Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 LW 71/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 7/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.11.1999 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.04.2000 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Befreiung von der Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts, hilfsweise die Niederschlagung oder der Erlass der Beitragsforderung in Höhe von 6.479,- DM (Stand: 10.04.2000).
Die am ...1955 geborene Klägerin ist seit 26.03.1982 die Ehefrau eines von der Beitragspflicht seit 1977 befreiten Nebenerwerbslandwirts. Sie hat drei Kinder, von denen das letzte 1985 geboren ist. Der Wirtschaftswert der landwirtschaftlichen Fläche beträgt 3.247,26 DM. Mit Bescheid vom 01.02.1995 stellte die Beklagte der Klägerin gegenüber ihre Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts ab 01.01.1995 fest.
Demgegenüber machte die Klägerin am 06.02.1995 geltend, keine Beiträge zahlen zu können, weil nur der Ehemann Einkommen in Form von Arbeitslosengeld habe. Sie fragte, ob die Beiträge zurückgestellt werden könnten. Nach ihrer Ankündigung vom 14.02.1996, wegen Befreiungsmöglichkeiten persönlich vorbeizukommen, übersandte die Beklagte angesichts des Nichterscheinens der Klägerin am 24.06.1996 einen Befreiungsantrag gemäß § 85 Abs.3a ALG unter Hinweis auf die Antragsfrist vom 30.06.1996. Am 02.07.1996 ging der am 28.06.1996 unterschriebene Befreiungsantrag mit dem Einkommenssteuerbescheid für 1994 und dem Einheitswertbescheid als Anlage bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 09.07.1996 lehnte die Beklagte eine Befreiung nach § 85 Abs.3 ALG wegen Verfristung und mangels ausreichenden Einkommens des Unternehmers ab.
Dem widersprach die Klägerin mit der Begründung, eine frühere Antragstellung sei ihr wegen der notwendigen Beschaffung von Unterlagen nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei sie der Ansicht gewesen, das Antragsdatum 28.06.1996 sei maßgebend.
Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass sich das Einkommen des Ehemanns 1994 aus Arbeitslosengeld und den im Einkommensteuerbescheid bescheinigten Lohn auf 21.661,37 DM belaufen hat. Auf Anraten der Beklagten beantragte die Klägerin am 01.08.1997 die Bewilligung von Beitragszuschuss, die zunächst ab 01.02.1997 und schließlich ab 01.01.1995 erfolgte.
Am 02.12.1997 beantragte die Klägerin die Niederschlagung der Beitragsrückstände. Neben dem Arbeitslosengeld verfüge die Familie nur über Kindergeld von 740/750,- DM monatlich. Die Eheleute hätten Darlehensschulden über 16.000,- DM und der Kontostand sei ebenso im Minus wie der Einkommensteuerbescheid für 1995.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.1999 wies die Beklagte den Widerspruch vom 05.08.1996 wegen der Befreiung gemäß § 85 Abs.3a ALG zurück. Der Klägerin stehe kein Befreiungsrecht zu, da das Einkommen des Ehemannes 1994 nicht über 40.000,- DM gelegen habe und der Befreiungsantrag verspätet gestellt worden sei. Gleichzeitig lehnte die Beklagte die Niederschlagung der Forderung in Höhe von damals 4.848,- DM ab, da die Zwangs- vollstreckung noch nicht auf das unbewegliche Vermögen ausgedehnt worden sei. Ein Vollstreckungsversuch vom 16.01.1998 war erfolglos geblieben, ein Durchsuchungsbeschluss lt. Gerichtsvollzieher ohne Erfolgaussicht.
Die am 17.09.1999 erhobene Klage auf Befreiung von der Versicherungspflicht wies das Sozialgericht Bayreuth mit Gerichtsbescheid vom 22.11.1999 aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen ab. Die Ablehnung der Niederschlagung der Forderung könne mit Widerspruch angefochten werden.
