L 7 P 15/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 P 47/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 15/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich vom 16.03.2001 erledigt ist.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten in der Sache um Pflegegeld nach der Pflegestufe III für die vormalige Klägerin, die am 1926 geborene und am 12.11.2000 verstorbene Ehefrau des Klägers und Rechtsnachfolgers für die Zeit vom 01.01.1999 bis zu deren Tod. Der Kläger, der mit seiner Ehefrau in einem Haushalt lebte, war zugleich ihre Pflegeperson. Da in diesem Verfahren am 16.03. 2001 vor dem Landessozialgericht ein gerichtlicher Vergleich geschlossen worden war, den der Kläger nun jedoch zu Fall bringen möchte, ist vorrangig allerdings die Entscheidung über die Streitfrage, ob dieser Vergleich das Verfahren wirksam beendet hat.

Das Erstgericht hatte nach Beiziehung diverser ärztlicher Unterlagen die Ärztin Dr. H. als medizinische Sachverständige mit der Begutachtung der Situation der vormaligen Klägerin beauftragt. Diese Sachverständige hatte in ihrem Gutachten vom 08.11.1999 festgestellt, im Bereich der Grundpflege bestehe ein Hilfebedarf von 127 Minuten im Tagesdurchschnitt. Hierauf gestützt wies das Erstgericht mit Urteil vom 17.01.2000 die Klage ab, weil bereits die für die Pflegestufe III von § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI geforderten 240 Minuten allein für die tägliche Grundpflege nicht erreicht seien.

Im Berufungsverfahren teilte der frühere Prozessbevollmächtigte der Versicherten und vormaligen Klägerin, als solcher ausgewiesen durch deren Vollmachtsurkunde vom 28.03.2000, mit Schriftsatz vom 16.11.2000 mit, dass die Versicherte am 12.11.2000 verstorben sei. Zugleich teilte er mit, dass der Ehemann der Versicherten ausdrücklich erkläre, dass der Rechtsstreit weiter fortgeführt werden solle. Im Erörterungstermin am 16.03.01 erschien für die Klagepartei Frau Rechtsanwältin R. , die eine Urkunde vom 15.03.2001 über die Erteilung von Untervollmacht, ausgestellt vom früheren Prozessbevollmächtigten der vormaligen Klägerin und Versicherten, zu den Akten übergab.

In diesem Termin schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich:

I. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klagepartei Leistungen nach der Pflegestufe III ab 01.05.2000 zu gewähren.
II. Die Beklagte übernimmt ¼ der außergerichtlichen Kosten der Klagepartei.
III.Die Beteiligten sind darüber einig, dass der Rechtsstreit mit diesem Vergleich in vollem Umfang erledigt ist.

Mit Schreiben vom 10.04.2001 erklärte der Kläger dem Senat, er weise den Vergleich zurück. Dieser verhindere die Klärung der Hintergründe der Ablehnung der berechtigten Anträge unter Bezugnahme auf die betrügerischen Gutachten. Er verweigere die Annahme der sich nach dem Vergleich ergebenden Zahlungen, um nicht in den Verdacht der Bestechlichkeit zu geraten. Er wolle ein Urteil.

Mit Schriftsatz vom 03.05.2001 teilte der frühere Bevollmächtigte der Versicherten und vormaligen Klägerin mit, dass er nunmehr den Kläger als Erben der Versicherten vertrete und legte Vollmachtsurkunde des Klägers vom 02.05.2001 vor. Des weiteren trug er vor, der Kläger habe den am 16.03.2001 geschlossenen Vergleich zu Recht angefochten. Denn er habe niemals eine Vollmacht zum Abschluss eines Vergleichs erteilt. Dies könne er, der Bevollmächtigte bestätigen. Er habe auch der Rechtsanwältin, die den Termin am 16.03.2001 wahrgenommen habe, strikte Weisung erteilt, allenfalls einen widerruflichen Vergleich zu schließen; aus nicht nachvollziehbaren Gründen sei dann jedoch der unwiderrufliche Vergleich vom 16.03.2001 abgeschlossen worden. Außerdem sei der Rechtsstreit durch den Tod der vormaligen Klägerin unterbrochen gewesen, die ihm erteilte Vollmacht habe dadurch geendet. Deshalb sei der Vergleich vom 16.03.2001 ohne Vollmacht abgeschlossen worden; denn die frühere Vollmacht habe infolge des Todes der vormaligen Klägerin geendet und eine neue Vollmacht sei noch nicht erteilt gewesen. In Hinblick auf die zugrunde liegende Forderung nach Anhebung des Pflegegeldes bezieht der Bevollmächtigte des Klägers sich auf die früheren Angaben.

