Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 P 18/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 29/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.04.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Leistungen wegen häuslicher Pflege nach der Pflegestufe I zu gewähren hat.
Der am 1942 geborene Kläger leidet an einer Psychose mit organischer Wesensveränderung, an Diabetes mellitus, einer Erblindung bei Retinopathie, an Depressionen und anderem. Am 14.11.1998 beantragte er Leistungen wegen häuslicher Pflege aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. Er fügte ein Attest des Neurologen Dr.L. vom 14.11.1998 bei. Er werde von seiner Ehefrau gepflegt. Sie führe ein Pflegetagebuch, das er vorlege. Daraus ergibt sich, dass der Kläger bei allen Verrichtungen mit Ausnahme des Stehens der Hilfe bedarf. Bei Addition der angegebenen Zeiten beläuft sich der Pflegebedarf pro Tag auf 27,33 Stunden. Die Beklagte beauftragte ihren medizinischen Dienst - MDK - ein Gutachten nach Hausbesuch am 18.05.1999 zu erstatten. Im Gutachten vom 07.06.1999 wird ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege von 17 Minuten, bei der Ernährung von 6 Minuten und bei der Mobilität von 8 Minuten pro Tag, also insgesamt 31 Minuten bescheinigt. Ein hauswirtschaftlicher Bedarf von 45 Minuten wird für angemessen gehalten. Mit Bescheid vom 23.06.1999 lehnte die Beklagte darauf gestützt die Gewährung von Pflegegeld ab. Im Widerspruch brachte die frühere Betreuerin des Klägers vor, es bestehe ein höherer Pflegebedarf. Die Beklagte veranlaßte eine nochmalige Begutachtung durch ihren MDK nach einem Hausbesuch am 18.10.1999. Das Gutachten vom 17.11.1999 bestätigte nochmals einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 31 Minuten. Im Bereich der Hauswirtschaft wurden jetzt 50 Minuten für notwendig erachtet. Mit Bescheid vom 29.11.1999 lehnte die Beklagte erneut Leistungen aus der Pflegeversicherung ab, weil der Kläger im Bereich der Grundpflege keinen Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten täglich im Wochendurchschnitt habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 01.03.2000).
Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Regensburg Klage erhoben. Er hat ein psychiatrisches Gutachten vom 26.05.2000 vorgelegt. Dieses war auf Veranlassung des Amtsgerichts Regensburg - Vormundschaftsgericht - zur Geschäftsfähigkeit des Klägers für alle Angelegenheiten erstattet worden. In der mündlichen Verhandlung vom 31.07.2000 hat die Ehefrau des Klägers als Zeugin einen Hilfebedarf in Form der Beaufsichtigung beim Umgang mit Wasser, also einmal täglich beim Duschen mit voller Übernahme im zeitlichen Umfang von 15 bis 20 Minuten, bei der Zahnpflege in Form von Bereitstellen der notwendigen Sachen und der Aufsicht von 5 Minuten, beim Rasieren von 10 Minuten und beim Kämmen von 2 Minuten geschildert. Bei der Darm-und Blasenentleerung müsse der Kläger nachts bis zu zehnmal zur Toilette geführt werden, wobei jedesmal ein Nachreinigen erforderlich sei. Der Kläger benötige wegen des Diabetes mellitus täglich 6 Mahlzeiten, welche mundgerecht zubereitet werden müßten. Gelegentlich müsse ihm beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, beim An- und Auskleiden in Form des Bereitlegens der Kleidung und der Kontrolle, was 6 bis 8 Minuten täglich in Anspruch nehme, geholfen werden. Beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zum mindestens einmal wöchentlich anfallenden Hausarztbesuch belaufe sich die Hilfe auf 60 bis 90 Minuten. Vollständiger Hilfebedarf bestehe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. Das Gericht hat nach Beiziehen von Befundberichten der behandelnden Ärzte den Lehrer für Pflegeberufe B. zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat nach einem Hausbesuch am 30.10.2000 und nach Einblick in die Pflegedokumentation des Bezirksklinikums R. , wo der Kläger vom 13.01. bis 09.03.1999 und vom 06.08. bis 24.08.1999 stationär behandelt worden war, am 06.12.2000 ein Gutachten erstattet. Darin ist er zum Ergebnis gekommen, der Kläger benötige wegen seiner Sehbehinderung im Bereich der Körperpflege beim täglichen Duschen Hilfe von 15 Minuten, im Bereich der Zahnpflege, wozu ihm die hierfür notwendigen Utensilien bereitgelegt werden müßten, von 2 Minuten täglich und weil er wegen seiner zitternden Hände dies nicht verrichten könne, beim Rasieren von 5 Minuten täglich. Im Bereich der Ernährung bestehe kein Hilfebedarf. Beim An- und Auskleiden müsse die Kleidung bereitgelegt bzw. wieder weggeräumt werden, was 5 Minuten in Anspruch nehme. Beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung einmal pro Woche zum Hausarzt und zweimal pro Monat zum Facharzt müsse er begleitet werden. Hierfür seien ohne Wartezeit jeweils 40 Minuten anzusetzen. Es bestehe ohne die Begleitung außer Haus ein Grundpflegebedarf von ca. 27 Minuten täglich und im Bereich der Hauswirtschaft ein Hilfebedarf von ca. 31 Stunden in der Woche. Die Bevollmächtigte des Klägers nahm dazu Stellung; sie brachte vor, beim Hausbesuch durch den Gutachter habe der Kläger sich in einer "Prüfungssituation" befunden und mehr Verrichtungen vollbracht als sonst. Tatsächlich liege der tägliche Hilfebedarf weitaus höher. In der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2001 haben der Vertreter der Beklagten und die Urkundsbeamtin berichtet, sie hätten den Kläger mehrfach alleine auf der Straße gesehen. Mit Urteil vom 05.04.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei davon auszugehen, dass beim Kläger im Bereich der Grundpflege maximal ein Hilfebedarf von 35 bis 36 Minuten pro Tag bestehe. Dies entnehme es dem Gutachten von B. und den verschiedenen MDK-Gutachten sowie der Pflegedokumentation des Bezirksklinikums R ... Dies gelte auch unter der Annahme, der Kläger müsse regelmäßig einmal pro Woche zu seinem Hausarzt begleitet werden, was das Gericht nicht näher nachzuprüfen habe. Denn auch dann würden die vom Gesetz festgelegten 45 Minuten täglichen Hilfebedarfs nicht erreicht, geschweige denn überschritten.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen lassen, sein Hilfebedarf sei weit höher. Er sei schließlich keine Maschine, die auf Knopfdruck in Gang gesetzt werden könne. Er sei oft nicht in der Lage notwendige Dinge, wie Zähneputzen und dergl. zu beginnen. Er müsse dazu aufgefordert und dabei beobachtet werden. Zwar erfordere dies nicht die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Pflegeperson, jedoch sei diese insoweit zeitlich gebunden. All dies müsse berücksichtigt werden. Man dürfe sich nicht an den bloßen Zeitwerten orientieren. Dies werde seiner Situation nicht gerecht. Der Senat hat bei den Hausärzten des Klägers angefragt und um Auskunft gebeten, wie oft der Kläger zu Arztbesuchen in den Jahren 2000 und 2001 in ihren Praxen erschienen sei. Nach den Auskünften der behandelnden Ärzte ist der Kläger dort nicht regelmäßig 1 x pro Woche erschienen. Ferner hat der Senat geprüft, von wann bis wann der Kläger stationär behandelt worden war und ob den dort geführten Pflegedokumentationen Anhaltspunkte über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit zu entnehmen seien. Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass kein regelmäßig einmal pro Woche stattgefundener Arztbesuch durch seine behandelnden Ärzte dokumentiert werde. Er hat hierzu eingewandt, die Aussage seiner Ehefrau vor dem Sozialgericht verliere durch diese Feststellungen nicht an Glaubwürdigkeit. Sie sei rund um die Uhr mit seiner Pflege beschäftigt. Der Minutenhandel sei im Übrigen deprimierend.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 05.04.2001 und des Bescheids vom 23.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2000 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 14.11.1998 Pflegegeld wegen häuslicher Pflege nach der Stufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Pflegegeld gemäß der §§ 37, 14, 15 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB XI ab dem 01.11.1998 nicht zusteht. Ein solcher Anspruch setzt voraus, daß Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 SGB XI zumindest in einem Ausmaß vorliegt, das in § 15 Abs. 1 Nr. 1 und § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI festgelegt ist. Der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Grundpflege erreicht nicht den darin zeitlich festgelegten Umfang von mehr als 45 Minuten täglich im Wochendurchschnitt.
