Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RA 273/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 3/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 6. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen und ein früherer Rentenbeginn, die Anerkennung weiterer rentenrechtlicher Zeiten sowie die Gewährung einer Rente wegen Berufskrankheit durch die Beklagte.
Der am 1936 geborene Kläger stellte erstmals am 23.6.1977 Antrag auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) lehnte nach Durchführung eines Heilverfahrens (9.2. - 3.3.1978) den Antrag mit Bescheid vom 9.8.1978 ab.
Im Anschluss an ein Heilverfahren mit Schonfrist und Zahlung von Übergangsgeld gewährte die Beklagte ab 19.4.1982 aufgrund eines Versicherungsfalles vom 14.10.1981 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis 31.3.1989, danach auf Dauer (vgl. Bescheide vom 27.7.1983, 6.3.1986, Widerspruchsbescheid vom 29.5.1987, Bescheide vom 5.11.1986, 19.2.1987, SG Nürnberg, S 5 An 188/87, Urteil vom 21.3.1989). Das weitere Begehren auf höhere Rentenzahlung und Rentenentschädigung blieb ohne Erfolg (vgl. Ausführungsbescheid vom 30.5.1989, Widerspruchsbescheid vom 1.11.1989, SG Nürnberg, S 13 An 547/89, Urteil vom 13.3.1990, Bayer. LSG, L 11 An 91/90, Urteil vom 12.11.1991, BSG, Beschluss vom 16.6.1992, 4 BA 27/92).
Mit seinem Antrag von Juli 1992 begehrte der Kläger eine höhere Rente zu einem früheren Zeitpunkt. Seit Oktober 1979 sei er weder erwerbstätig noch arbeitsfähig; Arbeitserprobungen in Berlin (22.10.1979 - 2.11.1979) und Regensburg (6.10.1980 - 24.10.1980) seien ohne Erfolg geblieben. Die Rente müsse nach dem tatsächlich erzielten Lohn berechnet werden, da er eine Berufskrankheit erlitten habe. Es stehe ihm auch eine Entschädigung wegen Frühausscheidens aus dem Erwerbsleben zu. Mit Bescheid vom 1.9.1992 wies die Beklagte den Antrag zurück. Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg, die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. Widerspruchsbescheid vom 19.11.1992, SG Nürnberg, S 6 An 264/92, Urteil vom 20.1.1994, Bayer. LSG, L 14 An 22/94, Urteil vom 22.2.1996, BSG, 4 BA 09/96, Beschluss vom 22.7.1996; BVerfG, 1 BvR 1760/96, Beschluss vom 2.11.1996). Die Voraussetzungen des § 44 SGB X lägen nicht vor. Der Bescheid vom 30.5.1989 sei nach erfolglosem Rechtsbehelf in Bindung erwachsen. Dies gelte für den dort festgestellten Versicherungsfall vom 14.10.1981; eine Erwerbsunfähigkeit bereits im Jahre 1979 sei damit ausgeschlossen. Die Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz und die zugrunde liegenden ärztlichen Untersuchungen seien für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unerheblich. Dass für die geltend gemachten Berufskrankheiten und deren Entschädigung die Berufsgenossenschaften zuständig seien und nicht die Beklagte, sei bereits früher entschieden worden. Für eine fehlerhafte Berechnung der Rente bestehe kein Anhaltspunkt, ebenso wenig sei eine Aktenverwechslung feststellbar.
Mit seiner zum Arbeitsgericht (ArbG) Nürnberg im Dezember 1996 erhobenen Klage (S 14 RA 231/97) begehrte der Kläger eine höhere Rente. Für seinen Einsatz im Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den Jahren 1942 bis 1945 sei er rentenrechtlich zu entschädigen. Außerdem müsse die Beklagte die bei ihm vorliegenden Krankheiten als Berufskrankheiten entschädigen sowie der Rentenberechnung das vom Landesarbeitsgericht festgestellte Gehalt von 3231,26 DM aus dem Vergleich vom 12.5.1981 und das Gehalt nach dem Tarif eines Landschaftsgärtner-Meisters zugrunde legen. Schließlich sei das Urteil des Bayer. LSG vom 22.2.1996 aufzuheben. Durch Urteil vom 28.3.2000 wies das SG die Klage ab. Unzulässig sei die Klage, soweit der Kläger vom SG die Aufhebung des Urteils des LSG sowie die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Entschädigung wegen Berufskrankheit einfordere. Die Klage sei im Übrigen unbegründet, weil die Feststellung einer Rente wegen Berufkrankheit keine Auswirkungen auf die Berechnung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit habe. Auch könne über eine rentenrechtliche Entschädigung für die Zeit von 1942 bis 1945 ohne Entscheidung der Beklagten nicht geurteilt werden. Durch Urteil vom 9.10.2002 (L 13 RA 116/00) hat das LSG die Berufung in jenem Verfahren zurückgewiesen.
Auf Antrag vom 3.12.1996 gewährte die Beklagte ab 1.12.1996 Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige nach § 37 SGB VI anstelle der bisherigen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 27.5.1997; Zahlbetrag ab 1.7.1997: 1.804,97 DM). Das Begehren, weitere rentenrechtliche Zeiten und damit eine höhere Rente zu zahlen, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.1999).
Seine im März 2000 zum Arbeitsgericht (ArbG) Nürnberg erhobene Klage auf eine höhere Rentenleistung hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, dass sein Einsatz im Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den Jahren 1942 bis 1945 sowie in der Abwehr ab 1945 rentenrechtlich zu entschädigen sei. Außerdem müsse die Beklagte die bei ihm vorliegenden Krankheiten als Berufskrankheiten entschädigen, der Rentenberechnung das im Vergleich des Landesarbeitsgerichts (LAG) vom 12.5.1981 festgestellte Gehalt von 3231,26 DM und im Übrigen das Gehalt nach dem Tarif eines Landschaftsgärtner-Meisters zugrunde legen.
Der Strafantrag von Oktober 1999 gegen unbekannte Mitarbeiter der Beklagten wegen Nichtberücksichtigung von Berufskrankheiten sowie des vor dem LAG abgeschlossenen Vergleichs ist ohne Erfolg geblieben (Bescheide der Staatsanwaltschaft vom 8.11.1999 und 16.12.1999, Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 4.2.2000). Durch Beschluss vom 11.4.2000 hat das ArbG den Rechtsstreit an das zuständige SG Nürnberg verwiesen; die sofortige Beschwerde blieb beim LAG ohne Erfolg (Beschluss vom 8.5.2000).
Durch Gerichtsbescheid vom 6.12.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit eine Zeit in der Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus sowie später als Agent als rentenrechtliche Zeit geltend gemacht werde, sei die Klage bei insoweit gleichem Streitgegenstand wegen Rechtshängigkeit beim SG (S 14 RA 231/97) bzw. beim Bayer. LSG (L 13 RA 116/00) unzulässig. Im Übrigen sei die Klage bei Eingang am Arbeitsgericht am 21.3.2000 nicht innerhalb der am 9.11.1999 abgelaufenen Monatsfrist erhoben worden. Der Strafantrag vom 27.10.1999 bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin stelle nach Wortlaut und Auslegung keine rechtzeitige Klageerhebung im Sinne des § 91 Abs. 1 SGG dar.
Mit der Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) wiederholt der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 6.12.2000 sowie den Bescheid vom 27.5.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Altersrente bereits ab 14.10.1981 unter Beachtung der Antragstellung vom 23.6.1977 zu gewähren, dabei ein höheres Einkommen und Ersatzzeiten zu berücksichtigen, ergänzend die Beklagte zur Zahlung von Rente wegen Berufskrankheit zu verpflichten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 6.12.2000 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge, die Gerichtsakten des Bayer. LSG (L 11 An 91/90; L 14 An 22/94; L 13 B 206/99 RA PKH; L 13 RA 116/00) und des SG Nürnberg (S 5 An 250/81; S 6 An 102/82; S 5 An 200/83; S 5 An 188/87; S 5 An 547/89; S 6 An 264/92; S 3 An 159/96; S 14 RA 231/97) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig ist und Wiedereinsetzungsgründe nicht vorliegen. Ob auch dann, wenn rentenrechtliche Zeiten (hier: 1942 - 1945) sowohl im Verfahren nach § 44 SGB X (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) als auch im davon getrennten Rentenfeststellungsverfahren (Altersrente nach § 37 SGB VI) geltend gemacht werden, das Prozesshindernis der Rechtshängigkeit vorliegt, kann der Senat offen lassen.
Nach § 87 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGG (in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.1999, BGBl I S. 2626) ist die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe (zuvor: Zustellung) des Widerspruchsbescheides zu erheben. Die Einhaltung der Klagefrist ist von Amts wegen zu prüfen, sie ist Prozessvoraussetzung (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage 2002, § 87, Rn 7). Diese Rechtslage gilt auch ab Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl I S. 2144) zum 2.1.2002 weiter, das insoweit keine Änderung herbeigeführt hat.
Nach § 64 Abs.1 SGG beginnt der Lauf der Klagefrist mit dem Tag nach Zustellung der Entscheidung. Bei Zustellung mittels eingeschriebenen Brief gilt das Schriftstück mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt (vgl. § 63 Abs.2 SGG i.V.m. § 4 VwZG). Bei Absendung am 5.10.1999 gilt der Widerspruchsbescheid am 8.10.1999 als zugestellt. Die Klagefrist begann somit am 9.10.1999 und endete am 8.11.1999, 24 Uhr (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 64, Rn 5). Der Schriftsatz über die Erhebung der Klage vom 15.3.2000 ist beim Arbeitsgericht Nürnberg am 21.3.2000 eingegangen und damit weit nach Ablauf der Klagefrist von einem Monat.
Das Schreiben des Klägers vom 27.10.1999, mit dem Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin gestellt wird, ist keine rechtzeitige Klageerhebung im Sinne des § 91 Abs. 1 SGG. Dies hat das Sozialgericht in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt und begründet. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Dies gilt auch für das Schreiben vom 27.2.2000 an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth, das schon wegen des Zugangs nach dem 8.11.1999 (Fristende) nicht als fristgemäße Klageerhebung zu werten ist.
Die Klagefrist von einem Monat kann auch nicht verlängert oder verkürzt werden. So ist diese Frist eine gesetzliche Fristenregelung, die aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit zu den Rechtsmaterien gehört, die eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes nicht zulassen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs.1 SGG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn ein Beteiligter ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten oder wenn zwar Verschulden vorlag, ihm aber das nicht zugerechnet werden kann. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht hierbei dem Verschulden des Beteiligten gleich; dies verstößt nicht gegen Art.19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 60, 253).
Gründe für eine Wiedereinsetzung hat der Kläger nicht vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Damit war der Kläger nicht ohne Verschulden verhindert, die Klagefrist von einem Monat einzuhalten. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, wonach jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen, geht dies zu seinen Lasten (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 67, Rn 13). Die Wertung der Klage als unzulässig wegen Versäumung der Klagefrist ist kein formales Argument. Vielmehr ist das Vertrauen der Beklagten auf die Rechtssicherheit und die Rechtsverbindlichkeit ihrer Entscheidung schutzwürdig. Ebenso gilt der überparteiliche Gesichtspunkt der Wahrung des Rechtsfriedens.
Nach alledem ist die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 6.12.2000 zurückzuweisen, die Entscheidung der Beklagten ist bindend geworden. Eine materiell-rechtliche Überprüfung der Bescheide, die dem Kläger ab 1.12.1996 Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige zusprechen, konnte der Senat somit nicht vornehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen und ein früherer Rentenbeginn, die Anerkennung weiterer rentenrechtlicher Zeiten sowie die Gewährung einer Rente wegen Berufskrankheit durch die Beklagte.
Der am 1936 geborene Kläger stellte erstmals am 23.6.1977 Antrag auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) lehnte nach Durchführung eines Heilverfahrens (9.2. - 3.3.1978) den Antrag mit Bescheid vom 9.8.1978 ab.
Im Anschluss an ein Heilverfahren mit Schonfrist und Zahlung von Übergangsgeld gewährte die Beklagte ab 19.4.1982 aufgrund eines Versicherungsfalles vom 14.10.1981 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis 31.3.1989, danach auf Dauer (vgl. Bescheide vom 27.7.1983, 6.3.1986, Widerspruchsbescheid vom 29.5.1987, Bescheide vom 5.11.1986, 19.2.1987, SG Nürnberg, S 5 An 188/87, Urteil vom 21.3.1989). Das weitere Begehren auf höhere Rentenzahlung und Rentenentschädigung blieb ohne Erfolg (vgl. Ausführungsbescheid vom 30.5.1989, Widerspruchsbescheid vom 1.11.1989, SG Nürnberg, S 13 An 547/89, Urteil vom 13.3.1990, Bayer. LSG, L 11 An 91/90, Urteil vom 12.11.1991, BSG, Beschluss vom 16.6.1992, 4 BA 27/92).
Mit seinem Antrag von Juli 1992 begehrte der Kläger eine höhere Rente zu einem früheren Zeitpunkt. Seit Oktober 1979 sei er weder erwerbstätig noch arbeitsfähig; Arbeitserprobungen in Berlin (22.10.1979 - 2.11.1979) und Regensburg (6.10.1980 - 24.10.1980) seien ohne Erfolg geblieben. Die Rente müsse nach dem tatsächlich erzielten Lohn berechnet werden, da er eine Berufskrankheit erlitten habe. Es stehe ihm auch eine Entschädigung wegen Frühausscheidens aus dem Erwerbsleben zu. Mit Bescheid vom 1.9.1992 wies die Beklagte den Antrag zurück. Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg, die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. Widerspruchsbescheid vom 19.11.1992, SG Nürnberg, S 6 An 264/92, Urteil vom 20.1.1994, Bayer. LSG, L 14 An 22/94, Urteil vom 22.2.1996, BSG, 4 BA 09/96, Beschluss vom 22.7.1996; BVerfG, 1 BvR 1760/96, Beschluss vom 2.11.1996). Die Voraussetzungen des § 44 SGB X lägen nicht vor. Der Bescheid vom 30.5.1989 sei nach erfolglosem Rechtsbehelf in Bindung erwachsen. Dies gelte für den dort festgestellten Versicherungsfall vom 14.10.1981; eine Erwerbsunfähigkeit bereits im Jahre 1979 sei damit ausgeschlossen. Die Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz und die zugrunde liegenden ärztlichen Untersuchungen seien für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unerheblich. Dass für die geltend gemachten Berufskrankheiten und deren Entschädigung die Berufsgenossenschaften zuständig seien und nicht die Beklagte, sei bereits früher entschieden worden. Für eine fehlerhafte Berechnung der Rente bestehe kein Anhaltspunkt, ebenso wenig sei eine Aktenverwechslung feststellbar.
Mit seiner zum Arbeitsgericht (ArbG) Nürnberg im Dezember 1996 erhobenen Klage (S 14 RA 231/97) begehrte der Kläger eine höhere Rente. Für seinen Einsatz im Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den Jahren 1942 bis 1945 sei er rentenrechtlich zu entschädigen. Außerdem müsse die Beklagte die bei ihm vorliegenden Krankheiten als Berufskrankheiten entschädigen sowie der Rentenberechnung das vom Landesarbeitsgericht festgestellte Gehalt von 3231,26 DM aus dem Vergleich vom 12.5.1981 und das Gehalt nach dem Tarif eines Landschaftsgärtner-Meisters zugrunde legen. Schließlich sei das Urteil des Bayer. LSG vom 22.2.1996 aufzuheben. Durch Urteil vom 28.3.2000 wies das SG die Klage ab. Unzulässig sei die Klage, soweit der Kläger vom SG die Aufhebung des Urteils des LSG sowie die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Entschädigung wegen Berufskrankheit einfordere. Die Klage sei im Übrigen unbegründet, weil die Feststellung einer Rente wegen Berufkrankheit keine Auswirkungen auf die Berechnung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit habe. Auch könne über eine rentenrechtliche Entschädigung für die Zeit von 1942 bis 1945 ohne Entscheidung der Beklagten nicht geurteilt werden. Durch Urteil vom 9.10.2002 (L 13 RA 116/00) hat das LSG die Berufung in jenem Verfahren zurückgewiesen.
Auf Antrag vom 3.12.1996 gewährte die Beklagte ab 1.12.1996 Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige nach § 37 SGB VI anstelle der bisherigen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 27.5.1997; Zahlbetrag ab 1.7.1997: 1.804,97 DM). Das Begehren, weitere rentenrechtliche Zeiten und damit eine höhere Rente zu zahlen, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.1999).
Seine im März 2000 zum Arbeitsgericht (ArbG) Nürnberg erhobene Klage auf eine höhere Rentenleistung hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, dass sein Einsatz im Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den Jahren 1942 bis 1945 sowie in der Abwehr ab 1945 rentenrechtlich zu entschädigen sei. Außerdem müsse die Beklagte die bei ihm vorliegenden Krankheiten als Berufskrankheiten entschädigen, der Rentenberechnung das im Vergleich des Landesarbeitsgerichts (LAG) vom 12.5.1981 festgestellte Gehalt von 3231,26 DM und im Übrigen das Gehalt nach dem Tarif eines Landschaftsgärtner-Meisters zugrunde legen.
Der Strafantrag von Oktober 1999 gegen unbekannte Mitarbeiter der Beklagten wegen Nichtberücksichtigung von Berufskrankheiten sowie des vor dem LAG abgeschlossenen Vergleichs ist ohne Erfolg geblieben (Bescheide der Staatsanwaltschaft vom 8.11.1999 und 16.12.1999, Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 4.2.2000). Durch Beschluss vom 11.4.2000 hat das ArbG den Rechtsstreit an das zuständige SG Nürnberg verwiesen; die sofortige Beschwerde blieb beim LAG ohne Erfolg (Beschluss vom 8.5.2000).
Durch Gerichtsbescheid vom 6.12.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit eine Zeit in der Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus sowie später als Agent als rentenrechtliche Zeit geltend gemacht werde, sei die Klage bei insoweit gleichem Streitgegenstand wegen Rechtshängigkeit beim SG (S 14 RA 231/97) bzw. beim Bayer. LSG (L 13 RA 116/00) unzulässig. Im Übrigen sei die Klage bei Eingang am Arbeitsgericht am 21.3.2000 nicht innerhalb der am 9.11.1999 abgelaufenen Monatsfrist erhoben worden. Der Strafantrag vom 27.10.1999 bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin stelle nach Wortlaut und Auslegung keine rechtzeitige Klageerhebung im Sinne des § 91 Abs. 1 SGG dar.
Mit der Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) wiederholt der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 6.12.2000 sowie den Bescheid vom 27.5.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Altersrente bereits ab 14.10.1981 unter Beachtung der Antragstellung vom 23.6.1977 zu gewähren, dabei ein höheres Einkommen und Ersatzzeiten zu berücksichtigen, ergänzend die Beklagte zur Zahlung von Rente wegen Berufskrankheit zu verpflichten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 6.12.2000 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge, die Gerichtsakten des Bayer. LSG (L 11 An 91/90; L 14 An 22/94; L 13 B 206/99 RA PKH; L 13 RA 116/00) und des SG Nürnberg (S 5 An 250/81; S 6 An 102/82; S 5 An 200/83; S 5 An 188/87; S 5 An 547/89; S 6 An 264/92; S 3 An 159/96; S 14 RA 231/97) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig ist und Wiedereinsetzungsgründe nicht vorliegen. Ob auch dann, wenn rentenrechtliche Zeiten (hier: 1942 - 1945) sowohl im Verfahren nach § 44 SGB X (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) als auch im davon getrennten Rentenfeststellungsverfahren (Altersrente nach § 37 SGB VI) geltend gemacht werden, das Prozesshindernis der Rechtshängigkeit vorliegt, kann der Senat offen lassen.
Nach § 87 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGG (in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.1999, BGBl I S. 2626) ist die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe (zuvor: Zustellung) des Widerspruchsbescheides zu erheben. Die Einhaltung der Klagefrist ist von Amts wegen zu prüfen, sie ist Prozessvoraussetzung (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage 2002, § 87, Rn 7). Diese Rechtslage gilt auch ab Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl I S. 2144) zum 2.1.2002 weiter, das insoweit keine Änderung herbeigeführt hat.
Nach § 64 Abs.1 SGG beginnt der Lauf der Klagefrist mit dem Tag nach Zustellung der Entscheidung. Bei Zustellung mittels eingeschriebenen Brief gilt das Schriftstück mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt (vgl. § 63 Abs.2 SGG i.V.m. § 4 VwZG). Bei Absendung am 5.10.1999 gilt der Widerspruchsbescheid am 8.10.1999 als zugestellt. Die Klagefrist begann somit am 9.10.1999 und endete am 8.11.1999, 24 Uhr (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 64, Rn 5). Der Schriftsatz über die Erhebung der Klage vom 15.3.2000 ist beim Arbeitsgericht Nürnberg am 21.3.2000 eingegangen und damit weit nach Ablauf der Klagefrist von einem Monat.
Das Schreiben des Klägers vom 27.10.1999, mit dem Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin gestellt wird, ist keine rechtzeitige Klageerhebung im Sinne des § 91 Abs. 1 SGG. Dies hat das Sozialgericht in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt und begründet. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Dies gilt auch für das Schreiben vom 27.2.2000 an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth, das schon wegen des Zugangs nach dem 8.11.1999 (Fristende) nicht als fristgemäße Klageerhebung zu werten ist.
Die Klagefrist von einem Monat kann auch nicht verlängert oder verkürzt werden. So ist diese Frist eine gesetzliche Fristenregelung, die aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit zu den Rechtsmaterien gehört, die eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes nicht zulassen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs.1 SGG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn ein Beteiligter ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten oder wenn zwar Verschulden vorlag, ihm aber das nicht zugerechnet werden kann. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht hierbei dem Verschulden des Beteiligten gleich; dies verstößt nicht gegen Art.19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 60, 253).
Gründe für eine Wiedereinsetzung hat der Kläger nicht vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Damit war der Kläger nicht ohne Verschulden verhindert, die Klagefrist von einem Monat einzuhalten. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, wonach jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen, geht dies zu seinen Lasten (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 67, Rn 13). Die Wertung der Klage als unzulässig wegen Versäumung der Klagefrist ist kein formales Argument. Vielmehr ist das Vertrauen der Beklagten auf die Rechtssicherheit und die Rechtsverbindlichkeit ihrer Entscheidung schutzwürdig. Ebenso gilt der überparteiliche Gesichtspunkt der Wahrung des Rechtsfriedens.
Nach alledem ist die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 6.12.2000 zurückzuweisen, die Entscheidung der Beklagten ist bindend geworden. Eine materiell-rechtliche Überprüfung der Bescheide, die dem Kläger ab 1.12.1996 Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige zusprechen, konnte der Senat somit nicht vornehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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