Mit Schreiben vom 07.11.2001 gab der Senat den Beteiligten zu bedenken, dass der Ansicht, dass der Vergleich vom 16.03.2001 auf Seiten der Klagepartei ohne Vollmacht abgeschlossen worden sei, erhebliche rechtliche Bedenken entgegen stünden. Denn zum einen sei die Vollmacht wegen §§ 73 Abs. 4 SGG, 86 ZPO durch den Tod der Vollmachtgeberin nicht erloschen, zum anderen sei das Verfahren zunächst zwar wegen § 239 ZPO in Verbindung mit § 202 SGG durch den Tod der vormaligen Klägerin unterbrochen gewesen, aber schon durch den Schriftsatz vom 15.11.2000 und somit lange vor dem Abschluss des Vergleichs wieder aufgenommen worden. Deshalb sei dringend anzuraten, den Antrag auf Annullierung des Vergleichs vom 16.03.2001 zurückzuziehen, zumal es ohnehin kaum möglich sein dürfte, jetzt noch die Verhältnisse im streitbefangenen Zeitraum weiter aufzuklären, und zumal der Vergleich vom 16.03.2001 bei objektiver Würdigung der Ausgangslage für die Klagepartei nicht als ungünstig erscheine.

Die Klagepartei hat sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Ersturteils und der zugrundeliegenden Bescheide zu verurteilen, dem Kläger als Rechtsnachfolger der Versicherten für die Zeit vom 01.01. 1999 bis 12.11.2000 Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III zu gewähren.

Demgegenüber hat die Beklagte beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 16.03.2001 erledigt ist, hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.

Außerdem erklärten beide Parteien, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die von der Klagepartei gestellten Sachanträge ist nicht mehr zu entscheiden, da der Rechtsstreit durch den am 16.03. 2001 geschlossenen Prozessvergleich wirksam beendet worden ist.

Da mit dem am 16.03.2001 abgeschlossenen Prozessvergleich kraft seiner Doppelnatur (vgl. zutreffend BGHZ 16, 388, 390) nicht nur die materiellrechtlichen Beziehungen verbindlich geregelt worden sind (§ 54 Abs. 1 SGB X), sondern auch der Rechtsstreit insgesamt beendet worden ist (s. insbesondere auch Ziffer III des Vergleichs vom 16.03.2001), ist der Senat gehalten, nur noch die Feststellung zu treffen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 16.03.2001 erledigt worden ist (BGH a.a.O.).

Der Vergleich vom 16.03.2001 ist nicht daran gescheitert, dass der Tod der vormaligen Klägerin das Verfahren unterbrochen hätte. Zwar ergibt sich die Unterbrechung eines gerichtlichen Verfahrens durch den Tod einer Partei aus den in §§ 202 SGG, 239 Abs. 1 ZPO niedergelegten Grundsätzen mit der Folge, dass auch der vorliegende Rechtsstreit am 12.11.2000 unterbrochen war. Gemäß der Regelung des § 239 Abs. 1 ZPO besteht die Unterbrechung jedoch nur so lange fort, bis das Verfahren durch den Rechtsnachfolger aufgenommen worden ist. Dies war hier jedoch bereits erfolgt durch die im Auftrag des Klägers abgegebene Erklärung des Bevollmächtigten der Klagepartei vom 16.11.2000. Denn der Kläger ist unabhängig von dem Inhalt eines etwa erteilten Erbscheins jedenfalls im Bezug auf das vorliegende Verfahren der Rechtsnachfolger der Versicherten geworden; denn er war deren Ehegatte und hat im Zeitpunkt des Todes der Versicherten mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt gelebt (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I).

