Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 12 AS 177/10 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 181/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Als Anspruchsgrundlage für die Übernahme von Nachhilfekosten im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II kommt seit dem 3.6.2010 allein § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht. Der Anspruch kann auch einem Bezieher von Sozialgeld zustehen.
2. Zur Frage der Unabweisbarkeit des geltend gemachten Bedarfs
2. Zur Frage der Unabweisbarkeit des geltend gemachten Bedarfs
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 31. August 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Raten-zahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt H G , I , bewilligt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Übernahme von Nachhilfekosten.
Der 2000 geborene Antragsteller, der unter einer Asthmaerkrankung leidet, bezieht in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter und drei Geschwistern von dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er besucht seit dem Schuljahr 2007/2008 die Grundschule W in I.
Am 4. Februar 2010 unterzog der Antragsteller sich einem Rechtschreibtest bei dem Lehrinstitut L (L ) in I. In dem hierüber gefertigten Bericht des L vom 10. März 2010 heißt es, das Testergebnis weise eine ausgeprägte Rechtschreibschwä-che des Antragstellers aus. Die Förderempfehlung laute "drin-gender Förderbedarf". Das L schlug eine von ihm angebotene pädagogische Therapie vor (Kosten für einen Kurs: 2.368,00 EUR). Am 8. Februar 2010 nahm der Antragsteller eine Recht-schreibförderung auf. An dem Unterricht des L hat er nach Angaben seiner Mutter bis April 2010 teilgenommen. Die Kursge-bühren für Februar sind von dem früheren Freund der Mutter be-glichen worden; weitere Kursgebühren sind aus finanziellen bzw. wirtschaftlichen Gründen der Familie nicht gezahlt worden.
In einem Gutachten der P -Schule I - Förderzentrum - vom 20. April 2010 wurde bei dem Antragsteller ein son-derpädagogischer Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt "Ler-nen" festgestellt. Es heißt in dem Gutachten, der Antragsteller benötige individuelle Förderung nach dem Lehrplan sonder-pädagogischer Förderung. Seit 2009 erhielt der Antragsteller an der Grundschule W Förderunterricht, der ein- bis zweimal wöchentlich stattfindet. Seit Beginn des Schuljahres 2010/2011 nimmt er an der Grundschule am Unterricht der Klasse 3c statt. Diese Klasse ist eine Integrationsklasse, in der auch sechs Kinder mit anerkanntem Förderbedarf im Bereich Lernen un-terrichtet werden.
Erstmals mit Schreiben vom 15. März 2010 beantragte die Mutter des Antragstellers die Übernahme von Nachhilfekosten. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 8. April 2010 mit der Begründung ab, Kosten für Nachhilfeunterricht könnten in der Regel nicht übernommen werden. Vorrangig seien schuli-sche Angebote wie Förderkurse zu nutzen. Die Kosten für Nach-hilfeunterricht könnten nur im besonderen Einzelfall gewährt werden. Voraussetzung dafür sei, dass es einen besonderen An-lass gebe, zum Beispiel langfristige Erkrankung oder Todesfall in der Familie. Zudem müsse die Aussicht auf Überwindung des Nachhilfebedarfs innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten, längstens bis zum Schuljahresende, bestehen.
Am 20. Mai 2010 wiederholte die Mutter des Antragstellers den Antrag auf Übernahme der Nachhilfekosten. Sie legte ein Schreiben der Grundschule W vom 6. Mai 2010 vor, in dem eine weitere Förderung des Antragstellers am L befürwor-tetet wurde. Auf den erneuten Antrag verwies der Antragsgegner mit Bescheid vom 10. Juni 2010 auf seinen Bescheid vom 8. April 2010. Die Mutter des Antragstellers bestritt, diesen Bescheid zuvor erhalten zu haben, und widersprach der Ablehnung. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Juni 2010 verwarf der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2010 als unzulässig. Er führte aus, dass bereits bei der Antragstel-lung am 20. Mai 2010 kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestanden habe, weil der Antragsteller den Unterricht am L zu diesem Zeitpunkt nicht mehr besucht habe.
Den am 8. Juli 2010 bei dem Sozialgericht Itzehoe eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Sozialgericht nach Durchführung eines Erörterungstermins am 11. August 2010 mit Beschluss vom 31. August 2010 abgelehnt. Auf den Beschluss wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen den Beschluss richtet sich die am 21. September 2010 bei dem Sozialgericht Itzehoe eingegangene Beschwerde des Antrag-stellers, für die er gleichzeitig die Bewilligung von Prozess-kostenhilfe (PKH) beantragt. Zur Begründung macht seine Mutter im Wesentlichen geltend, dass ihr Sohn am L weiter Förderung erhalten müsse, um auf der Grundschule W verbleiben zu können. Anderenfalls würde er letztendlich auf die Schule für Lernbehinderte "abgeschoben" werden müssen. Soweit das So-zialgericht darauf abgestellt habe, dass der Antragsteller seit Mitte Juli 2010 kostenlosen Nachhilfeunterricht von Herrn La erhalte, den dieser nach einer Presseveröffentlichung über den Fall des Antragstellers angeboten habe, sei darauf hinzuweisen, dass Herr La diesen Unterricht Mitte August 2010 beendet habe. Die sonderpädagogische Förderung des Antragstellers an der Grundschule W sei sinnvoll, aber nicht ausreichend.
Ergänzend reicht der Antragsteller einen aktuellen Bericht der Grundschule W vom 25. Oktober 2010 über seinen aktu-ellen Leistungsstand zur Akte.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen.
Der Senat hat eine Auskunft des Herrn La vom 14. Oktober 2010 eingeholt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Ver-waltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Er-lass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abge-lehnt. Das Beschwerdeverfahren führt letztlich zu keiner ande-ren Beurteilung. Ob der Ablehnungsbescheid vom 10. Juni 2010 in der Hauptsache inzwischen Bestandskraft erlangt hat, kann dabei offen bleiben, weil der Widerspruch der Mutter des An-tragstellers sich gleichzeitig gegen den Bescheid vom 8. April 2010 gerichtet haben dürfte und eine Bescheidung insoweit of-fenbar noch nicht erfolgt ist.
Das Sozialgericht hat die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten-den abstrakten Maßstäbe zutreffend dargelegt; zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat hierauf Bezug.
Sollte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sich auf Aufwendungen beziehen, die vor Eingang des Antrags bei Gericht (8. Juli 2010) getätigt worden sind, wäre der Antrag wegen Fehlens eines Anordnungsgrundes unbegründet. Denn der Erlass einer einstweiligen Anordnung dient der Behebung einer aktuellen Notlage. Die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG dient grundsätzlich der "Abwendung" wesentlicher Nachteile und ist deshalb gegenwartsbezogen, d.h. sie setzt eine noch bestehende Notlage voraus. Bezüglich einer Leistungsgewährung für die Vergangenheit liegt eine aktuelle Notlage in der Regel nicht vor. Gesichtspunkte, die hier zu einer anderen Beurteilung führen könnten, sind nicht ersichtlich.
Für die Zeit ab Antragseingang kommt als Anspruchsgrundlage allein § 21 Abs. 6 SGB II in der zum 3. Juni 2010 in Kraft ge-tretenen Fassung des Gesetzes vom 27. Mai 2010 (BGBl. I S. 671) in Betracht. Die Vorschrift enthält in Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, NJW 2010, 505-518) eine Härtefallklausel, wonach erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf erhalten, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Ein solcher Anspruch kann im Grundsatz auch dem Antragsteller zustehen, obwohl er kein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne der Vorschrift ist. Auch die Bezieher von Sozialgeld können nämlich einen Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II geltend machen, wie sich aus dem Verweis in § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf § 19 Satz 1 SGB II ergibt.
Der Senat vermag jedoch die Unabweisbarkeit des geltend ge-machten Bedarfs im Ergebnis nicht zu erkennen. Eine Definition dieses Begriffs hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Das BVerfG hat es in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 (a.a.O.) als mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen, dass das SGB II keinen An-spruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs gewährt. Ein solcher Sonderbedarf bezieht sich somit auf die Deckung eines men-schenwürdigen Existenzminimums. Dies ist auch Maßstab für die Auslegung von § 21 Abs. 6 SGB II und des Begriffs "unabweisbar" (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. August 2010, L 13 AS 3318/10 ER-B, veröffentlicht in juris). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/1465 S. 8 f.) soll der Anspruch unter den Aspekten des nicht erfassten atypischen Bedarfs sowie eines ausnahmsweise höheren, über-durchschnittlichen Bedarfs angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen auf wenige Fälle begrenzt sein (vgl. auch BVerfG a.a.O.). Unabweisbar ist ein (Sonder-)Bedarf nach Ansicht des Senats deshalb nicht schon, wenn er für denjenigen, der den Anspruch geltend macht, günstig ist. Erforderlich ist vielmehr, dass bei Verzicht auf die beanspruchte Leistung das menschenwürdige Existenzminimum nicht sichergestellt ist. Hiervon vermag der Senat vorliegend nicht auszugehen. Denn der Antragsteller erhält eine umfängliche schulische Förderung, die insbesondere seinem anerkannten Förderbedarf im Bereich Lernen Rechnung trägt. Zwar hat er in letzter Zeit, wie sich aus dem Bericht der Grundschule W vom 25. Oktober 2010 ergibt, trotz der Betreuung durch die Lehrkraft des Förderzentrums nur geringe Fortschritte im Bereich der Rechtschreibung gemacht; andererseits sind indessen nach dem Bericht Verbesserungen der Lesefertigkeit sowie im Bereich der Mathematik unverkennbar. Der Senat hat zur Kenntnis genommen, dass der Leiter der Grundschule W zusammenfassend ausgeführt hat, dass bei einem lernwilligen und motivierten Schüler wie dem Antragsteller zusätzliche Förderung durch spezielle Nachhilfe einen deutlichen Lernzuwachs erwarten lasse. Damit ist jedoch die Unabweisbarkeit des in Rede stehenden Bedarfs nicht dargetan. Insoweit fehlt es auch - wie der Antragsgegner zu Recht einwendet - an einer für die Leistungsgewährung erforderlichen atypischen Lebenslage des Antragstellers. Eine solche Atypik lässt sich allein mit bestimmten Lern- bzw. Leistungsdefiziten im schulischen Alltag nicht begründen. Erforderlich sind vielmehr besondere Einzelfallumstände wie zum Beispiel eine längerfristige Erkrankung des Schülers, die die Ursache für die aufgetretenen Defizite gesetzt haben. Die Asthmaerkrankung begründet eine atypische Lebenslage in diesem Sinne nicht, zumal die dem Senat vorliegenden Gutachten und sonstigen Unterlagen darauf hindeuten, dass diese Erkrankung die schulischen Leistungen und Teilnahmemöglichkeiten des Antragstellers nicht wesentlich beeinträchtigt.
Unabhängig davon, dass nach Vorstehendem nicht vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ausgegangen werden kann, sieht der Senat auch den erforderlichen Anordnungsgrund nicht als hin-reichend glaubhaft gemacht an. Das Abwarten einer etwaigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren erscheint schon deshalb als zumutbar, weil der Antragsteller derzeit - wie ausgeführt - nicht unerhebliche schulische Förderleistungen erhält. Im Übrigen erscheint es auch als bisher nicht hinreichend geklärt, welcher weiteren Förderung es hier bedürfte und ob die bisher im Wesentlichen in Rede stehende Rechtschreibförderung - etwa bei dem L - angemessen und ausreichend ist. Der als privater Nachhilfelehrer tätige Herr La , der dem Antragsteller vorübergehend Nachhilfeunterricht erteilt hat, spricht in seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2010 davon, dass aus seiner Sicht im Falle des Antragstellers sofort und langfristig Ergotherapie und Logopädie angezeigt seien. Sollte dies für einen medizinischen Hintergrund der schulischen Defizite des Antragstellers sprechen, müssten - wie der Antragsgegner zu Recht geltend macht - zunächst entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen in Erwägung gezogen werden. Die hiermit im Zusammenhang stehenden Fragen können im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden.
Nach allem kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Wenn die Be-schwerde auch letztlich erfolglos geblieben ist, so vermag der Senat ihr gleichwohl die für die Bewilligung von PKH erforder-lichen hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO nicht abzusprechen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die zu erörternden Fragen des § 21 Abs. 6 SGB II. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das PKH-Verfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern lediglich zugänglich machen will.
Die wirtschaftlichen PKH-Voraussetzungen sind erfüllt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Übernahme von Nachhilfekosten.
Der 2000 geborene Antragsteller, der unter einer Asthmaerkrankung leidet, bezieht in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter und drei Geschwistern von dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er besucht seit dem Schuljahr 2007/2008 die Grundschule W in I.
Am 4. Februar 2010 unterzog der Antragsteller sich einem Rechtschreibtest bei dem Lehrinstitut L (L ) in I. In dem hierüber gefertigten Bericht des L vom 10. März 2010 heißt es, das Testergebnis weise eine ausgeprägte Rechtschreibschwä-che des Antragstellers aus. Die Förderempfehlung laute "drin-gender Förderbedarf". Das L schlug eine von ihm angebotene pädagogische Therapie vor (Kosten für einen Kurs: 2.368,00 EUR). Am 8. Februar 2010 nahm der Antragsteller eine Recht-schreibförderung auf. An dem Unterricht des L hat er nach Angaben seiner Mutter bis April 2010 teilgenommen. Die Kursge-bühren für Februar sind von dem früheren Freund der Mutter be-glichen worden; weitere Kursgebühren sind aus finanziellen bzw. wirtschaftlichen Gründen der Familie nicht gezahlt worden.
In einem Gutachten der P -Schule I - Förderzentrum - vom 20. April 2010 wurde bei dem Antragsteller ein son-derpädagogischer Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt "Ler-nen" festgestellt. Es heißt in dem Gutachten, der Antragsteller benötige individuelle Förderung nach dem Lehrplan sonder-pädagogischer Förderung. Seit 2009 erhielt der Antragsteller an der Grundschule W Förderunterricht, der ein- bis zweimal wöchentlich stattfindet. Seit Beginn des Schuljahres 2010/2011 nimmt er an der Grundschule am Unterricht der Klasse 3c statt. Diese Klasse ist eine Integrationsklasse, in der auch sechs Kinder mit anerkanntem Förderbedarf im Bereich Lernen un-terrichtet werden.
Erstmals mit Schreiben vom 15. März 2010 beantragte die Mutter des Antragstellers die Übernahme von Nachhilfekosten. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 8. April 2010 mit der Begründung ab, Kosten für Nachhilfeunterricht könnten in der Regel nicht übernommen werden. Vorrangig seien schuli-sche Angebote wie Förderkurse zu nutzen. Die Kosten für Nach-hilfeunterricht könnten nur im besonderen Einzelfall gewährt werden. Voraussetzung dafür sei, dass es einen besonderen An-lass gebe, zum Beispiel langfristige Erkrankung oder Todesfall in der Familie. Zudem müsse die Aussicht auf Überwindung des Nachhilfebedarfs innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten, längstens bis zum Schuljahresende, bestehen.
Am 20. Mai 2010 wiederholte die Mutter des Antragstellers den Antrag auf Übernahme der Nachhilfekosten. Sie legte ein Schreiben der Grundschule W vom 6. Mai 2010 vor, in dem eine weitere Förderung des Antragstellers am L befürwor-tetet wurde. Auf den erneuten Antrag verwies der Antragsgegner mit Bescheid vom 10. Juni 2010 auf seinen Bescheid vom 8. April 2010. Die Mutter des Antragstellers bestritt, diesen Bescheid zuvor erhalten zu haben, und widersprach der Ablehnung. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Juni 2010 verwarf der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2010 als unzulässig. Er führte aus, dass bereits bei der Antragstel-lung am 20. Mai 2010 kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestanden habe, weil der Antragsteller den Unterricht am L zu diesem Zeitpunkt nicht mehr besucht habe.
