L 7 B 23/00 KA ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 311/99 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 B 23/00 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. Februar 2000 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. Februar 2000 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG- zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin vom 25. November 1999 zu Recht abgelehnt. Der Antrag, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig, bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer bedarfsunabhängigen Ermächtigung, zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zu ermächtigen, ist unbegründet. Denn die Antragstellerin hat für dieses Begehren, mit dem die Hauptsache rechtlich vorweggenommen würde, zumindest keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, der die für solche Fälle erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit erkennen ließe, dass sie im Hauptsacheverfahren obsiegen würde (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-); bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung lässt sich eine Rechtswidrigkeit der Ablehnung der bedarfsunabhängigen Zulassung/Ermächtigung als Psychologische Psychotherapeutin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 29. Juni 1999, Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte vom 23. Februar 2000) nicht feststellen.

1. Das Sozialgericht und der Antragsgegner haben die im vorliegenden Verfahren allein streitige Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung - der Antragsgegner allerdings nur im Ergebnis - zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen des § 95 Abs. 11 Nr. 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- nicht erfüllt habe. Danach werden Psychotherapeuten zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt, wenn sie in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen haben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragstellerin auch nach Auffassung des Senats bei summarischer Prüfung nicht.

Wie der Senat mit Beschluss vom 9. Mai 2000 - L 7 B 19/00 KA ER - entschieden hat, enthält § 95 Abs. 11 Nr. 2 SGB V einen eigenständigen, der gerichtlichen Nachprüfung voll unterliegenden Versagungsgrund für die bedarfsunabhängige Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung und keine Härtefall- oder Fristenregelung. Die Erforderlichkeit der Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter während des dem 24. Juni 1997 vorangehenden Dreijahreszeitraumes belegt, dass der Gesetzgeber die bedarfsunabhängige Ermächtigung davon abhängig gemacht hat, dass der Ermächtigungsbewerber in dieser Zeit durch die Versorgung von Patienten aus dem Kreis der gesetzlich Krankenversicherten ein schutzwürdiges Vertrauen in die Fortführungsmöglichkeit seiner Tätigkeit begründet und durch einen dadurch angesammelten Patientenstamm einen Bestandsschutz erworben hat (in diesem Sinne auch BVerfG, Beschluss vom 16. März 2000 - 1 BvR 1453/99 - S. 6 UA). Dafür spricht nicht nur die Normierung eines Dreijahreszeitraumes, in dem die Leistungen erbracht worden sein müssen, sondern vor allem die Festlegung des Endes des maßgeblichen Zeitraumes mit dem 24. Juni 1997. Denn an diesem Tage wurde der Entwurf des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze in den Deutschen Bundestag eingebracht. Von diesem Zeitpunkt an mussten alle ambulant in Deutschland tätigen Psychotherapeuten damit rechnen, nicht mehr oder nur noch unter erschwerten Voraussetzungen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln zu können. Ihr Vertrauen auf den Fortbestand ihrer Berufsausübungssituation - der psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter im Delegationsverfahren oder im sogenannten Kostenerstattungsverfahren - war von diesem Zeitpunkt an ebenso wenig schützenswert wie der nach diesem Zeitpunkt erworbene Besitzstand an Patienten aus dem Kreis der gesetzlich Krankenversicherten.

Schließlich greift der Gesetzgeber mit der Zulassungsvoraussetzung in § 95 Abs. 10 und 11 Nr. 3 SGB V auf eine Regelungstechnik zurück, die bereits in den Übergangsbestimmungen der Psychotherapie-Vereinbarungen enthalten waren (vgl. z.B. Psychotherapie-Vereinbarung [Anlage 1 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte] Teil F, Übergangsbestimmungen, § 12 Abs. 1 bis 3). So machen z.B. die Übergangsbestimmungen in §12 Psychotherapie-Vereinbarung vom 3. Juli 1987 (BAnz Nr. 156 Beilage 156 a, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 12. März 1997, BAnz Nr. 49 S. 2946) die (uneingeschränkte) Fortsetzung psychologischer Tätigkeit bei Änderung der berufsrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen davon abhängig, dass der Psychologische Psychotherapeut zuvor psychotherapeutische Leistungen in der kassenärztlichen Versorgung erbracht bzw. regelmäßig erbracht und damit eine vertrauensgeschützte Position bzw. einen Besitzstand erworben hatte.

