L 2 U 1422/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 3002/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 1422/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Abgrenzung zwischen unversichertem Freundschaftsdienst und versicherter „Wie-Beschäftigung“ nach § 2 Abs. 2 SGB VII bei einem Gastwirt, der in einem Nachbarbetrieb während Urlaubsabwesenheit nach dem Rechten sieht.
Das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Februar 2010 und der Bescheid vom 20. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2008 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der vom Kläger am 17. August 2006 erlittene Treppensturz ein Arbeitsunfall gewesen ist.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines vom Kläger am 17.08.2006 erlittenen Sturzes auf einer Kellertreppe im "B. Paletti" der Zeugin M. als Arbeitsunfall. Insbesondere ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Sturzereignisses "wie ein Beschäftigter" gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) im Interesse der Zeugin M. tätig war und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Der am 11.02.1947 geborene Kläger ist seit über 40 Jahren als selbständiger Gastronom tätig (Entlassungsbericht Fachkliniken Hohenurach vom 02.11.2006, 17 [31] Verwaltungsakte der Beklagten - VA). Er betrieb zum Unfallzeitpunkt - und betreibt noch - eine Pilsbar in der Freihofstraße 20 in G ... In der Grabenstr. 42 (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 16.10.2007, Bl. 1 VA) und damit in 3 Gehminuten Entfernung (Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung vom 03.08.2011, Bl. 21, 22, 25) liegt das B. "Paletti" der Zeugin M ... Von dort aus ist die Pilsbar des Klägers die nächstgelegene Gastwirtschaft.

Der Kläger und die Zeugin M. sind seit mehreren Jahren miteinander bekannt und besuchen sich regelmäßig gegenseitig in ihren Gastwirtschaften. Im Vorfeld eines im August 2006 geplanten ca. 2-wöchigen Urlaubs bat die Zeugin M. den Kläger am 10.08.2006, in ihrem Lokal die Post hereinzuholen und "nach dem Rechten zu schauen" (schriftliche Erklärung der Zeugin M. vom 29.10.2007, Bl. 17 bis 19 VA, Telefonnotiz der Beklagten vom 13.02.2008, Bl. 20 VA, Schreiben der Zeugin M. vom 05.05.2008, Bl. 40 VA und Aussage der Zeugin vom 03.08.2011, Bl. 24 ff. Senatsakte).

Am 17.08.2006 stürzte der Kläger auf einer zur Laderampe des B. "Paletti" führenden Treppe (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 16.10.2007, Bl. 1 VA, Angaben des Klägers im Termin vom 03.08.2011, Bl. 21 ff. Senatsakte) und zog sich eine pertrochanetäre Oberschenkelfraktur links und eine subkapitale Humerusfraktur links (vgl. Auskunft des Chefarztes der Fachkliniken Hohenurach, Prof. Dr. Dr. Heisel, vom 03.03.2008, Bl. 25 VA) zu. Aufgrund dieser Verletzungen befand sich der Kläger vom 17.08. bis zum 20.09.2006 in der Unfallchirurgischen Klinik der Klinik am Eichert in stationärer Behandlung, wo die Verletzungen des Klägers operativ versorgt wurden (vgl. Entlassungsbericht der Klinik am Eichert vom 25.09.2006, Bl. 11 VA). Es schlossen sich ein weiterer stationärer Aufenthalt in der Klinik am Eichert (vgl. Entlassungsbericht vom 24.11.2006, Bl. 14 VA) und stationäre Behandlungen in den Fachkliniken Hohenurach vom 20.09.2006 bis 25.10.2006 sowie vom 20.11. bis 19.12.2007 (vgl. Entlassungsberichte Bl. 27 und 31 ff. Verwaltungsakte ) an.

