240,00 EUR. Parallel beantragte der Anwalt des Klägers für das Widerspruchsverfahren der Mutter und der Schwester des Klägers die Übernahme von Kosten für deren Widerspruchsverfahren in Höhe von 395,08 EUR, darin enthalten eine Geschäftsgebühr mit dem Faktor 1,3 im Hinblick auf zwei Auftraggeber. Diese Kosten wurden von der Beklagten vollständig erstattet. Mit Bescheid vom 9. April 2010 erkannte die Beklagte für das Widerspruchsverfahren des Klägers Anwaltsgebühren in einer Gesamthöhe von 214,20 EUR an, darunter die Geschäftsgebühr mit einem Wert von 160,00 EUR. Der weitergehende Antrag wurde von der Beklagten abgelehnt.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 11. Mai 2010. Die anwaltliche Tätigkeit sei mindestens durchschnittlich gewesen. Der Erfolg erhöhe die Bedeutung der Angelegenheit. Dies sei auch im Falle des Klägers gelungen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2010 zurück. Es habe sich nur um einen unterdurchschnittlichen Fall gehandelt. Es seien zwei Schriftstücke verfasst worden: zum einen der fristwahrende Widerspruch und zum anderen die Begründung. Für die Begründung habe keinerlei inhaltliche Einarbeitung stattfinden müssen, weil es sich um das Parallelverfahren zum Verfahren der Mutter und der Schwester des Klägers gehandelt habe. Die Widerspruchsbegründung sei mit Schriftsatz vom gleichen Tag und gleichem Inhalt erstellt worden. Die Tätigkeit sei daher keinesfalls als umfangreich zu bewerten.
Mit seiner Klage vom 19. Juli 2007 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Gesetzgeber misstraue der Festsetzung der Anwaltsgebühren durch Behörden und Gerichte. Deshalb sei im Grundsatz die anwaltliche Bestimmung der Gebühren durch Ausübung anwaltlichen Ermessens festgelegt worden. Eine Korrektur der anwaltlichen Gebührenfestsetzung erfolge nur bei Unbilligkeit. Eine "gut bemessene" Gebührenfestsetzung sei noch nicht als unbillig zu korrigieren. Maßgeblich könnten nur die Umstände des Einzelfalles sein. Erst bei Überschreitung der Billigkeitsgrenze komme eine gerichtliche Festsetzung der Gebühren in Frage. Im Allgemeinen würden Abweichungen von bis zu 20 Prozent noch als verbindlich angesehen. Die Festsetzung der Mittelgebühren im vorliegenden Falle sei nicht unbillig. Verteidige ein Spezialist in einem Verfahren auf seinem – entlegenen – Spezialgebiet so sei dies bei der Bemessung der Vergütung gebührend zu berücksichtigen. Die Einführung eines Fachanwalts für Sozialrecht und von Fachkammern in der Sozialgerichtsbarkeit spreche dafür, dass es sich generell um ein schwieriges Rechtsgebiet handele.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2010 zu ändern, 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Kostenfestsetzungsantrag vom 7. April 2010 für das bei der Beklagten unter dem Geschäftszeichen W xxx geführte Widerspruchsverfahren weitere 95,20 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kammer haben außer den Prozessakten die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, das Protokoll und den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden, weil dieser bei der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war. Die durch unanfechtbaren Beschluss erfolgte Zurückweisung der im Rahmen eines Praktikums beim Bevollmächtigten des Klägers tätigen Assessorin schränkte die Rechte des Klägers, insbesondere auf sein rechtliches Gehör, nicht ein.
