L 13 RA 24/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 17 RA 682/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 24/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.01.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein früherer Beginn der Altersrente des Klägers.

Der am ...1923 geborene Kläger hat von 17.04.1939 bis 31.07.1966 mit Unterbrechungen Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung zurückgelegt. Danach wurden ab 01.06.1985 erneut Pflichtbeiträge gezahlt. Die lückenlose Beitragszahlung endete am 31.12.1994.

Am 25.01.1995 beantragte der Kläger mündlich bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in München Altersrente. Der Bevollmächtigte des Klägers wandte sich am 14.03.1995 an die Beklagte und bat unter Vorlage eines Schreibens des Klägers vom 27.10.1990 um Mitteilung, welche Erledigung der darin gestellte Antrag auf Altersrente erfahren habe. Er sei der Ansicht, dieser Antrag sei noch offen, da sich beim Versicherten keinerlei Antwortbriefe oder unausgefüllte Formblätter befinden würden. In dem genannten Schreiben hatte der Kläger ausgeführt: "Ich stelle Antrag auf Auszahlung meiner Rente, nachdem ich das 65. Lebensjahr schon überschritten habe. Ich arbeite zwar im Moment noch, muss meine Arbeit jedoch aufgrund meines schlechten gesundheitlichen Zustandes zum Ende des Jahres aufgeben. Sollten Sie noch irgendwelche Unterlagen benötigen, bitte ich, mir das sofort mitzuteilen."

Im Kontenspiegel vom 15.03.1995 ist bezüglich dieser früheren Antragstellung folgendes vermerkt: 16 AQ 01.11.1990 00 BX 29.01.1991 ELAT 31 VA 70 ZT 00.00.00 Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nach § 25 Abs.5 AVG/§ 35 SGB VI VA 70 AT 20 DT 05.03.1991 VA 70 AT 21 DT 20.01.1993.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 18.08.1995 Regelaltersrente ab Januar 1995 und nahm dabei auf den Antrag vom 25.01.1995 Bezug; die Anspruchsvoraussetzungen seien seit 04.10.1988 erfüllt. Der Antrag vom 01.11.1990 sei mit Bescheid vom 29.01.1991 wegen mangelnder Mitwirkung abgelehnt worden. Wie der genaue Verfahrensweg gelaufen sei, könne nicht mehr nachvollzogen werden, da der Vorgang inzwischen ohne Mikroverfilmung vernichtet worden sei. Bei einer formlosen Rentenantragstellung werde der Vorgang statistisch erfasst und dem Antragsteller würden die erforderlichen Formanträge zur Ausfüllung übersandt. Erfolge nach 4 Wochen kein Rücklauf, ergehe eine einfache Erinnerung mit einer Zweiwochenfrist für den Antragsteller. Gehe keine Antwort ein, würde ein zweites Erinnerungschreiben zugesandt, welches speziell auf die Auswirkungen einer mangelnden Mitwirkung unter Angabe der entsprechenden Vorschriften hinweise. Gehe dann wiederum kein Formblattantrag oder ein Schreiben ein, komme es zur die Bescheidablehnung. Aus dem seinerzeit gestellten Antrag könnten keine Rechte mehr hergeleitet werden. Im übrigen hätte sich der Kläger früher um seine Rentenangelegenheiten kümmern können.

Der Bevollmächtigte des Klägers legte am 29.08.1995 Widerspruch ein und begründete diesen damit, die Verfahrensweise der Beklagten sei bei der behaupteten Ablehnung des Antrages vom 01.11.1990 nicht korrekt gewesen. Die Beklagte habe so rasch- sogar entgegen ihrer eigenen Arbeitsanweisung - entschieden, dass die von ihr im Bescheid vom 18.08.1995 genannte Vorgehensweise gar nicht habe eingehalten werden können. Vergleiche man den Ablauf des Rentenverfahrens im Jahr 1995, das über ein halbes Jahr gedauert habe, so gehe es nicht an, dem Versicherten eine nur kurze Frist für die Konkretisierung des Antrages einzuräumen. Es werde deswegen die Altersrente ab 01.10.1988 begehrt unter Berücksichtigung der bis 30.09.1988 geleisteten Beiträge. Die ab 01.10.1988 gezahlten Beiträge seien zu erstatten.

