L 13 RA 35/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RA 40/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 35/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Berücksichtigung einer Hochschulausbildung als beitragsgeminderte Beitragszeit gemäß § 54 Abs. 3 SGB VI führt nicht dazu, daß dieser Zeitraum bei der Ermittlung der anrechenbaren Ausbildungszeit außer acht zu stehen hat.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.02.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des Altersruhegeldes des Klägers, insbesondere die Bewertung der Ausbildungsanrechnungszeiten.

Der am ...1929 geborene Kläger beantragte am 22.08.1994 bei der Beklagten die Gewährung von Regelaltersrente, die sie ihm mit Bescheid vom 28.03.1995 ab 01.10.1994 bewilligte. Der Berechnung der Rente lagen, soweit Streit besteht, folgende Zeiten zugrunde: 24.09.1945 - 01.03.1950 Schulausbildung = 54 Monate 01.04.1949 - 25.04.1949 Pflichtbeitrag 1 Monat 05.11.1955 - 30.11.1959 Hochschulausbildung 01.12.1959 - 05.11.1962 Hochschulausbildung, Höchstdauer überschritten 07.11.1955 - 25.12.1955 freiwillige Beiträge 2 Monate 26.12.1955 - 01.01.1956 freiwilliger Beitrag 1 Monat 06.02.1956 - 12.02.1956 freiwilliger Beitrag 1 Monat 05.03.1956 - 11.03.1956 freiwilliger Beitrag 1 Monat.

Die Beklagte ging von insgesamt 98 Monaten beitragsfreier Zeit wegen Schul- und Hochschulausbildung und sechs Monaten beitragsgeminderter Zeit (April 1949, November 1955 bis März 1956) aus. Für beitragsfreie Zeiten ermittelte sie 0,0506 Entgeltpunkte; für die beitragsgeminderten Zeiten wurden die Entgeltpunkte von 0,0198 auf 0,2530 erhöht.

Mit Widerspruch vom 19.04.1995 wandte sich der Kläger insbesonders gegen die nicht volle Anrechnung seiner Ausbildungsanrechnungszeiten. Die Beklagte wies den Widerspruchsbescheid mit Bescheid vom 14.02.1996 zurück. Anrechnungszeiten wegen Ausbildung seien grundsätzlich nur bis zu sieben Jahren zu berücksichtigen. Entsprechend der Übergangsvorschrift des § 252 Abs.4 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI - werde bei einem Rentenbeginn im Jahre 1994 die darüber hinausgehende Zeit zu 10/12 berücksichtigt: 108 Monate - 84 Monate = 24 Monate, davon 10/12 = 20 Monate. Dies ergebe insgesamt 104 Monate Ausbildungsanrechnungszeit.

Der Kläger erhob am 16.03.1996 Klage zum Sozialgericht Landshut. Nachdem ursprünglich weitere Punkte streitig waren, hielt der Kläger nur noch die Anrechnung und Bewertung der Ausbildungsanrechnungszeiten aufrecht. Er verwies darauf, daß nur 44 Monate Hochschulausbildung und 54 Monate Schulausbildung berücksichtigt worden seien.

Während des Klageverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 08.09.1997 die Rente des Klägers neu fest.

Im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit über die Frage, ob der Kläger in der Zeit von 1989 bis 1995 abhängig beschäftigt gewesen sei (statt wie früher angenommen selbständig), begehrte der Kläger die Berücksichtigung der Jahre 1989 bis 1995 als Pflichtbeitragszeit wegen abhängiger Beschäftigung und in der Folge mit höherer Beitragsleistung. Das Sozialgericht hatte dieses Begehren abgetrennt (S 11 An 339/97) und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.02.1998 abgewiesen. Die vom Kläger insofern eingelegte Berufung wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung vom 12.08.1998 zurückgenommen.

Hinsichtlich der Anrechnung und Bewertung der Ausbildungsanrechnungszeit wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 09.02.1998 (mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung) ab. Es führte aus, es seien höchstens 108 Monate als Anrechnungszeit zu berücksichtigen (§ 252 Abs.4 Satz 1 Nr.2 SGB VI). Diese seien gemäß Anlage 18 zu kürzen, soweit sie über den Grenzwert von 84 Monaten hinausgingen. Dies bedeute, von 24 Monaten seien 10/12 = 20 Monate anzurechnen, was insgesamt 104 Monate ergebe. Davon sei auch die Beklagte ausgegangen. Sie habe 44 Monate Hochschulausbildung und 54 Monate Schulausbildung sowie April 1949 und November 1955 bis März 1956 als sechs Monate beitragsgeminderte Zeit angerechnet.

