Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 LW 76/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 51/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08.1999 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die gesamtschuldnerische Haftung für die Beitragsverpflichtung der Ehefrau des Klägers.
Der 1944 geborene Kläger ist seit 01.11.1961 Landwirt und betreibt ein Unternehmen mit einem Wirtschaftswert von 8.160,- DM. Seit 01.01.1977 ist er wegen Erwerbstätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Er ist seit 29.04.1967 Ehemann der A.G ..., geboren am ...1947. Deren Antrag vom 26.06.1969 auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 85 Abs.3a ALG ist durch Bescheid der Beklagten vom 03.07. 1996 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 10.10.1996 mit der Begründung abgelehnt worden, der Kläger habe 1994 kein außerlandwirtschaftliches Einkommen von mehr als 40.000,- DM erzielt. Gemäß Einkommensteuerbescheid für 1994 hatte sein Arbeitsentgelt 39.158,-DM brutto betragen. Die Klage der Ehefrau (S 10 Lw 114/96) gegen die Ablehnung der Befreiung ist mit Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 07.08.1998 abgewiesen, die Sprungrevision dagegen (Az.: B 10 Lw 24/98 R) mit Urteil des Bundessozialgerichts vom 01.02.2000 zurückgewiesen worden. Unter anderem führte das Bundessozialgericht aus, die mit dem Stichjahr 1994 im Einzelfall verbundenen Härten seien hinzunehmen, weil sie gerade kennzeichnend für eine Übergangsregelung seien. Das Gesetz versage Sondertatbeständen wie Kindererziehung, Pflege eines Pflegebedürftigen etc., die Anerkennung einer besonderen Härte, was erst recht in Fällen der vorliegenden Art gelten müsse, bei denen das Unterschreiten der Einkommensgrenze infolge unbezahlten Urlaubs zum Zweck des Eigenheimbaues behauptet werde. Berücksichtigt sei die Unmöglichkeit, nachträglich das tatsächliche Einkommen zu erhöhen.
Die Beklagte erließ am 15.04.1999 gegenüber dem Kläger einen Beitragsbescheid betreffend die Zeit ab Januar 1995 und nahm den Kläger als Gesamtschuldner in Anspruch. Der Widerspruch wurde am 28.06.1999 zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner am 22.07.1999 erhobenen Klage nahm der Kläger auf die Klage- und Revisionsbegründung in Sachen der Ehefrau Bezug und machte geltend, die Versicherungspflicht der Ehefrau sei ein Verstoß gegen Art.3, 6 Abs.1, 12, 2, 14 Abs.1 Grundgesetz. Letzteres insbesondere deshalb, weil der Kläger 1993 und 1995 ein Einkommen über 40.000,- DM hatte und 1994 die Einkommensgrenze nur wegen unbezahlten Urlaubs von 2 Wochen nicht überschreiten konnte.
Gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08.1999, das am 24.09.1999 zugestellt wurde, legte der Kläger am 21.10.1999 Berufung ein. Die Einkommensgrenze sei deshalb verfehlt worden, weil wegen eines Hausbaues unbezahlter Urlaub genommen worden sei. Das Grundstück habe zu 3/4 dem Sohn gehört, mit dem vereinbart war, dass die Arbeitsleistung des Vaters nicht unentgeltlich geschehen sollte. Das geflossene Entgelt in Form von Naturalleistungen im Wert von über 842,- DM sei Erwerbseinkommen im Sinne des § 85 Abs.3a Nr.3 ALG. Auch bei nahen Angehörigen sei vom objektiven Wert der erbrachten Leistungen auszugehen. Auch Naturalleistungen seien Einnahmen entsprechend § 8 Einkommensteuergesetz. Im Übrigen entspreche die starre Einkommens- und Jahresgrenze des § 85 Abs.3a ALG nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08.1999 sowie den Bescheid der LVA Niederbayern-Oberpfalz vom 15.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Ein Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung der Beitragsforderung ist mit Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08. 1999 abgelehnt, die Beschwerde dagegen am 27.01.2000 zurückgewiesen worden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Regensburg sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08.1999 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 15.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.1999. Der Kläger haftet gesamtschuldnerisch für die Beitragsverpflichtung seiner Ehefrau.
