Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 LW 6/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 54/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers als Ehegatte eines Landwirts nach § 1 Abs.3 ALG in der Zeit vom 01.11.1997 bis 31.10.1998, dabei besonders über die Frage, ob die Eheleute in der streitigen Zeit getrennt im Sinne des Gesetzes gelebt haben.
Der am 1958 geborene Kläger hat am 26.10.1996 mit der beigeladenen C. A. in S. die Ehe geschlossen. Das gemeinsame Kind ist am 1997 geboren. Mit Schreiben vom 26.08.1999 wurde der Kläger von der Beklagten über die Versicherungspflicht nach § 1 Abs.3 ALG und die Befreiungsmöglichkeiten aufgeklärt. Der Kläger erklärte daraufhin telefonisch gegenüber der Beklagten, nichts mit der Landwirtschaft seiner Ehefrau zu tun zu haben und einen Befreiungsantrag stellen zu wollen. Außerdem teilte er mit, er und seine Ehefrau würden seit dem 01.11.1998 auf Dauer getrennt leben. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 08.11.1999 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers in der Zeit vom 01.09.1996 bis 31.10.1998 als Ehegatte eines Landwirts fest und machte Beiträge geltend. Den Beitragsrückstand berechnete die Beklagte mit 8.530,- DM. Eine Anfrage der Beklagten bei der Gemeinde W. ergab, dass der Kläger mit Hauptwohnsitz ab 26.10.1996 bis 01.11.1998 in W. gemeldet war und sich dann nach R. abgemeldet hatte.
Seinen Widerspruch vom 26.11.1999 begründete der Kläger mit einem dauernden Getrenntleben von seiner Ehefrau. Er sei zwar in W. , dem Sitz des Landwirtschaftlichen Betriebes seiner Ehefrau gemeldet gewesen, es habe aber kein Wille bestanden, sich dort dauernd niederzulassen. Polizeiliche Anmeldung begründe keinen Wohnsitz. Er habe weiterhin in seinem elterlichen Haus in S. gewohnt. Dort betreibe sein Bruder M. B. ein landwirtschaftliches Anwesen, in dem er eine eigene Wohnung habe. Dort habe er auch Anfang 1997 bis zu ihrem Ableben im August 1999 seine Mutter gepflegt. Da das BGB bei der Definition des Wohnsitzes an den räumlichen Mittelpunkt des gesamten Lebens einer Person anknüpfe, sei dies bei ihm R. gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.1999 zurück. Nach ihrer Auffassung leben Ehegatten nicht dauernd getrennt, wenn zwischen ihnen eine eheliche Gemeinschaft besteht, wofür bereits das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft ausreiche. Ein dauerndes Getrenntleben habe deshalb in der Zeit vom 26.09.1996 bis 31.10.1998 nicht vorgelegen, so dass die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht des Klägers als Ehegatte der Landwirtin C. B. gegeben seien. Denn die Ehefrau bewirtschafte seit dem 01.05.1991 ein Unternehmen, das die Mindestgröße im Sinne des § 1 Abs.5 ALG erreiche. Für die Versicherungspflicht sei es nicht erforderlich, dass tatsächlich Tätigkeiten im Rahmen der Landwirtschaft ausgeübt werden.
Nach Vorlage einer Lohn- und Gehaltsabrechnung für die Zeit von Oktober 1996 bis Oktober 1997 befreite die Beklagte den Kläger für diesen Zeitraum von der Versicherungspflicht. Der Beitragsrückstand reduzierte sich somit auf 4.485,- DM; diesen Rückstand hat die Ehefrau des Klägers im März 2001 beglichen.
Gegenüber der Beigeladenen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2000 fest, dass ab 01.04.2000 aufgrund einer Flächenverminderung keine Landwirtschaft mehr bewirtschaftet werde, die die Mindestgröße erreiche, so dass die Beigeladene nicht mehr Landwirtin im Sinne des Gesetzes sei. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 03.04.2000 den Eilantrag auf Aussetzung des Vollzugs der Beitragsforderung abgelehnt; korrigiert wurde in diesem Beschluss lediglich, dass ein Beitrag für September 1996 nicht zu fordern sei.
Die gegen den Widerspruchsbescheid vom 21.12.1999 gerichtete Klage vom 21.01.2000 wurde damit begründet, der Kläger habe nach der Eheschließung im Oktober 1996 keinen Wohnsitz in W. begründet und dauernd von seiner Ehefrau getrennt gelebt. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe auch keine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen ihm und der Beigeladenen bestanden. Er habe aus teils selbständiger, teils nichtselbständiger Tätigkeit ein eigenes Einkommen erzielt und im Pachtbetrieb seiner Ehefrau nicht mitgearbeitet. Die Ehefrau habe ebenfalls eigenes Einkommen erzielt. Die Anmeldung in W. sei nur erfolgt, um eine gemeinsame steuerliche Veranlagung zu erreichen. Gelebt habe der Kläger aber weiterhin in seiner eigenen Wohnung im Hause seines Bruders und dort habe er auch die Mutter gepflegt.
Auf Anfrage des Sozialgerichts bestätigte die Gemeinde R. die Meldung des Klägers von Oktober 1996 bis November 1998 mit Hauptwohnsitz in W. und Nebenwohnsitz in R ... Seit 01.11.1998 lebten die Eheleute getrennt und der Kläger sei wieder mit Hauptwohnsitz in R. gemeldet. Das Finanzamt Kaufbeuren teilte auf Anfrage mit, dass in den Einkommensteuererklärungen 1996 bis 1998 keine Angaben über eine Zeit des Getrenntlebens gemacht wurden. Beigezogen wurde vom Sozialgericht auch das Pflegegutachten über die Mutter des Klägers. Dort ist als Anschrift des Klägers W. angegeben. Die Pflege der Mutter erfolge durch M. und J. B. , also die Söhne, wobei ein Pflegeaufwand, der vom Kläger abgedeckt wird, mit 30 bis 35 Stunden wöchentlich beziffert wurde. Der Kläger erklärte, er habe nicht den Willen gehabt, seinen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse dauernd von R. nach W. zu verlegen. Seine Ehefrau habe er in W. gelegentlich, aber immer nur kurz besucht.
In der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2000 erklärte er, dass in W. nur ein kleines Schlafzimmer bestanden habe, das von den Eheleuten genutzt werden konnte. Deshalb sei sein Lebensmittelpunkt immer in R. gewesen. Auch das gemeinsame Kind, geboren am 26.09.1997, habe bei der Mutter in W. gewohnt und sei von ihm selbst nur gelegentlich, meist abends, betreut worden. Es sei zwar geplant gewesen, in W. zu bauen oder ein Gewerbe einzurichten, dies sei aber am Schwiegervater und an der Gemeinde gescheitert; auch deshalb sei er in R. geblieben. Zusätzlich habe durch eine Erkrankung seines Bruders der landwirtschaftliche Betrieb in R. von ihm betreut werden müssen.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 06.11.2000 ab. Zur Begründung führte es aus, dass nach § 1567 Abs.1 Satz 1 BGB Eheleute getrennt lebten, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft bestehe und ein Ehegatte diese erkennbar nicht herstellen wolle, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehne. Der Begriff "nicht dauerndes Getrenntleben" werde auch in § 26 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verwendet. Danach lebten Eheleute nicht dauernd getrennt, wenn zwischen ihnen eine eheliche Lebensgemeinschaft bestehe, wofür auch das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft - als Rest einer weitergehenden Lebensgemeinschaft, die weiterhin angestrebt werden muss -, ausreiche. Das Sozialgericht vertrat die Auffassung, dass in sämtlichen schriftlichen aktenkundigen Unterlagen der Kläger im Zeitraum von Oktober 1996 bis November 1998 nicht von seiner Ehefrau getrennt gelebt habe. Dies ergebe sich aus den Meldedaten der Verwaltungsgemeinschaft R. und den Einkommensteuererklärungen 1996 bis 1998. Auch die Ehefrau des Klägers habe gegenüber der Beklagten am 24.10.1999 bestätigt, dass erst seit dem 01.11.1998 ein dauerndes Getrenntleben vorliege. Das Urteil wurde am 30.11.2000 zugestellt.
Mit der am 27.12.2000 eingegangenen Berufung begehrte der Kläger die Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts sowie der Bescheide der Beklagten. Er trägt erneut vor, von seiner Ehefrau dauernd getrennt gelebt zu haben, auch im streitigen Zeitraum. Maßgeblich für die Feststellung des Lebensmittelpunkts seien nicht die amtliche Meldung mit Hauptwohnsitz, sondern die tatsächlichen Verhältnisse. Der Kläger habe auf dem Anwesen seines Bruders, wo er über eine eigene Wohnung verfügte, gelebt und habe dort die Mutter gepflegt und bekocht, da sein Bruder aufgrund seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit zeitlich dazu gar nicht in der Lage gewesen sei. Er und seine Ehefrau hätten getrennte Haushalte geführt. Wenn das Sozialgericht von einer gemeinsamen Steuerveranlagung der Eheleute ausgehe, sei dies für die Jahre 1997 und 1998 nicht zutreffend, eine gemeinsame Veranlagung sei nur für 1996 erfolgt. Es habe zwischen ihm und seiner Ehefrau keine Wirtschaftsgemeinschaft bestanden, die Einkünfte der Eheleute seien nicht vermengt worden. So hätten die Eheleute auch eigene Konten geführt. Allein aus der gemeinsamen Sorge für das im September 1997 geborene Kind könne nicht auf eine eheliche Lebensgemeinschaft geschlossen werden. Eine gemeinsame Verantwortung der Eltern für ihr Kind bestehe z.B. auch bei Getrenntleben.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auch aus dem Vorbringen im Berufungsverfahren könnten keine neuen Erkenntnisse zum Sachstand entnommen werden. Es sei vielmehr bekannt geworden, dass der Kläger seit 01.11.2000 wieder unter der Anschrift seiner Ehefrau in W. gemeldet sei. Ein dauerndes Getrenntleben mit dem Ziel einer Scheidung liege hier deshalb nicht vor.
Mit Beschluss des Senats vom 27.03.2002 wurde die Ehefrau zum Verfahren beigeladen.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2002 wurden der Kläger und die Beigeladene zu ihren Lebensumständen befragt. Insoweit wird auf die Niederschrift vom 24.04.2002 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11. 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 08.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.1999 sowie den Bescheid vom 12.04.2000 aufzuheben, soweit sie die Zeit vom 01.11.1997 bis 31.10.1998 betreffen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Augsburg und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 08.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.1999 sowie gemäß § 96 SGG die Bescheide vom 05.12.2000 und 05.02.200. Somit ist gegenüber dem Erstbescheid nur mehr die Versicherungspflicht in der Zeit vom 01.11.1997 bis 31.10.1998 zwischen den Beteiligten streitig.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Kläger ist in der Zeit vom 01.11. 1997 bis 31.10.1998 nach § 1 Abs.3 ALG als Ehegatte einer Landwirtin versicherungspflichtig und kann keinen Befreiungsgrund geltend machen.
Nach § 1 Abs.3 ALG gilt der Ehegatte eines Landwirts nach Abs.2 als Landwirt, wenn beide Ehegatten nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte nicht voll erwerbsgemindert nach § 43 Abs.2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ist; unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger und die Beigeladene Eheleute sind, die Beigeladene in der streitigen Zeit Landwirtin im Sinne des § 1 Abs.2 ALG war und der Kläger nicht erwerbsgemindert im Sinne von § 43 SGB VI ist. Streitig ist vielmehr der Begriff des Getrenntlebens.