Den am 8. Juli 2010 bei dem Sozialgericht Itzehoe eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Sozialgericht nach Durchführung eines Erörterungstermins am 11. August 2010 mit Beschluss vom 31. August 2010 abgelehnt. Auf den Beschluss wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen den Beschluss richtet sich die am 21. September 2010 bei dem Sozialgericht Itzehoe eingegangene Beschwerde des Antrag-stellers, für die er gleichzeitig die Bewilligung von Prozess-kostenhilfe (PKH) beantragt. Zur Begründung macht seine Mutter im Wesentlichen geltend, dass ihr Sohn am L weiter Förderung erhalten müsse, um auf der Grundschule W verbleiben zu können. Anderenfalls würde er letztendlich auf die Schule für Lernbehinderte "abgeschoben" werden müssen. Soweit das So-zialgericht darauf abgestellt habe, dass der Antragsteller seit Mitte Juli 2010 kostenlosen Nachhilfeunterricht von Herrn La erhalte, den dieser nach einer Presseveröffentlichung über den Fall des Antragstellers angeboten habe, sei darauf hinzuweisen, dass Herr La diesen Unterricht Mitte August 2010 beendet habe. Die sonderpädagogische Förderung des Antragstellers an der Grundschule W sei sinnvoll, aber nicht ausreichend.
Ergänzend reicht der Antragsteller einen aktuellen Bericht der Grundschule W vom 25. Oktober 2010 über seinen aktu-ellen Leistungsstand zur Akte.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen.
Der Senat hat eine Auskunft des Herrn La vom 14. Oktober 2010 eingeholt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Ver-waltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Er-lass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abge-lehnt. Das Beschwerdeverfahren führt letztlich zu keiner ande-ren Beurteilung. Ob der Ablehnungsbescheid vom 10. Juni 2010 in der Hauptsache inzwischen Bestandskraft erlangt hat, kann dabei offen bleiben, weil der Widerspruch der Mutter des An-tragstellers sich gleichzeitig gegen den Bescheid vom 8. April 2010 gerichtet haben dürfte und eine Bescheidung insoweit of-fenbar noch nicht erfolgt ist.
Das Sozialgericht hat die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten-den abstrakten Maßstäbe zutreffend dargelegt; zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat hierauf Bezug.
Sollte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sich auf Aufwendungen beziehen, die vor Eingang des Antrags bei Gericht (8. Juli 2010) getätigt worden sind, wäre der Antrag wegen Fehlens eines Anordnungsgrundes unbegründet. Denn der Erlass einer einstweiligen Anordnung dient der Behebung einer aktuellen Notlage. Die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG dient grundsätzlich der "Abwendung" wesentlicher Nachteile und ist deshalb gegenwartsbezogen, d.h. sie setzt eine noch bestehende Notlage voraus. Bezüglich einer Leistungsgewährung für die Vergangenheit liegt eine aktuelle Notlage in der Regel nicht vor. Gesichtspunkte, die hier zu einer anderen Beurteilung führen könnten, sind nicht ersichtlich.
Für die Zeit ab Antragseingang kommt als Anspruchsgrundlage allein § 21 Abs. 6 SGB II in der zum 3. Juni 2010 in Kraft ge-tretenen Fassung des Gesetzes vom 27. Mai 2010 (BGBl. I S. 671) in Betracht. Die Vorschrift enthält in Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, NJW 2010, 505-518) eine Härtefallklausel, wonach erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf erhalten, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Ein solcher Anspruch kann im Grundsatz auch dem Antragsteller zustehen, obwohl er kein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne der Vorschrift ist. Auch die Bezieher von Sozialgeld können nämlich einen Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II geltend machen, wie sich aus dem Verweis in § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf § 19 Satz 1 SGB II ergibt.
Der Senat vermag jedoch die Unabweisbarkeit des geltend ge-machten Bedarfs im Ergebnis nicht zu erkennen. Eine Definition dieses Begriffs hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Das BVerfG hat es in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 (a.a.O.) als mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen, dass das SGB II keinen An-spruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs gewährt. Ein solcher Sonderbedarf bezieht sich somit auf die Deckung eines men-schenwürdigen Existenzminimums. Dies ist auch Maßstab für die Auslegung von § 21 Abs. 6 SGB II und des Begriffs "unabweisbar" (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. August 2010, L 13 AS 3318/10 ER-B, veröffentlicht in juris). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/1465 S. 8 f.) soll der Anspruch unter den Aspekten des nicht erfassten atypischen Bedarfs sowie eines ausnahmsweise höheren, über-durchschnittlichen Bedarfs angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen auf wenige Fälle begrenzt sein (vgl. auch BVerfG a.a.O.). Unabweisbar ist ein (Sonder-)Bedarf nach Ansicht des Senats deshalb nicht schon, wenn er für denjenigen, der den Anspruch geltend macht, günstig ist. Erforderlich ist vielmehr, dass bei Verzicht auf die beanspruchte Leistung das menschenwürdige Existenzminimum nicht sichergestellt ist. Hiervon vermag der Senat vorliegend nicht auszugehen. Denn der Antragsteller erhält eine umfängliche schulische Förderung, die insbesondere seinem anerkannten Förderbedarf im Bereich Lernen Rechnung trägt. Zwar hat er in letzter Zeit, wie sich aus dem Bericht der Grundschule W vom 25. Oktober 2010 ergibt, trotz der Betreuung durch die Lehrkraft des Förderzentrums nur geringe Fortschritte im Bereich der Rechtschreibung gemacht; andererseits sind indessen nach dem Bericht Verbesserungen der Lesefertigkeit sowie im Bereich der Mathematik unverkennbar. Der Senat hat zur Kenntnis genommen, dass der Leiter der Grundschule W zusammenfassend ausgeführt hat, dass bei einem lernwilligen und motivierten Schüler wie dem Antragsteller zusätzliche Förderung durch spezielle Nachhilfe einen deutlichen Lernzuwachs erwarten lasse. Damit ist jedoch die Unabweisbarkeit des in Rede stehenden Bedarfs nicht dargetan. Insoweit fehlt es auch - wie der Antragsgegner zu Recht einwendet - an einer für die Leistungsgewährung erforderlichen atypischen Lebenslage des Antragstellers. Eine solche Atypik lässt sich allein mit bestimmten Lern- bzw. Leistungsdefiziten im schulischen Alltag nicht begründen. Erforderlich sind vielmehr besondere Einzelfallumstände wie zum Beispiel eine längerfristige Erkrankung des Schülers, die die Ursache für die aufgetretenen Defizite gesetzt haben. Die Asthmaerkrankung begründet eine atypische Lebenslage in diesem Sinne nicht, zumal die dem Senat vorliegenden Gutachten und sonstigen Unterlagen darauf hindeuten, dass diese Erkrankung die schulischen Leistungen und Teilnahmemöglichkeiten des Antragstellers nicht wesentlich beeinträchtigt.
Unabhängig davon, dass nach Vorstehendem nicht vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ausgegangen werden kann, sieht der Senat auch den erforderlichen Anordnungsgrund nicht als hin-reichend glaubhaft gemacht an. Das Abwarten einer etwaigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren erscheint schon deshalb als zumutbar, weil der Antragsteller derzeit - wie ausgeführt - nicht unerhebliche schulische Förderleistungen erhält. Im Übrigen erscheint es auch als bisher nicht hinreichend geklärt, welcher weiteren Förderung es hier bedürfte und ob die bisher im Wesentlichen in Rede stehende Rechtschreibförderung - etwa bei dem L - angemessen und ausreichend ist. Der als privater Nachhilfelehrer tätige Herr La , der dem Antragsteller vorübergehend Nachhilfeunterricht erteilt hat, spricht in seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2010 davon, dass aus seiner Sicht im Falle des Antragstellers sofort und langfristig Ergotherapie und Logopädie angezeigt seien. Sollte dies für einen medizinischen Hintergrund der schulischen Defizite des Antragstellers sprechen, müssten - wie der Antragsgegner zu Recht geltend macht - zunächst entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen in Erwägung gezogen werden. Die hiermit im Zusammenhang stehenden Fragen können im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden.
Nach allem kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Wenn die Be-schwerde auch letztlich erfolglos geblieben ist, so vermag der Senat ihr gleichwohl die für die Bewilligung von PKH erforder-lichen hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO nicht abzusprechen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die zu erörternden Fragen des § 21 Abs. 6 SGB II. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das PKH-Verfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern lediglich zugänglich machen will.
Die wirtschaftlichen PKH-Voraussetzungen sind erfüllt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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