L 13 RA 15/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RA 268/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 15/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. August 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1918 in Schlesien geborene Kläger hält sich seit 1946 im Bundesgebiet auf, im Dezember 1951 ist er nach A. (H.) zugezogen. Nach seinen Angaben betrieb er von Mitte 1945 bis 31.12.1951 in P./Vogtland als selbständiger Diplomingenieur ein Wirtschaftsingenieurbüro. In dem ab November 1965 eingeleiteten Kontenklärungsverfahren beantragte er unter Vorlage von Unterlagen die Anrechnung von Beitragszeiten, zurückgelegt in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ).

Mit Bescheid vom 14.05.1974 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Zeiten vom 01.12.1945 bis 31.10.1949 als selbständiger Unternehmer seien nicht anrechenbar, weil eine Beitragsentrichtung weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht sei. Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB), Kreisvorstand P. , Verwaltung der Sozialversicherung, habe eine Versicherungspflicht als selbständiger Unternehmer erst ab 01.11.1949 gemeldet. Nach den Unterlagen der Stadt P. habe der Kläger von 01.01.1946 - 31.12.1948 mehr als 5 Personen beschäftigt und sei daher nicht versicherungspflichtig gewesen. Die für die Zeit vom 01.03.1962 bis 30.09.1964 freiwillig entrichteten 31 Beiträge seien zu Unrecht entrichtet und werden daher beanstandet (vgl. Bescheid vom 11.6.1974, Widerspruchsbescheid vom 02.12.1974). Die Klage vor dem Sozialgericht (SG) Augsburg wurde zurückgenommen (S 12 An 4/75, mündliche Verhandlung vom 15.05.1975). Nach den bis 31.12.1945 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung sei der Kläger nicht versicherungspflichtig gewesen. Die Angaben in den Schreiben des FDGB sowie der Stadt P. seien durch die Erklärungen des damaligen Vermieters Herrn C. K. vom 03.09.1974 und die eigenen Angaben nicht widerlegt. Auf weiteren Antrag vom Januar 1983 wurde mit Bescheid vom 14.04.1983 die Zeit von 14.04.1945 bis 31.12. 1946 als Ersatzzeit wegen Vertreibung, Flucht nach § 28 Abs. 1 AVG vorgemerkt. Wegen der behaupteten Beitragszeit von 01.01. 1946 bis 31.10.1949 verwies die Beklagte auf die Bescheide vom 14.05.1974 und 02.12.1974.

Auf Antrag von September 1983 gewährte die Beklagte ab 01.12. 1983 Altersruhegeld (vgl. Bescheid vom 21.05.1984, Zahlbetrag ab 01.08.1984: 2332,02 DM). Die Zeit von 14.04.1945 - 31.12. 1946 (Vertreibung, Flucht) wurde als Ersatzzeit anerkannt, nicht jedoch - unter Hinweis auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 14.05.1974 - die Zeit vom 01.01.1946 - 31.10.1949 als Beitragszeit. Im Widerspruchsverfahren bekundete die ehemalige Mitarbeiterin I. J. am 03.07.1984, dass der Kläger, der mit seinem Bruder H. Interzonen-Transporte vermittelt habe, in der Zeit von 1945 - 1951 regelmäßig weniger als 5 Mitarbeiter beschäftigt habe. Die Eintragung im Handelsregister sei erst 1948 erfolgt. Mit Bescheid vom 20.09.1984 stellte die Beklagte die Rente neu fest. Im Übrigen wies die Beklagte die Anerkennung weiterer Zeiten mit Widerspruchsbescheid vom 25.03. 1985 zurück. Die Ablehnung der Beitragszeit vom 01.01.1946 - 31.10.1949 werde nicht zurückgenommen, da sie nicht rechtswidrig sei. Maßgeblich seien weiterhin die Angaben des Versicherungsträgers in der DDR, die durch die Erklärung von Frau J. nicht widerlegt worden seien. Eine Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für diese Zeit sei gesetzlich nicht möglich. Im anschließenden Klageverfahren vor dem SG Augsburg (S 13 An 116/85) legte der Kläger am 10.03.1987 eine Erklärung des Herrn H. F. vom 07.07.1986 vor. Danach habe der Kläger eine Mitarbeit des Herrn F. stets abgelehnt, weil das Unternehmen nicht mehr als 5 Mitarbeiter habe tragen können. In der mündlichen Verhandlung vom 10.03.1987 erkannte die Beklagte die Zeit vom 01.01.1949 bis 31.10.1949 als glaubhaft gemachte Beitragszeit nach dem FRG in Leistungsgruppe 3 an. Die Neufeststellung erfolgte mit Bescheid vom 06.05.1987. Auf Vorlage des Versicherungsausweises Nr. 1 erkannte die Beklagte die Zeit vom 01.11.1949 bis 31.12.1951 zu 6/6 (bisher 5/6) an und stellte die Rente unter Berücksichtigung des § 45 SGB I ab 01.01.1991 neu fest (vgl. Bescheid vom 30.12.1996). Weitere Anträge des Klägers (vom 07.03.1997, 25.05.1997, 27.11.1997, 30.06.1998, nach Akteneinsicht am 01.10.1998), aufgrund der Zeugenaussagen von Frau J. und von Herrn F. die Zeit vom 01.01.1946 bis 31.12.1948 als Beitragszeit anzuerkennen, blieben ohne Erfolg (Bescheide der Beklagten vom 08.04.1997, 24.09.1997, 14.01. 1998, 20.07.1998, 08.10.1998).

