L 14 RA 133/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 RA 680/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 133/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Antrages vom 18.07.1996.

Der am 1950 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er arbeitete zunächst von 1970 bis 1973 als Vermessungshelfer und erwarb dann den Busführerschein und fuhr bis 1975 ausschließlich Bus in abhängiger Beschäftigung. Danach war er bis 1984 als Busfahrer und Reiseverkehrskaufmann tätig, wobei er diese Tätigkeit ebenfalls als angelernt bezeichnet. Seit 1984 war er Geschäftsführer seines eigenen Reisebüros, mit Schwerpunkt Counter-Tätigkeit zum Verkauf von Reisen. Dazu fuhr er noch Schulbus.

Seinen Rentenantrag vom 18.07.1996 begründete er damit, wegen Bandscheibenvorfällen und Bandscheibenoperation weder zu Counter-Tätigkeiten noch zum Busfahren mehr in der Lage zu sein. Er legte den OP-Bericht vom 25.03.1996 mit der Diagnose Zustand nach Bandscheibenprolaps L5/S1 links ohne neurologische Ausfälle vor.

Die Beklagte ließ den Kläger durch den Oberarzt der Klinik C. Dr.W. untersuchen. Dieser hielt im Bericht vom 04.09.1996 ein mäßig ausgeprägtes Postdiskotomiesyndrom nach Nukleotomie L5/S1 und eine beginnende Coxarthrose fest. Der Kläger könne seine derzeitige Tätigkeit als Geschäftsführer weiterhin uneingeschränkt ausüben. Längere Busfahrten von mehr als 30 Minuten seien nicht mehr zumutbar.

Unter Übernahme dieses Leistungsvermögens erließ die Beklagte Ablehnungsbescheid vom 11.10.1996.

Mit dem Widerspruch trug der Kläger vor, zwischenzeitlich das Busunternehmen verkauft zu haben; er arbeite nur mehr ausschließlich in der Reisevermittlung und verdiene entsprechend weniger.

Auf den Vortrag, sein Gesundheitszustand habe sich durch einen erneuten Vorfall verschlechtert, ordnete die Beklagte die Untersuchung durch den Nervenarzt Dr.V. an. Dieser stellte einen nun auch rechts aufgetretenen Bandscheibenprolaps im Bereich L5/S1 fest, jedoch ohne neurologische Ausfälle. Busfahren sei für den Kläger unzumutbar, als Geschäftsführer in einem Reisebüro sei die Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt (Untersuchung vom 19.02.1997).

In einer berufskundlichen Stellungnahme stellte die Beklagte auf die Geschäftsführertätigkeit ab, die dem Kläger noch vollschichtig zumutbar sei. Mit dieser Begründung wies die Widerspruchsstelle den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 09.06.1997).

Mit der Klage trug der Kläger vor, auch zu leichteren körperlichen Arbeiten nicht mehr fähig zu sein. In einer eigenen Arbeitgeberauskunft gab er bekannt, seit 01.01.1997 nur mehr 6.203,00 DM statt wie früher 10.225,00 DM zu verdienen. Gleichzeitig legte er einen Behandlungsbericht des Behandlungszentrums V. vom 23.07.1997 vor, wonach nunmehr auch ein mediolateraler Bandscheibenprolaps an den Halswirbelkörpern 5/6 festgestellt worden sei.

Das Sozialgericht erholte Befundberichte des Allgemeinarztes Dr.M. und der S.klinik B. und beauftragte dann den Leitenden Oberarzt Dr.L. vom Städtischen Krankenhaus München-Harlaching mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers.

Im Gutachten vom 02.11.1997 befand der Chirurg den Kläger in hervorragendem Allgemein- und Ernährungszustand. Er diagnosti- Lendenwirbelsäulensyndrom mit Funktionsminderung ohne Zeichen eines peripher-neurologischen Defektes sowie Teilverlust des Endgliedes des 2. Fingers links bei Ausübbarkeit der Grob- und Feingriffformen. Der Kläger könne leichte, kurzfristig mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten. Zwingend sei ein Wechsel der Arbeitsposition. Eine 100%ig sitzende Tätigkeit sei gesundheitsschädlich. Unzumutbar sei ausschließliches Arbeiten am Bildschirm.