Die Beklagte wies mit Bescheid vom 31.10.1995 den Widerspruch zurück. Zur Begründung stützte sie sich darauf, dass der Rentenantrag vom 01.11.1990 zurückgenommen worden sei. Am 29.01. 1991 sei das Verfahren abgeschlossen worden. In diesen Fällen erfolge eine Aufklärung darüber, dass aus dem zurückgezogenen Antrag keine Rechte mehr hergeleitet werden könnten.

Mit der am 06.11.1995 beim Sozialgericht München erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter und verwies insbesondere auf die widersprüchlichen Begründungen im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid. Auch habe der Kläger nicht die soziale Stellung gehabt, sich einen Verzicht auf einen Rentenanspruch leisten zu können. Dass er bisher wegen des Antrages vom 27.10.1990 nichts unternommen habe, sei auf seine Unkenntnis in Rentensachen zurückzuführen. Der Kläger und seine Ehefrau hätten bis Anfang 1995 ein kleines Schreibwarengeschäft mit gelegentlicher Reisebürotätigkeit betrieben. Von den bescheidenen Einkünften habe die Familie gelebt. Im Januar 1995 sei er, der Bevollmächtigte, dem Ehepaar empfohlen worden. Nur dadurch sei die Familie ... wieder auf den Rentenanspruch und auf die ehemalige Antragstellung aufmerksam geworden. Die Beklagte habe zu beweisen, dass der Antrag abgelehnt oder zurückgenommen worden sei. Auch sei zu klären, warum die Unterlagen bereits vernichtet seien.

Die Beklagte verwies darauf, dass ihr Vorgehen der allgemeinen Übung der Versicherungsträger entspreche. Die "Papier"- Unterlagen könnten vernichtet werden, da die Dokumentation von Sachverhalten im maschinellen Konto enthalten sei. Es treffe zu, dass die Beklagte die Beweislast treffe, dass der Antrag zurückgenommen sei. Diese Tatsache sei aber bewiesen. Wenn der Bevollmächtigte die Richtigkeit des Kontospiegels anzweifle, so sei auch fraglich, ob der Antrag überhaupt gestellt worden sei, da auch diese Tatsache allein durch den Kontospiegel bewiesen werde. Im übrigen sei die Rücknahme des Antrages auch deswegen schlüssig, weil die Antragstellung im Zusammenhang mit der beabsichtigten Geschäftsaufgabe gestanden habe, diese aber nicht erfolgt sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2000 legte der Kläger ein Schreiben der Beklagten vom 05.11.1990 vor, in dem der Eingang des Antrages vom 27.10.1990 am 01.11.1990 bestätigt und auf die Notwendigkeit, die beigefügten Formulare binnen 4 Wochen auszufüllen, hingewiesen worden war.

Das Sozialgericht München wies mit Urteil vom 11.01.2000 die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Altersrente ab 01.11.1988, da er aus dem Antrag vom 27.10.1990 keine Rechte mehr herleiten könne. Es sei bewiesen, dass er den Antrag zurückgezogen habe. Das Original der Rücknahmeerklärung liege zwar nicht mehr vor, da die Beklagte zulässigerweise (§ 16 der 2.Datenerfassungs-Verordnung idF durch Art.1 Nr.3 der Verordnung vom 18.12.1987) nach entsprechender Datenspeicherung die Akte vernichtet habe. Den im Kontospiegel gespeicherten Daten sei aber grundsätzlich ein höherer Beweiswert beizumessen als der bloßen unsubstantiierten Behauptung des Klägers, der Antrag sei nicht zurückgenommen worden. Dafür, dass der Antrag zurückgenommen worden sei, sprächen auch noch weitere Umstände. So erkundige sich erfahrungsgemäß ein Rentenantragsteller nach einer gewissen Zeit beim Versicherungsträger, was aus dem Antrag geworden sei, insbesondere dann, wenn er, wie vorgetragen, in beengten finanziellen Verhältnissen lebe. Außerdem sei wohl eine Änderung der Verhältnisse eingetreten, da der Kläger entgegen seiner Ankündigung im Antrag vom 27.10.1990 seine Erwerbstätigkeit erst zum 31.12.1994 und nicht bereits zum 31.12.1990 aufgegeben habe.