Den erneuten Antrag vom 26.03.1999 mit der Begründung, das SG habe am 10.03.1987 die Zeugenerklärung des Herrn F. mangels Antragstellung nicht verwendet und die Beklagte habe den Sachverhalt, betreffend die streitige Zeit von 01.01.1946 bis 31.12.1948, im Jahr 1970 nicht ausreichend aufgeklärt, wies diese mit streitigem Schreiben vom 06.05.1999 zurück.

Die im August 1999 erhobene Klage hat das SG Augsburg wegen Fehlens eines Widerspruchsbescheides ausgesetzt. Auf Anforderung der Beklagten hat die LVA Sachsen die allein noch vorhandene Hebekarte für 1948 vorgelegt. Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.1999 zurückgewiesen. Anhaltspunkte, die Bescheide vom 30.12.1996 bzw. 06.05.1987 nach § 44 SGB X aufzuheben, bestünden nicht. Die behauptete Beitragsentrichtung vom 01.01.1946 bis 31.12.1948 sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Die von der LVA Sachsen vorgelegte Hebekarte beweise, dass der Kläger seit 15.08.1947 regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit beschäftigt habe. Damit sei er nach der Sozialversicherung der DDR nicht sozialversicherungspflichtig gewesen. Davon müsse auch für die Zeit davor ausgegangen werden. Für den streitigen Zeitraum (01.01.1946 - 31.12.1948) sei weder eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit noch eine vom Arbeitseinkommen entsprechende Beitragszahlung glaubhaft. Nach Auffassung des Klägers seien vor August 1947 stets weniger als 5 Personen bei ihm beschäftigt gewesen, so dass diese Zeit aus Billigkeitsgründen anzurechnen sei. Viele der auf der Hebekarte aufgeführten Beschäftigten kenne er im Übrigen nicht. Sie seien vermutlich von einer für den Interzonenhandel zuständigen Dienststelle eingestellt und ihm zugeschrieben worden.

Durch Urteil vom 09.08.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Der beantragte frühere Beginn der Beitragszeit ab 01.08.1945 sei als Klageerweiterung zulässig. Eine Anerkennung der gesamten geltend gemachten Zeit bis 31.12.1948 komme jedoch im Übereinstimmung mit der Beklagten nicht in Betracht. Die Hebekarte für 1948 belege ab 15.08.1947 eine Beschäftigung von stets mehr als 5 Personen, womit die Auskunft des Rates des Bezirks K. vom 20.08.1970 bestätigt werde. Ein Vermerk über vom Kläger selbst geleisteten Beiträge sei nicht enthalten, was bei versicherungspflichtigen Selbständigen erfolgt wäre. Die neu beantragte Zeit als Selbständiger ab 01.08.1945 widerspreche den eigenen Angaben im Antrag vom 23.05.1966, wonach er vom 14.04.1945 bis Ende 1945 eine wissenschaftliche Ausbildung in F. abgeleistet habe. Den Nachweis, dass er vor August 1947 fünf oder weniger Personen beschäftigt habe, habe er nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast nicht geführt. Schließlich sei eine Beitragsentrichtung von 1945-1948 als Selbständiger weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Mit der Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er bleibe dabei, dass er zumindest bis 15.08.1947 nicht mehr als fünf Angestellte einschließlich der 2 Halbtagskräfte und seines Bruders beschäftigt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.08.2000 sowie den Bescheid vom 06.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 01.01.1947 bis 15.08.1947 als Beitragszeit anzuerkennen und eine höhere Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge, die erledigten Gerichtsakten des SG Augsburg (S 12 An 4/75; S 13 An 116/85) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Nicht mehr streitig ist die Zeit vom 01.08.1945 bis 31.12.1946, die als Ersatzzeit wegen Vertreibung und Flucht anerkannt ist (vgl. Bescheid vom 14.04.1983). Aufgrund der von der LVA Sachsen vorgelegten Hebekarte von 1948 hat der Kläger auch die Zeit vom 16.08.1947 bis 31.12.1948 nicht mehr geltend gemacht. Darüber hinaus hat das SG auch zu Recht entschieden, dass die jetzt noch geltend gemachte Zeit vom 01.01.1947 bis 15.08.1947 nicht als Beitragszeit anzurechnen ist.

Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Zeit ist § 286 b SGB VI. Machen Versicherte glaubhaft, dass sie im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 09.05.1945 bis 31.12.1991 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben und von diesem entsprechende Beiträge gezahlt worden sind, sind die dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegenden Zeiträume als Beitragszeit anzuerkennen. Als Mittel der Glaubhaftmachung können auch Versicherungen an Eides Statt zugelassen werden (vgl. § 286 b Satz 1 und Satz 3 SGB VI). Die rechtserheblichen Tatsachen sind glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG).

Auch für die Zeit vom 01.01.1947 bis 15.08.1947 ist weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass der Kläger als selbständig Tätiger in der Sozialversicherung der DDR pflichtversichert war und dorthin Beiträge abgeführt hat.

Der FDGB Kreisvorstand P. , Verwaltung der Sozialversicherung, hat am 31.01.1967 bestätigt, dass der Kläger als selbstständiger Unternehmer ab 01.11.1949 zur Kasse (gemeint ist der Sozialversicherungsträger) gemeldet war. Weitere Angaben konnten mangels Vorliegens von Unterlagen nicht gemacht werden. Der Rat des Bezirkes K. , Abteilung Finanzen, hat am 20.08.1970 mitgeteilt, dass nach dem vorliegenden Aktenmaterial der Kläger in der Zeit vom 01.01.1946 bis 31.12.1948 mehr als 5 Beschäftigte gehabt habe und somit nicht versicherungspflichtig gewesen sei. Richtig ist der Einwand des Klägers, dass in dieser Bescheinigung nicht zwischen Familienangehörigen, die evtl. versicherungsfrei waren, und sonstigen Beschäftigten unterschieden worden ist. Andererseits haben die von der LVA Sachsen vorgelegten Hebekarten für 1948 die Auskunft vom 20.08.1970 bestätigt.

Selbst wenn aufgrund der vorgelegten Zeugenaussagen (I. J. vom 03.07.1984 sowie H. F. vom 07.07.1986) eine Beschäftigtenzahl von maximal 5 Arbeitnehmern und damit eine Versicherungspflicht des Klägers als glaubhaft angesehen wird, ist eine Beitragszahlung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Für die Zeit vom 01.11.1949 bis 31.12.1951 ist ein solcher Nachweis geführt. Denn das Finanzamt P. hat im Versicherungsausweis Nr. 1 der Sozialversicherungsanstalt Sachsen die Beitragsabführung bestätigt. Dementsprechend sind diese Zeiten als nachgewiesene Beitragszeiten in die Rentenberechnung eingeflossen (vgl. Rentenbescheid vom 30.12.1996).

Für die geltend gemachte Zeit vom 01.01.1947 bis 15.08.1947 ist eine solche Beitragsabführung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

In der Hebekarte von 1948 ist kein Vermerk über selbst geleistete Beiträge enthalten, was nach Auskunft der LVA Sachsen jedoch bei versicherungspflichtigen Selbständigen erfolgt wäre. Einen Versicherungsausweis, den ab 01.01.1946 jeder Versicherte in der DDR erhalten hat und der die jeweiligen Versicherungszeiten und Verdienste aufgeführt hat, hat der Kläger nicht vorgelegt. Damit ist auch die Vorschrift des § 286 c SGB VI nicht anwendbar, die als Beweismaßstab die Vermutung der Beitragszahlung ausreichen lässt, wenn in den Versicherungsunterlagen Zeiten einer selbständigen Tätigkeit ordnungsgemäß bescheinigt sind. Eine Bindung besteht jedoch dann nicht, wenn Tatsachen bekannt werden, die einer Beitragszahlung entgegenstehen. Vorliegend ist eine Versicherungspflicht als selbständiger Unternehmer nach den Auskünften von 31.01.1967 und 20.08.1970 im Zeitraum vom 01.01.1947 bis 15.08.1947 nicht bewiesen.

Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved