L 16 LW 5/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 LW 88/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 5/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22.11.2001 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 03.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2000 verurteilt, den Kläger ab 01.01.1995 von der Versicherungspflicht zu befreien.
II. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Befreiung von der Versicherungspflicht als Weiterversicherter ab 01.01.1995.

Der seit September 1982 in das Mitgliederverzeichnis der LAK eingetragene Kläger hat im Oktober 1993 die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen auf 2,47 Hektar reduziert. Mit dem Aufklärungsschreiben vom 27.07.1994 über die beabsichtigte Streichung aus dem Mitgliederverzeichnis wies die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit der Beitragsweiterentrichtung nach § 27 GAL zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes hin, übersandte ihm ein Merkblatt und forderte ihn auf, binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen. Am 16.08.1994 unterzeichnete der Kläger die Erklärung über die Weiterentrichtung von Beiträgen gemäß § 27 GAL und beantragte einen Beitragszuschuss. Mit Bescheid vom 17.10.1994 erklärte die Beklagte die Mitgliedschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer im Oktober 1993 für beendet und stellte die Beitragspflicht als Weiterversicherter ab 01.11.1993 fest. Im Bescheid ist dargelegt, dass die Beitragspflicht frühestens mit der Vollendung des 60. Lebensjahres oder mit dem Beginn der Zahlung des vorzeitigen Altergeldes, der Landabgaberente oder des Hinterbliebenengeldes endet. Ab 01.08. 1994 wurde dem Kläger Beitragszuschuss bewilligt. Zwischen der Übersendung eines Fragebogens betreffend den Beitragszuschuss am 10.03.1995 und dessen Mahnung am 01.06.1995 wurde in den Akten ein Aufklärungsschreiben ohne Datum und Absendevermerk betreffend die befristete Befreiungsmöglichkeit gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 ALG abgeheftet. Wegen Überschreitens der Einkommensgrenze lehnte die Beklagte am 24.11.1995 die Gewährung eines Beitragszuschusses ab 01.01. 1995 ab. Ausweislich eines Telefonvermerks erklärte der Kläger am 21.06. 1996, dass er sich gern gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 ALG befreien lassen würde. Nach Aufklärung über das Fristversäumnis entgegnete er, er habe das Aufklärungsschreiben nicht erhalten. Er bat um eine Kopie und kündigte einen schriftlichen Antrag an, um eventuell eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Daraufhin übersandte die Beklagte dem Kläger zwei Kopien. Dies wiederholte sie am 15.11.1999 unter Bezugnahme auf einen Anruf des Klägers vom selben Tag. Davor hatte sie am 22.02.1999 einen Beitragszuschussantrag vom 27.11.1998 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt. Am 03.02.2000 ging ein Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten ein, worin sie eine Befreiung betreffend die Zeit ab 01.01.1995 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geltend machte. Der Kläger sei über die Befreiungsmöglichkeit nach § 84 Abs.2 ALG nicht aufgeklärt worden. Gleichzeitig beantragte sie die Befreiung gemäß § 3 ALG wegen Arbeitseinkommens. Demgegenüber verwies die Beklagte auf die ausreichende Aufklärung im Mitteilungsblatt "Sicherheit in Haus und Hof", Ausgabe 3/94 und das maschinelle Aufklärungsschreiben von Anfang Januar 1995. Mit Bescheid vom 03.03.2000 lehnte sie eine Befreiung wegen Verfristung ab. Dem widersprach die Klägerbevollmächtigte mit der Begründung, § 84 Abs.3 ALG sei einschlägig, weil der Befreiungsantrag vom 21.06.1996 innerhalb der Zweijahresfrist nach Beendigung der Landwirtseigenschaft Ende Oktober 1993 gestellt worden sei. Zum Zeitpunkt der Erklärung über die Weiterentrichtung sei der Kläger über die Möglichkeit des § 84 Abs.3 ALG nicht aufgeklärt gewesen. Wiedereinsetzung sei zu Unrecht abgelehnt worden. Im Widerspruchsbescheid vom 06.06.2000 heißt es, durch das maschinelle Anschreiben von Januar 1995 sei der Kläger ausreichend aufgeklärt worden. Er habe die Frist nicht ohne Verschulden versäumt und § 84 Abs.3 ALG sei nicht einschlägig, da die Weiterentrichtungserklärung