Es trifft auch nicht zu, dass der Vergleich den Rechtsstreit nicht beendet habe, weil er auf Seiten der Klagepartei von einer Vertreterin ohne wirksame Prozessvollmacht abgeschlossen worden wäre. Die für den Kläger am 16.03.2001 handelnde Bevollmächtigte war vielmehr prozessrechtlich zum Abschluss des Vergleichs befugt. Denn sie hatte zuvor die Urkunde vom 15.03.2001 mit dem Inhalt, dass sie vom Hauptbevollmächtigten des Klägers Untervollmacht erhalten habe, zu den Akten des Landessozialgerichts übergeben. Diese Untervollmacht war auch wirksam, denn auch der Hauptbevollmächtigte war dabei nach wie vor im Besitz einer wirksamen Vollmacht gewesen. Denn insoweit bestand die von der vormaligen Klägerin, der inzwischen verstorbenen Versicherten, erteilte Vollmacht vom 28.03.2000 noch fort. Insbesondere war die Vollmacht vom 28.03.2000 durch den Tod der Vollmachtgeberin, der vormaligen Klägerin, nicht erloschen. Vielmehr beruht der Fortbestand einer einmal erteilten Vollmacht in einem gerichtlichen Verfahren bis zu deren Beendigung durch die Erben auch im Falle des Todes der Vollmachtgeberin auf ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (§§ 73 Abs. 4 SGG, 86 ZPO). Aus diesem Grunde hat die Erklärung der wirksam unterbevollmächtigten Terminsvertreterin, die von Seiten der Klagepartei zum Abschluss des Vergleichs vom 16.03.2001 geführt hat, auch gegen den jetzigen Kläger Wirkung entfaltet (vgl. BGHZ 40, 203).

Dabei kann schließlich auch offen gelassen werden, ob der Hauptbevollmächtigte der Klagepartei der im Termin am 16.03. 2001 handelnden Unterbevollmächtigten in der Tat untersagt hatte, einen unwiderruflichen Vergleich abzuschließen. Denn auch wenn eine solche Beschränkung der Vollmacht bestanden hätte, hätte sie hier nur wirksam werden können, wenn sie vor dem Abschluss des umstrittenen Vergleichs der Beklagten unzweideutig durch gesonderte Erklärung mitgeteilt worden oder in die im Verfahren zur Erteilung der Untervollmacht vorgelegte Urkunde aufgenommen worden wäre (§§ 73 Abs. 4 SGG, 83 ZPO; BGHZ 16, 167). Dies war hier jedoch nicht der Fall. Deshalb hätte hier eine solche Beschränkung der Vollmacht, selbst wenn sie in der vorgetragenen Form abgesprochen worden wäre, nur im Innenverhältnis zwischen der bevollmächtigten Person, der handelnden Unterbevollmächtigten, und dem Vollmachtgeber Wirkung entfaltet, sie hätte jedoch die Wirksamkeit der Vollmacht im Außenverhältnis nicht einschränken können. Denn außer in den Fällen des § 83 ZPO richtet sich der Umfang der Vollmacht im Verhältnis zu denjenigen Personen, denen gegenüber eine auf dieser Vollmacht beruhende Prozesshandlung vorgenommen wird, nicht nach internen Absprachen, sondern allein nach dem Gesetz (§§ 73 Abs. 4 SGG, 81 ZPO); der grundsätzliche Umfang einer Prozessvollmacht im Außenverhältnis ist vom Gesetz genau umschrieben und kann aus Gründen der Rechtssicherheit im prozessualen Rechtsverkehr jedenfalls nach außen hin nur in den im Gesetz (§§ 81 ff ZPO) ausdrücklich geregelten engen Grenzen wirksam beschränkt werden.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 193, 202 SGG, 91 ff. ZPO; wegen der Erfolglosigkeit der Anträge der Klagepartei kann dieser Kostenerstattung nicht zugebilligt werden. Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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