L 7 KA 60/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 193/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 60/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2001 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat dem Beklagten und den Beigeladenen zu 2. und 6. die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten; im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung von Versicherten jugoslawischer Herkunft ab dem 1. Januar 2000.

Der am 1931 in B geborene Kläger, der Facharzt für Anästhesie ist, lebt seit 1963 in Deutschland. Vom Zulassungsausschuss für Ärzte wurde er mit Beschluss vom 15. September 1971 und von der Beteiligungskommission für Ersatzkassen mit Beschluss vom 8. Oktober 1971 als Praktischer Arzt im Zulassungsbezirk Berlin mit Arztsitz in Chals Kassenarzt zugelassen bzw. an der Ersatzkassenpraxis beteiligt. Zuvor - seit dem 1. April 1971 - war er von der Beigeladenen zu 1. ermächtigt, Anästhesieleistungen als kassenärztliche Leistungen in zwei Krankenhäusern in Berlin durchzuführen. Dafür war zwischen ihm und der Beigeladenen zu 1. im März 1971 ein entsprechender Ermächtigungsvertrag geschlossen worden.

Mit Schreiben vom 13. September 1999 beantragte der Kläger „eine Vollmacht zur Behandlung von jugoslawischen Mitbürgern“ über das 68. Lebensjahr hinaus. Ab dem 1. Januar 2000 sei er der Einzige in Berlinlebende Praktische Arzt „mit jugoslawischen Sprachkenntnissen“. Die Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien seien aber dringend auf einen sprachkundigen Arzt angewiesen.

Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag mit Beschluss vom 20. Oktober 1999 ab, weil für den gesamten Zulassungsbezirk Berlin noch weitere zwanzig andere kroatisch oder serbokroatisch sprechende Ärzte aller Fachrichtungen, davon allein acht der Fachrichtung „Praktischer Arzt/Allgemeinmedizin“, als Vertragsärzte zugelassen seien. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Beschluss vom 1. März 2000 mit der Begründung zurück, die Zulassung des Klägers als Kassenarzt habe am 31. Dezember 1999 wegen der Vollendung seines 68. Lebensjahres im vierten Quartal des Jahres 1999 geendet. Eine Verlängerung der Zulassung aus Härte- oder Billigkeitsgesichtspunkten komme nicht in Betracht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung. Diese könne ausschließlich bei Vorliegen einer Unterversorgung erteilt werden. Der Zulassungsausschuss habe aber zutreffend festgestellt, dass auch „jugoslawisch sprechende“ Versicherte ausreichend versorgt werden könnten.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, dass er die Begründung des Beschlusses des Beklagten nicht nachvollziehen könne. Die Vorstellung, dass im Krankheitsfall regelmäßig deutsch sprechende Familienangehörige oder gar Dolmetscher zur Behandlung hinzugezogen werden müssten, erscheine ihm nicht durchführbar.

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 25. Juli 2001 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Beklagte zu Recht entschieden habe, dass die Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Versorgung am 31. Dezember 1999 wegen Erreichens der Altersgrenze geendet habe. Die entsprechende gesetzliche Regelung sei verfassungsgemäß. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Ermächtigung des Klägers lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere sei in Berlin keine Unterversorgung an Allgemeinmedizinern gegeben, weil eine ausreichende Anzahl kroatisch und serbokroatisch sprechender Mediziner in Berlin zugelassen sei. Im Übrigen seien die Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in der Regel nicht Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen. Diese bezögen in der Regel Sozialhilfeleistungen.

Gegen das ihm am 27. September 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. Oktober 2001 eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt vor, dass das Sozialgericht nicht auf seine Klagebegründung eingegangen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2001 und den Beschluss des Beklagten vom 1. März 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung von Versicherten jugoslawischer Herkunft ab dem 1. Januar 2000 zu erteilen.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1. und 6. beantragen,

die Berufung zurückzuweisen, die sie für unbegründet halten.

Die Beigeladenen zu 2. bis 5. haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 und 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Beschluss des Beklagten vom 1. März 2000 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung von Versicherten jugoslawischer Herkunft ab dem 1. Januar 2000.

