Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 17 An 303/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 RA 20/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 12. Dezember 1995 sowie des Bescheides vom 23. November 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 1994 verurteilt, bei der Klägerin ab August 2000 Erwerbsunfähigkeit anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen ab September 2000 zu erbringen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am ...1944 geborene Klägerin, die als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 70 % anerkannt ist, hat von April 1960 bis März 1963 den Beruf eines Speditionskaufmanns erlernt; bis 1973 war sie im erlernten Beruf tätig. Zwischenzeitlich übte sie von November 1970 bis Mai 1971 eine Tätigkeit als Sekretärin aus. Zur Vervollständigung ihrer Fremdsprachenkenntnisse hielt sie sich 1970, 1974, 1977 und 1978 einige Monate im Ausland auf. Eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin und Sekretärin verrichtete sie von Mai 1978 bis Juni 1985. Ab Oktober 1986 war sie Sekretärin in der ... Sie würde zuletzt entsprechend Vergütungsgruppe VII BAT entlohnt. Ab 20.02.1990 war sie arbeitsunfähig und bezog Krankengeld ab 15.05.1990. In der Zeit ab 11.07.1991 bis 10.05.1993 bezog sie Arbeitslosengeld und im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe. Im Rahmen eines arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 26.07.1991 war von einem unterhalbschichtigen Leistungsvermögen wegen Vergiftungserscheinungen ausgegangen worden.
Die Klägerin hatte bereits im Mai 1991 Antrag auf Rente gestellt und sich dabei auf Befundberichte der Dres.M ..., D ... und H ... gestützt. Der von der Beklagten als Gutachter herangezogene Dr.K ... hatte im Gutachten vom 12.08.1991 eine hypochondrische Neurose diagnostiziert und war von einem vollschichtigen Leistungsvermögen als Sekretärin ausgegangen. Der ebenfalls mit der Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin befasste Dr.Fü ... hatte am 18.08.1991 ein psychosomatisches Heilverfahren empfohlen. Nachdem die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 03.09.1991 abgelehnt hatte, hatte die Klägerin Widerspruch eingelegt und sich zur Begründung auf ein Gutachten des Dr.G ... vom 07.11.1991 bezogen. Dr.G ... hatte festgestellt, die Klägerin sei nicht leistungsfähig infolge einer chronischen Intoxikation. Der Widerspruch war von der Klägerin zurückgenommen worden.
Am 19.07.1993 stellte sie erneut Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und begründete dies mit den Ausführungen des Dr.G ... vom 07.11.1991. Nach Beiziehung von Berichten der Dres.M ... D ... u. H ... beauftragte die Beklagte die Nervenärztin Dr.A ... mit der Erstellung eines Gutachtens. Diese stellte nach Untersuchung der Klägerin einen Zustand nach akuter Konversionssymptomatik nach Partnertrennung 1978, eine chronifizierte neurotische Entwicklung mit neurasthenischer Symptomatik fest. Die früher gestellte Diagnose einer multiplen Intoxikation bezeichnete sie als falsch. Sie hielt die Klägerin für fähig, als Sekretärin vollschichtig tätig zu sein. Ausgeschlossen sei schwere Arbeit, Akkord sowie gefahrgeneigte Tätigkeit.
Mit Bescheid vom 23.11.1993 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin ab, da sie in ihrem bisherigen Beruf noch vollschichtig tätig sein könne. Die Klägerin legte gegen den Bescheid Widerspruch ein, den die Beklagte mit Bescheid vom 26.05.1994 zurückwies. Es lagen ihr dabei vor ein Heilverfahrensentlassungsbericht bezüglich einer vom 30.04.1992 bis 01.05.1992 eingeleiteten Reha-Maßnahme. Es war der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung geäußert und festgehalten worden, die Klägerin sei subjektiv leistungsunfähig; eine objektive Beurteilung der Leistungsfähigkeit sei wegen der Kürze des Aufenthalts nicht möglich gewesen. Die Klägerin hatte die Klinik wegen der nach ihrer Meinung Vielzahl dort wahrnehmbaren Gift- und Schadstoffe verlassen. Im Entlassungsbericht war vermerkt, die Klägerin sei auf die dringende Notwendigkeit der Behandlung hingewiesen worden, habe aber in unbeirrbarer, fast paranoid anmutenden Weise an ihrer Ansicht festgehalten, dass ihr ein Verbleib in der schadstoffbelasteten Klinik einen Gesundheitsschaden zufügen werde. Alle therapeutischen Bemühungen, die Haltung aufzulockern und die Klägerin zum Bleiben zu motivieren, seien gescheitert.
Die Klägerin verfolgte mit der am 27.06.1994 beim Sozialgericht München erhobenen Klage ihr Begehren weiter. Im Rahmen der Beweisaufnahme holte das Sozialgericht Befundberichte der Dres.M ..., B ... , ein, zog die Akte des Amtes für Versorgung und Familienförderung, München II bei und eine Auskunft des letzten Arbeitgebers der Klägerin bei. Dieser teilte mit, die Klägerin sei als Sekretärin der ... tätig gewesen. Dies habe beinhaltet: Selbständige Haushalts- und Kassenführung, Erledigung der Korrespondenz, Telefonate und Gestaltung von Briefen, zum Teil Anfragen und Antworten in eigener Verantwortung. Die Arbeiten seien im Sitzen verrichtet worden. Die Tätigkeit sei verbunden mit ständigem Publikumsverkehr (besonders auch ausländische Studierende mit teilweise geringen Deutschkenntnissen), erhöhter psychischer Belastung durch die eigenverantwortliche Tätigkeit, durch die Notwendigkeit zur Konzentration auf ganz verschiedenartige Arbeitsfelder, Reaktionsvermögen auf die verschiedenen mitarbeitenden Studierenden, Anpassungsfähigkeit an die verschiedensten Institutionen, mit denen eine Studentengemeinde korrespondiere (Auskunft der ... an der ... Universität ... vom 06.10.1994).