Maßgebend für den Senat sind insoweit die Feststellungen des MDK in den Gutachten vom 18.05.1999 und 17.11.1999, welche er im Urkundenbeweis verwerten kann, ferner die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen B. vom 06.12.2000 und die schriftlichen Auskünfte der Hausärzte Dr.F. , Dr.F. und Dr.D. vom 21.12.2000 bzw. vom 24.08.2001. Danach steht insgesamt fest, dass der Kläger Hilfe beim Duschen, bei der Zahnpflege, dem Rasieren, dem Kämmen und dem An- und Auskleiden benötigt. Insoweit besteht Einigkeit aller vorgenannten Sachverständigen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass beim Duschen nur Aufsicht und eine teilweise Übernahme (Waschen des Rückens) erforderlich ist. Beim Zähneputzen muß wegen der Sehbehinderung lediglich das Zahnputzzeug zurecht gelegt werden; beim An- und Auskleiden gilt dies für die Kleidunggsstücke. Ansonsten ist der Kläger weder im Bereich der Hand- noch der Beinmotorik eingeschränkt. Dies läßt sich auch den vorgelegten Pflegedokumentationen der Krankenhäuser, in denen der Kläger stationär behandelt worden war, entnehmen. Dabei handelt es sich um das Bezirksklinikum R. , wo der Kläger sich vom 13.01. bis 09.03.1999, vom 06.08.1999 bis 24.08.1999 und vom 07.05.2001 bis 18.06.2001 aufhielt, um das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder R. mit stationärem Aufenthalt vom 06.07. bis 25.07.2001 und um das Caritas-Krankenhauses S. mit stationärem Aufenthalt vom 10.07.1999 bis 14.07.1999. Selbst wenn man von den Angaben seiner Ehefrau vor dem Sozialgericht am 21.07.2000 ausgehen wollte, so ergibt sich kein anderes Bild. Denn abgesehen von der nachfolgend genannten Ausnahme deckt sich der von ihr geschilderte Verrichtungsumfang. Wenn sie anführt, der Kläger müsse nachts bis zu 10 mal zur Toilette geführt werden, so ist dies nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar, denn beim Toilettenbesuch untertags wird keine Hilfe in Anspruch genommen. Warum dies in der Nacht anders sein soll, ist nicht plausibel.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger tatsächlich nicht mehr in der Lage ist, ohne fremde Hilfe das Haus zu verlassen. Denn selbst wenn man dies zu seinen Gunsten unterstellt, wird der Zeitumfang für die Pflegestufe I von mehr als 45 Minuten im Grundpflegebereich nicht erreicht. Denn es ist nur die Hilfe berücksichtigungsfähig, die beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu einem Zweck anfällt, der dazu bestimmt ist, die Aufrechterhaltung der Existenz in der häuslichen Umgebung zu sichern (BSG Urteil vom 29.04.1999; B 3 P 7/98 R). Zudem muß es sich um Wege handeln, die mindestens einmal pro Woche erforderlich sind (BSG Urteil vom 29.04.1999; B 3 P 12/98 R). Die Ermittlungen des Senats bei den Ärzten des Klägers, Dr. F. , Dr.D. und Dr.F. , erbrachten nicht den Beweis für regelmäßige Praxisbesuche von mindestens einmal pro Woche. Innerhalb seines häuslichen Bereichs kann sich der Kläger trotz seiner Sehbehinderung ausreichend sicher bewegen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass er sich während seines Aufenthalts im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder sogar alleine auf dem Flur fortbewegen konnte, wie der Pflegedokumentation zu entnehmen ist. Andere regelmäßig einmal pro Woche erforderliche Besuche außer Haus fallen nach dem eigenem Vortrag des Klägers nicht an. Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass die vom Sozialgericht angestellte Berechnung des Hilfeumfangs eher großzügig und damit im Wesentlichen zutreffend ist. Der Zeitrahmen von mehr als 45 Minuten Hilfe im Grundpflegebereich, wie er für die Pflegestufe I in § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI genannt wird, ist jedenfalls nicht erreicht.
Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung der vorgenannten Leistung ab dem 01.11. 1998 zusteht. Seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.04.2001 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht gegeben sind.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Leistungen wegen häuslicher Pflege nach der Pflegestufe I zu gewähren hat.
Der am 1942 geborene Kläger leidet an einer Psychose mit organischer Wesensveränderung, an Diabetes mellitus, einer Erblindung bei Retinopathie, an Depressionen und anderem. Am 14.11.1998 beantragte er Leistungen wegen häuslicher Pflege aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. Er fügte ein Attest des Neurologen Dr.L. vom 14.11.1998 bei. Er werde von seiner Ehefrau gepflegt. Sie führe ein Pflegetagebuch, das er vorlege. Daraus ergibt sich, dass der Kläger bei allen Verrichtungen mit Ausnahme des Stehens der Hilfe bedarf. Bei Addition der angegebenen Zeiten beläuft sich der Pflegebedarf pro Tag auf 27,33 Stunden. Die Beklagte beauftragte ihren medizinischen Dienst - MDK - ein Gutachten nach Hausbesuch am 18.05.1999 zu erstatten. Im Gutachten vom 07.06.1999 wird ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege von 17 Minuten, bei der Ernährung von 6 Minuten und bei der Mobilität von 8 Minuten pro Tag, also insgesamt 31 Minuten bescheinigt. Ein hauswirtschaftlicher Bedarf von 45 Minuten wird für angemessen gehalten. Mit Bescheid vom 23.06.1999 lehnte die Beklagte darauf gestützt die Gewährung von Pflegegeld ab. Im Widerspruch brachte die frühere Betreuerin des Klägers vor, es bestehe ein höherer Pflegebedarf. Die Beklagte veranlaßte eine nochmalige Begutachtung durch ihren MDK nach einem Hausbesuch am 18.10.1999. Das Gutachten vom 17.11.1999 bestätigte nochmals einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 31 Minuten. Im Bereich der Hauswirtschaft wurden jetzt 50 Minuten für notwendig erachtet. Mit Bescheid vom 29.11.1999 lehnte die Beklagte erneut Leistungen aus der Pflegeversicherung ab, weil der Kläger im Bereich der Grundpflege keinen Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten täglich im Wochendurchschnitt habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 01.03.2000).
Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Regensburg Klage erhoben. Er hat ein psychiatrisches Gutachten vom 26.05.2000 vorgelegt. Dieses war auf Veranlassung des Amtsgerichts Regensburg - Vormundschaftsgericht - zur Geschäftsfähigkeit des Klägers für alle Angelegenheiten erstattet worden. In der mündlichen Verhandlung vom 31.07.2000 hat die Ehefrau des Klägers als Zeugin einen Hilfebedarf in Form der Beaufsichtigung beim Umgang mit Wasser, also einmal täglich beim Duschen mit voller Übernahme im zeitlichen Umfang von 15 bis 20 Minuten, bei der Zahnpflege in Form von Bereitstellen der notwendigen Sachen und der Aufsicht von 5 Minuten, beim Rasieren von 10 Minuten und beim Kämmen von 2 Minuten geschildert. Bei der Darm-und Blasenentleerung müsse der Kläger nachts bis zu zehnmal zur Toilette geführt werden, wobei jedesmal ein Nachreinigen erforderlich sei. Der Kläger benötige wegen des Diabetes mellitus täglich 6 Mahlzeiten, welche mundgerecht zubereitet werden müßten. Gelegentlich müsse ihm beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, beim An- und Auskleiden in Form des Bereitlegens der Kleidung und der Kontrolle, was 6 bis 8 Minuten täglich in Anspruch nehme, geholfen werden. Beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zum mindestens einmal wöchentlich anfallenden Hausarztbesuch belaufe sich die Hilfe auf 60 bis 90 Minuten. Vollständiger Hilfebedarf bestehe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. Das Gericht hat nach Beiziehen von Befundberichten der behandelnden Ärzte den Lehrer für Pflegeberufe B. zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat nach einem Hausbesuch am 30.10.2000 und nach Einblick in die Pflegedokumentation des Bezirksklinikums R. , wo der Kläger vom 13.01. bis 09.03.1999 und vom 06.08. bis 24.08.1999 stationär behandelt worden war, am 06.12.2000 ein Gutachten erstattet. Darin ist er zum Ergebnis gekommen, der Kläger benötige wegen seiner Sehbehinderung im Bereich der Körperpflege beim täglichen Duschen Hilfe von 15 Minuten, im Bereich der Zahnpflege, wozu ihm die hierfür notwendigen Utensilien bereitgelegt werden müßten, von 2 Minuten täglich und weil er wegen seiner zitternden Hände dies nicht verrichten könne, beim Rasieren von 5 Minuten täglich. Im Bereich der Ernährung bestehe kein Hilfebedarf. Beim An- und Auskleiden müsse die Kleidung bereitgelegt bzw. wieder weggeräumt werden, was 5 Minuten in Anspruch nehme. Beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung einmal pro Woche zum Hausarzt und zweimal pro Monat zum Facharzt müsse er begleitet werden. Hierfür seien ohne Wartezeit jeweils 40 Minuten anzusetzen. Es bestehe ohne die Begleitung außer Haus ein Grundpflegebedarf von ca. 27 Minuten täglich und im Bereich der Hauswirtschaft ein Hilfebedarf von ca. 31 Stunden in der Woche. Die Bevollmächtigte des Klägers nahm dazu Stellung; sie brachte vor, beim Hausbesuch durch den Gutachter habe der Kläger sich in einer "Prüfungssituation" befunden und mehr Verrichtungen vollbracht als sonst. Tatsächlich liege der tägliche Hilfebedarf weitaus höher. In der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2001 haben der Vertreter der Beklagten und die Urkundsbeamtin berichtet, sie hätten den Kläger mehrfach alleine auf der Straße gesehen. Mit Urteil vom 05.04.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei davon auszugehen, dass beim Kläger im Bereich der Grundpflege maximal ein Hilfebedarf von 35 bis 36 Minuten pro Tag bestehe. Dies entnehme es dem Gutachten von B. und den verschiedenen MDK-Gutachten sowie der Pflegedokumentation des Bezirksklinikums R ... Dies gelte auch unter der Annahme, der Kläger müsse regelmäßig einmal pro Woche zu seinem Hausarzt begleitet werden, was das Gericht nicht näher nachzuprüfen habe. Denn auch dann würden die vom Gesetz festgelegten 45 Minuten täglichen Hilfebedarfs nicht erreicht, geschweige denn überschritten.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen lassen, sein Hilfebedarf sei weit höher. Er sei schließlich keine Maschine, die auf Knopfdruck in Gang gesetzt werden könne. Er sei oft nicht in der Lage notwendige Dinge, wie Zähneputzen und dergl. zu beginnen. Er müsse dazu aufgefordert und dabei beobachtet werden. Zwar erfordere dies nicht die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Pflegeperson, jedoch sei diese insoweit zeitlich gebunden. All dies müsse berücksichtigt werden. Man dürfe sich nicht an den bloßen Zeitwerten orientieren. Dies werde seiner Situation nicht gerecht. Der Senat hat bei den Hausärzten des Klägers angefragt und um Auskunft gebeten, wie oft der Kläger zu Arztbesuchen in den Jahren 2000 und 2001 in ihren Praxen erschienen sei. Nach den Auskünften der behandelnden Ärzte ist der Kläger dort nicht regelmäßig 1 x pro Woche erschienen. Ferner hat der Senat geprüft, von wann bis wann der Kläger stationär behandelt worden war und ob den dort geführten Pflegedokumentationen Anhaltspunkte über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit zu entnehmen seien. Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass kein regelmäßig einmal pro Woche stattgefundener Arztbesuch durch seine behandelnden Ärzte dokumentiert werde. Er hat hierzu eingewandt, die Aussage seiner Ehefrau vor dem Sozialgericht verliere durch diese Feststellungen nicht an Glaubwürdigkeit. Sie sei rund um die Uhr mit seiner Pflege beschäftigt. Der Minutenhandel sei im Übrigen deprimierend.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 05.04.2001 und des Bescheids vom 23.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2000 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 14.11.1998 Pflegegeld wegen häuslicher Pflege nach der Stufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Pflegegeld gemäß der §§ 37, 14, 15 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB XI ab dem 01.11.1998 nicht zusteht. Ein solcher Anspruch setzt voraus, daß Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 SGB XI zumindest in einem Ausmaß vorliegt, das in § 15 Abs. 1 Nr. 1 und § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI festgelegt ist. Der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Grundpflege erreicht nicht den darin zeitlich festgelegten Umfang von mehr als 45 Minuten täglich im Wochendurchschnitt.