Aus der Beweiserhebung zog der Kläger den Schluss, dass er zu berenten sei, da ihm eine ausschließlich sitzende Tätigkeit am Bildschirm nicht mehr zumutbar sei. Er habe auch keinen Abschluss als Bürokaufmann, so dass er anderweitig keine Arbeit finden könne. In die Verwaltungstätigkeiten und Kundenbetreuung des Reisebüros habe er sich eingearbeitet und durch Fortbildungskurse schulen lassen. Auf dem freien Arbeitsmarkt sei er nur für einfache Bürotätigkeiten qualifiziert, die ihm aber gesundheitlich nicht mehr abverlangbar seien. Im Übrigen beantrage er die Begutachtung durch Dr.H. , Chefarzt der S.klinik B. , als Arzt des Vertrauens.

Die Beklagte forderte den Kläger auf, Unterlagen über die Ausbildung als Busfahrer und Reiseverkehrskaufmann vorzulegen. Insoweit trug der Kläger lediglich vor, den Busführerschein 1974 erworben und im April 1998 freiwillig auf die Führerscheinklasse 2 verzichtet zu haben, ansonsten sich autodidaktisch Kenntnisse für die Tätigkeit im Reisebüro beigebracht zu haben.

Dem Antrag auf Begutachtung durch den Arzt des Vertrauens gab das Sozialgericht statt, abgeändert dahin, dass Oberarzt Dr.H. zum Sachverständigen benannt wurde. Im Gutachten vom 10.02.1999 diagnostizierte dieser Lumbalgie bei Zustand nach Bandscheibenoperation in Höhe L5/S1 und in gleicher Höhe bestehende Reprolaps sowie deutliche Bandscheibenvorwölbungen der Etage L4/5 mit einer radikulären Symptomatik im Sinne von sensiblen und motorischen Störungen links, Cervikobrachialgie beidseits bei Diskusprolaps C5/6 und C6/7 sowie Fehlhaltung des gesamten Achsenorganes, Wirbelsäule mit vermehrter Kyphosierung der Brustwirbelsäule und auch leichter skoliotischer Fehlhaltung der gesamten Wirbelsäule und degenerativen Veränderungen in sämtlichen Abschnitten, bevorzugt im Bereich der Halswirbelsäule. Zum Leistungsvermögen führte er aus, der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und bei den dabei anfallenden Anforderungen nur mehr halbschichtig einsetzbar, da ihm hier die unbedingt notwendigen längeren Pausen nicht gewährt werden könnten. Ausschließlich durch den sehr hohen Zeitaufwand (ca. 75 Wochenstunden) sei es dem Kläger möglich gewesen, seine Tätigkeit auszuüben, wobei er hier deutliche Einschränkungen habe machen müssen, indem er seine Tätigkeit als Schulbusfahrer nicht mehr ausüben durfte. Zusammenfassend könne gesagt werden, dass der Kläger zwar bisher in der Lage gewesen sei - soweit überhaupt beurteilbar -, seiner Tätigkeit als Geschäftsführer in einem Reisebüro nachzugehen, aber nur unter einem sehr deutlich erhöhten Zeitaufwand, so dass bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt allenfalls eine halbschichtige Tätigkeit unter den genannten Einschränkungen möglich sei.

Im Termin der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger, gegenwärtig arbeite er im Reisebüro, unterstützt durch einen Lehrling und seine Ehefrau, ca. 75 Stunden wöchentlich. Dieser zeitliche Umfang sei erforderlich, um dem Arbeitsanfall unter Berücksichtigung der erforderlichen Pausen gerecht werden zu können. Das von ihm erzielte Einkommen betrage gegenwärtig ca. DM 6.300,00 monatlich.

Mit Urteil vom 10.06.1999 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Gründen führte es im Wesentlichen aus, dass der Kläger nicht erwerbsunfähig sein könne, da er selbständig arbeite. Er sei aber auch nicht berufsunfähig. Zwar genieße er den Berufsschutz aufgrund seiner Beschäftigung als Geschäftsführer unter Berücksichtigung der Höhe der entrichteten Beiträge bis zur Bemessungsgrenze. Nach dem Ergebnis und in Würdigung der Beweisaufnahme sei der Kläger jedoch jedenfalls noch in der Lage, zumindest halbschichtig die Tätigkeit eines Geschäftsführers zumutbar zu verrichten. Die Leistungseinschätzung des Arztes des Vertrauens könne die Kammer nicht überzeugen. Jedenfalls sei die tatsächliche Berufsausübung des Klägers maßgebend, auch im Hinblick auf die Lohnersatzfunktion der Rente.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Er legte dar, schon seit Jahren fast durchgehend seitens Dr.H. arbeitsunfähig geschrieben worden zu sein, ließ aber andererseits durch den Chefarzt des Behandlungszentrums V. belegen, dass er gleichwohl vollschichtig arbeitete (Befund vom 09.07.1999). Sodann zeigte der Kläger an, als Geschäftsführer nicht mehr zu arbeiten. Er belegte dies mit einem Handelsregisterauszug, wonach seit 05.10.1999 seine Ehefrau als Geschäftsführerin geführt werde. Im Übrigen verwies er auf eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage durch die Orthopädin Dr.N. gegenüber der Bayerischen Beamtenkrankenkasse, die das Leistungsvermögen des Klägers dahin wertete, er sei auf nicht absehbare Zeit nicht mehr in der Lage, den durchschnittlichen Arbeitsanfall in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit - weder als Busfahrer noch als Geschäftsführer in einem Reisebüro - zu wenigstens 50% zu erledigen. Damit liege Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen der Bayerischen Beamtenkrankenkasse vor. Ferner trug er vor, seit 30.09.1999 zur vollständigen Aufgabe seiner Tätigkeit durch den Krankheitszustand gezwungen zu sein. Er verwies auf fortlaufende Arbeitsunfähigkeits-Schreibungen durch Dr.H ... Seit 30.12.1999 sei er arbeitslos gemeldet.

Die Beklagte erwiderte, die Arbeitsunfähigkeit an sich sei ohne Aussagekraft. Der Kläger habe nachweislich den Beruf des Reiseverkehrskaufmannes nicht erlernt. Er könne demgemäß auf Tätigkeiten verwiesen werden, die in etwa denjenigen entsprechen, die ein Bürokaufmann verrichte. Bürokaufmännische Arbeiten seien verbunden mit körperlich leichten Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, einseitige Körperhaltungen so- Arbeiten mittels monotoner Handgriffe. Hierzu sei der Kläger sowohl psychisch als auch körperlich noch in der Lage.

Nach einem aktuellen Befundbericht der S.klinik B. (mit allen AU-Zeiten seit 1995) beauftragte der Senat den Orthopäden Dr.F. mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers. Im Gutachten vom 21.02.2001 berücksichtigte Dr.F. auch den Bericht des Behandlungszentrums V. vom 05.01. 2001. Er diagnostizierte folgende Gesundheitsstörungen: 1. Spondylochondrose C5 bis C7 bei Spondylarthrosis deformans und Uncovertebralarthrose. Leichte Osteopenie der Halswirbelsäule. 2. Osteochondrose L2 bis S1, Spondylose der Lendenwirbelsäule. Postdiskotomiesyndrom des Stadiums II, computertomographisch nachgewiesene Bandscheibenvorfälle der Hals- und Lendenwirbelsäule. 3. Beginnende Coxarthrose links mehr als rechts. Zusammenfassend hielt Dr.F. fest, dass der Kläger nur noch leichte Arbeiten verrichten könne. Als Bürokaufmann könne er dann tätig sein, wenn anhaltendes Sitzen und auch Zwangshaltungen der Halswirbelsäule nicht anfallen würden, also beispielsweise nicht längeres Bedienen von Büromaschinen ohne die Möglichkeit zum regelmäßigen Wechsel der Körperhaltung. Mehr als drei Stunden pro Tag sollte der Kläger nicht am Computer oder ähnlichen Büromaschinen tätig sein. Die Arbeiten könnten also nur dann vollschichtig ausgeführt werden, wenn das Arbeiten an Büromaschinen weniger als die Hälfte des Arbeitstages einnehmen würde. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger noch vollschichtig arbeiten. Ein Postdiskotomiesyndrom sei grundsätzlich nicht mit zeitlichen Einschränkungen der Belastbarkeit zu verbinden. Zu meiden seien wegen der ausgeprägten Verschleißerscheinungen der HWS Arbeiten mit dauernd vor- oder rückwärtsgeneigtem Kopf. Wegen der erheblichen Bandscheibenschäden der Lendenwirbelsäule und des Postdiskotomiesyndroms 2. Grades sollte der Kläger nicht in gebückter Stellung arbeiten, keine Lasten heben und tragen und einen Wechsel der Körperhaltung ausführen können. Die Verschleißerscheinungen der Hüftgelenke seien bislang nicht gravierend, das Gehvermögen sei nicht beeinträchtigt. Die Funktionsdefizite der Fingergelenke seien bislang gering und würden die Belastbarkeit der Hände nicht einschränken. Wegstreckeneinschränkungen seien nicht festzustellen.

Die Klägerseite folgert aus dem Gutachten, dass beim Kläger aufgrund eines bestehenden Berufsschutzes die Berentung angezeigt sei. Im Übrigen sei zwischenzeitlich vom Amt für Versorgung und Familienförderung ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt worden (Bescheid vom 24.04.2001).

Im Termin der mündlichen Verhandlung erklärt der Bevollmächtigte des Klägers auf Befragen, dass dessen hauptsächliches Standbein das Busfahren, in der letzten Phase das Schulbusfahren gewesen sei. Die Reisebürotätigkeit sei nebenher gelaufen mit einem kleinen Büro, das sämtliche Reisen vermittelt habe. An Schulungen habe der Kläger einschlägige Veranstaltungen der Reiseveranstalter mitgemacht, nach den Unterlagen eintägige Schulungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.06.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.06.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antrag Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, der Kläger könne vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Rentenakte der Beklagten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die zum Termin beige- (Berufskraftfahrer) aus dem Grundwerk ausbildungs- und berufskundliche Informationen (gabi) vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der Einzelheiten hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet. Im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung ist dem Erstgericht zu folgen.

Nach § 43 Abs.2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der hier noch geltenden Fassung bis zum 31.12.2000 sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die deren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Gemäß Satz 4 dieser Bestimmung ist nicht berufsunfähig , wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 44 Abs.2 Satz 1 1. Halbsatz SGB VI (ebenfalls in der Fassung bis zum 31.12.2000) sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Nach Satz 2 Nr.2 dieser Bestimmung ist nicht erwerbsunfähig, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Auch der Senat ist nach erneuter Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass schon die Voraussetzungen für eine Berentung wegen Berufsunfähigkeit beim Kläger noch nicht vorliegen. Im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen stehen dessen deutliche Wirbelsäulen-Veränderungen. Nach dem Ergebnis der Begutachtung durch den Orthopäden Dr.F. vom 21.02.2001 liegen beim Kläger eine Spondylochondrose C5 bis C7 bei Spondylarthrosis deformans und Uncovertebralarthrose, leichte Osteopenie der Halswirbelsäule, eine Osteochondrose L2 bis S1, Spondylose der Lendenwirbelsäule, ein Postdiskotomiesyndrom des Stadiums II, computertomographisch nachgewiesene Bandscheibenvorfälle der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie beginnende Coxarthrose links mehr als rechts vor. Im Vergleich zum Gutachten des Dr.H. als Arzt des Vertrauens etwa ein Jahr davor ist von unveränderten Befunden auszugehen, wenngleich Dr.H. das Postdiskotomiesyndrom nicht in seine Diagnostik aufgenommen hatte, es aber gleichwohl schon bestand. Aufgrund der ausgeprägten Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule sollte der Kläger Arbeiten mit dauernd vor- oder rückwärtsgeneigtem Kopf ebenso meiden wie wegen der erheblichen Lendenwirbelsäulen-schäden Heben und Tragen von Lasten sowie gebückte Stellungen. Indiziert sind Arbeiten aus wechselnder Ausgangslage, da hinsichtlich eines Einsatzes als Bürokaufmann anhaltendes Sitzen und auch Zwangshaltungen der Halswirbelsäule - wie bei längerem Bedienen von Büromaschinen oder längeren Arbeiten am Computer, nach dem Gutachter Dr.F. nicht mehr als drei Stunden täglich - nicht anfallen sollten. Ausdrücklich weist der Sachverständige im Gutachten des Berufungsverfahrens darauf hin, dass das Postdiskotomiesyndrom grundsätzlich nicht zu einer zeitlichen Einschränkung der Belastbarkeit führt. Der Kläger ist demnach als Bürokaufmann und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der aufgeführten Einschränkungen vollschichtig einsatzfähig. Allerdings sieht Dr.F. im Vergleich zum Beweisergebnis erster Instanz eine weitere Einschränkung des Leistungsvermögens dahin, als dem Kläger auch nicht mehr zeitweise mittelschwere Arbeiten abverlangbar sind, sondern er ausschließlich für nur mehr leichte Tätigkeiten einsetzbar ist. Der Senat hält das Gutachten des Dr.F. in der Befunderhebung ebenso wie in der Beurteilung für in sich schlüssig, gründlich und nachvollziehbar. Diesem ist vor allem in der Leistungsbeurteilung der Vorzug vor den Ausführungen des Dr.H. zu geben, da der Arzt des Vertrauens den für den Kläger rechtlich und gesundheitlich zumutbaren Einsatzbereich - schuldlos - verkannt hat.

Mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen ist der Kläger jedoch auch unter Beachtung der aufgezeigten sachlichen Einschränkungen noch nicht berufsunfähig. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist von seinem bisherigen Beruf auszugehen. Dieser ist entscheidend für die Beurteilung der objektiven Leistungsfähigkeit und für die Frage der zumutbaren Verweisungstätigkeit. Bisheriger Beruf ist in der Regel die der Versicherungspflicht zugrunde liegende Berufstätigkeit, die der Versicherte zuletzt auf Dauer verrichtet hat. Entgegen den wiederholten Ausführungen des Bevollmächtigten, vielleicht ermutigt durch die Entscheidungsgründe des Erstgerichts, genießt der Kläger keinen Berufsschutz. Berufsschutz setzt einen erlernten Beruf voraus, den der Kläger nicht nachweisen kann und dessen Erlernen und durch Prüfung bestanden er auch nicht behauptet. Dabei kommt dem "BU-Gutachten" der Dr.N. , nach Aktenlage und mit ausgewählten Arztberichten erstellt, keinerlei Beweiswert zu. Es handelt sich hierbei um eine private BU-Versicherung beim Versicherer "Bayer. Beamtenkrankenkasse", deren konkurrenzfähiges Merkmal gerade der Verzicht auf die abstrakte Verweisung ist. Der gesetzlichen medizinischen Berentung ist jedoch die Verweisungsproblematik immanent. Bei genauer und richtiger Wertung kann der Senat die Entscheidungsbegründung des Sozialgerichts nicht nachvollziehen, der Kläger genieße Berufsschutz, weil er als Geschäftsführer bis zur Grenze der Beitragsbemessungsgrenze Beiträge entrichtet habe. Diese Urteilsfindung ist letztlich daraus erklärbar, dass dem Erstgericht die damals verfügbaren tatsächlichen und medizinischen Erkenntnisse genügt haben mögen, um damit "plausibel" eine negative Entscheidung zu begründen, als jedenfalls noch die Hälfte der Leistungsfähigkeit eines "Geschäftsführers" vorhanden gewesen sein mag. Dem Erstgericht ist die höchstrichterliche Rechtsprechung entgegenzuhalten. Danach kann mit sehr hohen freiwilligen Beiträgen kein Berufsschutz "erkauft" werden. Diese Grundsätze gelten jedoch auch für die frei gewählte Entlohnung eines Selbständigen; ebenso wenig kann in diesem Bereich mit sehr hoher Entlohnung ein Berufsschutz entstehen. Zu Recht fordert die Literatur, dass bei der nicht mit Tarifverträgen vergleichbaren Entlohnung des Selbständigen sehr wohl sein qualitativer Wert hinterfragt werden muss (vgl. Niesel, KassKomm § 43 RdNr.70 - erforderliche Ausbildung, die besonderen Anforderungen der Berufstätigkeit und die sonstigen qualifizierenden Merkmale). Wird an diesen Anforderungen das Erwerbsleben des Klägers gemessen, so ist nicht zu übersehen, dass er lediglich den Busführerschein gemacht hat, dessen Erwerb keineswegs der Ausbildung zum Berufskraftfahrer gleichsteht. Je nach Intensität der Fahrschul- und Ausbildungsstunden ist die Befähigung zur Beförderung von Personen im Intensivkurs jedenfalls innerhalb von drei Monaten bewältigbar. Damit ist der Kläger qualitativ allenfalls dem Bereich des Angelernten zuzurechnen und hierbei wiederum dem unteren Bereich. Eine sonstige "Ausbildung" hat der Kläger nachweislich nicht durchmacht. Die Befähigung, Reisen zu verkaufen, hat er sich autodidaktisch beigebracht mit den entsprechenden PC-Kenntnissen. An einschlägigen "Schulungen" hat er lediglich an Veranstaltungen der Reiseveranstalter teilgenommen, wobei es sich insoweit um eintägige Kurse gehandelt hat. Diese "Ausbildung" geht nicht über die Qualifikationsebene der Einarbeitung hinaus. Nach allen zu beachtenden Kriterien kann zugunsten des Klägers allenfalls von der Qualifikation des Angelernten und hier wiederum nur im unteren Bereich ausgegangen werden.

Die Wertigkeit des bisherigen Berufs bestimmt die objektive Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit. Insoweit hat die höchstrichterliche Rechtsprechung ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt, das sich einerseits nach der Dauer und dem Umfang der Ausbildung richtet, andererseits die Verweisbarkeit auf diese Qualifikation, grundsätzlich auch auf Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe des Berufsgruppenschemas zulässt. Somit ist der Kläger auf Tätigkeiten im unteren Bereich des Angelernten, aber auch - als nächstniedrigere Gruppe - auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Dies räumt der Kläger auch ein, indem er sich selbst nur für einfache Bürotätigkeiten qualifiziert hält. Entgegen seiner Auffassung ist er hierauf auch subjektiv zumutbar verweisbar. Insoweit hat die Beklagte bereits im Verfahren geltend gemacht, dass bürokaufmännische Arbeiten mit körperlich leichten Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen verbunden sind, einseitige Körperhaltungen sowie häufiges Bücken vermieden werden können, ebenso das Arbeiten mittels monotoner Handgriffe. Dass es derart subjektiv zumutbare Tätigkeiten auf Anlernebene in nennenswerter Zahl gibt, ist durch die berufskundliche Aussage des Sachverständigen L. vom 10.04.1997 vor dem LSG Schleswig-Holstein (Az.: L 3 An 58/96) bewiesen, die durch Verlesen Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurde. In dieser ist auch klargestellt, dass das kaufmännische Berufsfeld nicht die Notwendigkeit einschließt, in nennenswertem Umfang Schreibmaschinen oder EDV-Anlagen bedienen zu müssen. Im Übrigen schreibt die höchstrichterliche Rechtsprechung für den vom Kläger in Frage kommenden Verweisungsbereich nicht die konkrete Benennung einer spezifischen Verweisungstätigkeit vor. Denn die Untersuchungsergebnisse beim Kläger geben auch keinen Anhalt, dass bei ihm eine "schwere spezifische Leistungsminderung" oder eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorläge. Die Fähigkeit zur Verrichtung leichter körperlicher Arbeiten ist bei ihm trotz der aufgeführten sachlichen Leistungseinschränkungen nicht zusätzlich in so vielfältiger und außergewöhnlicher Weise eingeschränkt, dass nur noch eine theoretische Möglichkeit bestehen würde, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Als Verweisungsbereich gilt dabei nach der höchstricherlichen Rechtsprechung das gesamte Bundesgebiet.

Ob ihm allerdings ein entsprechender Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung zum Bereich der Arbeitslosenversicherung gehört und nicht den gesetzlichen Rentenversicherungsträgern zugerechnet werden darf. Insoweit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann ohne Rücksicht auf die jeweilige Arbeitsmarktlage (§ 43 Abs.2 Satz 4 SGB VI).

Ist der Kläger schon nicht berufsunfähig, ist er erst recht nicht erwerbsunfähig, da diese Voraussetzungen noch strengeren Anforderungen unterliegen. Ebenso sind angesichts der noch vollschichtigen Leistungsfähigkeit die Voraussetzungen der auch eine teilweise zeitliche - mindestens sechs Stunden täglich - Leistungseinschränkung berücksichtigenden §§ 43 Abs.2, 44 Abs.2 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (BGBl.I, S.1827) nicht erfüllt.

Nach alldem musste die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückgewiesen werden.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved