Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 P 123/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 46/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.08.1999 verurteilt, dem Kläger über den 30.09.1997 hinaus Leistungen nach Pflegestufe II der gesetzlichen Pflegeversicherung des SGB XI zu gewähren.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klagepartei.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf Leistungen (Geldleistung) der privaten Pflegeversicherung nach Pflegestufe II über den 30.09.1997 hinaus streitig. Der Kläger wehrt sich gegen die Herabstufung von der Pflegestufe II in die Pflegestufe I.
Der am 1932 geborene Kläger Dip.-Ing.R.H. (H.) leidet an einem Zustand nach Schädelhirntrauma mit Verletzung des Kleinhirns und einem HWS-Trauma. Am 03.05.1996 beantragte er die Gewährung von Pflegegeld. Nach Einholung eines Gutachtens der Ärztin Dr.C. M. vom 18.09.1996 gewährte die Beklagte Leistungen nach der Pflegestufe II (Geldleistung) für den Zeitraum von September 1996 bis September 1997. Am 30.09.1997 wurde der Kläger auf Veranlassung der Beklagten durch den Arzt N. K. begutachtet, der am 30.09.1997 zu dem Ergebnis gelangte, es lägen lediglich die Voraussetzungen für Leistungen nach der Pflegestufe I vor. Der Gesamtpflegeaufwand betrage 1,5 Stunden täglich. Eine leichte Besserung zum Vorgutachten sei eingetreten. H. sei jetzt in der Lage, sich mit Hilfe der Gehstützen selbständig fortzubewegen, für längere Wegstrecken benutze er seinen Rollstuhl. Die Merkmale der Pflegestufe II seien nicht mehr gegeben. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 23.10.1997 mit, ab dem 30.09.1997 könnten nur noch Leistungen nach der Pflegestufe I erbracht werden.
Hiergegen erhob der Kläger "Widerspruch", weil seiner Auffassung nach unverändert ein hoher Hilfebedarf bestünde und hat hierzu im Einzelnen Ausführungen gemacht. Die Beklagte ließ den Kläger durch die Firma M. P. untersuchen und begutachten. Dr.G. M. gelangte zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein Hilfebedarf von insgesamt 110 Minuten bestehe, wovon auf die Grundpflege 65 Minuten entfielen (Gutachten vom 17.07.1998). Auf das Schreiben der Beklagten vom 22.07.1998, worin sie bei ihrer Auffassung verblieb, entgegnete der Kläger, dass er mit der Entscheidung der Beklagten nicht einverstanden sei, weil sich sein Zustand nicht gebessert, eher verschlechtert habe. Er verwies u.a. auf ein über den normalen Tagesablauf gefertigtes Protokoll. Die Beklagte verblieb im Schreiben vom 28.07.1998 bei ihrer Auffassung über die Einstufung in die Pflegestufe I. Nach wiederholten Einwendungen des Klägers hiergegen veranlasste die Beklagte ein sogenanntes Obergutachten durch die Firma M. P ... Die Ärztin Dr.B. gelangte in ihrem Gutachten vom 05.09.1998 zu dem Ergebnis, dass der Kläger seit dem 30.09.1997 nur die Voraussetzungen für die Pflegestufe I erfülle. Mit Schreiben vom 30.09.1998 wiederholte die Beklagte - unter Hinweis auf das Ergebnis der vorgenannten Begutachtung durch Dr.B. - ihre Auffassung, dass unverändert nur Pflegestufe I festgestellt werden kann. Hiergegen hat der Kläger erneut Einspruch erhoben, die Beklagte verwies auf den Klageweg.
Mit Schreiben vom 21.11.1998 hat der Kläger beim Sozialgericht Nürnberg Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, dass sein Gesundheitszustand mindestens Pflegestufe II rechtfertige.
Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts einen ärztlichen Befundbericht des Hausarztes des Klägers Dr.T. eingeholt, der weitere Unterlagen übersandte u.a. über einen Unfall des Klägers am 16.01.1999 mit daraus folgenden Gefühlsstörungen in beiden Händen. Der Kläger leitete noch einmal das Protokoll über seinen Tagesablauf vom 25.07.1998 dem Sozialgericht zu und schilderte den Tagesablauf in der mündlichen Verhandlung am 25.07.1998 im Einzelnen unter Berufung auf die Verrichtungen durch seine Schwester E. H. sowie die weitere Hilfskraft Frau S ...
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.10.1997 Leistungen nach der Pflegestufe II zu bezahlen.
Die Beklagte, für die in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, ließ sinngemäß beantragen, die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 12.08.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Dem Kläger stünden Leistungen aus der privaten Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II ab dem 01.10.1997 nicht zu (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch - SGB - XI). Ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mindestens zwei Stunden sei nach allem nicht gegeben. Der Kläger leide an einem Zustand nach einer Schädel- und HWS-Verletzung, die er im Mai 1991 erlitten habe und die eine Kleinhirnschädigung mit Lähmungserscheinungen an den vier Extremitäten zur Folge hatte. Dies führe, wovon sich die Kammer selbst einen Eindruck verschaffen konnte, zu einem sehr schwerfälligen ataktischen Gangbild und habe zur Folge, dass der Kläger überwiegend auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Trotzdem sei es so, dass der Kläger mit Anhalten bzw. Vier-Fuß-Stützen sich noch mühsam ohne Rollstuhl fortbewegen könne. Die Ausführungen des Klägers und Einlassungen in der mündlichen Verhandlung sowie der von ihm vorgelegte Tagesablauf hätten keine schlüssige Darlegung eines Hilfebedarfs nach der Pflegestufe II ergeben. Das Gericht verwies insbesondere darauf, dass sämtliche Verrichtungen, die von Frau S. vorgenommen werden, zum Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung gehörten und damit im Bereich der Grundpflege keine Berücksichtigung finden könnten. Unter Berücksichtigung der Angaben zum Tagesablauf - insbesondere Hilfeleistungen durch seine Schwester E. H. beim Anziehen, Waschen und Zähne putzen, Schließen der Knöpfe beim Anziehen, Schuhe anziehen, Schuhbändsel zumachen etc. - sei ein Hilfebedarf in der Grundpflege nachvollziehbar, allerdings nicht in einem Umfang, wie er für die Pflegestufe II gefordert werde.
Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung hält der Kläger - unter Schilderung seiner Behinderungen, des daraus resultierenden Hilfebedarfs - sein Begehren auf Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II über den 30.09.1997 hinaus aufrecht. Die Grundpflege beanspruche täglich mindestens 2,5 Stunden unter Berücksichtigung des Zeitaufwands der Hilfeleistungen durch Frau S. und seine Schwester E. H. Das Sozialgericht habe § 15 SGB XI nicht richtig ausgelegt, der geringe zeitliche Ansatz könne nicht nachvollzogen werden. Nachfolgend wurden im Einzelnen auch gegen die vorliegenden Gutachten, das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit Pflegehilfsmitteln etc. Einwendungen erhoben und auch gerügt, dass ihm zwischenzeitlich von der Pflegekasse nur mehr die Stufe 0 gewährt werde.
Zu den Einwendungen des Klägers hat die Beklagte wiederholt Stellung genommen, isnbesondere zu der von ihr praktizierten Arztwahl. Im Berufungsverfahren wurde des Weiteren das Nachuntersuchungsgutachten des Dr.K. vom 22.03.2000 vorgelegt, wonach weiterhin - nur - die Voraussetzungen für die Pflegestufe I gegeben seien. Das zunächst - bis zur Klärung der Bedenken wegen des Nachweises der Sicherstellung der Pflege - nicht ausgezahlte Pflegegeld für die Monate November und Dezember 1999 habe die Beklagte nachfolgend ausbezahlt.
Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Dr.Z. eingeholt, das dieser - nach Beiziehung von zeitnahen ärztlichen Dokumentationen des Hausarztes sowie ambulanter Untersuchung - am 01.09.2001 erstattet hat. Er kam darin zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Pflegestufe II weder ab dem 01.10.1997 noch früher, noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar seien. Im Einzelnen nahm er einen durchschnittlichen täglichen Hilfebedarf von 102 Minuten an, wobei er für die grundpflegerischen Maßnahmen einen Zeitaufwand von 57 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten täglich annahm.
Die Beteiligten haben zum Gutachtensergebnis Stellung genommen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und auch begründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Senat der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den 30.09.1997 hinaus Pflegegeld nach der Stufe II anstelle der Pflegestufe I in vertragsgemäßer Höhe zu bezahlen. Dies ergibt sich aus den einschlägigen Bestimmungen des Privatrechts unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 22.08.2001 - B 3 P 21/00 R - unter Berücksichtigung der darin enthaltenen Darlegungen zu den Ansprüchen im Rahmen der privaten Pflegeversicherung).