Maßgebend für den Senat sind insoweit die Feststellungen des MDK in den Gutachten vom 18.05.1999 und 17.11.1999, welche er im Urkundenbeweis verwerten kann, ferner die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen B. vom 06.12.2000 und die schriftlichen Auskünfte der Hausärzte Dr.F. , Dr.F. und Dr.D. vom 21.12.2000 bzw. vom 24.08.2001. Danach steht insgesamt fest, dass der Kläger Hilfe beim Duschen, bei der Zahnpflege, dem Rasieren, dem Kämmen und dem An- und Auskleiden benötigt. Insoweit besteht Einigkeit aller vorgenannten Sachverständigen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass beim Duschen nur Aufsicht und eine teilweise Übernahme (Waschen des Rückens) erforderlich ist. Beim Zähneputzen muß wegen der Sehbehinderung lediglich das Zahnputzzeug zurecht gelegt werden; beim An- und Auskleiden gilt dies für die Kleidunggsstücke. Ansonsten ist der Kläger weder im Bereich der Hand- noch der Beinmotorik eingeschränkt. Dies läßt sich auch den vorgelegten Pflegedokumentationen der Krankenhäuser, in denen der Kläger stationär behandelt worden war, entnehmen. Dabei handelt es sich um das Bezirksklinikum R. , wo der Kläger sich vom 13.01. bis 09.03.1999, vom 06.08.1999 bis 24.08.1999 und vom 07.05.2001 bis 18.06.2001 aufhielt, um das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder R. mit stationärem Aufenthalt vom 06.07. bis 25.07.2001 und um das Caritas-Krankenhauses S. mit stationärem Aufenthalt vom 10.07.1999 bis 14.07.1999. Selbst wenn man von den Angaben seiner Ehefrau vor dem Sozialgericht am 21.07.2000 ausgehen wollte, so ergibt sich kein anderes Bild. Denn abgesehen von der nachfolgend genannten Ausnahme deckt sich der von ihr geschilderte Verrichtungsumfang. Wenn sie anführt, der Kläger müsse nachts bis zu 10 mal zur Toilette geführt werden, so ist dies nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar, denn beim Toilettenbesuch untertags wird keine Hilfe in Anspruch genommen. Warum dies in der Nacht anders sein soll, ist nicht plausibel.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger tatsächlich nicht mehr in der Lage ist, ohne fremde Hilfe das Haus zu verlassen. Denn selbst wenn man dies zu seinen Gunsten unterstellt, wird der Zeitumfang für die Pflegestufe I von mehr als 45 Minuten im Grundpflegebereich nicht erreicht. Denn es ist nur die Hilfe berücksichtigungsfähig, die beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu einem Zweck anfällt, der dazu bestimmt ist, die Aufrechterhaltung der Existenz in der häuslichen Umgebung zu sichern (BSG Urteil vom 29.04.1999; B 3 P 7/98 R). Zudem muß es sich um Wege handeln, die mindestens einmal pro Woche erforderlich sind (BSG Urteil vom 29.04.1999; B 3 P 12/98 R). Die Ermittlungen des Senats bei den Ärzten des Klägers, Dr. F. , Dr.D. und Dr.F. , erbrachten nicht den Beweis für regelmäßige Praxisbesuche von mindestens einmal pro Woche. Innerhalb seines häuslichen Bereichs kann sich der Kläger trotz seiner Sehbehinderung ausreichend sicher bewegen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass er sich während seines Aufenthalts im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder sogar alleine auf dem Flur fortbewegen konnte, wie der Pflegedokumentation zu entnehmen ist. Andere regelmäßig einmal pro Woche erforderliche Besuche außer Haus fallen nach dem eigenem Vortrag des Klägers nicht an. Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass die vom Sozialgericht angestellte Berechnung des Hilfeumfangs eher großzügig und damit im Wesentlichen zutreffend ist. Der Zeitrahmen von mehr als 45 Minuten Hilfe im Grundpflegebereich, wie er für die Pflegestufe I in § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI genannt wird, ist jedenfalls nicht erreicht.
Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung der vorgenannten Leistung ab dem 01.11. 1998 zusteht. Seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.04.2001 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht gegeben sind.
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