Die Beiträge für die Versicherungspflichtigen trägt der Landwirt (§ 70 Abs.1 Satz 1 1. Halbsatz ALG). Unstreitig ist der Kläger als landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 Abs.2 ALG Landwirt und ebenso unstreitig ist die Beitragsverpflichtung seiner Ehefrau nach der Zurückweisung der Sprungrevision am 01.02.2000 durch das Bundessozialgericht rechtsverbindlich festgestellt. Weil sich die Rechtskraft des Urteils gegenüber der Ehefrau gemäß § 141 Abs.1 SGG aber nur auf die Beteiligten erstreckt und der Kläger im Rechtsstreit seiner Ehefrau nicht beigeladen war, ist die Versicherungspflicht der Ehefrau im anhängigen Verfahren gesondert zu prüfen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger als Gesamtschuldner in Anspruch genommen wird. § 425 BGB macht deutlich, dass die zu einer Gesamtschuld verbundenen Forderungen, abgesehen von der bestehenden Tilgungsgemeinschaft, selbständige Forderungen sind. Aus dieser Norm ergibt sich, dass sich die Forderungen gegen die einzelnen Gesamtschuldner unterschiedlich entwickeln können. Insbesondere ist die Einzelwirkung der Rechtskraft in § 54 Abs.2 BGB ausdrücklich geregelt. Die aus § 129 Abs.1 HGB abgeleitete Erstreckung der Rechtskraft eines gegen die Gesellschaft ergangenen Urteils auf den Gesellschafter ist eine Ausnahme von der Regel des § 425 BGB und kann auf andere Gesamtschuldnerverhältnisse nicht übertragen werden (BGH vom 15. Juni 1993 in Betriebsberater 1993, 1551).
An der seit 01.01.1995 bestehenden Beitragsverpflichtung der Ehefrau des Klägers bestehen keine Zweifel. Dass die Versicherungspflicht als nicht erwerbstätige Ehefrau eines Nebenerwerbslandwirts verfassungsgemäß ist, hat der 16. Senat in Übereinstimmung mit dem Bundessozialgericht (Urteil vom 12. Februar 1998 in BSGE 81, 294) wiederholt betont (Urteil des 16. Senats vom 28. April 1999 - L 16 Lw 26/98, Entscheidung vom 7. Juni 2000 - L 16 Lw 16/99). Ebenso wenig begegnet die in § 85 Abs.3a Satz 1 ALG enthaltene unechte Rückwirkung verfassungsrechtlichen Bedenken. Die in § 85 Abs.3a enthaltene Befreiungsregelung konnte nur insoweit belastende Rückwirkungen entfalten, als sie die bereits mit Bescheid vom 30. Dezember 1994 statuierte Beitragspflicht ab dem 1. Januar 1995 nicht nachträglich beseitigte. Ohne diese zusätzliche Befreiungsmöglichkeit wäre es von vornherein allein bei den schon eingeführten Befreiungsregelungen in den §§ 3, 85 ALG geblieben. Mit den §§ 85 Abs.3a und 3b ALG sollten nur bestimmte, umschriebene Härten gemildert werden und dadurch die allgemeine Akzeptanz der neuen Versicherung erhöht werden, ohne die allgemeinen Grundsätze der eigenständigen Sicherung der Bäuerin aufzugeben (BSGE vom 12. Februar 1998 in SozR 3-5868 § 85 Nr.2 S.14f m.w.N). Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 1. Februar 2000 (B 10 Lw 24/98 R) an.
Offen geblieben ist nach dem genannten Urteil lediglich, ob sich das maßgebliche Erwerbseinkommen des Klägers im Sinn von § 85 Abs.3a ALG im Stichjahr 1994 tatsächlich auf brutto 39.158,- DM belaufen hat. Das Bundessozialgericht sah sich an die vom Sozialgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden und konnte das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten nicht berücksichtigen, für den Hausbau seien Naturalleistungen des Sohns an den Kläger geflossen und wären als Einkommen zu werten gewesen. Der Anspruch der Ehefrau des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht scheiterte daran, dass der Kläger im Jahre 1994 kein Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 40.000,-.-DM erzielt hat. Der Begriff des Erwerbseinkommens ist in § 18a Abs.1 Nr.1 und Abs.2 SGB IV definiert. Neben dem Arbeitseinkommen umfasst der Begriff den des Arbeitsentgelts, das wiederum in § 14 SGB IV definiert ist. Danach sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf diese Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Bereits aus der Definition wird deutlich, dass auch Sachbezüge zu den Einnahmen gehören, sofern sie aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden. Der Kläger stand jedoch während des Hausbaus in keinem Beschäftigungsverhältnis zu seinem Sohn.
Der Begriff der Beschäftigung knüpft an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unterschied zwischen dem selbständigen Unternehmer und dem unselbständig tätigen Arbeitnehmer an, für den sein Unternehmer der Arbeitgeber ist, nach dessen Weisungen sowie nach Maßgabe der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und Regelungen der Arbeitnehmer tätig wird. Selbstverständlich kann ein Beschäftigungsverhältnis auch unter Angehörigen bestehen. Entscheidend ist, ob nach den gesamten Umständen des Einzelfalls ein Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung vorliegt oder nur Mithilfe aufgrund der Familienzugehörigkeit ohne Eingliederung in den Betrieb und ohne Gewährung von Arbeitsentgelt geleistet wird. Dabei ist ein Beschäftigungsverhältnis nicht allein deswegen anzunehmen, weil durch die Mitarbeit des Familienangehörigen die sonst erforderliche Einstellung einer fremden Arbeitskraft erspart wird (BSGE 12, 153, 156; BSGE 17, 1, 5 und 6, 8).
Grundsätzlich lassen sich manche der charakteristischen Merkmale einer Beschäftigung bei Verwandten relativ schlecht feststellen, so dass andere besondere Bedeutung erlangen. Für die Frage, ob ein mitarbeitender Familienangehöriger zum Betriebsinhaber in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis steht, hat das Bundessozialgericht insbesondere die Höhe der gewährten Leistungen - Geld und Sachbezüge - sowie ihr Verhältnis zu Umfang und Art der im Betrieb verrichteten Tätigkeit als entscheidend angesehen; ferner hat er auf die Entrichtung von Lohnsteuer für den Familienangehörigen als wichtiges Indiz für das Vorliegen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses hingewiesen. Letzteres ist vom Klägerbevollmächtigten, der Fachanwalt für Steuerrecht ist, nicht behauptet worden. Nähere Angaben zur Höhe der tatsächlich erbrachten Naturalleistungen fehlen. Es wurde lediglich angegeben, dass damit die relevante 40.000,- DM Grenze überschritten würde.
Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist besonders eingehend zu prüfen, wenn dieses erstmals in zeitlicher Nähe zu einem aufwendigen Leistungsfall behauptet wird, weil die Gefahr von Rechtsmissbrauch besteht, der wegen der engen Beziehung zwischen den Angehörigen leichter als sonst möglich ist (Seewald in KassKomm, § 7 SGB IV, Rdz.105). Gleiches hat zu gelten, wenn das Beschäftigungsverhältnis erstmals in zeitlicher Nähe zum drohendem Verlust eines Gestaltungsrechts behauptet wird. Der Klägerbevollmächtigte hatte zunächst geltend gemacht, die 40.000,- DM-Grenze wäre problemlos erreicht worden, wenn sich der Kläger nicht hätte beurlauben lassen und sein fiktives Einkommen hinzugerechnet würde. Erst nach Erlass des streitgegenständlichen Urteils vom 20. August 1999 ergänzte der Klägerbevollmächtigte sein Vorbringen dahin, der Sohn des Klägers habe an den Kläger immer wieder Naturalleistungen erbracht, die den Wert von 842,- DM (dieser Betrag fehlt noch zu den geforderten 40.000,- DM) bei weitem übersteigen. Der Kläger macht selbst geltend, dass er 1994 zwei Wochen unbezahlten Urlaub genommen hatte, um Arbeiten an dem Grundstück der Familie durchzuführen. Laut Mitteilung der Ehefrau des Klägers vom 17.07.1996 an die Beklagte wurde das eigene Wohnhaus abgebrochen und ein neues errichtet. Nur zu zwei Drittel gehörte das Grundstück bereits dem Sohn. Bei diesen Eigentumsverhältnissen spricht viel dafür, dass die Verwandten im Rahmen einer Innengesellschaft gleichgeordnet zusammenwirken. Hierfür ist der Austausch von Naturalleistungen typisch. Nachdem weder der Umfang der Arbeitsleistung des Klägers für den Sohn noch die Höhe der 1994 erbrachten Naturalleistungen beziffert sind, ist nicht feststellbar, ob dem Kläger ein zumindest in etwa leistungsgerechtes Entgelt gezahlt worden ist. Es braucht zwar nicht die Höhe des Entgelts für einen vergleichbaren fremden Beschäftigten zu erreichen, um als wesentliches Kennzeichen eines Beschäftigungsverhältnisses unter Verwandten genügen zu können, es muss aber andererseits über bloße Unterhaltsleistungen deutlich hinausgehen (Seewald in KassKomm § 7, SGB IV Rdz. 104). Ein Nachweis hierüber erscheint ausgeschlossen und wurde vom Klägerbevollmächtigten auch nicht angetreten.