Hiernach ist zunächst davon auszugehen, dass die Regelungen über die Aufhebung von Verwaltungsakten, insbesondere von Leistungsbescheiden, nach den §§ 45 ff. SGB X auf die private Pflegeversicherung weder unmittelbar noch mittelbar durch Übertragung den in ihnen enthaltenen Rechtsgedanken anwendbar sind (vgl. Urteil vom 22.08.2001 - B 3 P 21/00 R und Urteil vom 30.03.2000 - B 3 P 21/99 R = BSGE 86, 94 = SozR 3-3300 § 77 Nr.3). Auch das Bundesverfassungsgericht ist im Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 2014/95 = NJW 2001, 1709) davon ausgegangen, dass die private Pflegeversicherung auf privatrechtlicher Grundlage nach den normativen Vorgaben des Privatversicherungsrechts betrieben wird. Dies schließt eine Übernahme des Regelungskonzeptes des SGB X über die Aufhebung von Leistungsbescheiden bei ursprünglicher Unrichtigkeit bzw. bei Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht grundsätzlich aus. Erforderlich wäre jedoch eine entsprechende Vereinbarung der Partner des Versicherungsvertrages, woran es hier fehlt. Die Notwendigkeit, aus verfassungsrechtlichen Gründen - vor allem im Hinblick auf den Gleichheitssatz - dem privat Pflegeversicherten entsprechende Rechtspositionen einzuräumen, besteht nicht, weil die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen dem Versicherten den erforderlichen Rechtsschutz gewähren.
Die hier maßgebenden zivilrechtlichen Vorgaben lassen die Pflicht der Beklagten, Pflegegeld nach der Pflegestufe II - weiter - zu zahlen, nicht ohne Weiteres entfallen. Eine Legitimation zur Reduzierung des Umfangs der Leistungspflicht ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs.2 MB/PPV 1996, wonach die Pflegebegutachtung in angemessenen Abständen zu wiederholen ist. Diese Regelung bedeutet nicht, dass nachträgliche Begutachtungen jederzeit möglich sind und besagt erst recht nichts über die Auswirkungen, die das Ergebnis einer erneuten Begutachtung auf eine zuvor vom Versicherer abgegebene Leistungszusage hat. Dies richtet sich vielmehr nach allgemeinen zivilrechtlichen bzw. privatversicherungsrechtlichen Vorschriften. Der allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) enthält den nicht ausdrücklich erklärten, aber den Ausnahmeregeln zu entnehmenden Grundsatz, dass mit Rechtsbindungswillen abgegebene Willenserklärungen verpflichtend sind. Ihre Wirksamkeit kann bei gleichbleibenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen nur unter bestimmten Voraussetzungen - insbesondere wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung (§§ 119, 123 BGB) - durch Anfechtung beseitigt werden. Daneben kann die Bindung an eine Willenserklärung bei einem Dauerschuldverhältnis durch eine Änderung oder den Wegfall von Umständen entfallen, die beide Vertragspartner bei der Abgabe der Willenserklärung vorausgesetzt haben (sogenannter Wegfall der Geschäftsgrundlage). Letzteres setzt jedoch eine nach Abgabe der Willenserklärung eingetretene Änderung der Verhältnisse voraus.
Die Erklärung der Beklagten, Pflegegeld nach der Stufe II zu zahlen, ist eine Willenserklärung, weil ihr ein rechtlicher Bindungswillen zu entnehmen ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Bereich der privaten Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung die Erklärung des Versicherers über die Erbringung der bedingungsgemäßen Leistungen, die wie bei der Pflegeversicherung nach Auswertung medizinischer Unterlagen und im Regelfall einer medizinischen Begutachtung erfolgt, als Leistungsanerkenntnis mit Bindungswillen angesehen (BGH Vers.R. 1993, 562, 563). Dieser Auffassung hat sich das Bundessozialgericht (BSG) im vorgenannten Urteil vom 22.08.2001 ausdrücklich angeschlossen. Auch nach den MB/PPV 1996 soll, wie sich insbesondere aus deren § 6 ergibt, die vor einer Leistungsgewährung zwingend erforderliche ärztliche Begutachtung die Ungewissheit darüber beseitigen, ob beim Versicherten die Voraussetzungen des Versicherungsfalles vorliegen und gegebenenfalls den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers, der in der Pflegeversicherung von der Pflegestufe abhängt, klären. Ein solches deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist ein Vertrag, dessen Zustandekommen von der Annahme des Gläubigers abhängt. Indessen kann diese Annahme auch konkludent erfolgen; eines Zugangs der Annahmeerklärung bedarf es hierbei nicht (§ 151 Satz 1 BGB). Vorliegend ist die Annahme in dem unwidersprochenen Empfang der Leistungen zu sehen. Wegen des vergleichsartigen Charakters eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses kommt eine Anfechtung wegen Irrtums über solche Umstände, die durch das Anerkenntnis gerade außer Streit gestellt werden sollten, nicht in Betracht (Arg. aus § 779 Abs.1 BGB; vgl. auch Urteil des BSG vom 22.08.2001 - B 3 P 4/01).