Gegen den am 13.01.2000 zugestellten Gerichtsbescheid legte die Klägerin am 03.02.2000 Berufung ein und beantragte die Niederschlagung der Forderung, da anderenfalls der finanzielle Ruin drohe. Am 10.04.2000 lehnte die Beklagte den Antrag vom 03.02.2000 auf Niederschlagung der Forderung ab, da deren Weiterverfolgung aussichtsreich sei, nachdem landwirtschaftlicher Grundbesitz vorhanden sei und Arbeitslosenhilfe gepfändet werden könne. Ein Erlass der Forderung komme nicht in Betracht, da eine wirtschaftliche Notlage nicht ersichtlich sei.
Der Haftungsbescheid vom 23.07.1998 gegenüber dem Ehemann ist nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 26.08.1999 in Höhe von 3.502,- DM rechtsverbindlich geworden.
Auf Anfrage teilte die Klägerin mit, im Oktober 1999 vor dem Amtsgericht Bayreuth eine Versicherung an Eides statt abgegeben zu haben.
In der mündlichen Verhandlung am 22.11.2000 erklärte der Beklagtenvertreter, die Ermittlungen beim zuständigen Gerichtsvollzieher S ... hätten ergeben, dass niemals eine eidesstattliche Offenbarungsversicherung im Sinn des § 807 ZPO abgegeben und auch nie ein entsprechendes Verfahren eingeleitet worden sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid vom 22.11.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 09.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie ab 01.01.1995 von der Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts zu befreien, hilfweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.04.2000 zu verurteilen, die Beitragsforderung niederzuschlagen oder zu erlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.11.1999 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Bayreuth sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 09.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08. 1999 und vom 10.04.2000 sind ebensowenig zu beanstanden wie der Gerichtsbescheid vom 22.11.1999. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts und derzeit noch keinen Anspruch auf die Niederschlagung der Forderung.
Niederschlagung und Erlass der Beitragsforderung sind Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens, da § 96 SGG auch im Berufungsverfahren gilt (§ 153 Abs.1 SGG). Danach wird auch ein nach Berufungseinlegung erlassener Bescheid Gegenstand des Verfahrens, soweit er den streitgegenständlichen Bescheid abändert oder ersetzt. Der mit der Klage angefochtene Widerspruchsbescheid vom 26.08.1999 enthielt bereits eine Regelung zur Niederschlagung der Beitragsrückstände. Zwar hat das Sozialgericht ein Vorverfahren für notwendig erachtet, bei großzügiger Auslegung des § 96 SGG ist es dem Senat jedoch nicht verwehrt, auch insoweit eine Prüfung vorzunehmen. Die strittigen Bescheide gestalten ein Dauerschuldverhältnis, in dem von Anfang an die Durchsetzbarkeit der Forderung im Vordergrund gestanden hat. Auch aus prozesswirtschaftlichen Gründen verbietet es sich daher, die Klägerin entgegen dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten auf ein zwingendes Vorverfahren und den anschließenden Klageweg zu verweisen, wenn die Streitsache entscheidungsreif ist.
Es kann dahinstehen, ob der Bescheid vom 01.02.1995 trotz des Einwands der Klägerin vom 06.02.1995, die Beiträge nicht zahlen zu können, bestandskräftig geworden ist. Jedenfalls ist die Klägerin als Ehegattin eines Landwirts im Sinne des § 1 Abs.2 ALG versicherungspflichtig nach dem ALG, da die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben und die Klägerin auch nicht erwerbsunfähig ist (§ 1 Abs.3 Satz 1 in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung des ALG). Ihr steht auch kein Befreiungsrecht zu.
Da die Klägerin über kein eigenes regelmäßiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen verfügt, sie nicht wegen Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist (Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren gemäß § 56 Abs.1 Satz 1 SGB VI und die Kinder der Klägerin waren 1995 über drei Jahre alt) und sie auch nicht wegen der Pflege eines Pflegebedürftigen in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist, kommt ein Befreiungsgrund im Sinne des § 3 ALG nicht in Betracht. Zutreffend hat die Beklagte aber auch § 85 Abs.3a ALG abgelehnt. Danach sind Versicherte nach § 1 Abs.3, die am 31. Dezember 1994 nicht beitragspflichtig waren, ab 1. Januar 1995 von der Versicherungspflicht befreit, wenn
1. sie am 31. Dezember 1994 mit einem zu diesem Zeitpunkt von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreiten Landwirt verheiratet sind,
2. der Wirtschaftswert des Unternehmens der Landwirtschaft nach den betrieblichen Verhältnissen am 1. Januar 1995 20.000,- DM nicht überschritten hat,
3. der befreite Unternehmer im Jahre 1994 Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 40.000,- DM erzielt hat und
4. die Befreiung bis zum 30. Juni 1996 bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse beantragt wird (§ 85 Abs.3a Satz 1 ALG).
Unstreitig erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen unter der Ziff.1 und der Ziff.2. Zweifelhaft ist, ob die Tatbestandsvoraussetzung unter Ziff.4 erfüllt ist, nachdem der Befreiungsantrag der Klägerin erst nach dem 30.06.1996, nämlich am 02.07.1996 bei der Beklagten eingegangen ist und eine Wiedereinsetzung nach der ausdrücklichen Vorschrift in § 85 Abs.3a Satz 2 ALG ausdrücklich ausgeschlossen ist. Denkbar wäre allenfalls die Fiktion einer rechtzeitigen Antragstellung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, da im übersandten Informationsmaterial kein Hinweis auf die Bedeutung des rechtzeitigen Antragseingangs bei der Beklagten enthalten ist. In dem Anschreiben vom 19.06.1996 bat die Beklagte die Klägerin, das Antragsformular betreffend den Befreiungsantrag nach § 85 Abs.3a ALG schnellstmöglich zurückzusenden. Gleichzeitig wurde um Beachtung der Antragsfrist (30.06. 1996) gebeten. Aus diesen Formulierungen wird nicht deutlich, dass der Antragseingang nach dem 30.06.1996 anspruchsvernichtend ist.
Keine Zweifel ergeben sich hingegen daran, dass der Ehemann der Klägerin im Jahre 1994 kein Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 40.000,- DM erzielt hat. Zusammen mit dem im Einkommensteuerbescheid bescheinigten Lohn und dem Arbeitslosengeld belief sich das Einkommen 1994 auf 21.661,37 DM. Dieser Betrag liegt weit unter der 40.000,- DM-Grenze des § 85 Abs.3a ALG, so dass die Beklagte zu Recht eine Befreiung verweigert. Dass die in § 85 Abs.3a Satz 1 gewählten Abgrenzungskriterien für den einmaligen Befreiungstatbestand verfassungsgemäß sind, hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 12. Februar 1998 ausführlich begründet (SozR 3-5868 § 85, Nr.2).
Die Klägerin hat derzeit keinen Anspruch auf Erlass oder Niederschlagung der Beitragsforderung. Ein Versicherungsträger darf Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre (§ 76 Abs.2 Nr.3 SGB IV). Auf die Person bezogen ist Unbilligkeit dann gegeben, wenn eine Gefährdung des wirtschaftlichen Fortbestehens oder des notwendigen Lebensunterhalts besteht. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist anhand der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse, auch unter Berücksichtigung des Bestandes und der voraussichtlichen Entwicklung des Vermögens zu prüfen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin sind jedoch noch nicht abschließend geklärt. Zwar hat sie ausweislich der übersandten Einkommensteuerbescheide kein eigenes Einkommen, hat vielmehr Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von ca. 10.000,- DM, Schulden bei der Bank und ist nicht Miteigentümerin des von ihrem Ehemann betriebenen landwirtschaftlichen Unternehmens. Weil die Klägerin aber im erwerbsfähigen Alter ist, kommt ein Erlass von vornherein nicht in Betracht.
