L 16 LW 6/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 LW 2/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 6/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20.04.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Altersrente wegen Zusplittung von Beitragszeiten des weiterversicherten Ehegatten.

Die am 1936 geborene Klägerin wurde ab 30.01.1958 ins Mitgliederverzeichnis der LAK aufgenommen und bis 30.11.1972, als sie die Leitung des gemeinsamen landwirtschaftlichen Betriebs an den am 04.08.1935 geborenen und am 17.07.2001 verstorbenen Ehemann abgab, zur Beitragszahlung veranlagt. Trotz Hinweises auf die mögliche Weiterentrichtung von Beiträgen zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes gemäß § 27 GAL entrichtete anschließend lediglich der Ehemann der Klägerin Beiträge als Landwirt bis 30.09.1981. Vom 01.10.1981 bis 13.12.1994 leistete er Beiträge als freiwillig Weiterversicherter.

Am 01.12.1994 wurde der Ehemann wegen Hinzupacht von 1,11 ha erneut in das Mitgliederverzeichnis der Beklagten aufgenommen. Seine Mitgliedschaft endete am 01.11.1995 nach der Verpachtung von über 3 ha.

Mit Bescheid vom 01.06.1995 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin als Ehegattin eines Landwirts ab 01.01.1995 fest. Gleichzeitig teilte sie mit, die Zeiten der Beitragsentrichtung des Ehemanns vom 01.12.1972 bis 31.12.1994 würden bei einer späteren Leistungsgewährung angerechnet. Im Bescheid vom 27.03.1996 ergänzte sie, die von der Klägerin selbst vom 30.01.1958 bis 02.11.1972 bezahlten Beiträge würden auf die spätere Rentenhöhe, jedoch nicht auf die Wartezeit angerechnet.

Mit Bescheid vom 12.09.1996 hob die Beklagte den Bescheid vom 01.06.1995 betreffend die festgestellten Anrechnungszeiten gemäß § 48 SGB X wegen des ASRG-Änderungsgesetzes vom 23.12.1995 auf. Über die Anrechnung und Bewertung der Zeit vom 01.12.1972 bis 30.09.1981 und Dezember 1994, die voraussichtlich angerechnet würden, ergehe eine endgültige Entscheidung erst bei einer Feststellung der Leistung.

Dem widersprach die Klägerin mit der Begründung, die Gesetzesänderung stelle einen unzulässigen Vertrauensbruch dar. Sie machte von der Möglichkeit Gebrauch, nach Beendigung der Mitgliedschaft zum 31.10.1995 zur Erfüllung der Wartezeit für eine Altersrente Beiträge freiwillig weiterzuentrichten. Den Widerspruch wies die Beklagte am 19.12.1996 mit der Begründung zurück, Zusplittungszeiten gemäß § 92 ALG seien nicht durch eigene Beitragsleistung erworben, so dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das ARSG-Änderungsgesetz bestünden.

Im Klageverfahren trug die Klägerin vor, sie habe im Vertrauen auf das Inkrafttreten des ALG zum 01.01.1995 und den damaligen § 92 ALG allein aufgrund entsprechender Beratung durch die Beklagte 1994 erneut den landwirtschaftlichen Betrieb zusammen mit dem Ehemann wieder aufgenommen, um die Zurechnung der vom Ehemann gezahlten Beiträge zu erhalten. Die Neuregelung stelle daher einen Vertrauensverstoß dar, zumal keine Übergangsregelung getroffen worden sei.

Von Beklagtenseite wurde u.a. eingewandt, Sinn der Neufassung des § 92 ALG sei die Beschränkung der Beitrageszusplittung auf die Mitarbeiter im landwirtschaftlichen Betrieb. Ein solcher fehle bei Weiterentrichtern. Der Vertrauensschutz sei durch § 94 Abs.2 und 4 ALG gewährleistet. Die geltend gemachte Beratung werde nicht bestritten und sei damals richtig gewesen. Da keine eigene Beitragsleistung betroffen und über die Anrechnung keine endgültige Regelung getroffen sei, bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Das Sozialgericht Augsburg wies die Klage am 20.04.1998 ab. Die Klage sei zwar zulässig, da ein Auskunftsersuchen berechtigt sei, aus den Materialien zum ASRG-Änderungsgesetz ergebe sich aber, dass nur Pflichtbeiträge des Ehegatten zuzusplitten seien. Ein Verstoß gegen Art.14 Grundgesetz liege nicht vor, da eine Rentenauskunft nicht verbindlich sei und die Änderung des Gesetzes keine eigene Beitragsleistung der Klägerin betreffe. Ob der Verlust der eigenen Beiträge und § 92 ALG in ihrer Kombination verfassungsrechtlich bedenklich sei, sei erst zu entscheiden, wenn der Leistungsfall eintrete.