Nach Auffassung des BSG ist damit die Beklagte an ihre Leistungszusage bis zu einer Änderung der Verhältnisse gebunden, weil die private Pflegeversicherung ein Dauerschuldverhältnis begründet. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Streitfall. Die Änderung der Verhältnisse ist zunächst durch Einholung eines sogenannten Schiedsgutachtens zu belegen (§ 64 VVG). Nach § 64 Abs.1 Satz 1 VVG sind Versicherer und Versicherungsnehmer an die Feststellungen des Sachverständigen zu den Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder zur Höhe des Schadens grundsätzlich gebunden, wenn dies - wie hier (§ 6 Abs.2 MB/PPV 1996) - vertraglich vereinbart ist. Die Feststellungen des Sachverständigen sind nur dann nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen, wobei nur auf den Sachstand und die Erkenntnismittel zur Zeit der Begutachtung abzustellen ist. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass das Gutachten der Ärztin Dr.C. M. vom 18.09.1996, das sie nachfolgend zur Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II von September 1996 bis September 1997 veranlasst hat, im Sinne des § 64 Abs.1 Satz 1 VVG offenbar unrichtig gewesen sei.
Die später eingeholten Gutachten sind zwar zu einem anderen Ergebnis gekommen; insbesondere Dr.Z. geht davon aus, dass auch für die Zeit vom September 1996 bis September 1997 - entgegen der Auffassung der Beklagten unter Berufung auf das Gutachten der Dr.M. vom 18.09.1996 - die Voraussetzungen nur für die Pflegestufe I, nicht aber für die gewährte Pflegestufe II vorgelegen hätten. Er rügt insoweit, dass sowohl das Gutachten der Dr.M. wie auch das für die Herabsetzung der Pflegestufe maßgebende Gutachten des Dr.K. eine qualitative und quantitative Aussage über den realistischen Pflegebedarf nicht zuließen. Dies bedeutet aber nach Ansicht des Senats noch nicht, dass das Gutachten vom September 1996 "offensichtlich unrichtig" gewesen ist. Die Frage kann aber letztlich dahinstehen; denn der Beklagten ist nach ihrer Leistungszusage auch dieser Einwand abgeschnitten. Ein deklaratorisches Anerkenntnis schließt den Schuldner mit allen Einwendungen aus, die er bei seiner Abgabe kannte oder zumindest kennen musste (Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage 1998, § 64 Rdnr.6).
Wegen der Bindung an das der Leistungszusage zugrunde gelegte Gutachten steht es der Beklagten nicht frei, jederzeit ein neues Sachverständigengutachten einzuholen. Ein solches wäre nämlich nicht nur ungeeignet, sich von der Leistungszusage zu lösen, sondern auch für den Pflegebedürftigen ein unzumutbarer Eingriff in seine durch Art.1 und 2 Grundgesetz geschützte Intimsphäre (BSG-Urteil vom 13.03.2001 - B 3 P 20/00 R). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs.2 MB/PPV 1996.
Der Behauptung der Beklagten, eine nachhaltige Besserung des Zustandes des Klägers sei zu erwarten gewesen und für einen längeren Zeitraum auch tatsächlich eingetreten, war in diesem Verfahren nicht weiter nachzugehen (vgl. vorgenanntes Urteil des BSG vom 22.08.2001). Die Anwendbarkeit des § 64 VVG führt bei Streitigkeiten über die Leistungspflicht in der privaten Pflegeversicherung somit im Ergebnis zu einer Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle. Hieran ändert das im Sozialgerichtsprozess geltende Amtsermittlungsprinzip nichts. Denn der Umfang der Amtsermittlung richtet sich nach den jeweils maßgebenden materiell-rechtlichen Vorgaben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klagepartei.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf Leistungen (Geldleistung) der privaten Pflegeversicherung nach Pflegestufe II über den 30.09.1997 hinaus streitig. Der Kläger wehrt sich gegen die Herabstufung von der Pflegestufe II in die Pflegestufe I.