bereits am 17.08.1994 abgegeben war. Mit der Klage machte der Kläger geltend, er sei nicht darüber aufgeklärt gewesen, dass ihm zur Erklärung der Weiterentrichtung eine Zweijahresfrist offen steht. Wegen Nichterhalt des Aufklärungsschreibens von Januar 1995 stehe ihm Wiederein- setzung zu und darüber hinaus das Befreiungsrecht gemäß § 3 ALG. Das Sozialgericht Landshut wies die Klage am 22.11.2001 ab. Wiedereinsetzung sei ausgeschlossen, da der Nichterhalt des Aufklärungsschreibens eine Schutzbehauptung darstelle. § 84 Abs.3 ALG sei nicht einschlägig, da die Erklärung gemäß § 27 GAL bereits am 17.08.1994 abgegeben worden sei. Entsprechend höchstrichterlicher Rechtsprechung scheide eine Befreiung Weiterversicherter gemäß § 3 ALG aus. Gegen das am 22.01.2002 zugestellte Urteil legte der Kläger am 13.02.2002 Berufung ein. Er wies auf eine Entscheidung des 16. Senats vom 18.10.2000 (L 16 LW 39/99) hin und machte geltend, bei Kenntnis der Befristung hätte er den Befreiungsantrag rechtzeitig gestellt. Da er seinen Befreiungsantrag innerhalb eines Jahres nach Fristablauf am 31.12.1995 gestellt habe, stehe ihm ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Die Beklagte wiederholte ihre Auffassung, der Nichterhalt des Aufklärungsschreibens stelle eine Schutzbehauptung dar. Die Entscheidung des 16. Senats vom 18.10.2000 entspreche nicht herrschender Rechtsprechung und sei durch spätere Rechtsprechung des 16. Senats (L 16 LW 55/99) und Entscheidungen des Bundessozialgerichts überholt (LW 20/99 R und LW 16/00 R). Sie bedeute eine Aushöhlung der Versicherten- und Solidargemeinschaft und eröffne ungerechtfertigte Gestaltungsmöglichkeiten, abhängig von Bewilligung bzw. Ablehnung von Beitragszuschuss. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger, er habe sein Befreiungsbegehren 1996 zunächst nicht weiter verfolgt, weil er die Ansicht der Beklagten, die Frist sei endgültig versäumt, für zutreffend erachtet habe. Erst nach Aufforderung von dritter Seite und Einholung rechtsanwaltlichen Rats habe er sich zur Klageerhebung entschlossen.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22.11.2001 und der Bescheid der Beklagten vom 03.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2000 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ab 01.01.1995 von der Versicherungspflicht zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22.11.2001 ist ebenso aufzuheben wie der Bescheid der Beklagten vom 03.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2000. Der Kläger hat Anspruch darauf, im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ab 01.01.1995 von der Versicherungspflicht als Weiterversicherter gemäß § 84 Abs.2 ALG befreit zu werden.

Entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten gehört der Kläger zum Personenkreis des § 84 Abs.2 ALG und nicht des § 84 Abs.3 ALG. Während § 84 Abs.2 Personen betrifft, die am 31. Dezember 1994 nach § 27 GAL weiterversichert waren, wendet sich Abs.3 an Personen, die vor In-Kraft-Treten des ALG die Voraussetzungen für eine Weiterentrichtung nach § 27 GAL erfüllt hatten, eine entsprechende Erklärung aber vor dem 1. Januar 1995 noch nicht abgegeben haben. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Vergleich des Wortlauts von § 84 Abs.2 Satz 1 und § 84 Abs.3 Satz 1 ALG. Gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 bleiben Personen versicherungspflichtig, die am 31. Dezember 1994 unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt oder mitarbeitender Familienangehöriger beitragspflichtig waren. Gemäß § 84 Abs.3 Satz 1 ALG sind Personen versicherungspflichtig, die am 31. Dezember 1994 die Voraussetzungen für die Begründung der Beitragspflicht unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt oder als mitarbeitender Familienangehöriger erfüllt haben, wenn die Beitragspflicht oder das vorzeitige Altersgeld oder Hinterbliebenengeld vor dem 1. Januar 1995 geendet hat und die Erklärung über die Fortsetzung der Versicherungspflicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende der Beitragspflicht oder des Leistungsbezugs abgegeben wird. Weil das ALG keine § 27 GAL entsprechende Vorschrift kennt, wäre beim Fehlen von § 84 Abs.3 ALG die sozialrechtliche