Der Begriff des Getrenntlebens wird in der Rechtsordnung in verschiedenen Zusammenhängen gebraucht, aber auf eine einheitliche Definition kann nicht zurückgegriffen werden. So definiert § 1353 BGB die eheliche Lebensgemeinschaft folgendermaßen: "Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen zueinander Verantwortung". Nach Abs.2 ist ein Ehegatte nicht verpflichtet, "dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist." In § 1353 BGB wird somit vor allem auf die Wohngemeinschaft abgestellt, die grundsätzlich nur in häuslicher Gemeinschaft zu verwirklichen ist. Die Herstellung der häuslichen Gemeinschaft bestimme die Ehe, wobei vorübergehende räumliche Trennung aus beruflichen oder sonstigen zwingenden Gründen mit ehelicher Gemeinschaft nicht unvereinbar sei (so Münchner Kommentar, Wacke, § 1353 BGB Anm.25). Die Kommentierung spricht auch von einer Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft und einem gemeinschaftlichen Wohnsitz, der nach § 1353 BGB in erreichbarer Nähe zur Arbeitsstätte des erwerbstätigen Ehegatten zu begründen sei. Jeder Ehegatte dürfe selbständig einen Zweitwohnsitz begründen. Die Herstellung der häuslichen Gemeinschaft sei das primäre Ziel der Eheherstellungsklage. Beim Fehlen eines gemeinsamen Wohnsitzes lebten die Eheleute jedoch getrennt. Aus der Kommentierung zu § 1353 BGB wird deutlich, dass sich die Frage der ehelichen Gemeinschaft stark an den Absichten der Eheleute orientiert.
Der Begriff des Getrenntlebens wird für das Scheidungsrecht in § 1567 BGB wie folgt definiert: "Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben." Abs.2 bestimmt:"Ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, unterbricht oder hemmt die in § 1566 bestimmten Fristen nicht."
Aus den Kommentierungen zu § 1567 BGB (Staudinger BGB, Rauscher, 13. Bearbeitung Anm.31 ff.) wird von einem Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft ausgegangen, wenn die Ehegatten keinen gemeinsamen räumlichen Mittelpunkt der Lebensführung (mehr) haben. Dem Lebensmittelpunkt sind alle täglichen Lebensbereiche zuzuordnen, die sich üblicherweise im häuslichen Bereich abspielen, also Schlafen, Wohnen, Kochen, Essen, Haushaltspflege und Kleiderpflege, häusliche Freizeitgestaltung und Geselligkeit. Aber auch nur Gemeinsamkeiten in Teilbereichen dieses Gesamtbildes führen dazu, dass eine vollständige Trennung der Lebensführung nicht besteht. Für den Fall, dass bereits während der Ehe keine häusliche Gemeinschaft bestand, weil sie entweder erst gar nicht begründet wurde oder bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgehoben wurde, muss zur Annahme eines Getrenntlebens im Sinne von § 1567 BGB ein subjektiver Trennungswille hinzutreten (Staudinger BGB a.a.O. Anm.49 ff.). Es wird also davon ausgegangen, dass eine eheliche Gemeinschaft auch ohne eine häusliche Gemeinschaft bestehen kann. In diesen Fällen sei für den Beginn des Getrenntlebens ausschließlich auf den subjektiven Tatbestand abzustellen; die Ehegatten lebten also erst dann getrennt, wenn zu der häuslichen Trennung das Nichtherstellen der häuslichen Gemeinschaft als Motiv der Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinzutrete. Dabei sei nicht entscheidend, ob es auf absehbare Zeit möglich sei oder ob Hindernisse entgegenstehen, die häusliche Gemeinschaft herzustellen. Es sei vielmehr zu differenzieren: Haben die Ehegatten bei oder nach Eheschließung bewusst ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche Gemeinschaft nicht vorsieht, so kann auch der Wille, diese auf absehbare Zeit nicht herzustellen, ein Getrenntleben nicht begründen. Die Eheleute leben in solchen Fällen erst getrennt, wenn ein Ehegatte zu erkennen gibt, dass er die häusliche Trennung nicht mehr wegen der einverständlichen Lebensplanung will, sondern weil er an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr festhält. Ist hingegen die häusliche Trennung zurückzuführen auf die Umstände, die von den Ehegatten als zwingend empfunden werden, so kommt es für den Beginn des Getrenntlebens auf den Trennungswillen und das Motiv an (Staudinger BGB § 1567 Anm.51).
Diese Kommentierungen machen deutlich, dass der Getrenntlebensbegriff des § 1567 BGB auf die Regelungen zur Ehescheidung zugeschnitten ist. Es kann daher ein tatbestandlich vorausgesetztes Getrenntleben selbst in sonstigen familienrechtlichen Vorschriften nicht schematisch nach § 1567 BGB beurteilt werden (Staudinger BGB § 1567 Anm.10). Der Begriff des Getrenntlebens ist im BGB jeweils nach dem Zweck der Bestimmung auszulegen. Nach Staudinger (§ 1567 BGB Anm.11) ist der Getrenntlebensbegriff des Abs.1 bei Regelungen, die im engen Zusammenhang mit einer auf Scheidung abzielenden Trennung stehen, anwendbar. Grundsätzlich wird die Anwendbarkeit auch in kindschaftsrechtlichen Bestimmungen, die auf die Situation der Ehekrise und die der Scheidung vorangehende Trennung zugeschnitten sind, für anwendbar erachtet. Nicht völlig deckungsgleich sei der Trennungsbegriff aber mit § 1357 Abs.3 oder 1362 BGB, und auch außerhalb des Familienrechts sei teilweise von eigenständigen Trennungsbegriffen auszugehen. Diese sind nach dem Zweck der jeweiligen Regelung zu bestimmen und von den Voraussetzungen des § 1567 BGB sowie den Feststellungen des Familiengerichts im Scheidungsverfahren unabhängig (Staudinger BGB § 1567 Anm.12 und 13). So sei insbesondere der Trennungsbegriff im Steuerrecht (§§ 26,26 b Einkommensteuergesetz - EStG -) enger, weil ein kurzfristiges Zusammenleben das Getrenntleben unterbreche. Im Sozialrecht sei teilweise von einem an § 1567 BGB orientierten Trennungsbegriff auszugehen, wenn nach dem Zweck der Regelung auf die durch die Trennung manifestierte Lockerung der ehelichen Lebensgemeinschaft abzustellen ist. Hingegen trete die Verhinderung von Missbrauch im Sozialrecht in den Vordergrund, wenn z.B. Ehegatten vortragen, in derselben Wohnung getrennt zu leben, und damit eine Nichtanrechnung von Einkommen des einen auf Sozialleistungsansprüche des anderen erreichen wollen. Aus den genannten Zitaten wird deutlich, dass in all diesen Definitionen zum BGB die eheliche Gemeinschaft, die Wohngemeinschaft und der Lebensmittelpunkt eine Rolle spielen, während die Wirtschaftsgemeinschaft von untergeordneter Bedeutung ist. Auch im Steuerrecht kommt der Wirtschaftsgemeinschaft keine Bedeutung zu, da die Eheleute auch ohne dauerndes Getrenntleben die gemeinsame oder die getrennte Veranlagung frei wählen können.