Als Landwirt im Sinne des § 1 Abs.2 ALG trägt der Kläger die Beiträge für die versicherungspflichtige Ehefrau zusammen mit ihr, die ebenfalls Landwirtin im Sinne des § 70 Abs.1 Satz 1 ALG ist. Eine gesamtschuldnerische Haftung ordnet § 70 Abs.1 Satz 1 2. Halbsatz ALG an, wenn beide Ehegatten versichert sind. Der Kläger ist zwar seit 01.01.1977 wegen seiner Erwerbstätigkeit von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreit und gemäß § 85 Abs.1 Satz 1 ALG versicherungsfrei. Diese Befreiung ändert jedoch nichts an seinem Status als Versicherter, der am 01.11.1961 mit seiner Aufnahme in das Mitgliederverzeichnis der Beklagten und der Heranziehung zur Beitragspflicht begründet worden ist. Zwar ist das aktive Versicherungsverhältnis mit der Befreiung zum 01.01.1977 beendet worden, es besteht jedoch als latentes Versicherungsverhältnis fort. Dieses latente Versicherungsverhältnis reicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch in der gesetzlichen Rentenversiche- rung aus, den Landwirt als versichert zu betrachten (s. hierzu Urteil des 16. Senats vom 18.10.2000 L 16 Lw 43/99).
Aus diesen Gründen ist die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die gesamtschuldnerische Haftung für die Beitragsverpflichtung der Ehefrau des Klägers.
Der 1944 geborene Kläger ist seit 01.11.1961 Landwirt und betreibt ein Unternehmen mit einem Wirtschaftswert von 8.160,- DM. Seit 01.01.1977 ist er wegen Erwerbstätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Er ist seit 29.04.1967 Ehemann der A.G ..., geboren am ...1947. Deren Antrag vom 26.06.1969 auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 85 Abs.3a ALG ist durch Bescheid der Beklagten vom 03.07. 1996 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 10.10.1996 mit der Begründung abgelehnt worden, der Kläger habe 1994 kein außerlandwirtschaftliches Einkommen von mehr als 40.000,- DM erzielt. Gemäß Einkommensteuerbescheid für 1994 hatte sein Arbeitsentgelt 39.158,-DM brutto betragen. Die Klage der Ehefrau (S 10 Lw 114/96) gegen die Ablehnung der Befreiung ist mit Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 07.08.1998 abgewiesen, die Sprungrevision dagegen (Az.: B 10 Lw 24/98 R) mit Urteil des Bundessozialgerichts vom 01.02.2000 zurückgewiesen worden. Unter anderem führte das Bundessozialgericht aus, die mit dem Stichjahr 1994 im Einzelfall verbundenen Härten seien hinzunehmen, weil sie gerade kennzeichnend für eine Übergangsregelung seien. Das Gesetz versage Sondertatbeständen wie Kindererziehung, Pflege eines Pflegebedürftigen etc., die Anerkennung einer besonderen Härte, was erst recht in Fällen der vorliegenden Art gelten müsse, bei denen das Unterschreiten der Einkommensgrenze infolge unbezahlten Urlaubs zum Zweck des Eigenheimbaues behauptet werde. Berücksichtigt sei die Unmöglichkeit, nachträglich das tatsächliche Einkommen zu erhöhen.
