L 1 RA 248/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 13 RA 222/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 RA 248/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.05.2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rente der Klägerin bis 30.06.2000 infolge der Neubewertung der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten streitig.

Mit Bescheid vom 22.08.1995 bewilligte die Beklagte der Klägerin antragsgemäß ab 01.09.1995 Altersrente für Frauen. Bei der Rentenberechnung wurden Kindererziehungszeiten für zwei Kinder für die Zeit vom 01.06.1963 bis 31.05.1964 und vom 01.12.1967 bis 30.11.1968 anerkannt. In dieser Zeit hat die Klägerin auch teilweise Beitragszeiten zurückgelegt. Für die reinen Kindererziehungszeiten wurden 1,3155 Entgeltpunkte angerechnet, insgesamt wurden persönliche Entgeltpunkte in Höhe von 39,2098 der Rentenberechnung zugrunde gelegt. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.1997 zurück.

Dagegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München, die sie im Wesentlichen damit begründete, dass die Kindererziehungszeiten unzureichend berücksichtigt seien. Während des Klageverfahrens erließ die Beklagte am 08.12.1999 einen neuen Rentenbescheid, mit dem sie die Kindererziehungszeiten rückwirkend ab Rentenbeginn neu bewertete. Die stufenweise Erhöhung nach § 307 d Satz 5 SGB VI nahm die Beklagte dabei so vor, dass sie bei der Berechnung der pauschalen Entgeltpunkte den Wert pro Monat von 0,0833 bis Juni 1998 auf 75 %, anschließend auf 85 % und ab 01.07.1999 auf 90 % kürzte und hiervon die bisher zugrunde gelegten Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten abzog. Daraus ergab sich eine Erhöhung der persönlichen Entgeltpunkte bis 30.06.1998 auf 39,3937, vom 01.07.1998 bis 30.06.1999 auf 39,5936 und für die Zeit ab 01.07.1999 (bis 30.06.2000) auf 39,6936 Entgeltpunkte.

Mit Urteil vom 12.05.2000 hat das Soziaglericht entsprechend dem Antrag der Klägerin die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.12.1999 verurteilt, die Rente unter Zugrundelegung folgender Entgeltpunkte neu zu berechnen: 01.09.1995 bis 30.06.1998: 39,72226 Entgeltpunkte, 01.07.1998 bis 30.06.1999: 39,7909 Entgeltpunkte, 01.07.1999 bis 30.06.2000: 39,8251 Entgeltpunkte. In der Begründung ging es davon aus, dass die Entgeltpunkte wie folgt zu berechnen seien: 0,0833 x 24 Monate = 1,9992, hiervon abzuziehen seien die bereits angerechneten Entgeltpunkte von 1,3155, was den Wert von 0,6837 ergebe. Dieser Wert stelle die pauschalen Entgeltpunkte dar, die für die Zeit bis 30.06.1998 zu 75 %, anschließend bis 30.06.1999 zu 85 % und bis 30.06.2000 zu 90 % anzurechnen seien. Die sich daraus ergebenden Werte seien den ursprünglichen Entgeltpunkten von 39,2089 hinzuzurechnen. Die Regelung des § 307 d Satz 1 SGB VI bedeute, dass die pauschalen Entgeltpunkte einen Rechenvorgang darstellten, nämlich die Errechnung eines Wertes unter gleichzeitiger Herausnahme der bisher in der Rente enthaltenen persönlichen Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten. Die pauschalen Entgeltpunkte seien also nicht rein ein isolierter Rechenwert, sondern sie beinhalteten zwangsweise einen Rechenvorgang. Die Regelung in Satz 2 bedeute also nur, dass für diesen Rechenvorgang nun der maßgebende Wert 0,0833 vorgegeben werde. Die Formulierung des Satzes 2 könne nicht isoliert gesehen werden, sondern müsse im Zusammenhang mit der Regelung des Satzes 1 gesehen werden, nämlich, dass die pauschalen Entgeltpunkte einen Rechenvorgang beinhalten. Wenn in Satz 5 für die stufenweise Anrechnung der Begriff pauschale Entgeltpunkte verwendet werde, könne dies schon rein rechnerisch logisch nur auf die sich aus dem Rechenvorgang ergebenden Werte bezogen werden. Der Begriff Ersetzen beinhalte eine Subtraktion, und wenn bei einer Subtraktion ein Prozentsatz genommen werde, komme es zu rechnerisch verzerrten Ergebnissen, wenn man einen Wert prozentual nehme, den anderen Wert hingegen zu 100 %. Genau dies geschehe aber bei der Berechnungsart durch die Beklagte. Die Auslegung der Beklagten bedeute auch eine Ungleichbehandlung der Versicherten. Kernpunkt neben der Erhöhung des Wertes sei die additive Bewertung der Kindererziehungszeiten gewesen. Wenn nun eine Versicherte deshalb, weil sie während der Kindererziehungszeit Beiträge entrichtet habe, überhaupt keine Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten erhalten habe, erhalte sie nach dieser Berechnung voll 75 % des Wertes von 0,0833 pro Monat. Je mehr Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten bereits angerechnet gewesen seien, ergebe sich ohnehin durch die Erhöhung des Wertes auf 0,0833 nur eine bescheidene Erhöhung und diese erhielten die Betroffenen unterschiedlich nach der Berechnungsart der Rentenversicherungsträger nur zu einem Bruchteil des Wertes, den sie dann ab 01.07.2000 erhielten. Dies entspreche in keiner Weise der Regelung des § 307 d. Es sei vielmehr der Rechenvorgang des Ersetzens der bereits angerechneten Entgeltpunkte voll abzuschließen und das Ergebnis dann auf 75 % usw. zu kürzen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ausführt, die Begründung zum Begriff des Ersetzens sei nicht nachvollziehbar. Die Auslegung dieses Tatbestandsmerkmales bedeute, dass unabhängig von der in Satz 5 getroffenen stufenweisen Anhebung des Monatsbetrages zunächst der vollständige Austausch der bisherigen gegen die neuen Entgeltpunkte vorzunehmen sei. Dies ergebe sich bereits aus der in § 307 d SGB VI vorgegebenen Abfolge der Rechenschritte. Allein die Berechnungsweise der Beklagten entspreche auch der mit der Vorschrift verfolgten gesetzgeberischen Absicht. Zunächst werde die vom Bundesverfassungsgericht geforderte additive Bewertung der Kindererziehungszeiten eingeführt. Dies geschehe dadurch, dass die tatsächlich berücksichtigten Entgeltpunkte herausgenommen würden. Statt dessen erhielten die Betroffenen für jeden Kalendermonat Erziehungszeit die Entgeltpunkte, die 75 % des Durchschnittsentgelts aller Versicherten entsprächen. Des weiteren würden die für Kindererziehungszeiten zu berücksichtigenden Entgeltpunkte bis 30.06.2000 stufenweise von 75 % auf 100 % erhöht. Es sei nicht ersichtlich, warum das Sozialgericht die nach altem Recht tatsächlich berücksichtigten Entgeltpunkte lediglich zu 75 % herausnehmen wolle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.05.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Rentenakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und auch in vollem Umfang begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berechnung ihrer Rente auf der Basis höherer Entgeltpunkte als im Bescheid vom 08.12.1999 zugrunde gelegt.

Rechtsgrundlage für die Neufeststellung der Rente ab Rentenbeginn ist § 307 d Sozialgesetzbuch VI (SGB VI).

Nach dieser Vorschrift werden bei Rentenanspruch am 30.06.1998 mit Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente die in den persönlichen Entgeltpunkten enthaltenen Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten durch pauschale Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten ersetzt (Satz 1). Die pauschalen Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten ergeben sich, indem die Anzahl an Monaten mit Kindererziehungszeiten mit 0,0833 Entgeltpunkten vervielfältigt werden (Satz 2). Von den pauschalen Entgeltpunkten für Kindererziehungszeiten werden in der Zeit bis zum 30.06.1998 75 v.H., vom 01.07.1998 bis 30.06.1999 85 v.H. und vom 01.07.1999 bis 30.06.2000 90 v.H. für die Leistung berücksichtigt (Satz 5).

Entsprechend dieser Vorschrift hat die Beklagte zutreffend bis 30.06.1998 39,3957 Entgeltpunkte zugrunde gelegt und diese in der Folge erhöht auf 39,5936 bzw. 39,6936.

Nach dem Wortlaut des § 307 d SGB VI ist zunächst von den bisherigen persönlichen Entgeltpunkten (hier 39,2098) auszugehen, wobei die darin enthaltenen Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten (hier 1,3155) durch die Pauschale des Satzes 2, nämlich pro Monat 0,0833 Entgeltpunkte, ersetzt werden (hier 24 x 0,0833 = 1,9992). Diese Pauschale wiederum - und nichts anderes ist in § 307 d Satz 5 SGB VI geregelt - wird zunächst nicht voll berücksichtigt, sondern nur zu 75 v.H., dann zu 85 v.H. und bis 30.06.2000 zu 90 v.H. Dies führt bei der Klägerin zu folgender Berechnung für die Zeit bis 30.06.1998: Aus den persönlichen Entgeltpunkten von 39,2098 werden die Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten von 1,3155 herausgerechnet (ergibt 37,8943) und ersetzt durch 75 v.H. der pauschalen Entgeltpunkte (= 1,4994), was zu neuen Entgeltpunkten von 39,3937 führt. Entsprechendes gilt für die Folgejahre.

Diese Berechnung folgt dem Wortlaut des § 307 d SGB VI, wobei eine abweichende Auslegung angesichts der klaren Regelung weder möglich noch geboten ist.

In der Folge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (SozR 3-2200 Nr.5 zu § 1255 a) hat der Gesetzgeber die Bewertung der Kindererziehungszeiten neu geregelt und mit § 70 Abs.2 SGB VI die additive Bewertung der Kindererziehungszeiten eingeführt sowie die Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten von früher 0,0625 je Kalendermonat auf 0,0833 erhöht. Für Bestandsrenten hat der Gesetzgeber durch § 307 d SGB VI sichergestellt, dass auch diese an der Erhöhung teilnehmen, wobei unter Vermeidung einer erneuten Rentenberechnung in einem maschinellen Verfahren die bisherigen Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten durch pauschale Entgeltpunkte ersetzt werden (vgl. Polster in KassKomm, Rn.3 zu § 307 d SGB VI). Wie bei Neurentnern (vgl. § 256 d SGB VI), erfolgt auch bei Bestandsrentnern die Erhöhung der pauschalen Entgeltpunkte gemäß § 307 d Satz 5 SGB VI stufenweise.

Aus dieser Entwicklung der Rechtsgrundlagen wird deutlich, dass der Gesetzgeber neben der additiven Bewertung der Kindererziehungszeiten die bisherigen Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten von 0,0625 (= 75 % von 0,0833) stufenweise auf 0,0833 erhöhen wollte. Dies bedeutet, dass unter pauschalen Entgeltpunkten im Sinne des § 307 d Satz 2 SGB VI allein der Wert von 0,0833 pro Monat zu verstehen ist. Von diesem Wert ist bei der stufenweisen Erhöhung auszugehen.

Die Berechnung des Sozialgerichts nimmt die Kürzung im Sinne des § 307 d Satz 5 SGB VI erst nach Abzug der Entgeltpunkte für Kidnererziehungszeiten nach altem Recht vor, wofür sich in § 307 d SGB VI kein Anhaltspunkt ergibt. Faktisch bedeutet die Berechnung des Sozialgerichts, dass nicht nur die pauschalen Entgeltpunkte auf 75 v.H. gekürzt werden, sondern auch zuvor die tatsächlich berücksichtigten Entgeltpunkte nur zu 75 v.H. in Abzug gebracht werden. § 307 d SGB VI schreibt jedoch vor, dass die bisherigen Entgeltpunkte in vollem Umfang durch die stufenweise zu erhöhenden pauschalen Entgeltpunkte ersetzt werden.

Das Urteil des Sozialgerichts kann somit keinen Bestand haben, weshalb es auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung, § 193 SGG, berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrem Begehren unterlegen ist.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, zumal sich die Regelung des § 307 d Satz 5 SGB VI nur auf Rentenzahlungen bis 30.06.2000, also für einen bereits abgelaufenen Zeitraum bezieht.
Rechtskraft
Aus
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