§ 73 Abs 2 SGG erlaubt nicht das Auftreten von Assessoren ohne Anwaltszulassung. Die Vorschrift regelt abschließend, welche Personen die Vertretung gegenüber dem Gericht übernehmen dürfen und wem entsprechende Vollmacht erteilt werden kann. Die ausdrückliche Zulassung von Stationsreferendaren zur Vertretungstätigkeit durch den Verweis auf § 157 ZPO in § 73 Abs 2 Satz 3 SGG gebietet im Umkehrschluss, dass andere Personen als die in § 73 Abs 2 SGG genannten nicht postulationsfähig sind. Ausgeschlossen sind demnach also auch Assessoren ohne Anwaltszulassung oder außerhalb ihrer Tätigkeit für die in § 73 Abs 2 SGG genannten Einrichtungen (so auch LAG Hamm, Beschluss vom 08.08.2011, 1 Ta 374/11, und Koch in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, RdNr 4 zu § 11 ArbGG als Parallelvorschrift zu § 73 SGG). Die Gesetzesmaterialien stützen diese Auffassung. Der Gesetzgeber hat für eine Vertretungsbefugnis von Assessoren ausdrücklich kein Regelungsbedürfnis gesehen und darauf verwiesen, dass auch nach früherer Auffassung ein ständiges, regelmäßiges Entsenden von Mitarbeitern eines Anwalts als unzulässig angesehen wurde (BT-Drs 16/3655, S 91 zum Entwurf des neuen § 157 ZPO im Rahmen der Neuregelung des Rechtsberatungsrecht). Es kann mithin auch keine Regelungslücke angenommen werden. Die vor der Neuregelung des Rechtsberatungsrechts 2008 ergangene Rechtsprechung ist für die neue Rechtslage irrelevant. Weil die Regelung des § 73 Abs 2 SGG ausdrücklich Bevollmächtigung und Vertretung betrifft, gilt sie auch im Falle einer durch einen Rechtsanwalt erteilten Untervollmacht. Das bedeutet, dass mit Untervollmacht auch nur nach § 73 SGG postulationsfähige Personen ausgestattet werden können (so auch LAG Hamm a.a.O.). § 5 RVG regelt die Vergütung; über diese Vorschrift kann eine nach § 73 SGG ausgeschlossene Vertretung vor Gericht nicht zulässig werden.
Das Auftreten der Assessorin, die zwar die Qualifikation zum Richteramt hat, jedoch nicht als Rechtsanwältin zugelassen ist, war insbesondere nicht nach § 73 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Variante 2 SGG zuzulassen, denn die Vertretungstätigkeit sollte im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen. Der Bevollmächtigte hatte in seinem Schreiben vom 19. September 2001 ausdrücklich die Geltendmachung von Anwaltskosten für die Wahrnehmung eines Termins über § 5 RVG angekündigt. Weil der Kläger nicht erschienen ist, kam eine Zulassung als Beistand nach § 73 Abs 7 Satz 3 SGG nicht in Betracht.
Nach der schriftlich bekundeten Absicht des Bevollmächtigten, die Assessorin mit Untervollmacht in den Termin zu entsenden, hat der Kammervorsitzende durch ein Telefonat unverzüglich auf die dagegen bestehenden Bedenken hingewiesen. Da Gründe für die Verhinderung einer anderweitigen Vertretung des Klägers, insbesondere durch den Bevollmächtigten selbst oder einen der bei ihm beschäftigten Rechtsanwälte, nicht glaubhaft gemacht wurden, konnte die Verhandlung durchgeführt werden und daraufhin auch eine Entscheidung getroffen werden.
Der Kläger hat nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X keinen Anspruch auf weitergehende Kostenerstattung.
Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Die Beklagte hat bindend entschieden, dass dem Kläger die Kosten des Vorverfahrens dem Grunde nach erstattet werden (vgl § 63 Abs 1 Satz 1, Abs 2, Abs 3 Satz 1 SGB X) und die Zuziehung eines Rechtsanwalts iS von § 63 Abs 2, Abs 3 Satz 2 SGB X notwendig war.
Gemäß § 63 Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten, hier dem Kläger, in Rechnung stellt. Diese Vergütung bemisst sich seit dem 01.07.2004 nach dem RVG (§ 1 Abs 1 Satz 1 RVG), sowie dem VV der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs 2 Satz 1 RVG).