Schutzfrist von zwei Jahren zu Lasten des Betroffenen verkürzt worden. Der Kläger hat die Erklärung zur Weiterversicherung jedoch bereits am 16.08.1994 abgegeben und somit die Zweijahresfrist, die ab 01.11.1993 lief, nicht ausgeschöpft. Entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten war der Kläger bei der Abgabe seiner Weiterentrichtungserklärung auch über die Dauer seiner Erklärungsfrist unterrichtet. Wenngleich ihm die Beklagte mit Schreiben vom 27.07.1994 lediglich eine Frist zur Stellungnahme von 14 Tagen eingeräumt hatte, ergab sich aus dem beigefügten Merkblatt, dass ihm das Gestaltungsrecht über zwei Jahre zustand. Mit seiner Erklärung vom 16.08.1994 wurde der Kläger unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt beitragspflichtig, so dass er dem Tatbestand des § 84 Abs.2 ALG unterfällt. Der Kläger hat die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht rechtzeitig beantragt. Die Befreiung gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 ALG ist bis zum 31. Dezember 1995 zu beantragen (§ 84 Abs.2 Satz 2 ALG). Sein erster Antrag, sich gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 ALG befreien zu lassen, wurde mündlich erst am 21.06.1996 gestellt. Die Beklagte hat eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X zu Recht abgelehnt. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Es kann dahinstehen, ob § 27 SGB X bei materiell-rechtlichen Ausschlussfristen wie § 84 Abs.2 Satz 2 ALG überhaupt anwendbar ist. Es fehlt jedenfalls an dessen Voraussetzungen. Der Kläger macht geltend, die Frist deshalb versäumt zu haben, weil er von ihr nichts wusste. Die Unkenntnis von der Frist lässt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ihre Versäumung aber nicht schuldlos erscheinen. Dies hat des Bundessozialgericht in einem vergleichbaren Fall erst jüngst bestätigt (Urteil vom 25.07. 2002, Az.: B 10 LW 7/02 R). Die Begründung folgt aus dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen, der besagt, dass diese mit ihrer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt gelten, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie tatsächlich Kenntnis erlangt haben (BSGE vom 25.07.2002 a.a.O. m.w.N.). Der Kläger kann seine Befreiung von der Versicherungspflicht zur Beklagten auch nicht - statt über § 84 Abs.2 ALG - gleichsam ersatzweise im Weg des § 3 Abs.1 Nr.1 ALG erlangen. Nach dieser Vorschrift sind Landwirte und mitarbeitende Familien- angehörige auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, das ohne Berücksichtung des Arbeitseinkommens aus Land- oder Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet. Unabhängig davon, ob beim Kläger die einkommensbezogenen Voraussetzungen dieses Tatbestands vorliegen, scheitert eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs.1 Nr.1 ALG jedenfalls daran, dass diese Vorschrift nicht auf jene Personengruppe angewendet werden kann, der der Kläger zuzurechnen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19.10. 2000 - B 10 LW 20/99 R), der sich der Senat bereits früher angeschlossen hat, unterfallen Weiterversicherte im Sinne des § 27 GAL als ehemalige Landwirte nicht dem Begriff der aktiven "Landwirte" im Sinne dieser Vorschrift. Bestand und Ende der Weiterversicherung sind unabhängig von der gesetzlichen Versicherungspflicht gemäß den §§ 1 ff. ALG abschließend in § 84 ALG geregelt. Für deren Befreiung ist § 84 Abs.2 ALG die relevante Rechtsvorschrift, die hier wegen Fristversäumnis nicht zum Tragen kommt. Dem Kläger steht jedoch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Tatbestandsvoraussetzung hierfür ist, dass ein Leistungsträger eine Pflichtverletzung begangen hat, die einen sozialrechtlichen Nachteil bewirkt hat, der gerade bei ordnungsgemäßer Pflichtverletzung vermieden werden hätte sollen (Urteil vom 15.12.1994 in SozR 3-2600 § 59 SGB VI Nr.2). Der auf Herstellung in Anspruch genommene Leistungsträger muss seine Pflicht aus seinem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis mit dem Anspruchsteller rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt haben. Diese Pflichtverletzung liegt darin, dass die Beklagte den Kläger nicht auf die Betroffenheit durch das ASRG hingewiesen hat. Zwar ist die