L 4 P 22/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 P 40/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 P 22/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beklagte und Berufungskläger verpflichtet ist, an die Klägerin Beiträge zur Pflegeversicherung für die Zeit von Juli 1997 bis April 1999 in Höhe von insgesamt 2.436,02 DM zu bezahlen.

Der Beklagte ist seit 01.07.1997 bei der Klägerin privat krankenversichert mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistung. Seit 01.01.1995 besteht für den Beklagten Versicherungspflicht in der privaten Pflegepflichtversicherung. Der Beitrag hierfür betrug ab 01.01.1997 DM 104,55 und ab 01.01.1998 DM 107,10. Nachdem der Beklagte seit Januar 1997 keine Beiträge mehr zu seiner Pflegepflichtversicherung bezahlt hatte, erhob die Klägerin am 18.02.1998 Klage zum Sozialgericht München mit dem Antrag, den Beklagten zur Beitragszahlung einschließlich Zinsen in Höhe von 4% zu verurteilen. Der Beklagte äußerte hierzu die Auffassung, er habe bei der Klägerin keinen Pflegeversicherungsvertrag abgeschlossen. Erst im Dezember 1996 sei ihm aufgefallen, dass rechtswidrige Abbuchungen erfolgt seien. Diese habe er dann mit Wirkung vom 01.01.1997 gestoppt. Außerdem trug er vor, er schulde auf jeden Fall ab Juli 1997 keine Beiträge, weil die Klägerin ihm mitgeteilt habe, sein Versicherungsschutz sei erloschen. Weiter müsse er Beiträge auch deshalb nicht bezahlen, weil er beabsichtige, sein Alter im Ausland zu verbringen, dort könne er keine Pflegeleistungen erhalten. Außerdem sei das Pflegeversicherungsgesetz verfassungswidrig. Auf die rechtlichen Ausführungen der Klägerin hin erklärte sich der Beklagte dann bereit, die Beiträge bis 30.06.1997 zu bezahlen. Ab 01.07.1997 verweigerte er die Zahlung, weil er davon ausging, der Vertrag habe durch seine Kündigung geendet. Die Klägerin wies daraufhin, ein Kündigungsrecht bestehe weder für sie noch für den Beklagten.

Mit Schreiben vom 14.06.1999 teilte die Klägerin mit, der Beklagte habe den Krankenversicherungsvertrag zum 30.04.1999 außerordentlich gekündigt. Damit sei der Kontrahierungszwang gemäß § 23 Abs.1 SGB XI zum selben Zeitpunkt entfallen. Sie erweiterte ihre Klage auf die bis zum 30.04.1999 ausstehenden Beiträge aus der privaten Pflegepflichtversicherung und verlangte für die Zeit von Juli 1997 bis einschließlich April 1999 Beiträge in Höhe von insgesamt 2.436,02 DM.

Das Sozialgericht verurteilte den Beklagten am 01.12.1999 zu der von der Klägerin beantragten Zahlung nebst 4% Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit. Die Klage sei zum zuständigen Sozialgericht München erhoben, erweise sich als zulässig und begründet. Der Beklagte sei bis 30.04.1999 als bei der Klägerin privat Krankheitskosten-Vollversicherter verpflichtet gewesen, zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrecht zu erhalten (§ 23 Abs.1 Satz 1 SGB XI). Er schulde deshalb auch Beiträge.

Die hiergegen eingelegte Berufung begründet der Beklagte zunächst mit der Verfassungswidrigkeit des Pflegepflichtversicherungsgesetzes. Hilfsweise machte er geltend, er habe den Pflegepflichtversicherungsvertrag zumindest zum 31.12.1998 gekündigt und schulde deshalb nur die Prämien für Januar bis einschließlich April 1999. Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 03.04.2001 die Verfassungsmäßigkeit der Pflegeversicherung bestätigt hatte, beantragte der Beklagte die Klageabweisung mit der Begründung, er habe den Pflegepflichtversicherungsvertrag zum 30.06.1998 gekündigt und schulde ab 01.07. 1998 keine Pflegepflichtversicherungsprämien mehr. Außerdem solle der Senat § 39 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) dem Bundesverfassungsgericht zur verfassungsrechtlichen Überprüfung vorlegen, weil es verfassungswidrig sei, dass trotz fehlender Leistungspflicht die Prämienzahlungspflicht besteht.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.12.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragt er,