Die Argumentation des Sozialgerichts Augsburg kann insoweit also nicht überzeugen, zumal durch die Vorlage der Steuererklärungen für die Jahre 1997 und 1998 klar gestellt wurde, dass für diese Jahre keine gemeinsame Veranlagung mehr erfolgen sollte und erfolgt ist. Da das Sozialgericht gerade die gemeinsame Veranlagung als einzelne Hauptargumente für die Wirtschaftsgemeinschaft herangezogen hat, kann diese Argumentation nicht aufrecht erhalten bleiben. Trotzdem ist dem Sozialgericht im Ergebnis zuzustimmen, denn im streitigen Zeitpunkt hatten die Eheleute noch die Absicht, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu gründen, nicht aufgegeben. Aus der Abwägung aller Gesamtumstände, wie sie die Eheleute gegenüber der Beklagten, gegenüber dem Sozialgericht vor allem in der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2000 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Landessozialgericht am 24.04.2002 dargestellt haben, war ursprünglich die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft beabsichtigt. Es war zunächst zeitlich nur noch nicht absehbar, wann mit der Verwirklichung zu rechnen sei. Sowohl der Kläger als auch die Beigeladene haben davon gesprochen, dass sie bei der Heirat und in der Zeit danach die Vorstellung hatten, in W. , also am Wohnsitz der Beigeladenen, ein gemeinsames Haus zu bauen, wohin auch der Kläger seine berufliche Tätigkeit verlagert hätte. Diese Vorhaben haben sich dann durch die fehlende Baugenehmigung und die Widerstände im familiären Bereich als nicht durchführbar erwiesen, so dass die Eheleute zum November 1998 die Absicht der ehelichen Lebensgemeinschaft vorübergehend aufgegeben haben. Entsprechend dieser eigenen Vorstellung haben sowohl der Kläger als auch die Ehefrau gegenüber der Beklagten und gegenüber der Gemeinde erklärt, seit 01.11. 1998 getrennt zu leben. Dieses Getrenntleben ist unstreitig auch von der Beklagten berücksichtigt worden. Entsprechend dieser Motivationslage der Eheleute haben sie auch nur für das Jahr 1996 die gemeinsame steuerliche Veranlagung gewählt und für die Jahre 1997 und 1998 getrennte Steuererklärungen abgegeben. Wie der weitere Verlauf dann zeigt, war dieses Getrenntleben aber nicht auf Dauer angelegt und die Eheleute haben zwischenzeitlich einen gemeinschaftlichen Wohnsitz begründet.
Der Senat unterstellt dabei den Vortrag des Klägers als wahr, er habe sich überwiegend auf dem elterlichen Hof aufgehalten und sei dort in der streitigen Zeit seiner selbstständigen Tätigkeit nachgegangen. Alles entscheidend ist, dass zu Beginn der Ehe und insbesondere im streitigen Zeitraum bis zur Erklärung des Getrenntlebens zwischen den Eheleuten die Absicht bestand, einen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen und eine eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen. Ganz eindeutig haben die Eheleute auch eine Trennung ins Auge gefasst, erst nachdem sich die Möglichkeiten der gemeinsamen Wohnung in W. zerschlagen hatten.
Vorher hingegen deutet nichts, insbesondere auch nicht die von den Eheleuten abgegebenen Erklärungen darauf hin, dass eine Lebensgemeinschaft nicht geplant war. Dazu kommt, dass der Kläger zwar sein Gewerbe an seinem Wohnsitz in R. betrieben hat, dieses aber zunächst neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt wurde. Soweit er vorbringt, durch die Pflege seiner Mutter an R. gebunden gewesen zu sein, spricht dies auch nicht gegen die Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau, denn für die Annahme einer solchen Lebensgemeinschaft genügt ja der Wille, bestimmte Lebensbereiche miteinander zu teilen; nicht erforderlich ist, dass ständig und in vollem Umfang die dem Lebensmittelpunkt zuzurechnenden alltäglichen Bereiche auch gemeinsam ausgeführt werden. Gerade wenn daran gedacht ist, eine gemeinsame Lebensführung erst aufzubauen, ist es nicht schädlich, wenn diese von Anfang an nicht vorliegt. Die gemeinsamen Überlegungen zur Herstellung der Wohngemeinschaft sprechen nicht gegen, sondern gerade für den Willen, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision ist zuzulassen, weil die Frage nach dem Begriff des "Getrenntlebens" im Sinn des ALG grundsätzliche Bedeutung hat und höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu fehlt (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers als Ehegatte eines Landwirts nach § 1 Abs.3 ALG in der Zeit vom 01.11.1997 bis 31.10.1998, dabei besonders über die Frage, ob die Eheleute in der streitigen Zeit getrennt im Sinne des Gesetzes gelebt haben.
Der am 1958 geborene Kläger hat am 26.10.1996 mit der beigeladenen C. A. in S. die Ehe geschlossen. Das gemeinsame Kind ist am 1997 geboren. Mit Schreiben vom 26.08.1999 wurde der Kläger von der Beklagten über die Versicherungspflicht nach § 1 Abs.3 ALG und die Befreiungsmöglichkeiten aufgeklärt. Der Kläger erklärte daraufhin telefonisch gegenüber der Beklagten, nichts mit der Landwirtschaft seiner Ehefrau zu tun zu haben und einen Befreiungsantrag stellen zu wollen. Außerdem teilte er mit, er und seine Ehefrau würden seit dem 01.11.1998 auf Dauer getrennt leben. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 08.11.1999 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers in der Zeit vom 01.09.1996 bis 31.10.1998 als Ehegatte eines Landwirts fest und machte Beiträge geltend. Den Beitragsrückstand berechnete die Beklagte mit 8.530,- DM. Eine Anfrage der Beklagten bei der Gemeinde W. ergab, dass der Kläger mit Hauptwohnsitz ab 26.10.1996 bis 01.11.1998 in W. gemeldet war und sich dann nach R. abgemeldet hatte.
Seinen Widerspruch vom 26.11.1999 begründete der Kläger mit einem dauernden Getrenntleben von seiner Ehefrau. Er sei zwar in W. , dem Sitz des Landwirtschaftlichen Betriebes seiner Ehefrau gemeldet gewesen, es habe aber kein Wille bestanden, sich dort dauernd niederzulassen. Polizeiliche Anmeldung begründe keinen Wohnsitz. Er habe weiterhin in seinem elterlichen Haus in S. gewohnt. Dort betreibe sein Bruder M. B. ein landwirtschaftliches Anwesen, in dem er eine eigene Wohnung habe. Dort habe er auch Anfang 1997 bis zu ihrem Ableben im August 1999 seine Mutter gepflegt. Da das BGB bei der Definition des Wohnsitzes an den räumlichen Mittelpunkt des gesamten Lebens einer Person anknüpfe, sei dies bei ihm R. gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.1999 zurück. Nach ihrer Auffassung leben Ehegatten nicht dauernd getrennt, wenn zwischen ihnen eine eheliche Gemeinschaft besteht, wofür bereits das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft ausreiche. Ein dauerndes Getrenntleben habe deshalb in der Zeit vom 26.09.1996 bis 31.10.1998 nicht vorgelegen, so dass die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht des Klägers als Ehegatte der Landwirtin C. B. gegeben seien. Denn die Ehefrau bewirtschafte seit dem 01.05.1991 ein Unternehmen, das die Mindestgröße im Sinne des § 1 Abs.5 ALG erreiche. Für die Versicherungspflicht sei es nicht erforderlich, dass tatsächlich Tätigkeiten im Rahmen der Landwirtschaft ausgeübt werden.
Nach Vorlage einer Lohn- und Gehaltsabrechnung für die Zeit von Oktober 1996 bis Oktober 1997 befreite die Beklagte den Kläger für diesen Zeitraum von der Versicherungspflicht. Der Beitragsrückstand reduzierte sich somit auf 4.485,- DM; diesen Rückstand hat die Ehefrau des Klägers im März 2001 beglichen.
Gegenüber der Beigeladenen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2000 fest, dass ab 01.04.2000 aufgrund einer Flächenverminderung keine Landwirtschaft mehr bewirtschaftet werde, die die Mindestgröße erreiche, so dass die Beigeladene nicht mehr Landwirtin im Sinne des Gesetzes sei. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 03.04.2000 den Eilantrag auf Aussetzung des Vollzugs der Beitragsforderung abgelehnt; korrigiert wurde in diesem Beschluss lediglich, dass ein Beitrag für September 1996 nicht zu fordern sei.
Die gegen den Widerspruchsbescheid vom 21.12.1999 gerichtete Klage vom 21.01.2000 wurde damit begründet, der Kläger habe nach der Eheschließung im Oktober 1996 keinen Wohnsitz in W. begründet und dauernd von seiner Ehefrau getrennt gelebt. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe auch keine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen ihm und der Beigeladenen bestanden. Er habe aus teils selbständiger, teils nichtselbständiger Tätigkeit ein eigenes Einkommen erzielt und im Pachtbetrieb seiner Ehefrau nicht mitgearbeitet. Die Ehefrau habe ebenfalls eigenes Einkommen erzielt. Die Anmeldung in W. sei nur erfolgt, um eine gemeinsame steuerliche Veranlagung zu erreichen. Gelebt habe der Kläger aber weiterhin in seiner eigenen Wohnung im Hause seines Bruders und dort habe er auch die Mutter gepflegt.
Auf Anfrage des Sozialgerichts bestätigte die Gemeinde R. die Meldung des Klägers von Oktober 1996 bis November 1998 mit Hauptwohnsitz in W. und Nebenwohnsitz in R ... Seit 01.11.1998 lebten die Eheleute getrennt und der Kläger sei wieder mit Hauptwohnsitz in R. gemeldet. Das Finanzamt Kaufbeuren teilte auf Anfrage mit, dass in den Einkommensteuererklärungen 1996 bis 1998 keine Angaben über eine Zeit des Getrenntlebens gemacht wurden. Beigezogen wurde vom Sozialgericht auch das Pflegegutachten über die Mutter des Klägers. Dort ist als Anschrift des Klägers W. angegeben. Die Pflege der Mutter erfolge durch M. und J. B. , also die Söhne, wobei ein Pflegeaufwand, der vom Kläger abgedeckt wird, mit 30 bis 35 Stunden wöchentlich beziffert wurde. Der Kläger erklärte, er habe nicht den Willen gehabt, seinen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse dauernd von R. nach W. zu verlegen. Seine Ehefrau habe er in W. gelegentlich, aber immer nur kurz besucht.