Abschließend beauftragte das Sozialgericht den Internisten Dr.K ... mit der Erstellung eines Gutachtens über die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen und ihre Auswirkungen auf das Leistungsvermögen. Nach Untersuchung der Klägerin diagnostizierte der Sachverständige eine Herzrhythmusstörung Lown IV b, eine Leberzellverfettung, einen Gallenstein, eine Hypercholesterinämie, einen Antikörpermangel und äußerte den Verdacht auf eine Encephalomyelitis disseminata. Zum Leistungsvermögen der Klägerin führt er aus, sie könne sowohl als Sekretärin als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Arbeiten sowohl im Sitzen als auch im Gehen und Stehen, im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten; zu vermeiden seien sehr starker Stress, Akkord-, Nacht- und Schichtdienst, Tätigkeiten, die nicht zu ebener Erde stattfänden sowie Tätigkeiten mit Absturz- und Unfallgefahr. Die Konzentrations-, Reaktions- und Übersichtsfähigkeit seien im Rahmen der erheblichen Fixierung auf chronische Vergiftung und Umwelteinflüsse reduziert; ebenso auch die Ausdauer und das besondere Verantwortungsbewusstsein. Anpassung und geistige Beweglichkeit hätten gelitten.
Mit Urteil vom 12.12.1995 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es verneinte das Vorliegen von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit und nahm auf die zutreffenden Gründe des Bescheides und des Widerspruchsbescheides gemäß § 136 Abs.3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Bezug. Ergänzend fügte es hinzu, dass auch die weiteren Ermittlungen des Gerichts durch Einholung eines Gutachtens des Dr.K ... nicht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis geführt hätten. Der Sachverständige halte die Klägerin nach wie vor für fähig, vollschichtig als Sekretärin bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Das Gericht habe keine Bedenken, das Gutachten der Dr.A ... sowie des Dr.K ..., die zum selben Ergebnis kämen, seiner Entscheidung zugrunde zu legen und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin legte am 30.01.1996 Berufung ein und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.12.1995 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.1994 zu verpflichten, Rente ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat holte Gutachten auf nervenärztlichem und internistischem Fachgebiet gemäß § 106 SGG ein. Bezüglich des Inhalts der Gutachten des Psychiaters Dr.V ... vom 24.03.1997 mit testpsychologischem Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. F.W ... vom 29.01.1997 und ergänzender Stellungnahme vom 13.05.1997 und 28.05.1997, des Internisten, Allergologen und Umweltmediziners Dr.L ... vom 18.09.1997 sowie der Neurologin und Psychiaterin Dr.O ... vom 10.08.2000 wird auf die Akte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen. Auf Antrag der Klägerin holte der Senat ein Gutachten des Dermatologen, Venerologen und Umweltmediziners Dr.M ... gemäß § 109 SGG ein; hinsichtlich des Inhalts des Gutachtens vom 03.11.1999 wird auf die Akte Bezug genommen. Nach Vorlage weiterer Unterlagen seitens der Klägerin, insbesondere zu der von Dr.M ... aufgestellten Diagnose einer Borreliose (Dr.Li ... vom 23.05.1999, Dr.H ... vom 02.08.1999, Dr.Kl ... vom 04.03.1999, Dr.M ... vom 06.04.1998, 08.08.1999 holte der Senat eine weitere gutachtliche Stellungnahme des Dr.L ... vom 12.06.2000 ein, die zu keiner Änderung der Leistungsbeurteilung führte.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2000 legte die Klägerin weitere Atteste (Dres.Kr ... vom 18.10.2000, Pr ... vom 25.09.2000, Br ... vom 10.10.2000, Di ... vom 19.10.2000 und Fr ... vom 26.09.2000) vor. Darin ist ein positiver Nachweis von Borrelien-DNA im Urin sowie von Borrelien-AK im Immunoblut bestätigt, worauf Dr.Kr ... die Diagnose einer chronischen Lyme-Borreliose stützt. Dr.Kr ... vertrat die Ansicht, die Klägerin sei nicht einmal unterhalbschichtig einsetzbar. Im Attest der Dr.Br ... vom 10.10.2000 ist festgehalten, der Zustand der Klägerin habe sich körperlich und psychisch kontinuierlich verschlechtert, eine Arbeit sei nicht mehr zumutbar.
Die Klägerin und die Beklagte haben ihr Einverständnis mit einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erteilt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts München sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache im Wesentlichen Erfolg. Die Klägerin ist ab August 2000 als erwerbsunfähig nach § 44 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI - anzusehen und hat Anspruch auf die gesetzlichen Leistungen ab September 2000 (§§ 44, 99 Abs.1 SGB VI). Sie hat die allgemeine Wartezeit des § 50 Abs.1 Nr.2 SGB VI sowie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 43 Abs.1, Abs.3, 44 Abs.1, Abs.4 SGB VI erfüllt.
Entscheidend für die Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin ist nicht der körperliche, sondern der seelische Befund. Insbesondere aufgrund der Gutachten des Dr.L ... aber auch der Dres.O ... und V ... steht fest, dass die Klägerin aufgrund des physischen Befundes seit Antragstellung noch in der Lage war, leichte Arbeiten ganztags auszuführen.
Die Beschwerden der Klägerin waren über Jahre geprägt von einem Verdacht auf verschiedene Intoxikationen. Von den Dres.D ... und M ... wurde eine chronische Vergiftung durch Lindan, Amalgam, Kupfer und Formaldehyd festgestellt. Durch die Untersuchungen bei Dr.L ... sowie bei Dr.V ... und Dr.O ... konnte der Verdacht nicht bestätigt werden. Dr.L ... verweist zwar darauf, dass bei der Untersuchung durch Dr.D ... erhöhte Lindanwerte im Blut festgestellt worden seien, dass aber spätere Untersuchungen keine erhöhten Werte mehr gezeigt hätten. Das Gleiche trifft nach Dr.L ... auch für Quecksilber, Palladium und PCP zu. Insgesamt konnte nicht mit genügender Sicherheit festgestellt werden, dass die Klägerin an den Folgen einer chronischen Vergiftung leidet. Insbesondere für die von Dr.D ... diagnostizierte Encephalopathie konnte bei der Untersuchung durch Dr.V ... kein Hinweis gefunden werden. Es fanden sich weder im kranialen CT noch im EEG Auffälligkeiten; elektroneurographisch ergab sich lediglich ein diskreter Hinweis auf eine sensible Polyneuropathie. Bei der Beurteilung fiel auch ins Gewicht, dass die Symptome einer Lindanvergiftung nach Beendigung der Intoxikation schnell reversibel sind. Die Klägerin hat bereits Ende der 80-er Jahre die nachweislichen und vermuteten Lindan- und Formaldehydquellen aus ihrer Wohnung entfernt, wobei Lindan nur in einem Tapetenstück hinter einer offenischtlich mit Holzschutzmitteln behandelten Truhe nachgewiesen worden war. Die Klägerin hat zudem eine Ausleittherapie durchgeführt und sich sämtliche Zähne entfernen lassen, nachdem sich die Symptomatik nach Entfernen der potenziellen Wohnraumgiftquellen nicht gebessert hatte.
Das alles hat aber die Beschwerden nur leicht gebessert, die Klägerin leidet nach ihren Angaben immer noch unter Abgeschlagenheit, Herzstolpern und Herzjagen, Taubheitsgefühl im linken Arm, Kopfbrennen, Zittern, Sehstörungen, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit. Zutreffend gingen deswegen Dr.L ..., Dr.V ... und Dr.O ... davon aus, dass die Vergiftung und immer noch bestehende Folgen nicht genügend nachgewiesen sei.
Das Vorliegen einer Neuroborreliose wurde von Dr.O ... für überwiegend unwahrscheinlich gehalten, während Dr.M ... eine solche diagnostizierte. Es ist nicht zu übersehen, dass in den von der Klägerin vorgelegten Attesten und Untersuchungsbefunden teilweise von einer Erkrankung an Borreliose ausgegangen wird, dass sich zumindest deutliche Hinweise auf eine Infektion mit Borrelien fanden. Dr.L ... führt in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.06.2000 unter Berücksichtigung dieser Unterlagen auf, dass der Nachweis einer Borreliose aus dem Serum und aus dem Urin schwierig ist. Im Hinblick auf den Befund des Prof.H ..., der aus dem Urin einen DNA-Nachweis erbracht habe, könne aber mit relativ großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass zu irgendeinem Zeitpunkt bei der Klägerin eine Borrelieninfektion aufgetreten sei. Dabei ist aber in Übereinstimmung mit Dr.L ... darauf hinzuweisen, dass im Bereich des Rentenrechts nicht die Diagnose einer Krankheit entscheidend ist, sondern ihre konkrete Auswirkung auf das Leistungsvermögen. Insofern konnten aber gravierende Gesundheitsstörungen und Funktionsausfälle weder auf nervenärztlichem noch auf internem Fachgebiet festgestellt werden.
Die von Dr.M ... gestellten Diagnosen wie chronisches Müdigkeitssyndrom, Epstein-Barr-Virusinfekt, Autoimmunität gegen Serotonin, Encephalopathie mit Minderung der kognitiven Leistung und Koordinationsstörung bei Verdacht auf Schädigung der Dopaminergen D-2-Rezeptoren, hirnorganisches Psychosyndrom konnten bei der Untersuchung durch die Dres.L ..., V ... und O ... nicht in genügendem Umfang nachgewiesen werden. Gerade Dr.O ... setzt sich ausführlich unter Heranziehung umfangreicher Literatur mit den genannten Diagnosen auseinander, stellt aber klar, dass weder der Krankheitsablauf noch die erhobenen Befunde die Diagnosen rechtfertigen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Dr.M ... als Hautarzt, Venerologe und Umweltmediziner nicht in dem Umfang für die von ihm genannten Krankheiten, insbesondere die auf nervenärztlichem Fachgebiet kompetent ist wie ein Neurologe und Psychiater. Auch geht er in sehr hohem Maße bei der Feststellung der Leistungseinschränkung von den subjektiven Angaben der Klägerin aus, wohingegen die Befunderhebung gerade im nervenärztlichen Bereich sehr knapp ist. Auch im Übrigen belegt er nicht in ausreichendem Umfang den konkreten Einzelbefund mit den konkreten Werten, sondern stützt seine Beurteilung in großem Umfang auf allgemeine Ausführungen zu bestimmten Krankheitsbildern.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass weder entscheidende Leistungseinschränkungen durch chronische Vergiftungen noch durch eine Borreliose mit der im Rahmen des Rentenrechts erforderlichen Sicherheit festgestellt werden konnten.