Mit der am 13.03.1998 eingelegten Berufung trug der Kläger vor, die Beklagte habe nur 98 Monate Anrechnungszeit und nicht 104 Monate berücksichtigt. Die beitragsgeminderte Zeit dürfe bei der Ermittlung der Höchstgrenze der Ausbildungszeit nicht herangezogen werden.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.02.1998 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28.03.1995, 11.09.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.1996 sowie den Bescheid vom 08.09.1997 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 01.04.1949 bis 25.04.1949, 07.11.1955 bis 25.12.1955, 26.12.1955 bis 01.01.1956, 06.02.1956 bis 12.02.1956 und 05.03.1956 bis 11.03.1956 als Beitragszeit zu berücksichtigen und dementsprechend die anrechenbare Anrechnungszeit wegen Ausbildung zu erhöhen.

De Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nahm auf ihr bisheriges Vorbringen und die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Landshut sowie die Akten des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG - statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte hat die Rente des Klägers zutreffend ermittelt.

Streitig ist im Ergebnis nunmehr allein, ob die Zeiten der freiwilligen Beitragsleistung im April 1949 sowie von November 1955 bis März 1956 als vollwertige Beitragszeit und nicht wegen des gleichzeitigen Vorliegens einer Anrechnungszeit als beitragsgeminderte Zeit berücksichtigt werden, was nach Ansicht des Klägers zur Folge hätte, daß zusätzlich sechs Monate Anrechnungszeit wegen Ausbildung zum Tragen kämen, da die Monate der Beitragsleistung nicht in die Höchstbegrenzung der Anrechnungszeit gemäß §§ 58, 252 Abs.4 SGB VI miteingerechnet werden könnten.

Das Begehren des Klägers kann insgesamt keinen Erfolg haben. Die Beklagte hat zutreffend die begehrten Zeiträume als beitragsgeminderte Zeit angesehen und bei Ermittlung der Höchstgrenze der Anrechnungszeit miteinbezogen.

Nach der Begriffsbestimmung des § 54 Abs.1 i.V.m. Abs.2 SGB VI sind beitragsgeminderte Zeiten Kalendermonate, die sowohl mit Beiträgen als mit Anrechnungszeiten, Zurechnungszeit oder Ersatzzeiten belegt sind. Im Falle des Klägers wurde im April 1949 ein Pflichtbeitrag und in den Monaten November 1955 bis März 1956 freiwillige Beiträge geleistet. Gleichzeitig absolvierte der Kläger eine Schulausbildung (24.09.1945 bis 01.03. 1950) sowie ein Hochschulstudium (05.11.1955 bis 05.11.1962). Die streitigen Zeiten sind demnach sowohl mit Beiträgen belegt und somit Beitragszeit (§ 54 Abs.1 Ziffer 1 SGB VI) als auch Anrechnungszeit, da die Schul- und Hochschulausbildung von § 58 Abs.1 i.V.m. § 252 Abs.4 SGB VI erfaßt wird. Zu Recht hat die Beklagte die streitige Zeit demnach als beitragsgeminderte und nicht als vollwertige Beitragszeit angesehen.

Die Berücksichtigung als beitragsgeminderte Beitragszeit gemäß § 54 Abs.3 SGB VI führt nicht dazu, daß diese Zeiträume bei der Ermittlung des Umfangs der anrechenbaren Ausbildungszeit außer acht zu lassen sind. Das Sozialgericht hat zutreffend dargestellt, daß der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Anerkennung von höchstens vier Jahren Schulausbildung und fünf Jahren Hochschulausbildung hat, soweit die Höchstdauer der Anrechnungszeiten wegen des Besuchs einer Schule, Fachschule oder Hochschule von sieben Jahren überschritten ist (§ 58 Abs.4 SGB VI). Als Übergangs- und Besitzschutzregelung ist dazu in § 252 Abs.4 Satz 2 SGB VI (in der vor 01.01.1996 geltenden Fassung) weiter bestimmt, daß ausgehend von voller Anrechnung im Jahr 1992 über einen Zeitraum von 12 Jahren - abgestellt auf den Rentenbeginn - eine Abschmelzung des den Höchstbetrag des § 58 Abs.4 SGB VI übersteigenden Zeitraums vorgenommen wird. Für den Kläger bedeutet dies: Höchstens anrechenbar waren 108 Monate. Dieser Betrag übersteigt die Siebenjahresgrenze der §§ 58 Abs.4, 252 Abs.4 SGB VI um 24 Monate. Davon können 10/12 berücksichtigt werden = 20 Monate, was insgesamt 104 Monate berücksichtigungsfähige Anrechnungszeit ergibt.

Diese Berechnung wird vom Kläger auch grundsätzlich nicht mehr bestritten. Seine Ansicht, daß die beitragsgeminderten Zeiten in den Jahren 1949, 1955 und 1956 "reine" Beitragszeit ist, und bei Ermittlung der Höchstgrenze der Anrechnungszeit nicht herangezogen werden kann, ist nicht zutreffend. Für die Berücksichtigung zusätzlich sechs Monate beitragsfreier Zeit (vom 01.12.1959 bis 31.05.1960) ist kein Raum.

Nach den seit 01.01.1992 geltenden Regelungen des SGB VI besteht keine Konkurrenz mehr zwischen Anrechnungszeit und anderen rentenrechtlichen Zeiten in dem Sinne, daß zwischen den unterschiedlichen Zeiten eine Rangfolge besteht und Beitrags- oder Ersatzzeiten als "stärkere" Zeiten die Anrechnungszeiten verdrängen (Niesel in KassKomm, § 58 SGB VI Rdnr.4). Dies hat zur Folge, daß bei der Ermittlung der Höchstdauer der Anrechnungszeit neben Monaten, die nur Anrechnungszeit nach § 58 Abs.1 Nr.4 SGB VI sind, auch Monate mitzählen, die gleichzeitig Beitragszeiten, andere beitragsfreie Zeiten oder Berücksichtigungszeiten sind. Eine "Verschiebung" der Anrechnungszeit mit dem Ziel, dadurch z.B. eine nicht mit Beiträgen belegte spätere Zeit als Anrechnungszeit zur Anrechnung zu bringen, ist nicht möglich. Die mit Beiträgen belegten Kalendermonate sind bei der Feststellung der Höchstdauer zu berücksichtigen (Niesel in KassKomm, § 58 SGB VI Rdnr.65c, 65d). Wie bereits zum früheren Recht vom BSG entschieden (SozR 3-2200 § 1259 Nr.8), sind aber nur die Ausbildungsmonate mitzuzählen, die bei der Rente auch als Ausfallzeit/Anrechnungszeit Berücksichtigung finden können. Dies war nach altem Recht gerade dann nicht der Fall, wenn die Beitragszeit die Ausfallzeit verdrängte. Da diese Variante aber nicht mehr zum Tragen kommen kann, die Anrechnungszeit vielmehr neben einer Beitragszeit als beitragsgeminderte Zeit zum Tragen kommt, ist diese beitragsgeminderte Zeit auf die Höchstdauer anzurechnen (Niesel in KassKomm, § 58 SGB VI Rdnr.65c, 65d).

Dies gilt umsomehr, als die Berücksichtigung der Anrechnungszeit im Rahmen der beitragsgeminderten Zeit Auswirkungen auf die Bewertung der Zeit hat. So werden nicht nur Entgeltpunkte gemäß § 70 Abs.1 SGB VI auf der Grundlage der geleisteten Beiträge ermittelt, sondern die beitragsgeminderte Zeit nach § 71 Abs.2 SGB VI (entsprechend § 300 Abs.2 SGB VI in der bei Rentenbeginn geltenden Fassung) durch einen Zuschlag auf den Wert erhöht, den diese Zeiten als beitragsfreie Zeiten nach der Vergleichsbewertung hätten, wenn die Summe aller Entgeltpunkte, die beitragsgeminderte Zeiten aufgrund der Beiträge erhalten, niedriger war als die Summe der Entgeltpunkte, die diese Zeiten als beitragsfreie Zeiten erhalten hätten. Die anrechenbare Anrechnungszeit hat demnach Auswirkungen auf die Rentenhöhe; ob sie die Rente im konkreten Einzelfall erhöht, ist allerdings unerheblich. Im Falle des Klägers hat sie jedenfalls eine Erhöhung verursacht, da bei den beitragsgeminderten Zeiten in den Jahren 1955 und 1956 zusätzliche Entgeltpunkte berücksichtigt wurden. Es stehen sich gegenüber 0,0198 Entgeltpunkte für die beitragsgeminderte Zeit aufgrund Beitragsleistung zu 0,2530 Entgeltpunkten bei Bewertung als beitragsfreie Zeit, was zu einer Erhöhung um 0,2332 Entgeltpunkten führte.

Die beitragsgeminderten sechs Monate in den Jahren April 1949 sowie November 1955 bis März 1956 sind bei Ermittlung der Höchstdauer der Ausbildungsanrechnungszeit miteinzubeziehen. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung der Rente ist zutreffend.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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