L 16 KR 31/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 2 RA 44/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 31/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 25/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.01.2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte der Klägerin die Kosten des ersten Rechtszuges nur zu 1/4 zu erstatten hat. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens insgesamt zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Erstattungsbetrag, den die Klägerin ihren Arbeitnehmern zwecks Erwerbs des Führerscheins Klasse 2 gezahlt hat, beitragspflichtiges Arbeitsentgelt darstellt.

Die der Klägerin angehörigen Postdienste Neu-Brandenburg, Schwerin, Rostock, Kiel und Hamburg-Süd vereinbarten mit Beschäftigten, u.a. mit den Beigeladenen zu 1) bis 3), dass diese im betrieblichen Interesse den Führerschein Klasse 2 erwerben und nach Vorlage des gültigen Führerscheins die hierfür aufgewendeten Kosten erstattet erhalten sollten. Aufgrund einer Betriebsprüfung von Dezember 1999 erhob die Beklagte mit Bescheid vom 05.09.2000 u.a. für die Beigeladenen zu 1) bis 3) Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von zusammen 4.553,90 DM bezogen auf die Jahre 1998, 1999 nach, weil die Erstattung der Führerscheinkosten durch den Arbeitgeber einen geldwerten Vorteil für den Arbeitnehmer darstelle.

Die Klägerin legte am 16.11.2000 Widerspruch ein und machte geltend, es handele sich um einen Auslagenersatz i.S.d. § 3 Nr. 50 Einkommensteuergesetz (EStG). Es seien nur die Aufwendungen erstattet worden, die für die Arbeitsausführung erforderlich gewesen seien und nicht zu einer Bereicherung bei den Beschäftigten geführt hätten. Im Rahmen der Beschäftigungsverhältnisse hätten die Beschäftigten, die den Führerschein Klasse 2 erworben hätten, Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t führen sollen. Der Erwerb der Führerscheine habe damit im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse gelegen. Der Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 sei daher nicht der privaten Lebensführung zuzurechnen, was auch der Rechtsprechung der Finanzgerichte entspreche. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil es sich nicht um einen Auslagenersatz handele, sondern entsprechende Kosten im Hinblick auf ein gewisses Maß an Eigeninteresse des Arbeitnehmers nur als Werbungskosten abgesetzt werden könnten. Der Ersatz von Werbungskosten stelle jedoch grundsätzlich steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

Die Klägerin hat am 19.04.2001 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln auf Aufhebung des Bescheides vom 05.09.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2001 erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Nutzung von Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t im privaten Bereich auf seltene Ausnahmefälle beschränkt sei, so dass der Ersatz der Führerscheinkosten keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn und damit kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt darstelle.

Mit Urteil vom 24.01.2002 hat das SG den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, als die Beklagte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge für den Auslagenersatz für den Erwerb des Führerscheins Klasse 2 gefordert hat. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 23.01.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.02.2002 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Erstattung der Führerscheinkosten bezogen auf einen Führerschein der Klasse 2 keinen Auslagenersatz i.S.v. § 3 Nr. 50 EStG darstelle, weil ein solcher Auslagenersatz nur gegeben sei, wenn kein eigenes Interesse des Arbeitnehmers an der Aufwendung der Kosten vorgelegen habe. Dies gelte bei Führerscheinkosten jedoch nicht, weil insoweit immer ein gewisses Maß an Eigeninteresse des Arbeitnehmers anzunehmen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Köln vom 24.01.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 7) hat die Auffassung vertreten, dass auch geprüft werden müsse, ob im Hinblick auf drohende Änderungskündigungen ohne Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 für die Arbeitnehmer ein nicht unerhebliches eigenes Interesse an der Aufwendung der Kosten bestanden habe.

Die übrigen Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit der Beigeladenen verhandeln und entscheiden, da diese mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die zulässige Berufung ist in der Hauptsache unbegründet. Der Bescheid der Beigeladenen ist in dem noch streitigen Umfang bezüglich der Beurteilung der den Beigeladenen zu 1) bis 3) erstatteten Kosten zwecks Erwerbs des Führerscheins der Klasse 2 als beitragspflichtiges Entgelt rechtswidrig, wie das SG zu Recht erkannt hat.

Arbeitsentgelt, das in dem hier maßgeblichen Zeitraum 1998/99 der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -, § 57 Abs. 1 SGB XI, § 261 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III) zugrundegelegt wurde, sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 SGB IV bzw. § 14 Abs. 1 Satz 1 in der ab dem 01.04.1999 geltenden Fassung - BGBl. I S. 388). Auch wenn die Vereinbarung über die Erstattung der für den Erwerb des Führerscheins aufgewendeten Kosten ihren Ursprung in den zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) bis 3) bestehenden Beschäftigungsverhältnissen hat, ist die Zahlung gleichwohl kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt.

§ 17 Abs. 1 SGB IV ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch Erlass der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) Gebrauch gemacht. Nach § 1 ArEV in der zum 01.01.1990 in Kraft getretenen Fassung vom 12.12.1989 (BGBl. I S. 2177) sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 ArEV nichts anderes ergibt. Die Erstattung der Kosten für den Erwerb eines Führerscheins stellen nach ständiger Rechtsprechung der Finanzgerichte keinen geldwerten Vorteil beim Arbeitnehmer dar, wenn der Erwerb des Führerscheins in ganz überwiegendem Interesse des Arbeitgebers erfolgt (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urt. vom 27.08.1965 - VI E 40/65 - = EFG 1966, 6; FG Düsseldorf, Urt. vom 19.12.1977 - X 339/73 L - = EFG 1978, 333; Hessisches Finanzgericht, Urt. vom 14.07.1998 - 9 K 1949/97 - = EFG 1998, 1507; FG Münster, Urt. vom 25.02.1998 - 7 K 5197/96 E = EFG 1998, 941). Letzteres ist vorliegend der Fall.

Die Klägerin wünschte, dass ihre Arbeitnehmer, den Führerschein der Klasse 2 erwarben, um diese flexibler insbesondere auch im Paketzustelldienst einsetzen zu können. Dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) den Führerschein auch privat nutzen konnten und wollten, weil ihnen entsprechende Fahrzeuge privat zur Verfügung standen, ist weder ersichtlich noch von der Beklagten geltend gemacht worden. Allein die theoretische Möglichkeit einer solchen Nutzung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht ausreichend, die entsprechende Kostenerstattung als lohnsteuerbare Leistung anzusehen, insbesondere wird hierdurch nicht die Lebensführung i.S.d. § 12 Nr. 1 EStG berührt (FG Münster wie vor). Schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung werden Fahrzeuge mit über 7,5 t Gesamtgewicht von Arbeitnehmern nicht privatwirtschaftlich sondern nur betrieblich genutzt, denn selbst für das Führen von Wohnmobilen dürfte in der Regel der Führerschein der Klasse 3 ausreichend sein (FG Münster wie vor). Dafür, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) den Führerschein der Klasse 2 im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeiten (z.B. Einsatz bei der freiwilligen Feuerwehr) nutzen könnten, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Im Übrigen müsste die Beklagte entgegen ihrer eigenen Praxis nach ihrer Auffassung jedweden Vorteil, den ein Arbeitnehmer aus einer von seinem Arbeitgeber finanzierten Fortbildung erlangt - z.B. Sprachlehrgänge, Computerkurse etc. - als geldwerten Vorteil der Beitragspflicht unterwerfen, weil das Erlangte in irgendeiner Weise privat nutzbar ist.

Dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) zwecks der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes Interesse an dem Erwerb des Führerscheins hatten bzw. dessen Besitz im Falle des Verlusts des Arbeitsplatzes für anderweitige Bewerbungen Vorteile bieten könnte, begründet keinen geldwerten Vorteil, weil es sich insoweit lediglich um mittelbare, immaterielle Vorteile handelt.

Schließlich gebietet auch der Umstand, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) ihre Aufwendungen als Werbungskosten hätten geltend machen können, solange sie eine Erstattung durch den Arbeitgeber nicht erlangten, keine andere Betrachtungsweise. Dies folgt aus einem Umkehrschluss aus § 3 Nr. 50 EStG, wonach Beträge dann nicht für die Beschäftigung gezahlt werden, wenn dadurch Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden. Auch solche Aufwendungen sind grundsätzlich Werbungskosten, solange der Arbeitnehmer einen Ersatz seines Arbeitgebers nicht erlangt.

Die Berufung der Beklagten konnte daher in der Hauptsache keinen Erfolg haben. Lediglich der Kostenausspruch des angefochtenen Urteils war dahin zu ändern, dass die Beklagte der Klägerin nur ein Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten hatte, weil die Klägerin den Prüfbescheid der Beklagten uneingeschränkt angefochten hat, obwohl die darin nachberechneten Beiträge wegen der Zahlungen im Zusammenhang mit dem Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 nur etwa ein Viertel des gesamten Nachforderungsbetrages ausmachten.

Die Kostenentscheidung im übrigen beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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