Der Kläger legte am 01.02.2000 Berufung ein und beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 11.01.2000 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 18.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.1995 zu verurteilen, dem Kläger Altersruhegeld ab 01.11.1988 zu gewähren, die ab 01.11.1988 gezahlten Pflichtbeiträge zu erstatten sowie den Erstattungsbetrag für die Zeit ab 01.08.1995 und die Rentennachzahlung zu verzinsen.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält im wesentlichen sein Vorbringen aufrecht. Er sieht den Nachweis der Antragsrücknahme nicht als erbracht an und verweist dazu insbesondere auf die teilweise nicht korrekte Behandlungsweise seitens der Beklagten (Geburtsdatum wurde zunächst falsch angenommen, fehlende Mikroverfilmung) sowie die ursprüngliche Begründung im angefochtenen Bescheid. Außerdem rügt er, es sei nicht klar, welche Arbeitserledigung unter "ELAT 31" vorgenommen worden sei. Die Beklagte geht weiterhin davon aus, die Rücknahme des Antrages sei bewiesen.

Auf Anforderung der Berichterstatterin legte die Beklagte eine Aufstellung der Bedeutung des Schlüsselzahlen vor. Danach wurde mit "ELAT 31" erfasst: Rentenantrag zurückgenommen und mit "ELAT 35": nicht weiterverfolgt aus sonstigem Grund.

Ergänzend trug der Bevollmächtigte des Klägers daraufhin vor: selbst wenn der Kläger den Antrag zurückgenommen haben sollte, sei sein Anspruch auf Rente ab 01.11.1988 im Wege eines Herstellungsanspruchs begründet. Denn die Beklagte habe dem Kläger Einkünften gegeben. Sie habe auch nicht geprüft, ob eine nahe Möglichkeit der Fehlentscheidung vorliegen könnte, obwohl dies für die Beklagte klar erkennbar gewesen sei. Die Beklagte sieht keinen Anhaltspunkt für einen Herstellungsanspruch.

Aus der beigezogenen Akte (L 13 RA 33/00) der am ...1925 geborenen, zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau des Klägers ist zu entnehmen, dass diese am 31.10.1990 bei der Beklagten die Gewährung von Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres beantragt hatte. Unter der Verschlüsselung "ELAT 31" war der Antrag am 18.01.1991 erledigt worden. Am 25.01.1995 stellte sie erneut Antrag und erhielt Rente ab 01.01.1995 (Bescheid vom 09.03.95). Auch insofern ist streitig, ob der Antrag vom 31.10.1990 zurückgezogen worden ist.

Der Kläger wurde im Rahmen eines Erörterungstermins im Verfahren L 13 RA 33/00 zur Frage der Rücknahme des Rentenantrags angehört. Auf das Protokoll vom 26.04.2000 wird insofern Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Rentenakte der Ehefrau des Klägers, die Akten des Sozialgerichts München sowie die Akten des Bayer. Landessozialgericht betreffend die Verfahren L 13 RA 24/00 und 33/00 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ohne Zulassung statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig, sie kann aber in der Sache keinen Erfolg haben. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte die Altersrente ab 01.11.1988 leistet, die ab 01.11.1988 gezahlten Beiträge erstattet und die Nachzahlung ab dem 7. Kalendermonat nach der Antragstellung vom Januar 1995 verzinst, da aufgrund des gesamten Sachverhaltes bewiesen ist, dass der Rentenantrag vom Oktober 1990 zurückgezogen worden ist und auch ein Herstellungsanspruch das Begehren des Klägers nicht stützt. Der Rentenantrag datiert demnach vom 25.01.1995, was zur Folge hat, dass die Rente gemäß § 99 Abs.1 Satz 2 SGB VI am 01.01. 1995 beginnt.

Unstreitig ist, dass der Kläger mit Schreiben vom 27.10.1990 Antrag auf Altersrente gestellt hat. Für die Tatsache, ob dieser Antrag zurückgenommen wurde, trägt die Beklagte die Beweislast. Auch darüber besteht Einigkeit. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Beweis erbracht, dass der Antrag vom 27.10.1990 am 29.01.1991 zurückgenommen worden ist. Dies steht fest aufgrund des Kontenspiegels und des gesamten Sachverhaltes, wobei sowohl dem Kontenspiegel als auch dem Verhalten der Eheleute ... und den Angaben des Klägers Bedeutung zukommt. Die Behauptung des Klägers, der Antrag sei nicht zurückgenommen worden, ist nicht überzeugend.

Grundsätzlich ist den Unterlagen und Aufzeichnungen des Versicherungsträgers der Beweis des ersten Anscheines beizumessen (Urteil des BSG vom 24.10.1974 11 RA 170/73 in DAngVers 75/75 f). Ob dies auch dann gilt, wenn wie im vorliegenden Fall Fehler aufgetreten sind, wie beispielsweise das ursprünglich unzutreffende Geburtsdatum, kann offenbleiben. Denn auch wenn den Aufzeichnungen nicht der Beweiswert des ersten Anscheines zukommt, ist die Eintragung im Kontenspiegel ein erhebliches Indiz für die eingetragene Tatsache. Dies bedeutet, dass für die Rücknahme des Antrages bereits deren Festhalten im Kontenspiegel mit der zutreffenden Verschlüsselung "ELAT 31" spricht. Dass die Eintragung "ELAT 31" gewählt wurde, wenn eine Rücknahme zu verschlüsseln war, wird durch die von der Beklagten übersandte Übersetzung der Schlüsselzahlen für die einzelnen Erledigungsarten belegt. Eine fehlende Mitwirkung des Versicherten als Grund einer formlosen Erledigung kommt nicht in Betracht. Die Vorlage der Schlüsselzahlen ergibt nämlich, dass eine Erledigung auf andere Weise als durch Rücknahme mit "ELAT 35" zu erfassen gewesen wäre. Die Vergabe von Schlüsselzahlen beweist zwar nicht immer die Richtigkeit der Verschlüsselung, andererseits ist im Normalfall auch nicht zuunterstellen, es sei die falsche gewählt worden.

Im Falle des Klägers gilt dies um so mehr, als auch im Kontospiegel seiner Ehefrau die Verschlüsselung "ELAT 31" vorgenommen worden ist. Da für die Bearbeitung der Rentenangelegenheit der Ehefrau des Klägers bei unterschiedlichen Geburtstagen ein anderer Sachbearbeiter zuständig war, erscheint derselbe Fehler von zwei verschiedenen Bearbeitern sehr unwahrscheinlich. Dass die Erledigungsdaten bei beiden Ehegatten unterschiedlich sind, kann mit dem Zeitpunkt der Bearbeitung, des Einganges und der Erklärung zusammenhängen, spricht aber nicht gegen den Inhalt der gespeicherten Daten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Anträge ebenfalls nicht ganz identisch waren und nicht am selben Tag eingegangen sind.

Der Hinweis des Bevollmächtigten, die Beklagte habe den Kontospiegel nicht fehlerfrei geführt und sich nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend verhalten, reicht nicht dazu aus, um die Beweiskraft des Kontospiegels zu widerlegen.

Grund dafür ist zum einen, die Duplizität der Eintragung beim Kläger und seiner Ehefrau. Zum anderen fällt ins Gewicht, dass das Verhalten des Ehepaares ... nicht nachvollziehbar ist. Es erscheint nicht glaubhaft, dass Versicherte bei einer Antragstellung Ende 1990 nicht nachfragen, wann mit Entscheidung gerechnet werden kann, zumal wenn sie in finanziell beschränkten Verhältnissen leben, wie vorgetragen worden ist. Die nunmehrige Angabe des Klägers , die finanziellen Probleme seien erst nach Geschäftsaufgabe sehr schwierig geworden, steht im Widerspruch zum früheren Vorbringen. Es kommt hinzu, dass nicht nur keine Nachfragen an die Beklagte gerrichtet worden sind, es wurden sogar Anfang 1995 neue Anträge gestellt; dies spricht dafür, dass das Ehepaar ... davon ausging, es könne nicht auf die alten Anträge zurückgreifen. Es wurde zudem unterlassen, auf die frühere Antragstellung hinzuweisen. Dies geschah erst durch den Bevollmächtigte der Eheleute.

Der Hinweis, die Eheleute ... hätten sich in Rentenangelegenheiten nicht ausgekannt, reicht als Erklärung für das Nichterfolgen Ende 1990 gestellten Antrages in keiner Weise aus. Die Nachfrage nach dem bereits gestellten Antrag wäre problemlos möglich gewesen. Es kommt hinzu, dass die Ehefrau selbständige Geschäftsfrau - und als solche sicher nicht ganz unbeholfen gewesen ist.

Zwischen der Nichtweiterverfolgung des Antrages und der planwidrigen Fortsetzung der Tätigkeit bestand möglicherweise ein Zusammenhang, wie das Schreiben vom 27.10.1990 nahelegt; es können aber auch andere Gründe gewesen sein, die das Ehepaar ... veranlasst haben, die Anträge zurückzuziehen. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass dem Antrag auf Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nach den Vorschriften des damals gültigen Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - nicht die gleiche Bedeutung wie dem Antrag auf Altersrente nach dem SGB VI zukam. Denn nach § 25 Abs.5 i.V. § 67 Abs.1 Satz 2 AVG war der Rentenbeginn nicht vom Antrag abhängig; vielmehr konnte die Rente rückwirkend bis zu dem Zeitpunkt gezahlt werden, ab dem die Voraussetzungen erfüllt waren, begrenzt allein durch die Vorschriften der Verjährung. Ohne die Regelung des § 99 SGB VI, wonach auch bei der Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres eine rückwirkende Bewilligung nicht mehr möglich ist, wäre die Rücknahme des Antrags im Falle des Klägers fast unschädlich gewesen. Auf den erneuten Antrag vom Januar 1995 hätte nach den Vorschriften des AVG die Rente bis 01.01.1991 zurück geleistet werden können. Im Jahr 1990/1991 bedeutete die Rücknahme des Antrags auf Rente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nicht zwingend den Verlust des Rentenanspruchs für die Vergangenheit, da eine Nachzahlung möglich war. Diese Rechtslage erleichterte dem Kläger möglicherweise subjektiv den Entschluss zu einer Rücknahme des Antrags.

Wenn in den Unterlagen des Klägers und seiner Ehefrau nichts über eine Rücknahmeerklärung gefunden worden ist, so kann daraus kein sicherer Schluss darauf gezogen werden, eine solche sei nicht abgegeben worden. Denn wie die erst bei der mündlichen Verhandlung vorgelegten Eingangsbestätigungen zeigen, war die ursprüngliche Aussage, außer dem Schreiben vom 27.10.1990 lägen keine Unterlagen vor, nicht zutreffend.

Entscheidend für die Annahme, der Antrag vom 27.10.1990 sei zurückgenommen worden, ist die Würdigung des gesamten Sachverhaltes: der Kontenspiegel enthält nicht nur die entsprechende Eintragung; die Eheleute ... haben sich auch faktisch entsprechend der Eintragung verhalten. Diese Verhalten ist nur dann nachvollziehbar, wenn die Anträge tatsächlich zurückgenommen worden sind, aus welchem Grund auch immer.

Der Beweis für die Rücknahme des Antrages vom 27.10.1990 ist erbracht. Ein Anspruch auf Rente vor Januar 1995 besteht nicht.

Was das nach Vorlage der Schlüsselzahlen neue Vorbringen des Bevollmächtigten angeht, die Beklagte habe - bei Unterstellung der Antragsrücknahme - ihre Auskunfts- und Beratungspflichten verletzt, da sie die Eheleute ... nicht auf die Folgen der Rücknahme und die Möglichkeiten des Rentenbezuges neben Erwerbstätigkeit hingewiesen habe, so handelt es sich dabei um eine durch keine Tatsache bewiesene Vermutung. Es kann grundsätzlich sicher die Verpflichtung bestehen, auf solche Voraussetzungen hinzuweisen; ob die Beklagte konkret Veranlassung hatte und was sie getan hat, ist völlig offen. Nachdem die Behauptung des Klägers bis jetzt eindeutig besagte, eine Rücknahme sei überhaupt nicht erfolgt, lässt sich nun auch nicht klären, welche Mitteilungen zwischen der Beklagten und den Eheleuten ... ausgetauscht wurden. Abgesehen davon ist es fraglich, ob die Beklagte die Rücknahme der Rücknahme eines Rentenantrages herbeiführen muss, zumal wenn sie evt. gar keine Kenntnisse über den Sachverhalt hat.

Da ein früherer Rentenbeginn und eine Nachzahlung nicht in Betracht kommt, stellt sich die Frage der Rückzahlung der Beiträge und der Verzinsung nicht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Eine Veranlassung, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs.2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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