L 13 RA 237/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RA 259/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 237/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Altersrente des Klägers für langjährig Versicherte wegen vorzeitiger Inanspruchnahme zu mindern ist.

Der am 1937 geborene Kläger beantragte am 14.08.2000 bei der Beklagten die Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Die Altersrente solle als Vollrente gezahlt werden mit einem Rentenbeginn am 01.01.2001 (Ende der Beschäftigung am 31.12.2000). Mit Bescheid vom 09.11.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß Altersrente ab 01.01.2001 mit einem Zahlbetrag von DM 3.563,12 monatlich. Sie führte in der Rentenberechnung aus, der Zugangsfaktor vermindere sich für jeden Kalendermonat, für den die Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen worden sei, um 0,003. Die Verminderung betrage hier für zehn Kalendermonate 0,030. Nach dem Versicherungsverlauf hat der Kläger insgesamt eine Beitragszeit von 543 Monaten zurückgelegt, worin für die Zeit vom 01.09.1964 bis 30.06.1965 zehn freiwillige Beiträge enthalten sind. Bei den übrigen Beiträgen handelt es sich um Pflichtbeiträge. Der Kläger hob hiergegen Widerspruch mit dem Ziel der Gewährung ungekürzter Rente, da die damals entrichteten freiwilligen Beiträge nach damaligem Recht Pflichtbeiträgen gleichgestanden hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, er habe 1964 die Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritten und sei versicherungsfrei gewesen. Während der Zeit der Versicherungsfreiheit als höher verdienender Angestellter habe er höchste freiwillige Beiträge entrichtet und diese Beiträge wie Pflichtbeiträge angerechnet bekommen. Diese freiwilligen Beiträge dienten damals zum Erhalt der Halbdeckung und somit zur Anrechnung von Schul- und Studienzeiten und auch der Zurechnungszeit. Zusammen mit den freiwilligen Beiträgen habe er über 540 Monate Beitragszeiten und müsse in den Genuss der Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs.2 SGB VI kommen. Die Klage stütze sich auch auf § 55 Abs.2 Satz 1 SGB VI, wo die Gleichstellung freiwilliger Beiträge mit Pflichtbeiträgen geregelt sei.

Mit Urteil vom 19.10.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs.2 Satz 1 Nr.1 SGB VI sei für den Kläger nicht anwendbar, weil er keine 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt habe. Eine Gleichstellung freiwilliger Beiträge mit Pflichtbeiträgen wegen früherer Versicherungsfreiheit sehe das geltende Gesetz weder in § 236 Abs.2 Nr.1 noch in § 55 Abs.2 SGB VI vor. Der Rentenabschlag infolge vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen seine bisherige Argumentation wiederholt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.10.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2001 zu verurteilen, ihm die Altersrente ohne Abschlag zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Rentenakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist entgegen der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils gemäß den §§ 143, 151 Sozialgerichsgesetz (SGG) zulässig, da die Höhe laufender Rentenleistungen von mehr als einem Jahr in Streit steht (vgl. Beschluss des Senats vom 06.03.2002 - L 13 RA 238/01 NZB).

Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet, da die Beklagte und das Sozialgericht zu Recht entschieden haben, dass der Zugangsfaktor der Altersrente für langjährig Versicherte wegen vorzeitiger Inanspruchnahme um 0,030 zu mindern ist.

Da der Kläger vor dem 01.01.1948 geboren ist, kann er gemäß § 236 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) grundsätzlich Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres beanspruchen. Da er jedoch nach dem 31.12.1936 geboren ist, wird die Altersgrenze gemäß § 236 Abs.1 Sätze 2-4 SGB VI nach Maßgabe der Anlage 21 angehoben. Dies bedeutet, dass die Altersgrenze für den im November 1937 geborenen Kläger um elf Monate auf 63 Jahre und elf Monate angehoben wird. Der Kläger hat die Rente jedoch bereits einen Monat nach Vollendung des 63. Lebensjahres beansprucht, was gemäß § 77 Abs.2 Satz 1 Nr.2 a SGB VI zu einer Minderung des Zugangsfaktors 1,0 um 0,003 für jeden Kalendermonat der vorzeitigen Inanspruchnahme führt, hier für zehn Monate also zu einer Minderung um 0,030. Von der Möglichkeit, die Rentenminderung durch Zahlung von Beiträgen gemäß § 187 a SGB VI auszugleichen, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht.

Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf die Vertrauensschutzregel des § 236 Abs.2 SGB VI stützen. Er ist zwar vor dem 01.01.1942 geboren, hat jedoch nicht 45 Jahre (540 Monate) mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Er hat zwar insgesamt eine Beitragszeit von 543 Monaten zurückgelegt, doch sind hierin zehn Monate an freiwilligen Beiträgen (01.09.1964 bis 30.06.1965) enthalten, so dass nur 533 Monate an Pflichtbeitragszeiten vorliegen. Die in Zeiten der Versicherungsfreiheit entrichteten freiwilligen Beiträge könne unabhängig von ihrer Höhe weder Pflichtbeiträgen gleichstehend angesehen werden noch gelten sie über § 55 Abs.2 Nr.1 SGB VI als Pflichtbeiträge. Die Begrenzung der Vertrauensschutzregel auf Pflichtversicherte begegnet dabei ebensowenig durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken wie die Anhebung der Altersgrenzen mit der Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme unter Verminderung des Zugangsfaktors. Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend ausgeführt, weshalb sich der Senat diesen Ausführungen anschließt und gemäß § 153 Abs.2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht.

Soweit das Sozialgericht bei der Bewertung der Schwere des Eingriffes durch die Gesetzesänderung von einer einmaligen Rentenminderung in Höhe von DM 106,89 ausgeht, ist dies zwar unzutreffend, doch ist auch eine monatliche Rentenminderung in dieser Höhe bezogen auf den Gesamtrentenbetrag nicht unverhältnismäßig. Der Hinweis des Klägers, dass die während der Versicherungsfreiheit als höherverdienender Angestellter entrichteten freiwilligen Beiträge früher als Pflichtbeiträge galten, ist nur bedingt zutreffend. Geregelt war dies in Art.2 § 54 a Abs.1 Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetz (AnVNG), der jedoch wie das gesamte AnVNG durch Art.83 Nr.2 Rentenreformgesetz 1992 (RRG 92) mit Wirkung zum 01.01.1992 aufgehoben wurde mit der Folge, dass der Kläger hieraus keine Rechte mehr ableiten kann. Auch Art.2 § 54 a Abs.1 AnVNG stellt im Übrigen nicht generell freiwillige Beiträge Pflichtbeiträgen gleich, sondern lediglich bei Anwendung der §§ 28 Abs.2 Satz 2 Buchst.c (Ersatzzeit), § 32 a Abs.4 (Zurechnungszeit), § 36 Abs.3 (Ausfallzeit) und § 37 Abs.1 (Zurechnungszeit) Angestelltenversicherungsgesetz (AVG). Darüber hinaus gehende Gleichstellungen etwa einer versicherungsfreien mit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung ließen sich aus Art.54 a Abs.1 AnVNG nicht ableiten, wie das BSG bereits mit Urteil vom 27.06.1991 in SozR 3-2200 Nr.2 zu § 1251 ausgeführt und verfassungsrechtliche Bedenken insoweit ausdrücklich verneint hat.

Die Vertrauensschutzregel des § 236 Abs.2 SGB VI stellt ausschließlich auf ein Mindestmaß an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ab, wobei es ohne Bedeutung ist, aus welchen Gründen die Beitragsentrichtung unterblieb oder weshalb freiwillige Beiträge entrichtet wurden. Dies mag für den Kläger zwar unbefriedigend sein, da er aufgrund seines Verdienstes 1964/65 keine Pflichtbeiträge entrichten konnte, muss aber hingenommen werden, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, wobei eine Gleichstellung der freiwilligen Beiträge mit Pflichtbeiträgen auch über § 55 Abs.2 Nr.1 SGB VI ausscheidet (vgl. Niesel in Kasskomm. Rn.14 zu § 55 SGB VI).

Die Berufung des Klägers kann somit keinen Erfolg haben, weshalb sie als unbegründet zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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