In der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2000 erklärte er, dass in W. nur ein kleines Schlafzimmer bestanden habe, das von den Eheleuten genutzt werden konnte. Deshalb sei sein Lebensmittelpunkt immer in R. gewesen. Auch das gemeinsame Kind, geboren am 26.09.1997, habe bei der Mutter in W. gewohnt und sei von ihm selbst nur gelegentlich, meist abends, betreut worden. Es sei zwar geplant gewesen, in W. zu bauen oder ein Gewerbe einzurichten, dies sei aber am Schwiegervater und an der Gemeinde gescheitert; auch deshalb sei er in R. geblieben. Zusätzlich habe durch eine Erkrankung seines Bruders der landwirtschaftliche Betrieb in R. von ihm betreut werden müssen.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 06.11.2000 ab. Zur Begründung führte es aus, dass nach § 1567 Abs.1 Satz 1 BGB Eheleute getrennt lebten, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft bestehe und ein Ehegatte diese erkennbar nicht herstellen wolle, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehne. Der Begriff "nicht dauerndes Getrenntleben" werde auch in § 26 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verwendet. Danach lebten Eheleute nicht dauernd getrennt, wenn zwischen ihnen eine eheliche Lebensgemeinschaft bestehe, wofür auch das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft - als Rest einer weitergehenden Lebensgemeinschaft, die weiterhin angestrebt werden muss -, ausreiche. Das Sozialgericht vertrat die Auffassung, dass in sämtlichen schriftlichen aktenkundigen Unterlagen der Kläger im Zeitraum von Oktober 1996 bis November 1998 nicht von seiner Ehefrau getrennt gelebt habe. Dies ergebe sich aus den Meldedaten der Verwaltungsgemeinschaft R. und den Einkommensteuererklärungen 1996 bis 1998. Auch die Ehefrau des Klägers habe gegenüber der Beklagten am 24.10.1999 bestätigt, dass erst seit dem 01.11.1998 ein dauerndes Getrenntleben vorliege. Das Urteil wurde am 30.11.2000 zugestellt.
Mit der am 27.12.2000 eingegangenen Berufung begehrte der Kläger die Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts sowie der Bescheide der Beklagten. Er trägt erneut vor, von seiner Ehefrau dauernd getrennt gelebt zu haben, auch im streitigen Zeitraum. Maßgeblich für die Feststellung des Lebensmittelpunkts seien nicht die amtliche Meldung mit Hauptwohnsitz, sondern die tatsächlichen Verhältnisse. Der Kläger habe auf dem Anwesen seines Bruders, wo er über eine eigene Wohnung verfügte, gelebt und habe dort die Mutter gepflegt und bekocht, da sein Bruder aufgrund seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit zeitlich dazu gar nicht in der Lage gewesen sei. Er und seine Ehefrau hätten getrennte Haushalte geführt. Wenn das Sozialgericht von einer gemeinsamen Steuerveranlagung der Eheleute ausgehe, sei dies für die Jahre 1997 und 1998 nicht zutreffend, eine gemeinsame Veranlagung sei nur für 1996 erfolgt. Es habe zwischen ihm und seiner Ehefrau keine Wirtschaftsgemeinschaft bestanden, die Einkünfte der Eheleute seien nicht vermengt worden. So hätten die Eheleute auch eigene Konten geführt. Allein aus der gemeinsamen Sorge für das im September 1997 geborene Kind könne nicht auf eine eheliche Lebensgemeinschaft geschlossen werden. Eine gemeinsame Verantwortung der Eltern für ihr Kind bestehe z.B. auch bei Getrenntleben.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auch aus dem Vorbringen im Berufungsverfahren könnten keine neuen Erkenntnisse zum Sachstand entnommen werden. Es sei vielmehr bekannt geworden, dass der Kläger seit 01.11.2000 wieder unter der Anschrift seiner Ehefrau in W. gemeldet sei. Ein dauerndes Getrenntleben mit dem Ziel einer Scheidung liege hier deshalb nicht vor.
Mit Beschluss des Senats vom 27.03.2002 wurde die Ehefrau zum Verfahren beigeladen.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2002 wurden der Kläger und die Beigeladene zu ihren Lebensumständen befragt. Insoweit wird auf die Niederschrift vom 24.04.2002 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11. 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 08.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.1999 sowie den Bescheid vom 12.04.2000 aufzuheben, soweit sie die Zeit vom 01.11.1997 bis 31.10.1998 betreffen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Augsburg und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 08.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.1999 sowie gemäß § 96 SGG die Bescheide vom 05.12.2000 und 05.02.200. Somit ist gegenüber dem Erstbescheid nur mehr die Versicherungspflicht in der Zeit vom 01.11.1997 bis 31.10.1998 zwischen den Beteiligten streitig.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Kläger ist in der Zeit vom 01.11. 1997 bis 31.10.1998 nach § 1 Abs.3 ALG als Ehegatte einer Landwirtin versicherungspflichtig und kann keinen Befreiungsgrund geltend machen.
Nach § 1 Abs.3 ALG gilt der Ehegatte eines Landwirts nach Abs.2 als Landwirt, wenn beide Ehegatten nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte nicht voll erwerbsgemindert nach § 43 Abs.2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ist; unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger und die Beigeladene Eheleute sind, die Beigeladene in der streitigen Zeit Landwirtin im Sinne des § 1 Abs.2 ALG war und der Kläger nicht erwerbsgemindert im Sinne von § 43 SGB VI ist. Streitig ist vielmehr der Begriff des Getrenntlebens.
Der Begriff des Getrenntlebens wird in der Rechtsordnung in verschiedenen Zusammenhängen gebraucht, aber auf eine einheitliche Definition kann nicht zurückgegriffen werden. So definiert § 1353 BGB die eheliche Lebensgemeinschaft folgendermaßen: "Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen zueinander Verantwortung". Nach Abs.2 ist ein Ehegatte nicht verpflichtet, "dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist." In § 1353 BGB wird somit vor allem auf die Wohngemeinschaft abgestellt, die grundsätzlich nur in häuslicher Gemeinschaft zu verwirklichen ist. Die Herstellung der häuslichen Gemeinschaft bestimme die Ehe, wobei vorübergehende räumliche Trennung aus beruflichen oder sonstigen zwingenden Gründen mit ehelicher Gemeinschaft nicht unvereinbar sei (so Münchner Kommentar, Wacke, § 1353 BGB Anm.25). Die Kommentierung spricht auch von einer Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft und einem gemeinschaftlichen Wohnsitz, der nach § 1353 BGB in erreichbarer Nähe zur Arbeitsstätte des erwerbstätigen Ehegatten zu begründen sei. Jeder Ehegatte dürfe selbständig einen Zweitwohnsitz begründen. Die Herstellung der häuslichen Gemeinschaft sei das primäre Ziel der Eheherstellungsklage. Beim Fehlen eines gemeinsamen Wohnsitzes lebten die Eheleute jedoch getrennt. Aus der Kommentierung zu § 1353 BGB wird deutlich, dass sich die Frage der ehelichen Gemeinschaft stark an den Absichten der Eheleute orientiert.
Der Begriff des Getrenntlebens wird für das Scheidungsrecht in § 1567 BGB wie folgt definiert: "Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben." Abs.2 bestimmt:"Ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, unterbricht oder hemmt die in § 1566 bestimmten Fristen nicht."
Aus den Kommentierungen zu § 1567 BGB (Staudinger BGB, Rauscher, 13. Bearbeitung Anm.31 ff.) wird von einem Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft ausgegangen, wenn die Ehegatten keinen gemeinsamen räumlichen Mittelpunkt der Lebensführung (mehr) haben. Dem Lebensmittelpunkt sind alle täglichen Lebensbereiche zuzuordnen, die sich üblicherweise im häuslichen Bereich abspielen, also Schlafen, Wohnen, Kochen, Essen, Haushaltspflege und Kleiderpflege, häusliche Freizeitgestaltung und Geselligkeit. Aber auch nur Gemeinsamkeiten in Teilbereichen dieses Gesamtbildes führen dazu, dass eine vollständige Trennung der Lebensführung nicht besteht. Für den Fall, dass bereits während der Ehe keine häusliche Gemeinschaft bestand, weil sie entweder erst gar nicht begründet wurde oder bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgehoben wurde, muss zur Annahme eines Getrenntlebens im Sinne von § 1567 BGB ein subjektiver Trennungswille hinzutreten (Staudinger BGB a.a.O. Anm.49 ff.). Es wird also davon ausgegangen, dass eine eheliche Gemeinschaft auch ohne eine häusliche Gemeinschaft bestehen kann. In diesen Fällen sei für den Beginn des Getrenntlebens ausschließlich auf den subjektiven Tatbestand abzustellen; die Ehegatten lebten also erst dann getrennt, wenn zu der häuslichen Trennung das Nichtherstellen der häuslichen Gemeinschaft als Motiv der Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinzutrete. Dabei sei nicht entscheidend, ob es auf absehbare Zeit möglich sei oder ob Hindernisse entgegenstehen, die häusliche Gemeinschaft herzustellen. Es sei vielmehr zu differenzieren: Haben die Ehegatten bei oder nach Eheschließung bewusst ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche Gemeinschaft nicht vorsieht, so kann auch der Wille, diese auf absehbare Zeit nicht herzustellen, ein Getrenntleben nicht begründen. Die Eheleute leben in solchen Fällen erst getrennt, wenn ein Ehegatte zu erkennen gibt, dass er die häusliche Trennung nicht mehr wegen der einverständlichen Lebensplanung will, sondern weil er an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr festhält. Ist hingegen die häusliche Trennung zurückzuführen auf die Umstände, die von den Ehegatten als zwingend empfunden werden, so kommt es für den Beginn des Getrenntlebens auf den Trennungswillen und das Motiv an (Staudinger BGB § 1567 Anm.51).
Diese Kommentierungen machen deutlich, dass der Getrenntlebensbegriff des § 1567 BGB auf die Regelungen zur Ehescheidung zugeschnitten ist. Es kann daher ein tatbestandlich vorausgesetztes Getrenntleben selbst in sonstigen familienrechtlichen Vorschriften nicht schematisch nach § 1567 BGB beurteilt werden (Staudinger BGB § 1567 Anm.10). Der Begriff des Getrenntlebens ist im BGB jeweils nach dem Zweck der Bestimmung auszulegen. Nach Staudinger (§ 1567 BGB Anm.11) ist der Getrenntlebensbegriff des Abs.1 bei Regelungen, die im engen Zusammenhang mit einer auf Scheidung abzielenden Trennung stehen, anwendbar. Grundsätzlich wird die Anwendbarkeit auch in kindschaftsrechtlichen Bestimmungen, die auf die Situation der Ehekrise und die der Scheidung vorangehende Trennung zugeschnitten sind, für anwendbar erachtet. Nicht völlig deckungsgleich sei der Trennungsbegriff aber mit § 1357 Abs.3 oder 1362 BGB, und auch außerhalb des Familienrechts sei teilweise von eigenständigen Trennungsbegriffen auszugehen. Diese sind nach dem Zweck der jeweiligen Regelung zu bestimmen und von den Voraussetzungen des § 1567 BGB sowie den Feststellungen des Familiengerichts im Scheidungsverfahren unabhängig (Staudinger BGB § 1567 Anm.12 und 13). So sei insbesondere der Trennungsbegriff im Steuerrecht (§§ 26,26 b Einkommensteuergesetz - EStG -) enger, weil ein kurzfristiges Zusammenleben das Getrenntleben unterbreche. Im Sozialrecht sei teilweise von einem an § 1567 BGB orientierten Trennungsbegriff auszugehen, wenn nach dem Zweck der Regelung auf die durch die Trennung manifestierte Lockerung der ehelichen Lebensgemeinschaft abzustellen ist. Hingegen trete die Verhinderung von Missbrauch im Sozialrecht in den Vordergrund, wenn z.B. Ehegatten vortragen, in derselben Wohnung getrennt zu leben, und damit eine Nichtanrechnung von Einkommen des einen auf Sozialleistungsansprüche des anderen erreichen wollen. Aus den genannten Zitaten wird deutlich, dass in all diesen Definitionen zum BGB die eheliche Gemeinschaft, die Wohngemeinschaft und der Lebensmittelpunkt eine Rolle spielen, während die Wirtschaftsgemeinschaft von untergeordneter Bedeutung ist. Auch im Steuerrecht kommt der Wirtschaftsgemeinschaft keine Bedeutung zu, da die Eheleute auch ohne dauerndes Getrenntleben die gemeinsame oder die getrennte Veranlagung frei wählen können.
Die Argumentation des Sozialgerichts Augsburg kann insoweit also nicht überzeugen, zumal durch die Vorlage der Steuererklärungen für die Jahre 1997 und 1998 klar gestellt wurde, dass für diese Jahre keine gemeinsame Veranlagung mehr erfolgen sollte und erfolgt ist. Da das Sozialgericht gerade die gemeinsame Veranlagung als einzelne Hauptargumente für die Wirtschaftsgemeinschaft herangezogen hat, kann diese Argumentation nicht aufrecht erhalten bleiben. Trotzdem ist dem Sozialgericht im Ergebnis zuzustimmen, denn im streitigen Zeitpunkt hatten die Eheleute noch die Absicht, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu gründen, nicht aufgegeben. Aus der Abwägung aller Gesamtumstände, wie sie die Eheleute gegenüber der Beklagten, gegenüber dem Sozialgericht vor allem in der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2000 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Landessozialgericht am 24.04.2002 dargestellt haben, war ursprünglich die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft beabsichtigt. Es war zunächst zeitlich nur noch nicht absehbar, wann mit der Verwirklichung zu rechnen sei. Sowohl der Kläger als auch die Beigeladene haben davon gesprochen, dass sie bei der Heirat und in der Zeit danach die Vorstellung hatten, in W. , also am Wohnsitz der Beigeladenen, ein gemeinsames Haus zu bauen, wohin auch der Kläger seine berufliche Tätigkeit verlagert hätte. Diese Vorhaben haben sich dann durch die fehlende Baugenehmigung und die Widerstände im familiären Bereich als nicht durchführbar erwiesen, so dass die Eheleute zum November 1998 die Absicht der ehelichen Lebensgemeinschaft vorübergehend aufgegeben haben. Entsprechend dieser eigenen Vorstellung haben sowohl der Kläger als auch die Ehefrau gegenüber der Beklagten und gegenüber der Gemeinde erklärt, seit 01.11. 1998 getrennt zu leben. Dieses Getrenntleben ist unstreitig auch von der Beklagten berücksichtigt worden. Entsprechend dieser Motivationslage der Eheleute haben sie auch nur für das Jahr 1996 die gemeinsame steuerliche Veranlagung gewählt und für die Jahre 1997 und 1998 getrennte Steuererklärungen abgegeben. Wie der weitere Verlauf dann zeigt, war dieses Getrenntleben aber nicht auf Dauer angelegt und die Eheleute haben zwischenzeitlich einen gemeinschaftlichen Wohnsitz begründet.
Der Senat unterstellt dabei den Vortrag des Klägers als wahr, er habe sich überwiegend auf dem elterlichen Hof aufgehalten und sei dort in der streitigen Zeit seiner selbstständigen Tätigkeit nachgegangen. Alles entscheidend ist, dass zu Beginn der Ehe und insbesondere im streitigen Zeitraum bis zur Erklärung des Getrenntlebens zwischen den Eheleuten die Absicht bestand, einen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen und eine eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen. Ganz eindeutig haben die Eheleute auch eine Trennung ins Auge gefasst, erst nachdem sich die Möglichkeiten der gemeinsamen Wohnung in W. zerschlagen hatten.
Vorher hingegen deutet nichts, insbesondere auch nicht die von den Eheleuten abgegebenen Erklärungen darauf hin, dass eine Lebensgemeinschaft nicht geplant war. Dazu kommt, dass der Kläger zwar sein Gewerbe an seinem Wohnsitz in R. betrieben hat, dieses aber zunächst neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt wurde. Soweit er vorbringt, durch die Pflege seiner Mutter an R. gebunden gewesen zu sein, spricht dies auch nicht gegen die Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau, denn für die Annahme einer solchen Lebensgemeinschaft genügt ja der Wille, bestimmte Lebensbereiche miteinander zu teilen; nicht erforderlich ist, dass ständig und in vollem Umfang die dem Lebensmittelpunkt zuzurechnenden alltäglichen Bereiche auch gemeinsam ausgeführt werden. Gerade wenn daran gedacht ist, eine gemeinsame Lebensführung erst aufzubauen, ist es nicht schädlich, wenn diese von Anfang an nicht vorliegt. Die gemeinsamen Überlegungen zur Herstellung der Wohngemeinschaft sprechen nicht gegen, sondern gerade für den Willen, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision ist zuzulassen, weil die Frage nach dem Begriff des "Getrenntlebens" im Sinn des ALG grundsätzliche Bedeutung hat und höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu fehlt (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
Rechtskraft
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