entsprechende Aufklärung im notwendigen Umfang in dem auf Blatt 44 und 43 der Beklagtenakte enthaltenen Schreiben beinhaltet. Dieses Schreiben ist jedoch nach der Behauptung des Klägers nicht zugegangen und es findet sich kein Indiz dafür, dass das Schreiben tatsächlich abgesandt worden ist. Die Tat- sache, dass das Aufklärungsschreiben im Akt abgeheftet ist, beweist nicht, dass es tatsächlich abgesandt worden ist, zumal die Absendung nach der Einlassung der Beklagten bereits im Januar 1995 stattgehabt haben soll, während die Heftung erst nach der Fragebogenübersendung vom 10.03.1995 erfolgt ist. Auch trägt das Aufklärungsschreiben keinen Datumsstempel. Ein substantiiertes Bestreiten, das die Behauptung des Klägers entkräften könnte, ist der Beklagten also vorliegend nicht möglich. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Sozialgerichts besteht bei formloser Übermittlung von Schriftstücken keine Vermutung für den Zugang. Den Bürger trifft in diesem Fall keine irgendwie geartete Beweislast für den Zugang (BVerfGE Bd.36, S.88; Kopp VWGO, 10. Auflage, § 56 Rdzif.6 m.w.N.). Wenn der Adressat wie vorliegend geltend macht, dass er das Schriftstück nicht erhalten hat, trifft die Behörde die Beweislast. Dabei ist es ausreichend, dass der Kläger den Zugang überhaupt bestreitet, weil ihm in diesem Fall keine nähere Substantiierung möglich ist (Krasney in Kasseler Kommentar § 37 SGB X Rdzif.6). Ob es sich um eine Schutzbehauptung des Klägers handelt, wie von Seiten der Beklagten und des Sozialgerichts vermutet wird, konnte durch die Anhörung des Klägers nicht bestätigt werden. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er die Frist aus Nachlässigkeit versäumt hat oder den Entschluss zur Befreiung erst nach dem 31.12.1995 gefasst hat. Er konnte plausibel erklären, weshalb er die gerichtliche Klärung des Befreiungsrechts erst nach mehrjähriger Untätigkeit verfolgte. Ein Zusammenhang der späten Antragstellung mit der Ablehnung des Beitragszuschusses drängte sich von vornherein nicht auf, weil dieser bereits 1995 abgelehnt worden war, kein enger zeitlicher Zusammenhang mit der zweiten Zuschussablehnung vom 22.02.1999 gegeben ist und der Kläger kein besonderes Interesse an der Zuschussgewährung bekundet hat, wie die Ablehnung wegen mangelnder Mitwirkung aufweist. Auch haben sich seine persönlichen und beruflichen Verhältnisse nach dem 31.12.1995 nicht wesentlich verändert. Wichtig erscheint für die Glaubwürdigkeit des Klägers, dass er den Nichterhalt des Aufklärungsschreibens breits bei der ersten Antragstellung 1996 geltend gemacht hat und den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags vor ca. zwei Jahren eingeräumt hat.

Wie der Senat bereits in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 18. Oktober 2000 (Az.: L 16 LW 39/99) ausführlich dargelegt hat, hatte die Beklagte nicht die Pflicht, das strittige Aufklärungsschreiben zu übersenden. Unstreitig hat die Beklagte aber alle Weiterversicherten über die für sie relevante Gesetzesänderung unterrichtet. Mangels Beratungsverpflichtung hat sie also mit ihren EDV-mäßig erstellten Schreiben ihre Betreuungspflicht übererfüllt. Dem Kläger gegenüber hat sie sich in diesem Zusammenhang aber nicht pflichtgemäß verhalten. Der in Art.3 Abs.1 Grundgesetz zum Ausdruck gekommene Gleichheitssatz verlangt, dass eine gesetzesfreie Verwaltungsübung keine besonderen Abweichungen duldet. Der Gleichheitssatz verlangt, dass die Verwaltung ihr Ermessen gleichmäßig ausübt. Unter Hinweis auf das Gleichbehandlungsgebot kann ein Betroffener Abweichungen von der ständigen Verwaltungspraxis mit der Behauptung geltend machen, andere in gleicher Lage befindliche Bürger hätten bereits entsprechend der Verwaltungsübung bestimmte Vergünstigungen erhalten (Ossenbühl in Allgemeines Verwaltungsrecht, H.