Der am 1932 geborene Kläger Dip.-Ing.R.H. (H.) leidet an einem Zustand nach Schädelhirntrauma mit Verletzung des Kleinhirns und einem HWS-Trauma. Am 03.05.1996 beantragte er die Gewährung von Pflegegeld. Nach Einholung eines Gutachtens der Ärztin Dr.C. M. vom 18.09.1996 gewährte die Beklagte Leistungen nach der Pflegestufe II (Geldleistung) für den Zeitraum von September 1996 bis September 1997. Am 30.09.1997 wurde der Kläger auf Veranlassung der Beklagten durch den Arzt N. K. begutachtet, der am 30.09.1997 zu dem Ergebnis gelangte, es lägen lediglich die Voraussetzungen für Leistungen nach der Pflegestufe I vor. Der Gesamtpflegeaufwand betrage 1,5 Stunden täglich. Eine leichte Besserung zum Vorgutachten sei eingetreten. H. sei jetzt in der Lage, sich mit Hilfe der Gehstützen selbständig fortzubewegen, für längere Wegstrecken benutze er seinen Rollstuhl. Die Merkmale der Pflegestufe II seien nicht mehr gegeben. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 23.10.1997 mit, ab dem 30.09.1997 könnten nur noch Leistungen nach der Pflegestufe I erbracht werden.
Hiergegen erhob der Kläger "Widerspruch", weil seiner Auffassung nach unverändert ein hoher Hilfebedarf bestünde und hat hierzu im Einzelnen Ausführungen gemacht. Die Beklagte ließ den Kläger durch die Firma M. P. untersuchen und begutachten. Dr.G. M. gelangte zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein Hilfebedarf von insgesamt 110 Minuten bestehe, wovon auf die Grundpflege 65 Minuten entfielen (Gutachten vom 17.07.1998). Auf das Schreiben der Beklagten vom 22.07.1998, worin sie bei ihrer Auffassung verblieb, entgegnete der Kläger, dass er mit der Entscheidung der Beklagten nicht einverstanden sei, weil sich sein Zustand nicht gebessert, eher verschlechtert habe. Er verwies u.a. auf ein über den normalen Tagesablauf gefertigtes Protokoll. Die Beklagte verblieb im Schreiben vom 28.07.1998 bei ihrer Auffassung über die Einstufung in die Pflegestufe I. Nach wiederholten Einwendungen des Klägers hiergegen veranlasste die Beklagte ein sogenanntes Obergutachten durch die Firma M. P ... Die Ärztin Dr.B. gelangte in ihrem Gutachten vom 05.09.1998 zu dem Ergebnis, dass der Kläger seit dem 30.09.1997 nur die Voraussetzungen für die Pflegestufe I erfülle. Mit Schreiben vom 30.09.1998 wiederholte die Beklagte - unter Hinweis auf das Ergebnis der vorgenannten Begutachtung durch Dr.B. - ihre Auffassung, dass unverändert nur Pflegestufe I festgestellt werden kann. Hiergegen hat der Kläger erneut Einspruch erhoben, die Beklagte verwies auf den Klageweg.
Mit Schreiben vom 21.11.1998 hat der Kläger beim Sozialgericht Nürnberg Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, dass sein Gesundheitszustand mindestens Pflegestufe II rechtfertige.
Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts einen ärztlichen Befundbericht des Hausarztes des Klägers Dr.T. eingeholt, der weitere Unterlagen übersandte u.a. über einen Unfall des Klägers am 16.01.1999 mit daraus folgenden Gefühlsstörungen in beiden Händen. Der Kläger leitete noch einmal das Protokoll über seinen Tagesablauf vom 25.07.1998 dem Sozialgericht zu und schilderte den Tagesablauf in der mündlichen Verhandlung am 25.07.1998 im Einzelnen unter Berufung auf die Verrichtungen durch seine Schwester E. H. sowie die weitere Hilfskraft Frau S ...
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.10.1997 Leistungen nach der Pflegestufe II zu bezahlen.