Demgegenüber ist aber mit genügender Sicherheit nachgewiesen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin in psychischer Hinsicht entscheidend eingeschränkt ist. Es handelt sich auch in dieser Beziehung um einen schwer zu beurteilenden Grenzfall; unter Berücksichtigung des gesamten Krankheitsverlaufs sowie der Aussagen der einzelnen Sachverständigen, insbesondere der Ders.V ... und O ..., kommt der Senat zum Ergebnis, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, ihre Fixierungen des Denkens auf die Körperfunktionsstörungen zu überwinden. Sie ist nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen nachzugehen. Der Senat ging bei dieser Beurteilung davon aus, dass bereits während des am 30.04.1992 angetretenen Heilverfahrens festgehalten ist, dass die Klägerin in "unbeirrbarer, fast paranoid anmutender Weise" an der Ansicht festhielt, dass ihr durch den Verbleib in der schadstoffbelasteten Klinik ein Gesundheitsschaden zugefügt werde. Trotz aller therapeutischen Bemühungen (laut Heilverfahrensbericht) war es nicht gelungen, ihre Fixierung zu überwinden. Auch Dr.V ... hatte im psychiatrischen Status ausgeführt, es dominiere eine inhaltliche Fixierung des Denkens auf die beschriebenen Körperfunktionsstörungen (Missempfindungen wie Brennen im Kopf, Kopfschmerzen, Kiefer- und Gesichtsschmerzen, Knochenschmerzen, Sehstörungen, vorzeitige Ermüdbarkeit, gesteigerte Lärm- und Geräuschempfindlichkeit und Gleichgewichtsstörungen), auf das subjektive Erleben dieser Störungen sowie auf die Hypothesenbildung einer Intoxikation. Auf die Nachfrage des Senats teilte Dr.V ... ergänzend am 13.05.1997 mit, die Klägerin könne die beschriebenen Fixierungen prinzipiell mit ärztlich-psychotherapeutischer Hilfe überwinden. Auf weitere Nachfrage gab er an, dass als Behandlungsdauer bzw. Zeitraum bis zum Eintreten entsprechender Veränderungen ein Zeitraum von zwölf Monaten anzusetzen wäre.
Ausgehend von diesem zeitlichen Rahmen ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts davon auszugehen, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, ihre Fehlhaltung zu überwinden. Denn dies hat zur Voraussetzung (BSGE 21/191), dass der Betroffene die Störung bei der ihm zuzumutenden Willensanstrengung selbst sogleich oder doch bald (innerhalb eines halben Jahres) überwinden kann. Dies ist aber bei der Klägerin nach der Ansicht des Dr.V ... nicht der Fall.
Ob diese Aussage des Dr.V ... allein ausreicht, um die Klägerin für nicht mehr erwerbsfähig anzusehen, mag zweifelhaft sein. Hinzu kommen aber die Aussagen der Dr.O ... Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Sachverständige in der Zusammenfassung ihres Gutachtens zwar die Ansicht vertritt, die Klägerin könne Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses verrichten und von einem theoretisch vollschichtigen Leistungsvermögen ausgeht. Auch hält sie fest, nach Abschluss des Klageverfahrens könne unter zumutbarer Willensanstrengung mittels ärztlicher sowie psychotherapeutischer Hilfe eine Umsetzung der körperlich vorhandenen Restleistungsfähigkeit in eine zustandsangepasste Erwerbstätigkeit erfolgen.
Betrachtet man aber die zusätzlichen Ausführungen der Sachverständigen dazu, so zeigt sich, dass die Klägerin praktisch nicht in der Lage ist, ohne weitere Maßnahmen eine Erwerbstätigkeit auszufüllen. So spricht Dr.O ... davon, die Klägerin könne theoretisch an einem zustandsangepassten Arbeitsplatz nach einer längerfristigen Wiedereingliederungsphase vollschichtige Tätigkeiten ausführen, in jedem Falle jedoch eine Beschäftigung im bisherigen Umfang. Dies bedeutet aber, dass derzeit ohne längerfristige Wiedereingliederungsphase und zustandsangepassten Arbeitsplatz eine Beschäftigung nicht vollschichtig möglich ist. Soweit die Sachverständige auf den früheren Teilzeitarbeitsplatz der Klägerin Bezug nimmt, so steht dieser praktisch nicht mehr zur Verfügung und ist auch nicht geeignet, da er mit Stress verbunden ist. Hinzu kommt, dass auch die Ausführungen zur Überwindbarkeit und zumutbaren Willensanstrengung nicht erkennen lassen, dass die sogleich oder binnen eines halben Jahres erfolgen kann. Denn die Sachverständige spricht von ärztlicher sowie psychotherapeutischer Hilfe, einer zusätzlichen psychopharmakologischen Schmerztherapie mit gleichzeitig antriebsfördernder Wirkung. Dass alle diese Unternehmungen binnen eines halben Jahres erfolgreich sein sollen, kann unter Berücksichtigung der Ausführung des Dr.V ... nicht angenommen werden.
Hinzu kommt, dass Dr.O ... in der abschließenden Zusammenfassung auch bei erfolgreicher Behandlung insbesondere die bisherige Tätigkeit im Auge hat und selbst für die Aufnahme dieser Tätigkeit Wiedereinlieferungshilfe für notwendig erachtet. Unter Berücksichtigung aller dieser Gesichtspunkte ist davon auszugehen, das die Klägerin unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen kann und dass sie nicht in der Lage ist, ihre Fehlhaltung binnen eines halben Jahres zu überwinden. Diese Einschränkungen bestehen aber mit genügender Sicherheit erst aufgrund der Untersuchung und Begutachtung durch Dr.O ..., so dass als Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit i.S. des § 44 SGB VI im August 2000 anzusetzen ist.
Soweit die Klägerin frühere Rente begehrt, ist ein Anspruch nicht gegeben, da sie in dieser Zeit noch in der Lage war, ihr zumutbare Arbeiten als Sekretärin vollschichtig zu verrichten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht vorliegen.