festzustellen, dass er lediglich Beiträge bis 31.12.1998 zu bezahlen habe.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, § 23 Abs.1 Satz 1 SBG XI verpflichte Versicherungsnehmer zum Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrags sowie dessen Aufrechterhaltung. Diese Pflicht schließe vertragliche Kündigungsrechte des Versicherungsnehmers grundsätzlich aus. Die Verfassungsmäßigkeit des § 39 VVG sei nicht zu bezweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, deren Wert des Beschwerdegegenstandes DM 1.000,00 übertrifft (§ 144 Abs.1 Nr.1 SGG), ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Der Beklagte war in der Zeit vom 01.01.1995 bis 30.04.1999 bei der Klägerin, einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert. Daraus ergibt sich seine Versicherungspflicht zur Pflegeversicherung (§ 23 Abs.1 SGB XI). Dies wird auch vom Beklagten für die Zeit bis 01.07.1998 nicht mehr bestritten. Der Beklagte konnte entgegen seiner Auffassung den Pflegepflichtversicherungsvertrag nicht zum 30.06.1998 kündigen. § 23 Abs.1 Satz 1 SGB VI regelt nämlich nicht nur die Verpflichtung von Personen, die privat gegen das Risiko Krankheit versichert sind, einen Vertrag zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit abzuschließen, sondern verpflichtet sie auch, ihn aufrecht zu erhalten. Entsprechend ist in den allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (§ 13) die Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers eingeschränkt auf Fälle des Eintritts einer Pflichtversicherung (§ 13 Abs.1) sowie der Beendigung der privaten Krankenversicherung (§ 13 Abs.2). Da sich der Beklagte nicht im Ausland aufgehalten hat, entfällt die Kündigungsmöglichkeit gemäß § 13 Abs.3 der Versicherungsbedingungen. Im Übrigen sind gemäß § 110 Abs.4 S.1 SGB XI auch die Rücktritts- und Kündigungsrechte der Klägerin ausgeschlossen, solange der Kontrahierungszwang besteht.

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Verfassungsmäßigkeit des § 39 Abs.2 VVG zu überprüfen. Es spielt für den Ausgang des Rechtsstreits keine Rolle, ob der Gesetzgeber gewollt hat, dass die Prämienzahlungspflicht trotz fehlender Leistungspflicht des Versicherers so sein soll und ob diese Regelung verfassungsmäßig ist. Die Leistungspflicht der Klägerin ab 02.11.1998 trat nämlich bereits deshalb nicht ein, weil es an einem Versicherungsfall, der Leistungen zur Folge haben könnte, fehlte.

Die Pflicht zur Beitragszahlung ergibt sich aus §§ 8 ff. der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Private Pflege- pflichtversicherung i.V.m. § 1 Abs.2, 35 VVG.

Die Beitragshöhe ist unbestritten. Bei der Beitragsschuld des Beklagten handelt es sich um eine Geldschuld. Die Klägerin hat den Beklagten durch Mahnung in Verzug gesetzt. Der Mahnung steht die Erhebung der Klage auf Leistung gleich (§ 284 Abs.1 S.2 BGB).

Die Klägerin ist damit gemäß § 288 Abs.1 S. 1 BGB auf jeden Fall ab Rechtshängigkeit berechtigt, vom Beklagten vier vom Hundert Zinsen für das Jahr zu fordern.

Entsprechend ist der Beklagte zu verurteilen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen des Klägers.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben. Das Verfassungsgericht hat über die Verfassungsmäßigkeit des SGB XI bereits entschieden.
Rechtskraft
Aus
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