Die Beklagte, für die in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, ließ sinngemäß beantragen, die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 12.08.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Dem Kläger stünden Leistungen aus der privaten Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II ab dem 01.10.1997 nicht zu (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch - SGB - XI). Ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mindestens zwei Stunden sei nach allem nicht gegeben. Der Kläger leide an einem Zustand nach einer Schädel- und HWS-Verletzung, die er im Mai 1991 erlitten habe und die eine Kleinhirnschädigung mit Lähmungserscheinungen an den vier Extremitäten zur Folge hatte. Dies führe, wovon sich die Kammer selbst einen Eindruck verschaffen konnte, zu einem sehr schwerfälligen ataktischen Gangbild und habe zur Folge, dass der Kläger überwiegend auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Trotzdem sei es so, dass der Kläger mit Anhalten bzw. Vier-Fuß-Stützen sich noch mühsam ohne Rollstuhl fortbewegen könne. Die Ausführungen des Klägers und Einlassungen in der mündlichen Verhandlung sowie der von ihm vorgelegte Tagesablauf hätten keine schlüssige Darlegung eines Hilfebedarfs nach der Pflegestufe II ergeben. Das Gericht verwies insbesondere darauf, dass sämtliche Verrichtungen, die von Frau S. vorgenommen werden, zum Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung gehörten und damit im Bereich der Grundpflege keine Berücksichtigung finden könnten. Unter Berücksichtigung der Angaben zum Tagesablauf - insbesondere Hilfeleistungen durch seine Schwester E. H. beim Anziehen, Waschen und Zähne putzen, Schließen der Knöpfe beim Anziehen, Schuhe anziehen, Schuhbändsel zumachen etc. - sei ein Hilfebedarf in der Grundpflege nachvollziehbar, allerdings nicht in einem Umfang, wie er für die Pflegestufe II gefordert werde.
Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung hält der Kläger - unter Schilderung seiner Behinderungen, des daraus resultierenden Hilfebedarfs - sein Begehren auf Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II über den 30.09.1997 hinaus aufrecht. Die Grundpflege beanspruche täglich mindestens 2,5 Stunden unter Berücksichtigung des Zeitaufwands der Hilfeleistungen durch Frau S. und seine Schwester E. H. Das Sozialgericht habe § 15 SGB XI nicht richtig ausgelegt, der geringe zeitliche Ansatz könne nicht nachvollzogen werden. Nachfolgend wurden im Einzelnen auch gegen die vorliegenden Gutachten, das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit Pflegehilfsmitteln etc. Einwendungen erhoben und auch gerügt, dass ihm zwischenzeitlich von der Pflegekasse nur mehr die Stufe 0 gewährt werde.
Zu den Einwendungen des Klägers hat die Beklagte wiederholt Stellung genommen, isnbesondere zu der von ihr praktizierten Arztwahl. Im Berufungsverfahren wurde des Weiteren das Nachuntersuchungsgutachten des Dr.K. vom 22.03.2000 vorgelegt, wonach weiterhin - nur - die Voraussetzungen für die Pflegestufe I gegeben seien. Das zunächst - bis zur Klärung der Bedenken wegen des Nachweises der Sicherstellung der Pflege - nicht ausgezahlte Pflegegeld für die Monate November und Dezember 1999 habe die Beklagte nachfolgend ausbezahlt.
Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Dr.Z. eingeholt, das dieser - nach Beiziehung von zeitnahen ärztlichen Dokumentationen des Hausarztes sowie ambulanter Untersuchung - am 01.09.2001 erstattet hat. Er kam darin zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Pflegestufe II weder ab dem 01.10.1997 noch früher, noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar seien. Im Einzelnen nahm er einen durchschnittlichen täglichen Hilfebedarf von 102 Minuten an, wobei er für die grundpflegerischen Maßnahmen einen Zeitaufwand von 57 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten täglich annahm.
Die Beteiligten haben zum Gutachtensergebnis Stellung genommen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und auch begründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Senat der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den 30.09.1997 hinaus Pflegegeld nach der Stufe II anstelle der Pflegestufe I in vertragsgemäßer Höhe zu bezahlen. Dies ergibt sich aus den einschlägigen Bestimmungen des Privatrechts unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 22.08.2001 - B 3 P 21/00 R - unter Berücksichtigung der darin enthaltenen Darlegungen zu den Ansprüchen im Rahmen der privaten Pflegeversicherung).