Am 17.10.2007 teilte der Kläger der Beklagten durch seinen Prozessbevollmächtigten mit, die Zeugin habe ihn beauftragt, während ihrer Urlaubsabwesenheit täglich in dem für diese Zeit geschlossenen B. "nach dem Rechten" zu sehen, insbesondere den Briefkasten zu leeren und ggf. Lieferungen entgegenzunehmen. Als der Kläger anlässlich eines Kontrollganges am 17.08.2006 zufällig von einer anstehenden Brauereilieferung erfahren habe, habe er im Keller kontrollieren wollen, ob die Laderampe frei sei. Hierbei sei er auf einer Schmierschicht auf der Betontreppe neben der Rampe ausgerutscht, gestürzt und habe sich dabei schwer verletzt. Aufgrund dessen habe er Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Nach Beiziehung der bereits in Bezug genommenen Entlassungsberichte holte die Beklagte von der Zeugin M. eine schriftliche Erklärung ein, welche vom 12.12.2007 (Bl. 17 ff. VA) datiert. Diese gab an, sie habe dem Kläger am 10.08.2006 den Auftrag erteilt, die Post reinzuholen und nach dem Rechten zu sehen, da sie im Urlaub und ihr Lokal geschlossen gewesen sei. Es habe sich um einen Freundschaftsdienst gehandelt. Mit weiterer telefonischer Erklärung gegenüber einer Sachbearbeiterin der Beklagten (vgl. Telefonnotiz vom 13.02.2008, Bl. 20 VA) teilte die Zeugin M. mit, der Kläger habe während ihres Urlaubes im Lokal nach dem Rechten schauen sollen, d.h. nach der Post, ob eventuell eingebrochen worden sei, ob eventuell ein Wasserrohrbruch stattgefunden habe und "eben alle Tätigkeiten, die in einem Lokal so anfallen." An dem Unfalltag sei tatsächlich keine Brauereianlieferung gewesen. Die Lieferung sei später erfolgt.

Mit Bescheid vom 20.02.2008 (Bl. 22 VA) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 17.08.2006 als Arbeitsunfall ab. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt nicht zu der Zeugin M. in einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gestanden. Der Kläger sei auch nicht gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII arbeitnehmerähnlich versichert gewesen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung seien Gefälligkeitsleistungen unter Verwandten, Eheleuten, Freunden oder Nachbarn nicht arbeiternehmerähnlich, wenn Art, Umfang und Dauer typisch, üblich und deshalb zu erwarten seien. Hierbei seien die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls und die konkrete Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt zu berücksichtigen. Zum Unfallzeitpunkt habe sich der Kläger auf einem Kontrollgang in den Keller befunden, da eventuell eine Brauereilieferung zu erwarten gewesen sei. Die Zeugin M. habe den Kläger beauftragt, während ihres Urlaubes nach dem Rechten zu schauen. Es habe sich hierbei nach eigenen Angaben der Zeugin um einen Freundschaftsdienst gehandelt. Die unfallbringende Tätigkeit sei daher ihrer Art nach als Gefälligkeitsleistung zu betrachten, weshalb ein Versicherungsschutz nicht bestehe.

Mit dem mit Schreiben vom 10.03.2008 (Bl. 36 VA) erhobenen Widerspruch ließ der Kläger vortragen, er sei unzweifelhaft "wie ein Beschäftigter" im ausschließlichen Interesse und im Sinne der Zeugin M. tätig gewesen. Er sei während der 2-wöchigen Urlaubsabwesenheit der Betriebsinhaberin beauftragt gewesen, täglich "nach dem Rechten" zu sehen und hierbei insbesondere den Briefkasten zu leeren, die Post zu sichten, die wöchentlich anstehenden Brauereilieferungen zu betreuen, die Laderampe im Keller freizuhalten, nach der Dichtigkeit von Kohlensäureflaschen zu schauen, abends das Licht an- und nachts wieder auszuschalten. Diese teilweise sehr gastronomiespezifischen Tätigkeiten hätten zuverlässig nur von einer in diesem Bereich erfahrenen Person ausgeführt werden können. Der Kläger leite ein in mittelbarer Nachbarschaft befindliches Abendlokal und sei daher nicht nur mit den täglich anstehenden Routinearbeiten im Gastronomiebereich, sondern mit ggf. unvorhergesehen anfallenden Tätigkeiten wie der Entgegennahme und Versorgung von Warenlieferungen bestens vertraut gewesen. Da er das uneingeschränkte Vertrauen der Zeugin M. genossen habe und dieser die entgeltliche Beschäftigung einer entsprechenden Aushilfe habe ersparen wollen, habe er sich bereit erklärt, während der Urlaubsabwesenheit der Zeugin M. deren Geschäftsbetrieb im erforderlichen Umfang zu betreuen und für die notwendige Sicherheit zu sorgen. Diese vorübergehende Arbeit stelle ohne weiteres eine ernsthafte und ebenso wesentlich wie ausschließlich dem Unternehmen der Zeugin M. zu dienen bestimmte Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert dar, welche nicht auf einer Sonderbeziehung wie z.B. unter Eheleuten oder Verwandten beruhe und hiernach die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses aufweise, mithin arbeitnehmerähnlich sei.

Die Beklagte holte hierauf eine weitere Auskunft bei der Zeugin M. ein, die mitteilte (Schreiben vom 05.05.2008, Bl. 40 VA), sie sei vom 12.08. bis zum 27.08.2006 im Urlaub gewesen. Der Kläger habe während der Urlaubszeit den Briefkasten des B. entleeren, die Post im B. deponieren und im Zuge dessen einen kurzen Rundgang durch das B. durchführen sollen, ob alles in Ordnung sei. Andere Tätigkeiten seien nicht vereinbart gewesen. Für diese Tätigkeiten schätze sie den Zeitaufwand pro Tag auf eine Viertelstunde ein. Die Regelung der Urlaubsvertretung sei aus der Freundschaft des Klägers und ihr zustandegekommen, obwohl sie diese Tätigkeit bislang noch nie in dessen B. ausgeführt habe. Von einer entgeltlichen Vergütung sei nie die Rede gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Weder der Art noch dem Umfang noch der Dauer nach hätten die erbetenen Leistungen für die Zeugin den Rahmen einer nachbarschaftlichen und freundschaftlichen Gefälligkeitsleistung gesprengt, weshalb kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII bestanden habe. Der Kläger habe in Abwesenheit der Zeugin M. lediglich den Briefkasten leeren, die Post im B. deponieren sowie im Zuge dessen einen kurzen Rundgang durch das B. durchführen sollen, ob alles in Ordnung sei. Andere Tätigkeiten seien nicht vereinbart gewesen, auch sei keine Brauereilieferung in Abwesenheit der Zeugin zwischen dem 12.08. und 27.08. vorgesehen gewesen; die nächste Brauereilieferung sei am 28.08.2006 erfolgt, was anhand einer Lieferrechnung von der Zeugin M. nachgewiesen worden sei. Der geschätzte Zeitaufwand pro Tag sei bei einer Viertelstunde gelegen. Die Regelung der Urlaubsvertretung sei aus der Freundschaft des Klägers zur Zeugin M. zustande gekommen und habe auch nicht entgeltlich vergütet werden sollen. Zwar habe es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine ernstliche Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen zu dienen bestimmt gewesen sei, wie auch um eine Tätigkeit gehandelt, die dem Willen des Unternehmers entsprochen habe, auch habe die Tätigkeit ihrer Art nach von Personen in einem Beschäftigungsverhältnis verrichtet werden können. Als weitere und letzte Voraussetzung müsse jedoch die unfallbringende Tätigkeit nach ihrer Art und den Umständen, unter denen sie tatsächlich geleistet worden sei, einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähneln. Nicht arbeitnehmerähnlich seien Gefälligkeitsleistungen unter Verwandten, Eheleuten, Freunden oder Nachbarn, wenn sie nach Art, Umfang und Dauer typisch, üblich und deshalb zu erwarten seien. Diese Voraussetzung sah die Beklagte als erfüllt an.

Mit der hiergegen am 26.08.2008 beim Sozialgericht Ulm erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Auftragserteilung an ihn sei nicht nur aus freundschaftlichen oder nachbarschaftlichen Gründen erfolgt, sondern insbesondere deshalb, weil der Kläger aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung als selbständiger Betreiber eines eigenen Lokals ggf. in der Lage gewesen wäre sofort einzugreifen, falls in dem B. der Klägerin ausnahmsweise etwas nicht in Ordnung gewesen sein sollte. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei von einem - wenngleich benachbarten und befreundeten - Gastronomen, der immerhin ein Konkurrenzlokal betreibe, gerade nicht ohne weiteres oder gar automatisch zu erwarten, dass er sich neben dem geöffneten eigenen Lokal um einen Konkurrenzbetrieb kümmere. Tatsächlich hätte der Kläger gemeinsam mit der Zeugin M. sogar im Vorfeld Überlegungen angestellt gehabt, den Kläger übergangsweise als geringfügig Beschäftigten im Betrieb der Zeugin M. anzumelden, was allerdings wohl aus Gründen des damit verbundenen Aufwandes letztlich verworfen worden sei.

Die Beklagte hat demgegenüber ausgeführt, dass der Kläger vorwiegend bereit gewesen sei, sich ohne Gegenleistung um ein Konkurrenzlokal bzw. die Gaststätte seiner Freundin bei urlaubsbedingter Abwesenheit zu kümmern, belege gerade eine gefestigte und tiefe freundschaftliche Verbundenheit und lasse erkennen, dass die Beziehung nicht von empfundener Konkurrenz geprägt gewesen sei. Da die abgesprochene Entnahme der Post mit dem kurzen, etwa viertelstündigen, Rundgang in der Gaststätte durch das Freundschaftsverhältnis des Klägers zu der Zeugin M. motiviert und davon geprägt gewesen und kein weitergehendes betriebliches Interesse des Klägers erkennbar gewesen sei, liege eine unter Freunden übliche Gefälligkeitshandlung vor, die nach Art und Umfang einer Arbeitnehmertätigkeit nicht gleichzustellen und daher unversichert gewesen sei.

Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 08.10.2009 (vgl. Niederschrift Bl. 25 SG-Akte), zu welchem der Kläger krankheitsbedingt nicht erschienen ist, hat das SG die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 18.02.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar stehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses aus Gefälligkeit und unentgeltlich einem Versicherungsschutz nicht zwingend entgegen, allerdings sei weiter erforderlich, dass es sich bei der unfallbringenden Verrichtung ihrer Art nach um eine Tätigkeit handele, die von Personen verrichtet werden könne, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stünden. Für die konkrete Arbeitnehmerähnlichkeit im Einzelfall sei keine wirtschaftliche oder persönliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmer erforderlich, ebenfalls keine Eingliederung nach Art eines Arbeitnehmers. Auszuscheiden seien jedoch Fälle, die nach ihrem gesamten rechtlichen und tatsächlichen Erscheinungsbild sowie der Handlungstendenz und den Beziehungen der Beteiligten untereinander denen eines Arbeitnehmers nicht vergleichbar seien, was insbesondere bei Tätigkeiten gelte, die ihrer Art nach eher extreme Ausnahmen in einer Verrichtung durch Arbeitnehmer darstellten. Keinen Unfallversicherungsschutz würden daher Tätigkeiten genießen, die als überwiegend nachbarschaftliche Gefälligkeiten zu qualifizieren seien, oder Gefälligkeiten, die aufgrund anderer persönlicher, gesellschaftlicher Beziehungen zwischen Bekannten, Freunden, Kollegen oder aufgrund besonderer Gemeinschaftsverhältnisse erbracht würden. Die Tätigkeit des Klägers sei nicht über das Maß einer nachbarschaftlichen Gefälligkeit hinausgegangen. Das Leeren des Briefkastens und Durchführen eines Rundgangs durch das B. übersteige nicht das Maß dessen, was aus einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis oder auch Freundschaftsverhältnis heraus zu erwarten sei. Insbesondere ergebe sich weder aus den Schilderungen des Klägers noch aus den Angaben der Zeugin M., dass Aufgaben in einem Umfang zu verrichten gewesen seien, dass in Erwägung hätte gezogen werden müssen, hierfür einen Arbeitnehmer zu beschäftigen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine lediglich zweiwöchige Urlaubsabwesenheit im Raum gestanden habe. Die Einlassungen des Klägers zur Frage der Bierlieferung rechtfertigten keine andere Beurteilung: Das SG hat die einmalige Entgegennahme einer Bierlieferung nicht als über das nachbarschaftliche Gefälligkeitsverhältnis hinausgehend angesehen und darauf hingewiesen, dass die Angaben des Klägers hierzu nicht frei von Widersprüchen gewesen seien. Während er zunächst angegeben habe, dass ihm der Kellerschlüssel extra ausgehändigt worden sei, um die Laderampe freihalten zu können, falls eine Bierlieferung eintreffe, sei dies sodann dahingehend relativiert worden, dass ihm lediglich mitgeteilt worden sei, wo sich der Kellerschlüssel befindet. Letztlich sei aber eine Bierlieferung ohnehin nicht erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger am 24.03.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, die Tätigkeiten während des Urlaubs der Zeugin M. seien nicht auf das Leeren des Briefkastens oder Durchführen eines Rundgangs reduziert gewesen; der Kläger habe abendlich das Licht ein- und wieder ausgeschaltet, was durchaus den Erfolg gehabt haben möge, Einbrecher abzuhalten. Ferner sei der Kontrollgang im Keller und zu der Laderampe - völlig unabhängig von den Beweggründen - dem Unternehmenszweck dienlich gewesen, nachdem die Zeugin M. aktenkundig erklärt habe, dass die Annahme einer Brauereilieferung in ihrem Sinne gewesen sei. Solche Hilfstätigkeiten würden typischerweise von abhängigen Arbeitnehmern verrichtet. Der Kläger habe keine derartige enge verwandschaftliche oder sonstige Beziehung zu der Zeugin M. gehabt, dass von möglicherweise unter Verwandten oder ähnlich einander verbundenen Personen zu erwartenden Gefälligkeitsleistungen ausgegangen habe werden können. Er sei vielmehr erstmalig für die Zeugin tätig geworden, welche die Hilfstätigkeit des Klägers auch keineswegs habe erwarten können. Darüber hinaus sei die Aushilfstätigkeit in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis gestanden. Wenn der Kläger die Tätigkeit nicht wahrgenommen hätte, hätte hierfür ein Arbeitnehmer angestellt werden müssen. Deshalb sei die Tätigkeit des Klägers, auch wenn sie unentgeltlich und gefälligkeitshalber erfolgt sei, als arbeitnehmerähnlich einzustufen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Februar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2008 aufzuheben und festzustellen, dass der vom Kläger am 17. August 2006 erlittene Treppensturz ein Arbeitsunfall gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und weist darauf hin, es komme nicht allein auf eine sich objektiv darstellende Betriebsdienlichkeit der Verrichtung an, sondern auch auf die Handlungsmotivation des Betroffenen. Ausgehend von der Zeitdauer der Verrichtungen von einer Viertelstunde sei der Beklagten nicht nachvollziehbar, dass zwischen den Beteiligten sogar überlegt worden sein solle, den Kläger übergangsweise regulär als Arbeitnehmer anzumelden.

In einem vom Berichterstatter am 03.08.2011 durchgeführten Erörterungstermin (Niederschrift Bl. 21 Senatsakte) ist der Kläger persönlich angehört worden, ferner ist die Zeugin M. vernommen worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die SG-Akte und die Senatsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, da Berufungsbeschränkungen nicht vorliegen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), und auch sonst zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist anerkannt, dass wenn die Frage streitig ist, ob ein bestimmter Unfall Arbeitsunfall ist, der Versicherte diese Frage vorab im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und isolierten Feststellungsklage klären lassen kann (vgl. etwa Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 15.02.2005 – B 2 U 1/04 R – m.w.N.).

2. Die Berufung ist begründet. Der vom Kläger am 17.08.2006 erlittene Treppensturz ist ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gewesen. Der Kläger ist - anders als von der Beklagten angenommen – zum Zeitpunkt Unfalls wie ein Versicherter tätig gewesen. Die arbeitnehmerähnliche Hilfeleistung ist auch nicht – wie vom SG angenommen – von einem "nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis" bzw. Freundschaftsverhältnis in der Weise überlagert gewesen, dass nicht die Förderung des Unternehmens der Zeugin M., sondern die – letztlich eigennützige – Förderung eines bestehenden Nachbarschafts- oder Freundschaftsverhältnisses die Handlungstendenz des Klägers maßgeblich bestimmt hat.

Nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Versicherte Tätigkeit ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des BSG vom 30.01.2007, Az. B 2 U 8/06 R, UV-Recht Aktuell 2007, 860-866, zitiert nach (juris), dort Rn. 10 m.w.N., sowie vom 27.02.2009, Az. B 2 U 18/07 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31, zitiert nach (juris), dort Rn. 9).

Ein Arbeitsunfall ist nach alledem nur anzunehmen, wenn das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92; BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 82 und 97; SozR 3-2200 § 548 Nrn. 19 und 26). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 m.w.N.; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (vgl. insgesamt zum Vorstehenden Urteil des BSG vom 14.12.1999, B 2 U 3/99 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 1, zitiert nach (juris), dort Rn. 15).

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind u.a. kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung Beschäftigte versichert. Ein Beschäftigungsverhältnis ist vorliegend nicht zustande gekommen. Des Weiteren sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII greift vorliegend zugunsten des Klägers ein. Dieser ist zum Zeitpunkt des am 17.08.2006 erlittenen Treppensturzes wie ein Beschäftigter tätig gewesen und hat aufgrund dessen den streitgegenständlichen Unfall (Ausrutschen auf der Treppe mit durch den Sturz verursachten Frakturen im linken Oberschenkel- und Schulterbereich) erlitten. Die Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Handlungstendenz des Klägers, die im Unfallzeitpunkt auf die Förderung des Betriebes des Zeugin M. gerichtet war, durch ein besonders enges Nachbarschafts- oder Freundschaftsverhältnis überlagert gewesen wäre, so dass es sich letztlich um eine wesentlich eigennützige Tätigkeit gehandelt hätte.

Wie die inhaltlich übereinstimmende Vorgängerbestimmung des § 539 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) will § 2 Abs. 2 SGB VII aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den Versicherungsschutz auf Tätigkeiten erstrecken, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Urteil des BSG vom 05.07.2005, Az. B 2 U 22/04 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 6 m.w.N.). Dabei braucht weder eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit zu bestehen, noch sind die Beweggründe des Handelnden für das Tätigwerden maßgebend (Urteil des BSG vom 17.03.1992, Az. 2 RU 6/91, SozR 3-2200 § 539 Nr. 15, zitiert nach (juris), Rn. 14 m.w.N.).

Der Senat ist aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers und der Zeugin M., die im wesentlichen übereingestimmt haben, davon überzeugt, dass der Kläger am Tag des Unfalls nicht nur die Post des B.s "Paletti" hereingeholt, sondern auch die Räumlichkeiten des Lokals begangen und ihren Zustand (auf Spuren von Einbruchsversuchen sowie Wasserrohrbrüchen) sowie den der darin enthaltenen technischen Geräte (etwa Zapfanlage mit Kohlensäureflasche) kontrolliert hat ("nach dem Rechten sehen"). Der Treppensturz hat sich ereignet, als der Kläger den Zustand der zum Lokal gehörenden Laderampe zu überprüfen beabsichtigt hat. Zu dem "nach dem Rechten sehen" hatte sich der Kläger vorab am 10.08.2006 gegenüber der Zeugin M. freiwillig verpflichtet. Hierbei hat es sich um eine ernstliche und dem Unternehmen der Zeugin M. dienende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert gehandelt, die sonst von Personen ausgeübt worden wäre, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen, nämlich entweder von Angestellten des betroffenen Gastronomiebetriebes oder Angestellten eines Sicherheitsdienstes. Auch der zeitliche Umfang von - geschätzt - einer Viertelstunde pro Begehung erlaubt keine andere Beurteilung. Auch bei Begehungen durch eigene Angestellte oder Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes halten diese sich nicht länger in den jeweiligen Räumlichkeiten auf als erforderlich ist, um offensichtliche technische Defekte dort befindlicher technischer Gerätschaften, Spuren erfolgter oder versuchter Einbrüche, den unerlaubten Aufenthalt nicht befugter Personen oder einen nicht ordnungsgemäßen Zustand des Außenbereichs - etwa durch Ablagern von Müll - auszuschließen - eben nachzusehen, ob "alles in Ordnung ist".

Nicht erforderlich für die Einordnung des Tätigwerdens des Klägers als "Wie-Beschäftigung" ist das Vorliegen einer - hier auch nicht existierenden - persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit gegenüber dem geförderten Unternehmen der Zeugin M ... Darüber hinaus sind die Beweggründe des Handelnden für das Tätigwerden nicht für die Einordnung als "Wie-Beschäftigung" maßgebend, weshalb der Umstand allein, dass es sich um einen Gefälligkeitsdienst gehandelt hat, nicht geeignet ist, den Versicherungsschutz von vornherein auszuschließen (vgl. Urteil des BSG a.a.O.).

Allerdings ist zu beachten, dass nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt nämlich der mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist (siehe dazu BSG Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 9/01 R - SGb 2002, 441), ausschlaggebende Bedeutung zu. Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII wie ein nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG a.a.O.).

Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, unter denen sich die Tätigkeit vollzogen hat im Sinne einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls; die isolierte Betrachtung der einzelnen zum Unfall führenden Verrichtung ist demgegenüber nicht ausreichend (vgl. BSG-Urteil vom 17.03.1992, a.a.O.). Als nicht versicherte Tätigkeiten, deren tragende Handlungsmotivation letztlich eine eigenwirtschaftliche ist, hat die Rechtsprechung Gefälligkeitshandlungen aufgrund enger familiärer Bindungen angesehen, ebenfalls Verrichtungen, welche aufgrund mitgliedschaftlicher, gesellschaftlicher oder körperschaftlicher Verpflichtungen ausgeführt werden. Solche Verrichtungen liegen hier nicht vor.

Verrichtungen aufgrund freundschaftlicher und/oder nachbarschaftlicher Beziehungen, und um solche handelt es sich vorliegend, schließen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit eines Verletzten und damit Versicherungsschutz über § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nicht von vornherein aus, sondern nur dann, wenn es sich um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst handelt oder die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher (nicht rechtlicher) Verpflichtungen anzusehen ist, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Freunden typisch, üblich und deshalb zu erwarten sind (vgl. BSG a.a.O.).

Eine derartige gesellschaftliche Verpflichtung hat nach Überzeugung des Senats, welcher sich auf die Ausführungen des Klägers selbst im Termin vom 03.08.2011 und die Ausführungen der Zeugin M. stützt, im vorliegenden Fall gerade nicht bestanden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Freundschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin M. zwar regelmäßige gegenseitige Besuche eingeschlossen hat, jedoch als jeweils zahlender Gast im Lokal des anderen. Die freundschaftliche, dem privaten Bereich zuzuordnende, Beziehung zwischen dem Kläger und der Zeugin M. war mithin zu keinem Zeitpunkt so eng, dass auf die Bezahlung der jeweils im Lokal des anderen konsumierten Getränke verzichtet worden wäre. Gemeinsame Urlaube haben nicht stattgefunden, ebenso kein Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger und die Zeugin M. einen engeren Bezug zueinander gehabt haben als zu anderen Wirten der Stadt G., was sowohl in persönlicher Sympathie als auch darin begründet gewesen ist, dass es sich bei den jeweils geführten Lokalitäten um das jeweils nächstgelegene Lokal gehandelt hat. Die räumliche Nähe wie auch die Fachkenntnis des Klägers als langjähriger Gastronom und dessen Ortskenntnis im Lokal der Zeugin M. haben nach der Überzeugung des Senats letztlich dazu geführt, dass diese den Kläger damit beauftragt hat, in ihrem Lokal die Post herein zu holen und "nach dem Rechten zu sehen", und eben nicht eine über eine "normale" Freundschaft hinausgehende besonders enge Verbundenheit. Dies ergibt sich für den Senat auch aus der Angabe der Zeugin, sie hätte auch ihre Nachbarin fragen können, aber diese kenne sich mit Alarmanlagen nicht aus.

Hinzu kommt, dass angesichts der mit der Übernahme des "Nach-dem-Rechten-sehen" eine nicht unerhebliche Verantwortung für den Kläger verbunden gewesen ist, da es sich um Räumlichkeiten eines Gewerbebetriebes mit darin befindlichen technischen Gerätschaften gehandelt hat, für die er während der Abwesenheit der Zeugin M. faktisch die Verantwortung übernommen hat. Dies und die hierfür auch erforderliche spezifische Erfahrung (mit Zapfanlagen, Alarmanlagen, möglichen Bierlieferungen, etc.) sowie der regelmäßig erforderliche Zeitaufwand von jeweils 15 Minuten (ohne Wegzeiten und ohne besondere Vorkommnisse) übersteigen vorliegend den Rahmen einer bloßen Nachbarschaftshilfe im Sinne einer Gefälligkeit, welche ohne weiteres erwartet werden kann und gleichsam einer "sittlichen Pflicht" entspringt (wie etwa Blumen gießen und Briefkasten leeren bei dem unmittelbaren Wohnungnachbarn während dessen Urlaubsabwesenheit). Hinzu kommt, dass es vorliegend auch an einem Gegenseitigkeitsverhältnis gefehlt hat, mithin der Kläger nicht erwartet hat, dass sich die Zeugin M. bei ihm revanchieren würde, da dies angesichts des Umstandes, dass er mit seiner Schwester zusammen die Pilsbar geführt hat und noch einen Angestellten gehabt hat, nicht erforderlich gewesen ist.

3. Nach alledem war der Berufung stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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