Darüber hinaus erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin selbst über Vermögen verfügt, da Bausparkassen Darlehen nur gegen Sicherheitsleistung gewähren. Diese Umstände werden jedoch erst durch eine eidesstattliche Versicherung im Sinn des § 807 ZPO geklärt, die die Klägerin bislang noch nicht abgegeben hat bzw. von deren Durchsetzung die Beklagte bislang abgesehen hat. Hierfür ist seit 01.01.1999 der Gerichtsvollzieher zuständig, bei dem dessen Auskunft zufolge bislang kein entsprechendes Verfahren anhängig war. Die angebliche eidesstattliche Versicherung der Klägerin vor dem Amtsgericht Bayreuth ist daher für die Zwangsvollstreckung ohne Belang.
Die fehlende Abklärung der Vermögensverhältnisse der Klägerin hindert auch die Niederschlagung der Forderung. Der Versicherungsträger darf Ansprüche nur niederschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen. Im Gegensatz zum Erlass beseitigt die Niederschlagung die Forderung in ihrem Bestand nicht (KassKomm § 76 SGB IV Rdz.6). Sie ist lediglich eine interne Verwaltungsmaßnahme.
Verfügt die Klägerin aber tatsächlich über kein eigenes Vermögen, verspricht die Weiterverfolgung des Beitragsanspruchs gegenüber der Klägerin keinerlei Aussicht auf Erfolg. Dass der Ehemann über Einkommen und Vermögen verfügt, kann nicht der Klägerin entgegengehalten werden; diese Umstände sind allenfalls gegenüber dem Ehemann einzuwenden, der gemäß § 70 Abs.1 ALG als Gesamtschuldner haftet. Selbst der Erlass der Forderung gegenüber der Klägerin könnte in seiner Wirkung gemäß § 423 BGB auf das Einzelschuldverhältnis zur Klägerin beschränkt werden. Derzeit hat sie hierauf aber keinen Anspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Befreiung von der Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts, hilfsweise die Niederschlagung oder der Erlass der Beitragsforderung in Höhe von 6.479,- DM (Stand: 10.04.2000).
Die am ...1955 geborene Klägerin ist seit 26.03.1982 die Ehefrau eines von der Beitragspflicht seit 1977 befreiten Nebenerwerbslandwirts. Sie hat drei Kinder, von denen das letzte 1985 geboren ist. Der Wirtschaftswert der landwirtschaftlichen Fläche beträgt 3.247,26 DM. Mit Bescheid vom 01.02.1995 stellte die Beklagte der Klägerin gegenüber ihre Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts ab 01.01.1995 fest.
Demgegenüber machte die Klägerin am 06.02.1995 geltend, keine Beiträge zahlen zu können, weil nur der Ehemann Einkommen in Form von Arbeitslosengeld habe. Sie fragte, ob die Beiträge zurückgestellt werden könnten. Nach ihrer Ankündigung vom 14.02.1996, wegen Befreiungsmöglichkeiten persönlich vorbeizukommen, übersandte die Beklagte angesichts des Nichterscheinens der Klägerin am 24.06.1996 einen Befreiungsantrag gemäß § 85 Abs.3a ALG unter Hinweis auf die Antragsfrist vom 30.06.1996. Am 02.07.1996 ging der am 28.06.1996 unterschriebene Befreiungsantrag mit dem Einkommenssteuerbescheid für 1994 und dem Einheitswertbescheid als Anlage bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 09.07.1996 lehnte die Beklagte eine Befreiung nach § 85 Abs.3 ALG wegen Verfristung und mangels ausreichenden Einkommens des Unternehmers ab.
Dem widersprach die Klägerin mit der Begründung, eine frühere Antragstellung sei ihr wegen der notwendigen Beschaffung von Unterlagen nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei sie der Ansicht gewesen, das Antragsdatum 28.06.1996 sei maßgebend.
Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass sich das Einkommen des Ehemanns 1994 aus Arbeitslosengeld und den im Einkommensteuerbescheid bescheinigten Lohn auf 21.661,37 DM belaufen hat. Auf Anraten der Beklagten beantragte die Klägerin am 01.08.1997 die Bewilligung von Beitragszuschuss, die zunächst ab 01.02.1997 und schließlich ab 01.01.1995 erfolgte.
Am 02.12.1997 beantragte die Klägerin die Niederschlagung der Beitragsrückstände. Neben dem Arbeitslosengeld verfüge die Familie nur über Kindergeld von 740/750,- DM monatlich. Die Eheleute hätten Darlehensschulden über 16.000,- DM und der Kontostand sei ebenso im Minus wie der Einkommensteuerbescheid für 1995.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.1999 wies die Beklagte den Widerspruch vom 05.08.1996 wegen der Befreiung gemäß § 85 Abs.3a ALG zurück. Der Klägerin stehe kein Befreiungsrecht zu, da das Einkommen des Ehemannes 1994 nicht über 40.000,- DM gelegen habe und der Befreiungsantrag verspätet gestellt worden sei. Gleichzeitig lehnte die Beklagte die Niederschlagung der Forderung in Höhe von damals 4.848,- DM ab, da die Zwangs- vollstreckung noch nicht auf das unbewegliche Vermögen ausgedehnt worden sei. Ein Vollstreckungsversuch vom 16.01.1998 war erfolglos geblieben, ein Durchsuchungsbeschluss lt. Gerichtsvollzieher ohne Erfolgaussicht.
Die am 17.09.1999 erhobene Klage auf Befreiung von der Versicherungspflicht wies das Sozialgericht Bayreuth mit Gerichtsbescheid vom 22.11.1999 aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen ab. Die Ablehnung der Niederschlagung der Forderung könne mit Widerspruch angefochten werden.
Gegen den am 13.01.2000 zugestellten Gerichtsbescheid legte die Klägerin am 03.02.2000 Berufung ein und beantragte die Niederschlagung der Forderung, da anderenfalls der finanzielle Ruin drohe. Am 10.04.2000 lehnte die Beklagte den Antrag vom 03.02.2000 auf Niederschlagung der Forderung ab, da deren Weiterverfolgung aussichtsreich sei, nachdem landwirtschaftlicher Grundbesitz vorhanden sei und Arbeitslosenhilfe gepfändet werden könne. Ein Erlass der Forderung komme nicht in Betracht, da eine wirtschaftliche Notlage nicht ersichtlich sei.
Der Haftungsbescheid vom 23.07.1998 gegenüber dem Ehemann ist nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 26.08.1999 in Höhe von 3.502,- DM rechtsverbindlich geworden.
Auf Anfrage teilte die Klägerin mit, im Oktober 1999 vor dem Amtsgericht Bayreuth eine Versicherung an Eides statt abgegeben zu haben.
In der mündlichen Verhandlung am 22.11.2000 erklärte der Beklagtenvertreter, die Ermittlungen beim zuständigen Gerichtsvollzieher S ... hätten ergeben, dass niemals eine eidesstattliche Offenbarungsversicherung im Sinn des § 807 ZPO abgegeben und auch nie ein entsprechendes Verfahren eingeleitet worden sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid vom 22.11.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 09.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie ab 01.01.1995 von der Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts zu befreien, hilfweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.04.2000 zu verurteilen, die Beitragsforderung niederzuschlagen oder zu erlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.11.1999 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Bayreuth sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 09.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08. 1999 und vom 10.04.2000 sind ebensowenig zu beanstanden wie der Gerichtsbescheid vom 22.11.1999. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts und derzeit noch keinen Anspruch auf die Niederschlagung der Forderung.
Niederschlagung und Erlass der Beitragsforderung sind Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens, da § 96 SGG auch im Berufungsverfahren gilt (§ 153 Abs.1 SGG). Danach wird auch ein nach Berufungseinlegung erlassener Bescheid Gegenstand des Verfahrens, soweit er den streitgegenständlichen Bescheid abändert oder ersetzt. Der mit der Klage angefochtene Widerspruchsbescheid vom 26.08.1999 enthielt bereits eine Regelung zur Niederschlagung der Beitragsrückstände. Zwar hat das Sozialgericht ein Vorverfahren für notwendig erachtet, bei großzügiger Auslegung des § 96 SGG ist es dem Senat jedoch nicht verwehrt, auch insoweit eine Prüfung vorzunehmen. Die strittigen Bescheide gestalten ein Dauerschuldverhältnis, in dem von Anfang an die Durchsetzbarkeit der Forderung im Vordergrund gestanden hat. Auch aus prozesswirtschaftlichen Gründen verbietet es sich daher, die Klägerin entgegen dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten auf ein zwingendes Vorverfahren und den anschließenden Klageweg zu verweisen, wenn die Streitsache entscheidungsreif ist.
Es kann dahinstehen, ob der Bescheid vom 01.02.1995 trotz des Einwands der Klägerin vom 06.02.1995, die Beiträge nicht zahlen zu können, bestandskräftig geworden ist. Jedenfalls ist die Klägerin als Ehegattin eines Landwirts im Sinne des § 1 Abs.2 ALG versicherungspflichtig nach dem ALG, da die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben und die Klägerin auch nicht erwerbsunfähig ist (§ 1 Abs.3 Satz 1 in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung des ALG). Ihr steht auch kein Befreiungsrecht zu.
Da die Klägerin über kein eigenes regelmäßiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen verfügt, sie nicht wegen Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist (Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren gemäß § 56 Abs.1 Satz 1 SGB VI und die Kinder der Klägerin waren 1995 über drei Jahre alt) und sie auch nicht wegen der Pflege eines Pflegebedürftigen in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist, kommt ein Befreiungsgrund im Sinne des § 3 ALG nicht in Betracht. Zutreffend hat die Beklagte aber auch § 85 Abs.3a ALG abgelehnt. Danach sind Versicherte nach § 1 Abs.3, die am 31. Dezember 1994 nicht beitragspflichtig waren, ab 1. Januar 1995 von der Versicherungspflicht befreit, wenn
1. sie am 31. Dezember 1994 mit einem zu diesem Zeitpunkt von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreiten Landwirt verheiratet sind,
2. der Wirtschaftswert des Unternehmens der Landwirtschaft nach den betrieblichen Verhältnissen am 1. Januar 1995 20.000,- DM nicht überschritten hat,
3. der befreite Unternehmer im Jahre 1994 Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 40.000,- DM erzielt hat und
4. die Befreiung bis zum 30. Juni 1996 bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse beantragt wird (§ 85 Abs.3a Satz 1 ALG).
Unstreitig erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen unter der Ziff.1 und der Ziff.2. Zweifelhaft ist, ob die Tatbestandsvoraussetzung unter Ziff.4 erfüllt ist, nachdem der Befreiungsantrag der Klägerin erst nach dem 30.06.1996, nämlich am 02.07.1996 bei der Beklagten eingegangen ist und eine Wiedereinsetzung nach der ausdrücklichen Vorschrift in § 85 Abs.3a Satz 2 ALG ausdrücklich ausgeschlossen ist. Denkbar wäre allenfalls die Fiktion einer rechtzeitigen Antragstellung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, da im übersandten Informationsmaterial kein Hinweis auf die Bedeutung des rechtzeitigen Antragseingangs bei der Beklagten enthalten ist. In dem Anschreiben vom 19.06.1996 bat die Beklagte die Klägerin, das Antragsformular betreffend den Befreiungsantrag nach § 85 Abs.3a ALG schnellstmöglich zurückzusenden. Gleichzeitig wurde um Beachtung der Antragsfrist (30.06. 1996) gebeten. Aus diesen Formulierungen wird nicht deutlich, dass der Antragseingang nach dem 30.06.1996 anspruchsvernichtend ist.
Keine Zweifel ergeben sich hingegen daran, dass der Ehemann der Klägerin im Jahre 1994 kein Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 40.000,- DM erzielt hat. Zusammen mit dem im Einkommensteuerbescheid bescheinigten Lohn und dem Arbeitslosengeld belief sich das Einkommen 1994 auf 21.661,37 DM. Dieser Betrag liegt weit unter der 40.000,- DM-Grenze des § 85 Abs.3a ALG, so dass die Beklagte zu Recht eine Befreiung verweigert. Dass die in § 85 Abs.3a Satz 1 gewählten Abgrenzungskriterien für den einmaligen Befreiungstatbestand verfassungsgemäß sind, hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 12. Februar 1998 ausführlich begründet (SozR 3-5868 § 85, Nr.2).
Die Klägerin hat derzeit keinen Anspruch auf Erlass oder Niederschlagung der Beitragsforderung. Ein Versicherungsträger darf Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre (§ 76 Abs.2 Nr.3 SGB IV). Auf die Person bezogen ist Unbilligkeit dann gegeben, wenn eine Gefährdung des wirtschaftlichen Fortbestehens oder des notwendigen Lebensunterhalts besteht. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist anhand der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse, auch unter Berücksichtigung des Bestandes und der voraussichtlichen Entwicklung des Vermögens zu prüfen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin sind jedoch noch nicht abschließend geklärt. Zwar hat sie ausweislich der übersandten Einkommensteuerbescheide kein eigenes Einkommen, hat vielmehr Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von ca. 10.000,- DM, Schulden bei der Bank und ist nicht Miteigentümerin des von ihrem Ehemann betriebenen landwirtschaftlichen Unternehmens. Weil die Klägerin aber im erwerbsfähigen Alter ist, kommt ein Erlass von vornherein nicht in Betracht.
Darüber hinaus erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin selbst über Vermögen verfügt, da Bausparkassen Darlehen nur gegen Sicherheitsleistung gewähren. Diese Umstände werden jedoch erst durch eine eidesstattliche Versicherung im Sinn des § 807 ZPO geklärt, die die Klägerin bislang noch nicht abgegeben hat bzw. von deren Durchsetzung die Beklagte bislang abgesehen hat. Hierfür ist seit 01.01.1999 der Gerichtsvollzieher zuständig, bei dem dessen Auskunft zufolge bislang kein entsprechendes Verfahren anhängig war. Die angebliche eidesstattliche Versicherung der Klägerin vor dem Amtsgericht Bayreuth ist daher für die Zwangsvollstreckung ohne Belang.
Die fehlende Abklärung der Vermögensverhältnisse der Klägerin hindert auch die Niederschlagung der Forderung. Der Versicherungsträger darf Ansprüche nur niederschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen. Im Gegensatz zum Erlass beseitigt die Niederschlagung die Forderung in ihrem Bestand nicht (KassKomm § 76 SGB IV Rdz.6). Sie ist lediglich eine interne Verwaltungsmaßnahme.
Verfügt die Klägerin aber tatsächlich über kein eigenes Vermögen, verspricht die Weiterverfolgung des Beitragsanspruchs gegenüber der Klägerin keinerlei Aussicht auf Erfolg. Dass der Ehemann über Einkommen und Vermögen verfügt, kann nicht der Klägerin entgegengehalten werden; diese Umstände sind allenfalls gegenüber dem Ehemann einzuwenden, der gemäß § 70 Abs.1 ALG als Gesamtschuldner haftet. Selbst der Erlass der Forderung gegenüber der Klägerin könnte in seiner Wirkung gemäß § 423 BGB auf das Einzelschuldverhältnis zur Klägerin beschränkt werden. Derzeit hat sie hierauf aber keinen Anspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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