Die Entscheidung und Verhandlung konnte durch die Berichterstatterin alleine vorgenommen werden, da die Beteiligten vorher darin eingewilligt hatten (§ 155 Abs.4 SGG).
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am ...1944 geborene Klägerin, die als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 70 % anerkannt ist, hat von April 1960 bis März 1963 den Beruf eines Speditionskaufmanns erlernt; bis 1973 war sie im erlernten Beruf tätig. Zwischenzeitlich übte sie von November 1970 bis Mai 1971 eine Tätigkeit als Sekretärin aus. Zur Vervollständigung ihrer Fremdsprachenkenntnisse hielt sie sich 1970, 1974, 1977 und 1978 einige Monate im Ausland auf. Eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin und Sekretärin verrichtete sie von Mai 1978 bis Juni 1985. Ab Oktober 1986 war sie Sekretärin in der ... Sie würde zuletzt entsprechend Vergütungsgruppe VII BAT entlohnt. Ab 20.02.1990 war sie arbeitsunfähig und bezog Krankengeld ab 15.05.1990. In der Zeit ab 11.07.1991 bis 10.05.1993 bezog sie Arbeitslosengeld und im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe. Im Rahmen eines arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 26.07.1991 war von einem unterhalbschichtigen Leistungsvermögen wegen Vergiftungserscheinungen ausgegangen worden.
Die Klägerin hatte bereits im Mai 1991 Antrag auf Rente gestellt und sich dabei auf Befundberichte der Dres.M ..., D ... und H ... gestützt. Der von der Beklagten als Gutachter herangezogene Dr.K ... hatte im Gutachten vom 12.08.1991 eine hypochondrische Neurose diagnostiziert und war von einem vollschichtigen Leistungsvermögen als Sekretärin ausgegangen. Der ebenfalls mit der Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin befasste Dr.Fü ... hatte am 18.08.1991 ein psychosomatisches Heilverfahren empfohlen. Nachdem die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 03.09.1991 abgelehnt hatte, hatte die Klägerin Widerspruch eingelegt und sich zur Begründung auf ein Gutachten des Dr.G ... vom 07.11.1991 bezogen. Dr.G ... hatte festgestellt, die Klägerin sei nicht leistungsfähig infolge einer chronischen Intoxikation. Der Widerspruch war von der Klägerin zurückgenommen worden.
Am 19.07.1993 stellte sie erneut Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und begründete dies mit den Ausführungen des Dr.G ... vom 07.11.1991. Nach Beiziehung von Berichten der Dres.M ... D ... u. H ... beauftragte die Beklagte die Nervenärztin Dr.A ... mit der Erstellung eines Gutachtens. Diese stellte nach Untersuchung der Klägerin einen Zustand nach akuter Konversionssymptomatik nach Partnertrennung 1978, eine chronifizierte neurotische Entwicklung mit neurasthenischer Symptomatik fest. Die früher gestellte Diagnose einer multiplen Intoxikation bezeichnete sie als falsch. Sie hielt die Klägerin für fähig, als Sekretärin vollschichtig tätig zu sein. Ausgeschlossen sei schwere Arbeit, Akkord sowie gefahrgeneigte Tätigkeit.
Mit Bescheid vom 23.11.1993 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin ab, da sie in ihrem bisherigen Beruf noch vollschichtig tätig sein könne. Die Klägerin legte gegen den Bescheid Widerspruch ein, den die Beklagte mit Bescheid vom 26.05.1994 zurückwies. Es lagen ihr dabei vor ein Heilverfahrensentlassungsbericht bezüglich einer vom 30.04.1992 bis 01.05.1992 eingeleiteten Reha-Maßnahme. Es war der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung geäußert und festgehalten worden, die Klägerin sei subjektiv leistungsunfähig; eine objektive Beurteilung der Leistungsfähigkeit sei wegen der Kürze des Aufenthalts nicht möglich gewesen. Die Klägerin hatte die Klinik wegen der nach ihrer Meinung Vielzahl dort wahrnehmbaren Gift- und Schadstoffe verlassen. Im Entlassungsbericht war vermerkt, die Klägerin sei auf die dringende Notwendigkeit der Behandlung hingewiesen worden, habe aber in unbeirrbarer, fast paranoid anmutenden Weise an ihrer Ansicht festgehalten, dass ihr ein Verbleib in der schadstoffbelasteten Klinik einen Gesundheitsschaden zufügen werde. Alle therapeutischen Bemühungen, die Haltung aufzulockern und die Klägerin zum Bleiben zu motivieren, seien gescheitert.
Die Klägerin verfolgte mit der am 27.06.1994 beim Sozialgericht München erhobenen Klage ihr Begehren weiter. Im Rahmen der Beweisaufnahme holte das Sozialgericht Befundberichte der Dres.M ..., B ... , ein, zog die Akte des Amtes für Versorgung und Familienförderung, München II bei und eine Auskunft des letzten Arbeitgebers der Klägerin bei. Dieser teilte mit, die Klägerin sei als Sekretärin der ... tätig gewesen. Dies habe beinhaltet: Selbständige Haushalts- und Kassenführung, Erledigung der Korrespondenz, Telefonate und Gestaltung von Briefen, zum Teil Anfragen und Antworten in eigener Verantwortung. Die Arbeiten seien im Sitzen verrichtet worden. Die Tätigkeit sei verbunden mit ständigem Publikumsverkehr (besonders auch ausländische Studierende mit teilweise geringen Deutschkenntnissen), erhöhter psychischer Belastung durch die eigenverantwortliche Tätigkeit, durch die Notwendigkeit zur Konzentration auf ganz verschiedenartige Arbeitsfelder, Reaktionsvermögen auf die verschiedenen mitarbeitenden Studierenden, Anpassungsfähigkeit an die verschiedensten Institutionen, mit denen eine Studentengemeinde korrespondiere (Auskunft der ... an der ... Universität ... vom 06.10.1994).