Gegen das am 08.05.1998 zugestellte Urteil legte die Klägerin am 20.05.1998 Berufung ein. Sie machte geltend, Zusplittungszeiten stünden unter Eigentumsschutz, weil sie durch persönliche Arbeitsleistungen der Versicherten mitbestimmt seien. Durch den Verfall der Eigenbeiträge von 1958 bis 1972 sei die Klägerin erheblich wirtschaftlich beeinträchtigt. Weil die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 01.06.1995 einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, verstoße die Gesetzesänderung gegen Art.2 Grundgesetz. Da eine Übergangsregelung fehle, sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.08.2000 (B 10 LW 3/99 R), dass auch Weiterversicherungszeiten des ehemaligen Landwirts nach § 27 GAL dessen Ehegatten nach § 92 ALG a.F. zuzurechnen sind, wurde das ab 26.02.1999 ruhende Verfahren am 09.02.2001 wieder aufgenommen.

Unter Zugrundelegung der vom 01.01.1995 bis 31.01.1997 geleisteten Beiträge als Landwirtin und der Zusplittungszeiten vom 02.11.1972 bis 30.09.1981 sowie Dezember 1994 hatte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 20.07.2000 ab 01.09.2000 vorzeitige Altersrente in Höhe von 244,73 DM gewährt. Dem Ehemann war ab 01.09.2000 Altersrente in Höhe von 587,75 DM bewilligt worden. Auf Anfrage teilte die Beklagte mit, die Beitragsbelastung der Klägerin vom 01.01.1995 bis 31.01.1997 habe sich auf 6.017,- DM belaufen. Hätte die Klägerin keinen eigenen vorzeitigen Altersrentenanspruch erworben, hätte sich der Altersrentenanspruch des Ehemanns statt auf 587,75 DM ab 01.09.2000 auf 778,13 DM belaufen. Sein Altersrentenanspruch hätte sich auf 571,04 DM bzw. 756,80 DM belaufen, hätte er die Landwirtschaft nicht wieder aufgenommen.

Von Klägerseite wurde vorgetragen, abgesehen von der Beitragsbelastung hätte die Betriebsaufnahme 1994 wegen der Anschaffung sämtlicher Betriebsstoffe, Düngemittel etc. weitere finanzielle Auswirkungen gehabt. Angesichts des Alters der Eheleute sei von erheblichen persönlichen Anstrengungen auszugehen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin regt die Aussetzung des Verfahrens an zum Zwecke der Vorlage der Frage der Verfassungskonformität von Art.6 Nr.8 des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21.03. 2001 an das Bundesverfassungsgericht.

Ferner stellt er den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20.04.1998 und den Bescheid der Beklagten vom 12.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.1996 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 20.07.2000 zu verurteilen, auch die vom Ehemann der Klägerin im Wege der freiwilligen Weiterentrichtung für die Zeit von Oktober 1981 bis November 1994 gezahlten Beiträge bei der Berechnung der Rente der Klägerin mitzuberücksichtigen. Für den Fall der Zurückweisung dieses Antrags ist die Revision zuzulassen.

Der Vertreter der Beklagten beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Augsburg, der Akten des verstorbenen Ehemanns der Klägerin sowie der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist neben dem Bescheid vom 12.09.1996 auch der Altersrentenbewilligungsbescheid vom 20.07.2000, da dieser Bescheid den erstgenannten ersetzt hat. Die im Bescheid vom 12.09.1996 angekündigte Nichtanrechnung der Zeit vom 01.10. 1981 bis 30.11.1994 wurde im Bescheid vom 20.07.2000 endgültig umgesetzt. Der Tatbestand des § 96 SGG ist erfüllt.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20.04.1998 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 12.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.1996 und der Bescheid der Beklagten vom 20.07.2000. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der von ihrem Ehemann vom 01.10.1981 bis 30.11.1994 als Weiterversicherter entrichteten Beiträge. Die Neuregelung des § 92 ALG ist verfassungskonform.

Beim Erlass des Bescheids vom 20.07.2000, in dem die strittige Zeit keine Berücksichtigung gefunden hat, war die Beklagte nicht an ihre Zusicherung im Bescheid vom 01.06.1995 gebunden. Zwar ist die Begründung des Bescheids vom 12.09.1996, womit die Zusicherung aufgehoben wurde, unrichtig. Die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 48 SGB X waren nicht gegeben, weil das ASRG-Änderungsgesetz vom 23.12.1995 entgegen der Ansicht der Beklagten keine relevante Rechtsänderung ergeben hat. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 17. August 2000 (SozR 3-5868 § 92 Nr.1) ausgeführt hat, waren Beiträge als Landwirt im Sinne des § 92 Abs.1 Satz 1 ALG alter wie neuer Fassung auch weiterentrichtete Pflichtbeiträge. Die Neufassung des Gesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung vom 15. Dezember 1995 (ASRG- Änderungsgesetz, Bundesgesetzblatt I, 1814) beließ es bei dem Begriff "Beiträge als Landwirt". Ein Wille des Gesetzgebers, das Recht auf die beitragsfreie Anrechnung weiterentrichteter Beiträge wieder zu entziehen, hat im Gesetz keinen erkennbaren Niederschlag gefunden. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 12.09. 1996 waren die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 48 SGB X also nicht gegeben.

Trotz der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 12.09.1996 zum Zeitpunkt seines Erlasses ist er nicht aufzuheben. Die darin festgestellte Nichtberücksichtigung von weiterentrichteten Pflichtbeiträgen bei der Beitragsanrechnung zu Gunsten des Ehegatten ehemaliger Landwirte war zutreffend, weil mit dem Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) vom 21.03.2001 (Bundesgesetzblatt I, S.403 ff.) mit Wirkung vom 23. Dezember 1995 (Artikel 6 Nr.8 iVm Artikel 12 II AVmEG) klar gestellt wurde, dass Weiterversicherungsbeiträge - entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - nicht zusplittungsfähig sind. Diese rückwirkende Rechtsänderung, die eine Heilung der Verwaltungsübung bewirken sollte, hat zur Folge, dass die Beklagte ab 23.12.1995 nicht mehr an ihre Zusicherung vom 01.06.1995 gebunden war. Der Wegfall der Bindung an die Zusicherung trat gemäß § 34 Abs.3 SGB X kraft Gesetzes ein, war also vom Bestand des Aufhebungsbescheides vom 12.09.1996 unabhängig. Gemäß § 34 Abs.3 SGB X ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden, wenn sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart ändert, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. Unstreitig hat sich durch das Altersvermögensergänzungsgesetz nach Abgabe der Zusicherung eine wesentliche Änderung ergeben. § 92 Abs.1 Satz 1 ALG lautet nun dahin, dass für den Ehegatten lediglich Beiträge als gezahlt gelten, für die der andere Ehegatten "Beiträge als Landwirt nach § 14 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte gezahlt hat". Beiträge als Landwirt nach § 27 GAL können daher nicht mehr zugesplittet werden.

Der Wegfall der Bindung an die Zusicherung tritt nicht erst ab Verkündung des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 26.03.2001 ein. Wegen der Rückwirkung der Rechtsänderung greift § 34 Abs.3 SGB X bereits ab 23.12.1995 ein. Nur wenn nach Erteilung der Zusicherung eine Rechtsänderung eintritt, die keine Rückwirkung hat, bleibt die Behörde an die Zusicherung gebunden (vgl. BSG in SozR 1300 § 34 Nr.2). Diese Folge erscheint vor dem Hintergrund einleuchtend, dass bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 12.09.1996 auf das materielle Recht zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist. Zwar ist bei reinen Anfechtungsklagen grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsakts maßgeblich, so dass spätere Änderungen der Rechtslage in der Regel unbeachtlich sind (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Band 51, 147). Bei der Rückwirkung von Gesetzen wird hiervon jedoch eine Ausnahme anerkannt (Jens Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 54 Rdz.33 mit weiteren Nachweisen).

Die Anwendung des § 92 ALG in der ab 1. Januar 2001 gültigen Fassung, die mit dem strittigen Bescheid vom 20.07.2000 vorweggenommen worden ist, hat nicht nur zur Folge, dass die Klägerin die Anrechnung der von ihrem Ehemann entrichteten Beiträge vom 01.10.1981 bis 30.11.1994 nicht mehr verlangen kann, es bedeutet auch, dass ihre eigenen Beiträge aus der Zeit vom 30.01. 1958 bis 30.11.1972 bei ihrer Rentenberechnung keine Berücksichtigung finden. Beiträge, die vor dem 1. Januar 1995 gezahlt wurden, bleiben nämlich bei der Rentenberechnung unberücksichtigt, wenn sie nicht auf die Wartezeit angerechnet werden, nach dem letztmaligen, vor dem 1. Januar 1995 erfolgten Fortfall der Beitragspflicht nur für weniger als 15 Jahre Beiträge bezahlt wurden und vor dem 1. Januar 1995 ein Beitrag als mitarbeitender Familienangehöriger nicht gezahlt wurde (§ 93 Abs.3 Nr.1 i.V.m. § 93 Abs.2 Nr.1 und 2 ALG). Durch die Nichtanrechnung der weiterentrichteten Pflichtbeiträge ist die lückenlose Beitragsentrichtung bis zum 60. Lebensjahr unterbrochen, die von § 90 Abs.1 Satz 1 ALG zur Wartezeiterfüllung gefordert wird. Diese mit dem Bescheid vom 20.07.2000 umgesetzte Regelung erscheint in ihrer Gesamtheit verfassungskonform.

Mit Inkrafttreten des AVmEG ist der Klägerin die Anwartschaft auf die ab 01.01.1995 neu eingeführte eigenständige Alterssicherung geschmälert worden. Ab 23.12.1995 war die Aufrechterhaltung der zum 01.01.1995 gewonnenen Anwartschaft nur im Wege der freiwilligen Beitragsentrichtung möglich. Nicht tangiert worden ist ein Rechtsanspruch auf eine Rente - der Leistungsfall des § 12 ALG ist erst am 04.08.2000 eingetreten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Anwartschaften auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung Rechtspositionen, die den Schutz der Eigentumsgarantie genießen (Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 53, 289 ff.; 58, 81, 109; 69, 272, 298; 75, 78, 96 f.). Die konkrete Reichweite des Schutzes ergibt sich aber erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nach Art.14 Abs.1 Satz 2 Grundgesetz. Soweit durch gesetzliche Neuregelungen in bestehene Rentenanwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei der Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das - im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis - nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern wesentlich mit auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruht. Regelungen, die Eingriffe darstellen, sind allerdings nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt und zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet wie erforderlich sind. Insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (BSGE vom 29.01.1997 Az.5/4 RA 11/94 mit weiteren Nachweisen).

Ein unzulässiger Eingriff in Rentenanwartschaften der Klägerin liegt nach diesen Kriterien nicht vor. Ursächlich für die Senkung ihres Rentenanspruchs im Vergleich zu der vor Inkrafttreten des Altersvermögensergänzungsgesetzes geltenden Rechtslage ist die Klarstellung des begünstigten Personenkreises des Agrar-Reformgesetzes 1995. Zur aktuellen Realisierung der neu geschaffenen sozialen Sicherung der Bäuerin wurde geregelt, die vom Unternehmer in der Vergangenheit gezahlten Beiträge auch der Bäuerin in vollem Umfang entsprechend der Ehezeit zuzurechnen. Mit der Neuformulierung des § 92 ALG durch das Altersvermögensergänzungsgesetz wird entsprechend den Materialien klar gestellt, dass dem ab 1995 versicherten Ehegatten eines Landwirts nur diejenigen Beitragszeiten angerechnet werden, die auf einer Versicherung des anderen Ehegatten als aktiver Landwirt - und nicht als "Weiterversicherter" - vor 1995 beruhen. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass mit der Anrechnung von Beitragszeiten u.a. einer potenziellen Mitarbeit im Unternehmen vor 1995 Rechnung getragen werden soll. Eine solche Mitarbeit kann nur in Zeiten vorgelegen haben, in denen ein Unternehmen überhaupt bewirtschaftet wurde. Diese Begrenzung des begünstigten Personenkreises sollte durch die Änderung des Agrarsozialreformgesetzes Ende 1995 nochmals bekräftigt werden und ist in diesem Sinn auch seit Ende 1995 von den Landwirtschaftlichen Alterskassen angewendet worden. Die nochmalige Klarstellung durch das Altersvermögensergänzungsgesetz wurde wegen anderer Rechtsauslegung in der Rechtssprechung notwendig. Das Bundessozialgericht hatte am 17. August 2000 den entsprechenden Willen des Gesetzgebers nicht für hinreichend deutlich erachtet (SozR 3 5868 § 92 Nr.1).

Diese Klarstellung ist unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat eine Anwartschaft entzogen, die nicht auf Beitragsleistungen der Klägerin selbst beruhte. Wie die Beklagte zutreffend ausführte, beruhte die sich aus § 92 Abs.1 ALG a.F. ergebende beitragsrechtliche Position nicht auf einer den betroffenen Ehegatten von Landwirten individuell zurechenbaren Eigenleistung, die eine Zuordnung der zugrunde liegenden gesetzlichen Ansprüche zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie rechtfertigen könnte. Es fehlt nämlich der hinreichend personale Bezug zwischen der Beitragsleistung der weiterversicherten Landwirte und der mit dem ALG eingeführten versicherungsrechtlichen Position ihrer Ehegatten. So wie die Hinterbliebenenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung ist die ab 1995 bestehende Rechtsposition der Ehegatten von Landwirten eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung, weil sie ohne eigene Beitragsleistung des Ehegatten und ohne erhöhte Beitragsleistung des versicherten Landwirts gewährt wurde. So war der nach dem GAL zu zahlende Einheitsbeitrag völlig unabhängig vom Familienstand. Die persönliche Arbeitsleistung der Ehegatten im landwirtschaftlichen Unternehmen kann nur dann als eigentumsrechtlich relevante Leistung herangezogen werden, sofern ein landwirtschaftliches Unternehmen tatsächlich betrieben worden ist. Gerade dies fehlt aber im Fall der Weiterentrichtung von Beiträgen. Für die Hinterbliebenrenten hat das Bundesverfassungsgericht aber entschieden, dass sie nicht dem Eigentumsschutz des Art.14 Abs.1 Grundgesetz unterliegen (Beschluss des 1. Senats vom 18.02.1998 in Breithaupt 1998, S.525 ff.).

Zwar ist richtig, dass als Folge der Rechtsänderung durch das Altersvermögensergänzungsgesetz die von der Klägerin selbst in der Zeit von Januar 1958 bis November 1972 gezahlten Beiträge verloren sind. Die insoweit maßgebliche Entscheidung hatte die Klägerin jedoch selbst getroffen, als sie es trotz Hinweises im Bescheid vom 19.12.1973 unterlassen hatte, die Erklärung zur Weiterentrichtung von Beiträgen nach § 27 GAL abzugeben. Es war von vornherein nicht die Intention des Gesetzgebers des ASRG, diesen unstreitig verfassungskonformen Verfall eigener Beitragsleistung rückgängig zu machen.

Es kann dahinstehen, ob der Entzug der Begünstigung von Ehegatten der Weiterversicherten unter finanziellem Aspekt zwingend geboten war, wie dies das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 17. August 2000 (a.a.O.) für fraglich hält. Auch bei Anwendung von Art.14 Grundgesetz auf sozialversicherungsrechtliche Positionen räumt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine weite Gestaltungsfreiheit ein, und zwar im Besonderen für die Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Sofern die gesetzliche Regelung dem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Leistungen zu kürzen, den Umfang von Ansprüchen oder Anwartschaften zu vermindern oder diese umzugestalten (Bundesverfassungsgericht 1. Senat vom 17.02.1997 in SozR 3-2599 § 47 Nr.8). Nach Ansicht des Senats muss der Gesetzgeber das Recht haben, seinem ursprünglichen Willen zur Begrenzung des begünstigten Personenkreises auch rückwirkend Geltung zu verschaffen, sofern der Eingriff verhältnismäßig ist. Die Korrektur einer mißglückten Rechtsnorm liegt im Interesse des Gemeinwohls.

Die erforderliche Abwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der beanstandeten Neuregelung alsbald nach deren Inkrafttreten das Interesse der betroffenen Personenkreise am Fortbestand der günstigeren Bewertung überwiegt.

Das Vertrauen der Ehegatten ist nicht gering zu achten. Zwar war die Rechtsposition, um deren Erwerb es ging, günstig ausgestaltet. Indessen war auch der Aufwand, der davor zu leisten war, nicht unerheblich. So mussten die Eheleute persönliche und finanzielle Anstrengungen unternehmen, um im Jahr 1994 mit der Wiederaufnahme der Bewirtschaftung ihres landwirtschaftlichen Unternehmens die Voraussetzungen für die Zusplittung zu schaffen. Allerdings war lediglich die Hinzupacht von 1,11 ha erforderlich, um die Mindestgröße iSd § Abs.5 ALG zu erreichen. Weil bereits vor dem 01.12.1994 über 4 ha bewirtschaftet wurden, ist von keiner wesentlichen Ausweitung landwirtschaftlicher Investitionskosten auszugehen. Jedoch haben die Eheleute im Vertrauen auf den Weiterbestand der Regelung bis zum 01.11.1995 doppelte Beiträge zur LAK geleistet.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Klägerin bis auf die Zusplittung der strittigen Beitragszeiten andere Vorteile der im Vertrauen auf die Weitergeltung des § 92 ALG a.F. getroffenen Dispositionen erhalten geblieben sind. Erst mit der Wiederaufnahme der Landwirtschaft vor dem 01.01.1995 konnte die Klägerin einen eigenständigen Anspruch im Sinn des ALG erwerben. Wie die Berechnungen der Beklagten ergeben haben, haben die Eheleute mit ihren danach entrichteten Beiträgen eine Besserstellung gegenüber dem Zustand erreicht, der im Fall der Nichtwiederaufnahme der Landwirtschaft bestehen würde. Hätten die Eheleute die Landwirtschaft nicht wieder aufgenommen, hätte sich der Altersrentenanspruch des allein anspruchsberechtigten Ehemanns der Klägerin zum 01.09.2000 auf 756,80 DM bzw. 778,13 DM brutto belaufen, je nachdem, ob er sich ab 01.01.1995 von der Beitragszahlung gemäß § 84 Abs.2 ALG hätte befreien lassen oder nicht. Tatsächlich belief sich die Altersrente des Ehemanns zum 01.09.2000 auf 587,75 DM und der Rentenanspruch der Klägerin auf 244,- DM, so dass sich für die Eheleute eine positive Differenz von 74,85 DM bzw. 53,62 DM ergab. Zwar kann dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin tatsächlich in der Zeit vom 01.01.1995 bis 31.01.1997 6.017,- DM an Beiträgen entrichtet hat. Diese auch erst durch das ASRG geschaffene Gestaltungsmöglichkeit hat zusammen mit der beitragsfreien Zusplittung der Beiträge ihres Ehemanns als aktiver Landwirt bewirkt, dass die Eheleute trotz Wegfalls des Verheiratetenzuschlags höhere Rentenanwartschaften erzielt haben und keinesfalls eine Minderung hinnehmen mussten. Die Besserstellung der Klägerin wird wegen des ungeschmälerten eigenen Anspruchs nach dem Tod des Ehemanns noch deutlicher.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Neuregelung nicht ohne Übergangsregelung getroffen worden ist. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass § 94 Abs.2 und 4 ALG das schutzwürdige Vertrauen der von der Änderung Betroffenen auf den Bestand der Rechtslage vor der Gesetzesänderung wahrt. Bei einer Verdichtung der Anwartschaft mit unmittelbarem Bevorstehen des zeitnahen Leistungsfalls konnte bei Antragstellung bis Ende März 1996 die Geltung des § 92 a.F. ALG in Anspruch genommen werden. Auch von Klägerseite wird eingeräumt, dass § 94 Abs.2 und 4 ALG als Vertrauensschutzbestimmung zu qualifizieren sind. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Ablauf der in § 94 Abs.2 ALG genannten Frist durch die am 01.06.1995 getroffene Zusicherung der Anrechnung von Beiträgen des weiterversicherten Ehegatten gehemmt war, nachdem diese Zusicherung erst am 12.09. 1996 zurückgenommen worden ist. Dieser Umstand ist jedoch allenfalls als Wiedereinsetzungsgrund zu qualifizieren, der allerdings nach Ablauf der Jahresfrist des § 27 SGB X am 31.03. 1997 nicht mehr geltend gemacht werden kann. Ihren Rentenantrag hat die Klägerin erst im Mai 2000 gestellt.

Zusammenfassend erscheint der Gesetzgeber in Wahrnehmung seiner Gestaltungsfreiheit berechtigt, dem öffentlichen Interesse an einer sachgerechten Abgrenzung des begünstigten Personenkreises der neu geschaffenen Alterssicherung für Bäuerinnen den Vorzug zu geben vor dem Interesse des Versicherten am unveränderten Fortbestand einer Aussicht auf eine von der Rechtspraxis kurzfristig gewährten Leistung. Die Neuregelung bewirkt im Ergebnis, dass dem betroffenen Personenkreis mit Wirkung für die Zukunft die Zusplittung beitragsfreier Zeiten des Ehegatten nicht mehr gewährt wird.

Wird einem Versicherten eine Rentenanwartschaft ohne vergleichbare Vorleistung gewährt, so kann sich selbst ein durch Art.14 Grundgesetz i.V.m. dem Vertrauensschutzprinzip grundsätzlich vermittelter Bestandschutz nicht gegenüber den öffentlichen Belangen durchsetzen, die der Gesetzgeber mit Ausschluss einer solchen Anwartschaft für die Zukunft verfolgt hat (in Anlehnung an Bundesverfassungsgericht 24.03.1998 in BVerfGE 97, 378 bis 390).

Die durch Art.12 II AVmEG vom Gesetzgeber herbeigeführte sogenannte echte Rückwirkung genügt den grundgesetzlichen Anforderungen des Vertrauensschutzprinzips. Wie bereits dargestellt, ist die erfolgte Änderung des § 92 ALG als Reaktion des Gesetzgebers auf die angeführte Rechtsprechung des BSG zu verstehen. So heißt es in der Begründung des Entwurfs zum AVmG (BT-Drucksache 14/4595) zu Nr.10, aufgrund z.T. anderer Rechtsauslegung in der Rechtsprechung solle mit der nochmaligen Klarstellung Rechtssicherheit geschaffen werden. Der Gesetzgeber wollte damit erreichen, dass er die diesbezügliche Verwaltungspraxis ab Wirksamkeit des Agrarsozialreformänderungsgessetzes vom 15.12. 1995 (ASRG-ÄndG, BGBl I 1814) auch für die Vergangenheit sanktionierte. Ausgenommen von der Rückwirkung hat er selbst die Fälle, in denen über einen Anspruch bereits eine unanfechtbare positive Entscheidung getroffen und Vertrauensschutz begründet worden ist. Für die Zeit ab 23.12.1995 sind die Voraussetzungen erfüllt, unter denen das BVerfG ausnahmsweise echte Rückwirkungen von Gesetzen zulässt. So steht dem Gesetzgeber bei verworrener oder zunächst unklarer Rechtslage die Befugnis zu, für in der Vergangenheut liegende Tatbestände rückwirkend eine geänderte Rechtsfolge zu statuieren (BSG vom 13.03.1986 in SozR 2200 § 1279 a Nr.1 mit weiteren Nachweisen).

Zur Begründung eines höheren Rentenanspruchs kann sich die Klägerin nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Zwar wird von der Beklagten eingeräumt, dass die erneute Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Unternehmens auf eine entsprechende Beratung und Empfehlung der Beklagten noch im Jahre 1994 zurückgeht. Zutreffend wendet die Beklagte jedoch ein, dass diese Beratung entsprechend dem Wortlaut des § 92 ALG a.F. erst ab dem Zeitpunkt der Änderung des Gesetzes zum 23.12.1995 sich als unzutreffend erwiesen hat. Aus einer dem Gesetz entsprechenden Beratung können keine weiteren Rechte abgeleitet werden als aus dem Bestand des zugrunde liegenden Gesetzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Wegen der strittigen Verfassungskonformität der Neufassung des § 92 ALG erscheint die Zulassung der Revision geboten, nachdem das Bundessozialgericht selbst die strittige Regelung nicht ohne Weiteres für mit dem Grundgesetz vereinbar hält (Entscheidung vom 17. August 2000 - a.a.O. -).
Rechtskraft
Aus
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