Danach erhält der Rechtsanwalt für die Vertretung im Verwaltungsverfahren in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten die Geschäftsgebühr. Die Geschäftsgebühr entsteht insbesondere für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Die Geschäftsgebühr umfasst einen Betragsrahmen von 40 Euro bis 520 Euro. Eine Gebühr von mehr als 240 Euro kann aber nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog Schwellengebühr). Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Der Gesetzgeber will möglichst Streit über die Bestimmung dessen, was noch als billig oder schon als unbillig zu gelten hat, vermeiden, indem er dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt hat, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung jedenfalls der in § 14 RVG genannten Kriterien verbunden ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, RdNr 19). Die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt darüber hinaus einen Spielraum von 20 Prozent (Toleranzgrenze) zu, der von dem Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (BSG aaO mwN). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs 1 Satz 4 RVG).
Der Ansatz der Mittelgebühr erscheint auch der Kammer angesichts des geringen Aufwands für das Betreiben des Widerspruchsverfahrens und der geringen Schwierigkeit der Tätigkeit nicht gerechtfertigt; sie wäre unbillig zu Lasten der Beklagten (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Sowohl für den Aufwand wie auch die Schwierigkeit ist hier zu berücksichtigen, dass entsprechende Klärungen bereits im Widerspruchsverfahren für die Mutter und die Schwester des Klägers durch dessen Bevollmächtigten vorgenommen wurden und eine davon abweichende tatsächliche und rechtliche Beurteilung nicht erforderlich war und auch nicht geltend gemacht wurde. Das BSG hat eine durchschnittliche Tätigkeit beim Anfertigen von sechs Schriftsätzen an die Behörde angenommen (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, RdNr 31). Für besonderen Zeitaufwand etwa in Form besonders langer Besprechungen, besonders aufwändiger Recherchearbeit, besonders umfangreichen Aktenstudiums, besonders umfangreicher Anfertigung von Notizen oder komplexen Schriftverkehrs (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, RdNr 29) ist nichts von Substanz vorgetragen, geschweige denn Beweis angetreten. Vor diesem Hintergrund ist die Tätigkeit des den Kläger vertretenden Rechtsanwalts als deutlich unterdurchschnittlich zu betrachten.
Hinsichtlich der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich, über- oder unterdurchschnittlich ist, hält es das BSG (Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, RdNr 35) hingegen zutreffend nicht für angebracht, nach einzelnen Rechtsgebieten zu differenzieren Ohne Aussagekraft ist daher auch, ob hierfür ein Fachanwaltstitel erworben werden kann. Von einer nur durchschnittlich schwierigen anwaltlichen Tätigkeit ist dann nicht mehr auszugehen, wenn der zu bearbeitende Fall unter Berücksichtigung des aufgezeigten Maßstabs von einem Normal- bzw Routinefall abweicht; und zwar bezogen auf jedes Rechtsgebiet (zB Sozialrecht), nicht aber jedes Teilrechtsgebiet (zB Sozialhilferecht). Damit ist gewährleistet, dass in Rechtsgebieten, die gemeinhin nur deshalb als schwierig empfunden werden, weil kein Fall dem anderen gleicht, überwiegend eine überdurchschnittliche Schwierigkeit angenommen werden kann. Der Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts ist danach etwa die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsvorschriften, aber ohne umfangreichere Beweiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur. (BSG ebd.) Schließlich ist der Argumentation des Klägers entgegen zu halten, dass die Rahmengebühren in dieser konkreten Ausgestaltung gerade für die anwaltliche Tätigkeit im Sozialrecht geregelt wurden. Wäre grundsätzlich die anwaltliche Tätigkeit angesichts ihres Spezialcharakters als besonders schwierig anzusehen, müsste dies im Gebührenrahmen bereits berücksichtigt sein. Daraus folgt, dass bei der Tätigkeit auf dem Gebiet des Sozialrechts innerhalb des Gebührenrahmes der untere Bereich nicht von vornherein unbeachtlich sein kann.
Die von der Beklagten angesetzte Geschäftsgebühr von 160,00 EUR ist nicht zu beanstanden, die Differenz zum Ansatz des Anwalts des Klägers beträgt deutlich mehr als 20 Prozent und ist daher beachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
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