Hiernach ist zunächst davon auszugehen, dass die Regelungen über die Aufhebung von Verwaltungsakten, insbesondere von Leistungsbescheiden, nach den §§ 45 ff. SGB X auf die private Pflegeversicherung weder unmittelbar noch mittelbar durch Übertragung den in ihnen enthaltenen Rechtsgedanken anwendbar sind (vgl. Urteil vom 22.08.2001 - B 3 P 21/00 R und Urteil vom 30.03.2000 - B 3 P 21/99 R = BSGE 86, 94 = SozR 3-3300 § 77 Nr.3). Auch das Bundesverfassungsgericht ist im Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 2014/95 = NJW 2001, 1709) davon ausgegangen, dass die private Pflegeversicherung auf privatrechtlicher Grundlage nach den normativen Vorgaben des Privatversicherungsrechts betrieben wird. Dies schließt eine Übernahme des Regelungskonzeptes des SGB X über die Aufhebung von Leistungsbescheiden bei ursprünglicher Unrichtigkeit bzw. bei Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht grundsätzlich aus. Erforderlich wäre jedoch eine entsprechende Vereinbarung der Partner des Versicherungsvertrages, woran es hier fehlt. Die Notwendigkeit, aus verfassungsrechtlichen Gründen - vor allem im Hinblick auf den Gleichheitssatz - dem privat Pflegeversicherten entsprechende Rechtspositionen einzuräumen, besteht nicht, weil die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen dem Versicherten den erforderlichen Rechtsschutz gewähren.
Die hier maßgebenden zivilrechtlichen Vorgaben lassen die Pflicht der Beklagten, Pflegegeld nach der Pflegestufe II - weiter - zu zahlen, nicht ohne Weiteres entfallen. Eine Legitimation zur Reduzierung des Umfangs der Leistungspflicht ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs.2 MB/PPV 1996, wonach die Pflegebegutachtung in angemessenen Abständen zu wiederholen ist. Diese Regelung bedeutet nicht, dass nachträgliche Begutachtungen jederzeit möglich sind und besagt erst recht nichts über die Auswirkungen, die das Ergebnis einer erneuten Begutachtung auf eine zuvor vom Versicherer abgegebene Leistungszusage hat. Dies richtet sich vielmehr nach allgemeinen zivilrechtlichen bzw. privatversicherungsrechtlichen Vorschriften. Der allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) enthält den nicht ausdrücklich erklärten, aber den Ausnahmeregeln zu entnehmenden Grundsatz, dass mit Rechtsbindungswillen abgegebene Willenserklärungen verpflichtend sind. Ihre Wirksamkeit kann bei gleichbleibenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen nur unter bestimmten Voraussetzungen - insbesondere wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung (§§ 119, 123 BGB) - durch Anfechtung beseitigt werden. Daneben kann die Bindung an eine Willenserklärung bei einem Dauerschuldverhältnis durch eine Änderung oder den Wegfall von Umständen entfallen, die beide Vertragspartner bei der Abgabe der Willenserklärung vorausgesetzt haben (sogenannter Wegfall der Geschäftsgrundlage). Letzteres setzt jedoch eine nach Abgabe der Willenserklärung eingetretene Änderung der Verhältnisse voraus.
Die Erklärung der Beklagten, Pflegegeld nach der Stufe II zu zahlen, ist eine Willenserklärung, weil ihr ein rechtlicher Bindungswillen zu entnehmen ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Bereich der privaten Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung die Erklärung des Versicherers über die Erbringung der bedingungsgemäßen Leistungen, die wie bei der Pflegeversicherung nach Auswertung medizinischer Unterlagen und im Regelfall einer medizinischen Begutachtung erfolgt, als Leistungsanerkenntnis mit Bindungswillen angesehen (BGH Vers.R. 1993, 562, 563). Dieser Auffassung hat sich das Bundessozialgericht (BSG) im vorgenannten Urteil vom 22.08.2001 ausdrücklich angeschlossen. Auch nach den MB/PPV 1996 soll, wie sich insbesondere aus deren § 6 ergibt, die vor einer Leistungsgewährung zwingend erforderliche ärztliche Begutachtung die Ungewissheit darüber beseitigen, ob beim Versicherten die Voraussetzungen des Versicherungsfalles vorliegen und gegebenenfalls den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers, der in der Pflegeversicherung von der Pflegestufe abhängt, klären. Ein solches deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist ein Vertrag, dessen Zustandekommen von der Annahme des Gläubigers abhängt. Indessen kann diese Annahme auch konkludent erfolgen; eines Zugangs der Annahmeerklärung bedarf es hierbei nicht (§ 151 Satz 1 BGB). Vorliegend ist die Annahme in dem unwidersprochenen Empfang der Leistungen zu sehen. Wegen des vergleichsartigen Charakters eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses kommt eine Anfechtung wegen Irrtums über solche Umstände, die durch das Anerkenntnis gerade außer Streit gestellt werden sollten, nicht in Betracht (Arg. aus § 779 Abs.1 BGB; vgl. auch Urteil des BSG vom 22.08.2001 - B 3 P 4/01).
Nach Auffassung des BSG ist damit die Beklagte an ihre Leistungszusage bis zu einer Änderung der Verhältnisse gebunden, weil die private Pflegeversicherung ein Dauerschuldverhältnis begründet. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Streitfall. Die Änderung der Verhältnisse ist zunächst durch Einholung eines sogenannten Schiedsgutachtens zu belegen (§ 64 VVG). Nach § 64 Abs.1 Satz 1 VVG sind Versicherer und Versicherungsnehmer an die Feststellungen des Sachverständigen zu den Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder zur Höhe des Schadens grundsätzlich gebunden, wenn dies - wie hier (§ 6 Abs.2 MB/PPV 1996) - vertraglich vereinbart ist. Die Feststellungen des Sachverständigen sind nur dann nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen, wobei nur auf den Sachstand und die Erkenntnismittel zur Zeit der Begutachtung abzustellen ist. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass das Gutachten der Ärztin Dr.C. M. vom 18.09.1996, das sie nachfolgend zur Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II von September 1996 bis September 1997 veranlasst hat, im Sinne des § 64 Abs.1 Satz 1 VVG offenbar unrichtig gewesen sei.
Die später eingeholten Gutachten sind zwar zu einem anderen Ergebnis gekommen; insbesondere Dr.Z. geht davon aus, dass auch für die Zeit vom September 1996 bis September 1997 - entgegen der Auffassung der Beklagten unter Berufung auf das Gutachten der Dr.M. vom 18.09.1996 - die Voraussetzungen nur für die Pflegestufe I, nicht aber für die gewährte Pflegestufe II vorgelegen hätten. Er rügt insoweit, dass sowohl das Gutachten der Dr.M. wie auch das für die Herabsetzung der Pflegestufe maßgebende Gutachten des Dr.K. eine qualitative und quantitative Aussage über den realistischen Pflegebedarf nicht zuließen. Dies bedeutet aber nach Ansicht des Senats noch nicht, dass das Gutachten vom September 1996 "offensichtlich unrichtig" gewesen ist. Die Frage kann aber letztlich dahinstehen; denn der Beklagten ist nach ihrer Leistungszusage auch dieser Einwand abgeschnitten. Ein deklaratorisches Anerkenntnis schließt den Schuldner mit allen Einwendungen aus, die er bei seiner Abgabe kannte oder zumindest kennen musste (Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage 1998, § 64 Rdnr.6).
Wegen der Bindung an das der Leistungszusage zugrunde gelegte Gutachten steht es der Beklagten nicht frei, jederzeit ein neues Sachverständigengutachten einzuholen. Ein solches wäre nämlich nicht nur ungeeignet, sich von der Leistungszusage zu lösen, sondern auch für den Pflegebedürftigen ein unzumutbarer Eingriff in seine durch Art.1 und 2 Grundgesetz geschützte Intimsphäre (BSG-Urteil vom 13.03.2001 - B 3 P 20/00 R). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs.2 MB/PPV 1996.
Der Behauptung der Beklagten, eine nachhaltige Besserung des Zustandes des Klägers sei zu erwarten gewesen und für einen längeren Zeitraum auch tatsächlich eingetreten, war in diesem Verfahren nicht weiter nachzugehen (vgl. vorgenanntes Urteil des BSG vom 22.08.2001). Die Anwendbarkeit des § 64 VVG führt bei Streitigkeiten über die Leistungspflicht in der privaten Pflegeversicherung somit im Ergebnis zu einer Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle. Hieran ändert das im Sozialgerichtsprozess geltende Amtsermittlungsprinzip nichts. Denn der Umfang der Amtsermittlung richtet sich nach den jeweils maßgebenden materiell-rechtlichen Vorgaben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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