Die Beklagte erließ am 15.04.1999 gegenüber dem Kläger einen Beitragsbescheid betreffend die Zeit ab Januar 1995 und nahm den Kläger als Gesamtschuldner in Anspruch. Der Widerspruch wurde am 28.06.1999 zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner am 22.07.1999 erhobenen Klage nahm der Kläger auf die Klage- und Revisionsbegründung in Sachen der Ehefrau Bezug und machte geltend, die Versicherungspflicht der Ehefrau sei ein Verstoß gegen Art.3, 6 Abs.1, 12, 2, 14 Abs.1 Grundgesetz. Letzteres insbesondere deshalb, weil der Kläger 1993 und 1995 ein Einkommen über 40.000,- DM hatte und 1994 die Einkommensgrenze nur wegen unbezahlten Urlaubs von 2 Wochen nicht überschreiten konnte.
Gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08.1999, das am 24.09.1999 zugestellt wurde, legte der Kläger am 21.10.1999 Berufung ein. Die Einkommensgrenze sei deshalb verfehlt worden, weil wegen eines Hausbaues unbezahlter Urlaub genommen worden sei. Das Grundstück habe zu 3/4 dem Sohn gehört, mit dem vereinbart war, dass die Arbeitsleistung des Vaters nicht unentgeltlich geschehen sollte. Das geflossene Entgelt in Form von Naturalleistungen im Wert von über 842,- DM sei Erwerbseinkommen im Sinne des § 85 Abs.3a Nr.3 ALG. Auch bei nahen Angehörigen sei vom objektiven Wert der erbrachten Leistungen auszugehen. Auch Naturalleistungen seien Einnahmen entsprechend § 8 Einkommensteuergesetz. Im Übrigen entspreche die starre Einkommens- und Jahresgrenze des § 85 Abs.3a ALG nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08.1999 sowie den Bescheid der LVA Niederbayern-Oberpfalz vom 15.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Ein Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung der Beitragsforderung ist mit Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08. 1999 abgelehnt, die Beschwerde dagegen am 27.01.2000 zurückgewiesen worden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Regensburg sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.08.1999 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 15.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.1999. Der Kläger haftet gesamtschuldnerisch für die Beitragsverpflichtung seiner Ehefrau.
Die Beiträge für die Versicherungspflichtigen trägt der Landwirt (§ 70 Abs.1 Satz 1 1. Halbsatz ALG). Unstreitig ist der Kläger als landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 Abs.2 ALG Landwirt und ebenso unstreitig ist die Beitragsverpflichtung seiner Ehefrau nach der Zurückweisung der Sprungrevision am 01.02.2000 durch das Bundessozialgericht rechtsverbindlich festgestellt. Weil sich die Rechtskraft des Urteils gegenüber der Ehefrau gemäß § 141 Abs.1 SGG aber nur auf die Beteiligten erstreckt und der Kläger im Rechtsstreit seiner Ehefrau nicht beigeladen war, ist die Versicherungspflicht der Ehefrau im anhängigen Verfahren gesondert zu prüfen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger als Gesamtschuldner in Anspruch genommen wird. § 425 BGB macht deutlich, dass die zu einer Gesamtschuld verbundenen Forderungen, abgesehen von der bestehenden Tilgungsgemeinschaft, selbständige Forderungen sind. Aus dieser Norm ergibt sich, dass sich die Forderungen gegen die einzelnen Gesamtschuldner unterschiedlich entwickeln können. Insbesondere ist die Einzelwirkung der Rechtskraft in § 54 Abs.2 BGB ausdrücklich geregelt. Die aus § 129 Abs.1 HGB abgeleitete Erstreckung der Rechtskraft eines gegen die Gesellschaft ergangenen Urteils auf den Gesellschafter ist eine Ausnahme von der Regel des § 425 BGB und kann auf andere Gesamtschuldnerverhältnisse nicht übertragen werden (BGH vom 15. Juni 1993 in Betriebsberater 1993, 1551).