-U. Erichsen und W. Martens, 7. Auflage, S.92). Im gleichen Sinn hat das BSG am 14.02.2001 entschieden (SozR 3-1200 § 14 Nr.31), ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch könne auch aufgrund einer gegen Art.3 GG verstoßenden Ungleichbehandlung beratungsbedürftiger Personen durch einen Leistungsträger begründet sein. Wenn die Beklagte Weiterversicherte ohne gesetzliche Verpflichtung individuell aufklärte, musste sie diese Betreuungsleistung allen Weiterversicherten gewähren. Dies war sicher auch die Absicht der Beklagten. Ob ihre entsprechende Benachrichtigung tatsächlich an den Kläger abgesandt worden ist, ist im konkreten Einzelfall jedoch nicht erwiesen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese bereits im Urteil des Senats vom 18. Oktober 2000 (a.a.O.) dargelegte Rechtsansicht zwischenzeitlich nicht überholt. Weder im Urteil des 16. Senats vom 22. November 2000 (L 16 LW 55/99) noch in den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 19. Oktober 2000 (B 10 LW 20/99 R) und vom 12. Juni 2001 (B 10 LW 16/00 R) war der Zugang eines vergleichbaren Aufklärungsschreibens strittig. In seiner Entscheidung vom 25.07.2002 (B 10 LW 7/02 R) war das Bundessozialgericht schließlich an die Feststellung des 16. Senats gebunden, die unsubstantiierte Behauptung des Klägers, das Aufklärungsschreiben nicht erhalten zu haben, sei durch die Indizwirkung des Datumsstempels auf dem in der Verwaltungsakte abgehefteten Abdruck des Aufklärungsschreibens als entkräftet anzusehen. Einzuräumen ist, dass das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 29.05.2002 (Az.: L 8 LW 1/02) in einem vergleichbaren Fall einen sozialrecht- lichen Herstellungsanspruch verneint hat. Danach könne offen bleiben, ob dem Kläger das Informationsschreiben tatsächlich nicht zugegangen ist; denn die Beklagte habe einer etwaigen Beratungspflicht jedenfalls durch die Übersendung eines periodischen, mehrseitigen Mitteilungsblattes Genüge getan. Allerdings waren die dort im Oktober 1994 und Dezember 1995 übersandten Mitteilungsblätter so gestaltet, dass sie auch juristische Laien auf den ersten Blick auf den relevanten Inhalt hinwiesen. Im hier maßgeblichen Informationsblatt der Beklagten "Sicherheit für Haus und Hof" Ausgabe Nr.3/94 ist aufgrund der Vielfalt der dargestellten Regelung die Befristung der Befreiungsmöglichkeit für den weiterversicherten Laien nur schwer erkennbar. Eine sinnvolle Information über den Lauf einer Frist hat im Übrigen nicht Monate vor Beginn, sondern während ihres Laufes zu erfolgen. Hinzu kommt, dass der Kläger dem Inhalt des später erlassenen konkreten Feststellungsbescheids vom 17.10. 1994 einen höheren Informationswert zumessen durfte als dem allgemeinen Informationsblatt. Im Bescheid war die nach altem Recht ausnahmslos bis zum 60. Lebensjahr bzw. bis zur Erwerbsunfähigkeit geltende Weiterentrichtungspflicht postuliert worden, ohne auf die bereits als Gesetzesänderung beschlossene und bekannte einmalige Befreiungsmöglichkeit ab 01.01.1995 hinzuweisen. Zu den Nebenpflichten des Versicherungsträgers gehören als spezielle Dienstleistung Auskunft und Belehrung sowie verständnisvolle Förderung (BSGE 46, 124 ff.). Die Belehrung eines 40-jährigen Landwirts über die Dauer seiner Versicherungspflicht bis zum 60. Lebensjahr bzw. bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit kann nicht als korrekt beurteilt werden, wenn auf die unmittelbar bevorstehende kurzfristige Befreiungsmöglichkeit mit keinem Wort eingegangen wird. Auf die Relevanz des ASRG auch in seinem konkreten Fall hätte der Kläger zumindest hingewiesen werden müssen.

Da der Kläger seinen ersten Befreiungsantrag innerhalb eines Jahres nach Fristablauf am 31.12.1995 gestellt hat, erübrigt sich eine Stellungnahme dazu, ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auch nach Ablauf der Jahresfrist zu bejahen wäre. In der in § 27 Abs.3 SGB X geregelten und bei der Nachsichtgewährung entsprechend anwendbaren Jahresfrist, die für die Nachholung von versäumten Handlungen eine zeitliche Grenze setzt, kommt eine allgemeine gesetzgeberische Bewertung zum Ausdruck, welcher eine sachgerechte Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Individualinteresse zugrunde liegt (vgl. dazu BSG in SozR 5750, Art.2 § 51a Nr.49, S.99). In der sich an das Telefonat am 21.06.1996 anschließenden Untätigkeit ist keine Rücknahme des ursprünglichen Antrags zu sehen. Vielmehr ist der zweite Antrag vom 03.02.2000 als Antrag gemäß § 44 SGB X zu werten, die mündlich erteilte Ablehnung vom 21.06.1996 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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