Abschließend beauftragte das Sozialgericht den Internisten Dr.K ... mit der Erstellung eines Gutachtens über die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen und ihre Auswirkungen auf das Leistungsvermögen. Nach Untersuchung der Klägerin diagnostizierte der Sachverständige eine Herzrhythmusstörung Lown IV b, eine Leberzellverfettung, einen Gallenstein, eine Hypercholesterinämie, einen Antikörpermangel und äußerte den Verdacht auf eine Encephalomyelitis disseminata. Zum Leistungsvermögen der Klägerin führt er aus, sie könne sowohl als Sekretärin als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Arbeiten sowohl im Sitzen als auch im Gehen und Stehen, im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten; zu vermeiden seien sehr starker Stress, Akkord-, Nacht- und Schichtdienst, Tätigkeiten, die nicht zu ebener Erde stattfänden sowie Tätigkeiten mit Absturz- und Unfallgefahr. Die Konzentrations-, Reaktions- und Übersichtsfähigkeit seien im Rahmen der erheblichen Fixierung auf chronische Vergiftung und Umwelteinflüsse reduziert; ebenso auch die Ausdauer und das besondere Verantwortungsbewusstsein. Anpassung und geistige Beweglichkeit hätten gelitten.
Mit Urteil vom 12.12.1995 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es verneinte das Vorliegen von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit und nahm auf die zutreffenden Gründe des Bescheides und des Widerspruchsbescheides gemäß § 136 Abs.3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Bezug. Ergänzend fügte es hinzu, dass auch die weiteren Ermittlungen des Gerichts durch Einholung eines Gutachtens des Dr.K ... nicht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis geführt hätten. Der Sachverständige halte die Klägerin nach wie vor für fähig, vollschichtig als Sekretärin bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Das Gericht habe keine Bedenken, das Gutachten der Dr.A ... sowie des Dr.K ..., die zum selben Ergebnis kämen, seiner Entscheidung zugrunde zu legen und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin legte am 30.01.1996 Berufung ein und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.12.1995 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.1994 zu verpflichten, Rente ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat holte Gutachten auf nervenärztlichem und internistischem Fachgebiet gemäß § 106 SGG ein. Bezüglich des Inhalts der Gutachten des Psychiaters Dr.V ... vom 24.03.1997 mit testpsychologischem Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. F.W ... vom 29.01.1997 und ergänzender Stellungnahme vom 13.05.1997 und 28.05.1997, des Internisten, Allergologen und Umweltmediziners Dr.L ... vom 18.09.1997 sowie der Neurologin und Psychiaterin Dr.O ... vom 10.08.2000 wird auf die Akte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen. Auf Antrag der Klägerin holte der Senat ein Gutachten des Dermatologen, Venerologen und Umweltmediziners Dr.M ... gemäß § 109 SGG ein; hinsichtlich des Inhalts des Gutachtens vom 03.11.1999 wird auf die Akte Bezug genommen. Nach Vorlage weiterer Unterlagen seitens der Klägerin, insbesondere zu der von Dr.M ... aufgestellten Diagnose einer Borreliose (Dr.Li ... vom 23.05.1999, Dr.H ... vom 02.08.1999, Dr.Kl ... vom 04.03.1999, Dr.M ... vom 06.04.1998, 08.08.1999 holte der Senat eine weitere gutachtliche Stellungnahme des Dr.L ... vom 12.06.2000 ein, die zu keiner Änderung der Leistungsbeurteilung führte.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2000 legte die Klägerin weitere Atteste (Dres.Kr ... vom 18.10.2000, Pr ... vom 25.09.2000, Br ... vom 10.10.2000, Di ... vom 19.10.2000 und Fr ... vom 26.09.2000) vor. Darin ist ein positiver Nachweis von Borrelien-DNA im Urin sowie von Borrelien-AK im Immunoblut bestätigt, worauf Dr.Kr ... die Diagnose einer chronischen Lyme-Borreliose stützt. Dr.Kr ... vertrat die Ansicht, die Klägerin sei nicht einmal unterhalbschichtig einsetzbar. Im Attest der Dr.Br ... vom 10.10.2000 ist festgehalten, der Zustand der Klägerin habe sich körperlich und psychisch kontinuierlich verschlechtert, eine Arbeit sei nicht mehr zumutbar.
Die Klägerin und die Beklagte haben ihr Einverständnis mit einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erteilt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts München sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache im Wesentlichen Erfolg. Die Klägerin ist ab August 2000 als erwerbsunfähig nach § 44 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI - anzusehen und hat Anspruch auf die gesetzlichen Leistungen ab September 2000 (§§ 44, 99 Abs.1 SGB VI). Sie hat die allgemeine Wartezeit des § 50 Abs.1 Nr.2 SGB VI sowie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 43 Abs.1, Abs.3, 44 Abs.1, Abs.4 SGB VI erfüllt.
Entscheidend für die Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin ist nicht der körperliche, sondern der seelische Befund. Insbesondere aufgrund der Gutachten des Dr.L ... aber auch der Dres.O ... und V ... steht fest, dass die Klägerin aufgrund des physischen Befundes seit Antragstellung noch in der Lage war, leichte Arbeiten ganztags auszuführen.
Die Beschwerden der Klägerin waren über Jahre geprägt von einem Verdacht auf verschiedene Intoxikationen. Von den Dres.D ... und M ... wurde eine chronische Vergiftung durch Lindan, Amalgam, Kupfer und Formaldehyd festgestellt. Durch die Untersuchungen bei Dr.L ... sowie bei Dr.V ... und Dr.O ... konnte der Verdacht nicht bestätigt werden. Dr.L ... verweist zwar darauf, dass bei der Untersuchung durch Dr.D ... erhöhte Lindanwerte im Blut festgestellt worden seien, dass aber spätere Untersuchungen keine erhöhten Werte mehr gezeigt hätten. Das Gleiche trifft nach Dr.L ... auch für Quecksilber, Palladium und PCP zu. Insgesamt konnte nicht mit genügender Sicherheit festgestellt werden, dass die Klägerin an den Folgen einer chronischen Vergiftung leidet. Insbesondere für die von Dr.D ... diagnostizierte Encephalopathie konnte bei der Untersuchung durch Dr.V ... kein Hinweis gefunden werden. Es fanden sich weder im kranialen CT noch im EEG Auffälligkeiten; elektroneurographisch ergab sich lediglich ein diskreter Hinweis auf eine sensible Polyneuropathie. Bei der Beurteilung fiel auch ins Gewicht, dass die Symptome einer Lindanvergiftung nach Beendigung der Intoxikation schnell reversibel sind. Die Klägerin hat bereits Ende der 80-er Jahre die nachweislichen und vermuteten Lindan- und Formaldehydquellen aus ihrer Wohnung entfernt, wobei Lindan nur in einem Tapetenstück hinter einer offenischtlich mit Holzschutzmitteln behandelten Truhe nachgewiesen worden war. Die Klägerin hat zudem eine Ausleittherapie durchgeführt und sich sämtliche Zähne entfernen lassen, nachdem sich die Symptomatik nach Entfernen der potenziellen Wohnraumgiftquellen nicht gebessert hatte.
Das alles hat aber die Beschwerden nur leicht gebessert, die Klägerin leidet nach ihren Angaben immer noch unter Abgeschlagenheit, Herzstolpern und Herzjagen, Taubheitsgefühl im linken Arm, Kopfbrennen, Zittern, Sehstörungen, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit. Zutreffend gingen deswegen Dr.L ..., Dr.V ... und Dr.O ... davon aus, dass die Vergiftung und immer noch bestehende Folgen nicht genügend nachgewiesen sei.
Das Vorliegen einer Neuroborreliose wurde von Dr.O ... für überwiegend unwahrscheinlich gehalten, während Dr.M ... eine solche diagnostizierte. Es ist nicht zu übersehen, dass in den von der Klägerin vorgelegten Attesten und Untersuchungsbefunden teilweise von einer Erkrankung an Borreliose ausgegangen wird, dass sich zumindest deutliche Hinweise auf eine Infektion mit Borrelien fanden. Dr.L ... führt in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.06.2000 unter Berücksichtigung dieser Unterlagen auf, dass der Nachweis einer Borreliose aus dem Serum und aus dem Urin schwierig ist. Im Hinblick auf den Befund des Prof.H ..., der aus dem Urin einen DNA-Nachweis erbracht habe, könne aber mit relativ großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass zu irgendeinem Zeitpunkt bei der Klägerin eine Borrelieninfektion aufgetreten sei. Dabei ist aber in Übereinstimmung mit Dr.L ... darauf hinzuweisen, dass im Bereich des Rentenrechts nicht die Diagnose einer Krankheit entscheidend ist, sondern ihre konkrete Auswirkung auf das Leistungsvermögen. Insofern konnten aber gravierende Gesundheitsstörungen und Funktionsausfälle weder auf nervenärztlichem noch auf internem Fachgebiet festgestellt werden.
Die von Dr.M ... gestellten Diagnosen wie chronisches Müdigkeitssyndrom, Epstein-Barr-Virusinfekt, Autoimmunität gegen Serotonin, Encephalopathie mit Minderung der kognitiven Leistung und Koordinationsstörung bei Verdacht auf Schädigung der Dopaminergen D-2-Rezeptoren, hirnorganisches Psychosyndrom konnten bei der Untersuchung durch die Dres.L ..., V ... und O ... nicht in genügendem Umfang nachgewiesen werden. Gerade Dr.O ... setzt sich ausführlich unter Heranziehung umfangreicher Literatur mit den genannten Diagnosen auseinander, stellt aber klar, dass weder der Krankheitsablauf noch die erhobenen Befunde die Diagnosen rechtfertigen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Dr.M ... als Hautarzt, Venerologe und Umweltmediziner nicht in dem Umfang für die von ihm genannten Krankheiten, insbesondere die auf nervenärztlichem Fachgebiet kompetent ist wie ein Neurologe und Psychiater. Auch geht er in sehr hohem Maße bei der Feststellung der Leistungseinschränkung von den subjektiven Angaben der Klägerin aus, wohingegen die Befunderhebung gerade im nervenärztlichen Bereich sehr knapp ist. Auch im Übrigen belegt er nicht in ausreichendem Umfang den konkreten Einzelbefund mit den konkreten Werten, sondern stützt seine Beurteilung in großem Umfang auf allgemeine Ausführungen zu bestimmten Krankheitsbildern.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass weder entscheidende Leistungseinschränkungen durch chronische Vergiftungen noch durch eine Borreliose mit der im Rahmen des Rentenrechts erforderlichen Sicherheit festgestellt werden konnten.
Demgegenüber ist aber mit genügender Sicherheit nachgewiesen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin in psychischer Hinsicht entscheidend eingeschränkt ist. Es handelt sich auch in dieser Beziehung um einen schwer zu beurteilenden Grenzfall; unter Berücksichtigung des gesamten Krankheitsverlaufs sowie der Aussagen der einzelnen Sachverständigen, insbesondere der Ders.V ... und O ..., kommt der Senat zum Ergebnis, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, ihre Fixierungen des Denkens auf die Körperfunktionsstörungen zu überwinden. Sie ist nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen nachzugehen. Der Senat ging bei dieser Beurteilung davon aus, dass bereits während des am 30.04.1992 angetretenen Heilverfahrens festgehalten ist, dass die Klägerin in "unbeirrbarer, fast paranoid anmutender Weise" an der Ansicht festhielt, dass ihr durch den Verbleib in der schadstoffbelasteten Klinik ein Gesundheitsschaden zugefügt werde. Trotz aller therapeutischen Bemühungen (laut Heilverfahrensbericht) war es nicht gelungen, ihre Fixierung zu überwinden. Auch Dr.V ... hatte im psychiatrischen Status ausgeführt, es dominiere eine inhaltliche Fixierung des Denkens auf die beschriebenen Körperfunktionsstörungen (Missempfindungen wie Brennen im Kopf, Kopfschmerzen, Kiefer- und Gesichtsschmerzen, Knochenschmerzen, Sehstörungen, vorzeitige Ermüdbarkeit, gesteigerte Lärm- und Geräuschempfindlichkeit und Gleichgewichtsstörungen), auf das subjektive Erleben dieser Störungen sowie auf die Hypothesenbildung einer Intoxikation. Auf die Nachfrage des Senats teilte Dr.V ... ergänzend am 13.05.1997 mit, die Klägerin könne die beschriebenen Fixierungen prinzipiell mit ärztlich-psychotherapeutischer Hilfe überwinden. Auf weitere Nachfrage gab er an, dass als Behandlungsdauer bzw. Zeitraum bis zum Eintreten entsprechender Veränderungen ein Zeitraum von zwölf Monaten anzusetzen wäre.
Ausgehend von diesem zeitlichen Rahmen ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts davon auszugehen, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, ihre Fehlhaltung zu überwinden. Denn dies hat zur Voraussetzung (BSGE 21/191), dass der Betroffene die Störung bei der ihm zuzumutenden Willensanstrengung selbst sogleich oder doch bald (innerhalb eines halben Jahres) überwinden kann. Dies ist aber bei der Klägerin nach der Ansicht des Dr.V ... nicht der Fall.
Ob diese Aussage des Dr.V ... allein ausreicht, um die Klägerin für nicht mehr erwerbsfähig anzusehen, mag zweifelhaft sein. Hinzu kommen aber die Aussagen der Dr.O ... Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Sachverständige in der Zusammenfassung ihres Gutachtens zwar die Ansicht vertritt, die Klägerin könne Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses verrichten und von einem theoretisch vollschichtigen Leistungsvermögen ausgeht. Auch hält sie fest, nach Abschluss des Klageverfahrens könne unter zumutbarer Willensanstrengung mittels ärztlicher sowie psychotherapeutischer Hilfe eine Umsetzung der körperlich vorhandenen Restleistungsfähigkeit in eine zustandsangepasste Erwerbstätigkeit erfolgen.
Betrachtet man aber die zusätzlichen Ausführungen der Sachverständigen dazu, so zeigt sich, dass die Klägerin praktisch nicht in der Lage ist, ohne weitere Maßnahmen eine Erwerbstätigkeit auszufüllen. So spricht Dr.O ... davon, die Klägerin könne theoretisch an einem zustandsangepassten Arbeitsplatz nach einer längerfristigen Wiedereingliederungsphase vollschichtige Tätigkeiten ausführen, in jedem Falle jedoch eine Beschäftigung im bisherigen Umfang. Dies bedeutet aber, dass derzeit ohne längerfristige Wiedereingliederungsphase und zustandsangepassten Arbeitsplatz eine Beschäftigung nicht vollschichtig möglich ist. Soweit die Sachverständige auf den früheren Teilzeitarbeitsplatz der Klägerin Bezug nimmt, so steht dieser praktisch nicht mehr zur Verfügung und ist auch nicht geeignet, da er mit Stress verbunden ist. Hinzu kommt, dass auch die Ausführungen zur Überwindbarkeit und zumutbaren Willensanstrengung nicht erkennen lassen, dass die sogleich oder binnen eines halben Jahres erfolgen kann. Denn die Sachverständige spricht von ärztlicher sowie psychotherapeutischer Hilfe, einer zusätzlichen psychopharmakologischen Schmerztherapie mit gleichzeitig antriebsfördernder Wirkung. Dass alle diese Unternehmungen binnen eines halben Jahres erfolgreich sein sollen, kann unter Berücksichtigung der Ausführung des Dr.V ... nicht angenommen werden.
Hinzu kommt, dass Dr.O ... in der abschließenden Zusammenfassung auch bei erfolgreicher Behandlung insbesondere die bisherige Tätigkeit im Auge hat und selbst für die Aufnahme dieser Tätigkeit Wiedereinlieferungshilfe für notwendig erachtet. Unter Berücksichtigung aller dieser Gesichtspunkte ist davon auszugehen, das die Klägerin unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen kann und dass sie nicht in der Lage ist, ihre Fehlhaltung binnen eines halben Jahres zu überwinden. Diese Einschränkungen bestehen aber mit genügender Sicherheit erst aufgrund der Untersuchung und Begutachtung durch Dr.O ..., so dass als Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit i.S. des § 44 SGB VI im August 2000 anzusetzen ist.
Soweit die Klägerin frühere Rente begehrt, ist ein Anspruch nicht gegeben, da sie in dieser Zeit noch in der Lage war, ihr zumutbare Arbeiten als Sekretärin vollschichtig zu verrichten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht vorliegen.
Die Entscheidung und Verhandlung konnte durch die Berichterstatterin alleine vorgenommen werden, da die Beteiligten vorher darin eingewilligt hatten (§ 155 Abs.4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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