An der seit 01.01.1995 bestehenden Beitragsverpflichtung der Ehefrau des Klägers bestehen keine Zweifel. Dass die Versicherungspflicht als nicht erwerbstätige Ehefrau eines Nebenerwerbslandwirts verfassungsgemäß ist, hat der 16. Senat in Übereinstimmung mit dem Bundessozialgericht (Urteil vom 12. Februar 1998 in BSGE 81, 294) wiederholt betont (Urteil des 16. Senats vom 28. April 1999 - L 16 Lw 26/98, Entscheidung vom 7. Juni 2000 - L 16 Lw 16/99). Ebenso wenig begegnet die in § 85 Abs.3a Satz 1 ALG enthaltene unechte Rückwirkung verfassungsrechtlichen Bedenken. Die in § 85 Abs.3a enthaltene Befreiungsregelung konnte nur insoweit belastende Rückwirkungen entfalten, als sie die bereits mit Bescheid vom 30. Dezember 1994 statuierte Beitragspflicht ab dem 1. Januar 1995 nicht nachträglich beseitigte. Ohne diese zusätzliche Befreiungsmöglichkeit wäre es von vornherein allein bei den schon eingeführten Befreiungsregelungen in den §§ 3, 85 ALG geblieben. Mit den §§ 85 Abs.3a und 3b ALG sollten nur bestimmte, umschriebene Härten gemildert werden und dadurch die allgemeine Akzeptanz der neuen Versicherung erhöht werden, ohne die allgemeinen Grundsätze der eigenständigen Sicherung der Bäuerin aufzugeben (BSGE vom 12. Februar 1998 in SozR 3-5868 § 85 Nr.2 S.14f m.w.N). Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 1. Februar 2000 (B 10 Lw 24/98 R) an.
Offen geblieben ist nach dem genannten Urteil lediglich, ob sich das maßgebliche Erwerbseinkommen des Klägers im Sinn von § 85 Abs.3a ALG im Stichjahr 1994 tatsächlich auf brutto 39.158,- DM belaufen hat. Das Bundessozialgericht sah sich an die vom Sozialgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden und konnte das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten nicht berücksichtigen, für den Hausbau seien Naturalleistungen des Sohns an den Kläger geflossen und wären als Einkommen zu werten gewesen. Der Anspruch der Ehefrau des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht scheiterte daran, dass der Kläger im Jahre 1994 kein Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 40.000,-.-DM erzielt hat. Der Begriff des Erwerbseinkommens ist in § 18a Abs.1 Nr.1 und Abs.2 SGB IV definiert. Neben dem Arbeitseinkommen umfasst der Begriff den des Arbeitsentgelts, das wiederum in § 14 SGB IV definiert ist. Danach sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf diese Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Bereits aus der Definition wird deutlich, dass auch Sachbezüge zu den Einnahmen gehören, sofern sie aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden. Der Kläger stand jedoch während des Hausbaus in keinem Beschäftigungsverhältnis zu seinem Sohn.
Der Begriff der Beschäftigung knüpft an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unterschied zwischen dem selbständigen Unternehmer und dem unselbständig tätigen Arbeitnehmer an, für den sein Unternehmer der Arbeitgeber ist, nach dessen Weisungen sowie nach Maßgabe der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und Regelungen der Arbeitnehmer tätig wird. Selbstverständlich kann ein Beschäftigungsverhältnis auch unter Angehörigen bestehen. Entscheidend ist, ob nach den gesamten Umständen des Einzelfalls ein Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung vorliegt oder nur Mithilfe aufgrund der Familienzugehörigkeit ohne Eingliederung in den Betrieb und ohne Gewährung von Arbeitsentgelt geleistet wird. Dabei ist ein Beschäftigungsverhältnis nicht allein deswegen anzunehmen, weil durch die Mitarbeit des Familienangehörigen die sonst erforderliche Einstellung einer fremden Arbeitskraft erspart wird (BSGE 12, 153, 156; BSGE 17, 1, 5 und 6, 8).
Grundsätzlich lassen sich manche der charakteristischen Merkmale einer Beschäftigung bei Verwandten relativ schlecht feststellen, so dass andere besondere Bedeutung erlangen. Für die Frage, ob ein mitarbeitender Familienangehöriger zum Betriebsinhaber in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis steht, hat das Bundessozialgericht insbesondere die Höhe der gewährten Leistungen - Geld und Sachbezüge - sowie ihr Verhältnis zu Umfang und Art der im Betrieb verrichteten Tätigkeit als entscheidend angesehen; ferner hat er auf die Entrichtung von Lohnsteuer für den Familienangehörigen als wichtiges Indiz für das Vorliegen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses hingewiesen. Letzteres ist vom Klägerbevollmächtigten, der Fachanwalt für Steuerrecht ist, nicht behauptet worden. Nähere Angaben zur Höhe der tatsächlich erbrachten Naturalleistungen fehlen. Es wurde lediglich angegeben, dass damit die relevante 40.000,- DM Grenze überschritten würde.
Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist besonders eingehend zu prüfen, wenn dieses erstmals in zeitlicher Nähe zu einem aufwendigen Leistungsfall behauptet wird, weil die Gefahr von Rechtsmissbrauch besteht, der wegen der engen Beziehung zwischen den Angehörigen leichter als sonst möglich ist (Seewald in KassKomm, § 7 SGB IV, Rdz.105). Gleiches hat zu gelten, wenn das Beschäftigungsverhältnis erstmals in zeitlicher Nähe zum drohendem Verlust eines Gestaltungsrechts behauptet wird. Der Klägerbevollmächtigte hatte zunächst geltend gemacht, die 40.000,- DM-Grenze wäre problemlos erreicht worden, wenn sich der Kläger nicht hätte beurlauben lassen und sein fiktives Einkommen hinzugerechnet würde. Erst nach Erlass des streitgegenständlichen Urteils vom 20. August 1999 ergänzte der Klägerbevollmächtigte sein Vorbringen dahin, der Sohn des Klägers habe an den Kläger immer wieder Naturalleistungen erbracht, die den Wert von 842,- DM (dieser Betrag fehlt noch zu den geforderten 40.000,- DM) bei weitem übersteigen. Der Kläger macht selbst geltend, dass er 1994 zwei Wochen unbezahlten Urlaub genommen hatte, um Arbeiten an dem Grundstück der Familie durchzuführen. Laut Mitteilung der Ehefrau des Klägers vom 17.07.1996 an die Beklagte wurde das eigene Wohnhaus abgebrochen und ein neues errichtet. Nur zu zwei Drittel gehörte das Grundstück bereits dem Sohn. Bei diesen Eigentumsverhältnissen spricht viel dafür, dass die Verwandten im Rahmen einer Innengesellschaft gleichgeordnet zusammenwirken. Hierfür ist der Austausch von Naturalleistungen typisch. Nachdem weder der Umfang der Arbeitsleistung des Klägers für den Sohn noch die Höhe der 1994 erbrachten Naturalleistungen beziffert sind, ist nicht feststellbar, ob dem Kläger ein zumindest in etwa leistungsgerechtes Entgelt gezahlt worden ist. Es braucht zwar nicht die Höhe des Entgelts für einen vergleichbaren fremden Beschäftigten zu erreichen, um als wesentliches Kennzeichen eines Beschäftigungsverhältnisses unter Verwandten genügen zu können, es muss aber andererseits über bloße Unterhaltsleistungen deutlich hinausgehen (Seewald in KassKomm § 7, SGB IV Rdz. 104). Ein Nachweis hierüber erscheint ausgeschlossen und wurde vom Klägerbevollmächtigten auch nicht angetreten.
Als Landwirt im Sinne des § 1 Abs.2 ALG trägt der Kläger die Beiträge für die versicherungspflichtige Ehefrau zusammen mit ihr, die ebenfalls Landwirtin im Sinne des § 70 Abs.1 Satz 1 ALG ist. Eine gesamtschuldnerische Haftung ordnet § 70 Abs.1 Satz 1 2. Halbsatz ALG an, wenn beide Ehegatten versichert sind. Der Kläger ist zwar seit 01.01.1977 wegen seiner Erwerbstätigkeit von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreit und gemäß § 85 Abs.1 Satz 1 ALG versicherungsfrei. Diese Befreiung ändert jedoch nichts an seinem Status als Versicherter, der am 01.11.1961 mit seiner Aufnahme in das Mitgliederverzeichnis der Beklagten und der Heranziehung zur Beitragspflicht begründet worden ist. Zwar ist das aktive Versicherungsverhältnis mit der Befreiung zum 01.01.1977 beendet worden, es besteht jedoch als latentes Versicherungsverhältnis fort. Dieses latente Versicherungsverhältnis reicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch in der gesetzlichen Rentenversiche- rung aus, den Landwirt als versichert zu betrachten (s. hierzu Urteil des 16. Senats vom 18.10.2000 L 16 Lw 43/99).
Aus diesen Gründen ist die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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