Ein schutzwürdiges Vertrauen und ein beachtlicher Besitzstand vermochte sich nur durch eine hauptberuflich ausgeübte psychotherapeutische Tätigkeit zu bilden, deren wesentlicher Bestandteil in zeitlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht die regelmäßige ambulante (Kranken-)Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen gewesen sein muss. Nur dann erfüllt der Ermächtigungsbewerber auch die Anforderungen, die sich aus dem Teilnahmebegriff ergeben, für dessen Auslegung auf die Rechtsprechung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit zurückgegriffen werden kann (LSG Berlin, Breithaupt 2000, 131 ff. = NZS 2000, S. 208 ff). Die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist durch eine an den Bedürfnissen der Versicherten orientierte, den Gegebenheiten des Praxisbereichs entsprechende, grundsätzlich hauptberufliche regelmäßige Tätigkeit gekennzeichnet; diesem Leitbild muss deshalb auch die psychologische Tätigkeit während des dem 24. Juni 1997 vorangehenden Dreijahreszeitraumes entsprochen haben.

Aus den genannten Voraussetzungen folgt, dass die Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung während dieses Zeitraumes in einem Richtlinienverfahren erfolgt sein musste, für dessen Anwendung der Ermächtigungsbewerber zuvor die wesentlichen Aus-bildungsvoraussetzungen erworben haben musste. Denn nur psychotherapeutische Behandlungen in einem Richtlinienverfahren durch einen dafür qualifizierten Therapeuten entsprachen und entsprechen den Anforderungen der §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 27 SGB V. Nur auf eine solche Behandlung besaßen und besitzen die Versicherten einen Leistungsanspruch und nur solche Leistungen durften und dürfen die Krankenkassen honorieren (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Dies gilt auch für das Kostenerstattungsverfahren. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass die danach auch nach § 72 Abs. 2 SGB V rechtswidrige Erbringung psychotherapeutischer Leistungen weder den Teilnahmebegriff des § 95 Abs. 10 und 11 Nr. 3 SGB V erfüllt, noch ein schutzwürdiges Vertrauen oder einen rechtlich beachtlichen Besitzstand begründen kann. Dagegen setzt die genannte Vorschrift weder die Erbringung einer Mindeststundenzahl bei der Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten voraus noch psychotherapeutische Leistungen für diesen Personenkreis während des gesamten Dreijahreszeitraumes (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. den Beschluss vom 31. März 2000 - L 7 B 20/00 KA ER - mit weiteren Nachweisen). Hat ein Psychotherapeut nicht während des gesamten Dreijahreszeitraumes an der Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen, sondern seine Tätigkeit auf einen kürzeren Zeitraum beschränkt, so sind an die erbrachten Leistungen sowohl in zeitlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht jedoch höhere Anforderungen zu stellen als bei einer Abrechnung von Behandlungsstunden im gesamten Dreijahreszeitraum (Beschlüsse des Senats vom 13. März 2000 - L 7 B 24/99 KA ER - sowie vom 24. März 2000 - L 7 B 21/00 KA ER -). Hat er während des Dreijahreszeitraumes lediglich in einem Quartal Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt oder - was dem gleichsteht - in einem längeren Zeitraum nur wenige Versicherte stundenweise psychotherapeutisch versorgt, erfüllt er die Anforderungen des § 95 Abs. 11 Nr. 3 SGB V nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt den Beschluss vom 31. März 2000 - L 7 B 20/00 KA ER - mit weiteren Nachweisen). Denn eine solche unregelmäßige Leistungserbringung während des gesetzlichen Dreijahreszeitraumes ist in zeitlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht von untergeordneter Bedeutung und vermag zum Lebensunterhalt eines hauptberuflich tätigen Psychotherapeuten nicht wesentlich beizutragen.

2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann der Senat in einem summarischen Verfahren zugunsten der Antragstellerin nicht feststellen, dass sie an der ambulanten Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in der maßgeblichen Zeit teilgenommen hat. Vom 1. Juli 1994 bis zum 30. Juni 1995 stand für die Antragstellerin nicht die ambulante psychotherapeutische Tätigkeit und eine Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Vordergrund, sondern ihre hauptberufliche Beschäftigung für den N. Danach hat sie bis zum Ende des maßgeblichen Dreijahreszeitraumes am 24. Juni 1997 lediglich drei Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung mit 125 Stunden behandelt. Zu Recht hat das Sozialgericht hiervon nur die Behandlung einer Versicherten mit 31 Stunden in dem Richtlinienverfahren der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie als glaubhaft gemacht angesehen. Denn die Antragstellerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch in dem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für die beiden anderen Versicherten Falldokumentationen vorgelegt, aus denen sich eine Behandlung in einem Richtlinienverfahren entnehmen ließe, obwohl sie aus dem angefochtenen Beschluss hätte entnehmen können, dass dies unter Umständen entscheidungserheblich sein könnte. Aus der Behandlung von nur einem gesetzlich Krankenversicherten mit 31 Behandlungsstunden kann sie kein schutzwürdiges Vertrauen und keinen rechtlich beachtlichen Besitzstand ableiten, weil diese Leistungen sowohl zeitlich wie wirtschaftlich im maßgeblichen Dreijahreszeitraum für sie ohne wesentliche Bedeutung für ihre psychologische Tätigkeit gewesen sind. Dafür spricht schon die kurzfristige nebenberuflich ausgeübte psychotherapeutische Tätigkeit für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung von äußerst geringem Umfang und wirtschaftlich untergeordneter Bedeutung.

3. Da der Anspruch auf eine bedarfsunabhängige Ermächtigung bei der im einstweiligen Anordnungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung bereits an einer nicht ausreichenden Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 scheitert, konnte der Senat des Weiteren offen lassen, ob die Antragstellerin einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Bedenken am Vorliegen eines Anordnungsgrundes ergeben sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Dezember 1999 (1 BvR1657/99), mit welchem entschieden worden ist, dass die Rechte aus dem Delegationsverfahren nicht schon durch die ablehnende Entscheidung des Zulassungsausschusses erlöschen, sondern Artikel 10 des Einführungsgesetzes zum Psychotherapeutengesetz verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass unter der Entscheidung des Zulassungsausschusses die bestandskräftige oder rechtskräftige Entscheidung z.B. durch ein rechtskräftiges Urteil, zu verstehen ist und dies auch für vergleichbare Fälle gilt (Beschluss des Senats vom 31. März 2000 - L 7 B 20/00 KA ER). Es spricht deshalb alles dafür, dass der Antragstellerin auch kein schwerer Nachteil dadurch entsteht, dass sie auf den Rechtsweg im Hauptsacheverfahren verwiesen wird (in diesem Sinne der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 2000 - 1 BvR 1453/99 - S. 8). Unzumutbar ist das schon deshalb nicht, weil sie im einstweiligen Rechtsschutz nicht die Beibehaltung der bisherigen Lage, sondern eine Erweiterung ihrer beruflichen Betätigungsfelder erstrebt. Zur Fortsetzung ihrer beruflichen Arbeit ist die Antragstellerin ohnehin berechtigt, denn sie kann weiterhin selbständig psychotherapeutisch tätig sein. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen der Kostenerstattung nach § 13 SGB V sind im Zusammenhang mit dem Psychotherapeutengesetz nicht verändert worden, weshalb bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen auch weiterhin eine Kostenerstattung durch die Krankenkassen, insbesondere bei laufenden Behandlungen und Verlängerungsanträgen, in Betracht kommen kann (vgl. BVerfG Beschluss vom 16. März 2000 - 1 BvR 1453/99 - S. 8).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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