Nach § 95 Abs. 7 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) endet ab 1. Januar 1999 die Zulassung eines zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arztes am Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollendet. Diese Regelung ist verfassungsgemäß (Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. September 2001 - B 6 KA 45/00 R - m.w.Nachw.). Die Zulassung des Klägers, der am 1999 sein 68. Lebensjahr vollendet hat - gemäß §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches wird das Lebensjahr mit Ablauf des dem Geburtstag vorhergehenden Tages vollendet -, endete damit mit Ablauf des letzten Quartals des Jahres 1999, also am 31. Dezember 1999. Eine Verlängerung dieser Zulassung, die der Kläger auch ausdrücklich nicht beantragt hat, ist nach § 95 Abs. 7 Satz 3 Nr. 1 SGB V ausgeschlossen, weil er im Zeitpunkt der Vollendung seines 68. Lebensjahres bereits mehr als 20 Jahre, nämlich rund 28 Jahre, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war.

Das Begehren des Klägers, ihn ab 1. Januar 2000 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung von Versicherten jugoslawischer Herkunft zu ermächtigen, hat keinen Erfolg. Nach § 31 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) können unter bestimmten Voraussetzungen über den Kreis der zugelassenen Ärzte hinaus weitere Ärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden. Gemäß § 31 Abs. 9 Satz 1 Ärzte-ZV ist aber die Ermächtigung eines Arztes, der, wie der Kläger, das 55. Lebensjahr vollendet hat, ausgeschlossen. Die 55-Jahres-Altersgrenze ist als solche mit dem Grundgesetz vereinbar (Urteil des BSG vom 12. September 2001 - B 6 KA 90/00 R - m.w.Nachw.).

Von diesem Ermächtigungsausschluss kann gemäß § 31 Abs. 9 Satz 2 Ärzte-ZV abgewichen werden, wenn dies zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung oder zur Vermeidung von unbilligen Härten erforderlich ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSGE 73,223; BSG SozR 3-2500 § 98 Nrn. 3 und 4; Urteil vom 29. September 1999 - B 6 KA 22/99 R -) fallen unter die Härteregelung vor allem solche Ärzte, die aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin zwingend auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen sind. Derartige Gesichtspunkte hat der Kläger weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger nicht geltend gemacht, auf die Tätigkeit als ermächtigter Arzt angewiesen zu sein oder diese zum Aufbau einer angemessenen Altersversorgung zu benötigen.

Schließlich ist die Ermächtigung des Klägers auch nicht zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich. Die vertragsärztliche Versorgung umfasst nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V (u.a.) die „ärztliche Behandlung“. Der Umfang der ärztlichen Behandlung ist in § 28 SGB V definiert. Danach beinhaltet die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Von § 28 Abs. 1 SGB V werden nur Tätigkeiten erfasst, die ihrer Natur nach unmittelbar zur ärztlichen Behandlung zählen und die der Arzt aufgrund seines Fachwissens verantworten, d.h. überwachen und leiten kann (BSG SozR 3-2500 § 28 Nr. 1). Fremdsprachenkenntnisse sind aber gerade nicht Bestandteil des ärztlichen Fachwissens, sondern sind Teil der persönlichen Bildung des Arztes. Der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V verlangt deshalb nicht, für jeden fremdsprachigen Bevölkerungsanteil eine ausreichende Anzahl von Ärzten mit entsprechenden Fremdsprachenkenntnissen zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen bzw. zu ermächtigen.

Der Senat kann daher unentschieden lassen, ob eine ausreichende Anzahl von Ärzten in Berlin als Vertragsarzt zugelassen bzw. zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt sind, die über kroatische oder serbokroatische Sprachkenntnisse verfügen. Zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im genannten Sinne ist dies nicht erforderlich. Die in Berlin niedergelassenen Allgemeinmediziner reichen zur bedarfsgerechten vertragsärztlichen Versorgung aus. Insoweit besteht kein Versorgungsdefizit, das durch die Ermächtigung des Klägers geschlossen werden müsste.

In der Sache begehrt der Kläger eine Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung von Versicherten aus dem serbischen, dem kroatischen bzw. serbokroatischen Sprachraum. Eine derartige beschränkte Zulassung für einen ethnisch abgegrenzten Personenkreis sieht das Zulassungsrecht aber nicht vor.

Das Sozialgericht hat im Übrigen zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in der Regel auch nicht Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen sind, sondern Hilfen zum Lebensunterhalt und ggf. auch Hilfe bei Krankheit nach dem Bundessozialhilfegesetz beziehen. Der Kläger kann diesen Personenkreis daher auch weiterhin ohne eine vertragsärztliche Zulassung bzw. Ermächtigung behandeln und seine Leistungen mit den zuständigen Sozialhilfeträgern abrechnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in der bis zum In-Kraft-Treten des 6. SGG-Änderungsgesetzes am 2. Januar 2002 maßgeblichen Fassung (Urteil des BSG vom 31. Januar 2002 - B 6 KA 20/01 R -).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved