L 13 RA 77/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 13 RA 783/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 77/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten ab Dezember 1943 eine höhere Witwenrente.

Die am ...1917 geborene Klägerin bezieht auf ihren Antrag vom 30.11.1954 ab 01.11.1954 Witwenrente aus der Versicherung ihres am ...1912 geborenen und seit 21.12.1942 vermissten Ehegatten G ... A ... Der Versicherte war zuletzt im Kampfraum Stalingrad eingesetzt, eine formelle Todeserklärung mit Festlegung des Todeszeitpunktes erfolgte nicht. Im Rentenbescheid vom 07.05.1955 ging die Beklagte vom Todeszeitpunkt 21.12.1942 aus. Die Berechnung der Rente erfolgte nach den damals geltenden Rechtsvorschriften, woraus sich eine Witwenrente in Höhe von 49,90 DM ergab. Schon zum damaligen Zeitpunkt erhob die Klägerin Einwände gegen die Rentenhöhe und verwies darauf, dass ihr Mann, der 1939 eingezogen worden sei und von Beruf Geiger (Konzertmeister) gewesen sei, nicht wie andere Musiker die große Anzahl von Marken geklebt habe, da er in Abständen immer wieder die Musikhochschule besucht habe, um in seinem Studium weiterzukommen. Er habe nur vorübergehend in Unterhaltungscafes gearbeitet, um finanziell seine gesteckten Ziele besser erreichen zu können, die ihm aber durch den Krieg vollkommen zerschlagen worden seien. Die Beklagte klärte daraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 14.12.1955 über die Zusammensetzung der Rente auf.

Mit Bescheid vom 13.11.1957 stellte die Beklagte die Witwenrente nach dem Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) ab 01.01.1957 um, was einen monatlichen Zahlbetrag von 87,80 DM ergab. Auf der Basis dieses Betrages erfolgten dann die jeweiligen Rentenerhöhungen nach den Rentenanpassungsgesetzen. 1960 und 1983 bat die Klägerin um Überprüfung der Rentenberechnung und insbesondere um Anrechnung weiterer Ersatz- bzw. Ausfallzeiten, was die Beklagte jeweils ablehnte. Ab März 1992 entwickelte sich ein Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Beklagten, in dem die Klägerin im Wesentlichen ihre Unzufriedenheit mit der Rentenhöhe zu erkennen gab, im Einzelnen die zu erwartende Karriere ihres vermissten Ehemannes als Konzertmeister und Violinvirtuose aufzeigte und dabei die Auffassung vertrat, die durch das Naziregime verursachten Beeinträchtigungen seien bei der Rente zu berücksichtigen. Die ganze Familie ihres Mannes wie auch ihre eigene Familie sei durch das Naziregime schlimmstens betroffen. Mit Bescheid vom 04.05.1998 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung der ab 01.11.1954 zuerkannten Rente ab, da diese in zutreffender Höhe errechnet worden sei. Den hiergegen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.1998 zurück.

Dagegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, ihr Ehemann hätte ohne seinen Tod eine glänzende Karriere vor sich gehabt. Er sei bereits mit zehn Jahren als Solist aufgetreten und wäre auch nach dem Krieg als Solist oder als Dirigent erfolgreich gewesen. Dieser Umstand müsse bei der Rente berücksichtigt werden. Sie beantrage die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, welchen beruflichen Aufstieg oder Werdegang ihr Mann nach dem Krieg genommen hätte. Außerdem seien sie und ihr Ehemann von den Nationalsozialisten politisch verfolgt worden. Ihr Mann sei bereits vor 1935 verfolgt worden, sonst wäre er als Solist aufgetreten. Er habe untertauchen müssen und als Konzertmeister im Orchester von Frau E ... H ... arbeiten müssen.

Mit Urteil vom 15.10.1999 hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, die Rente der Klägerin wie folgt neu zu berechnen: a) Es ist nach Art.2 §§ 1 und 2 Abs.3 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Verschollenheitsgesetzes vom Todeszeitpunkt 31.12.1945 auszugehen. b) Für die Zeit vom 01.01.1943 bis 31.12.1945 sind Steigerungsbeträge der Klasse D (36 x 1,5) zusätzlich anzurechnen. Der erhöhte Zahlbetrag sei ab 01.01.1988 auszubezahlen, wobei von einem am 12.03.1992 gestellten Antrag gemäß § 44 SGB X auszugehen sei. Das Sozialgericht hat die Beklagte verpflichtet, der Klägerin 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Klageabweisung hat es im Wesentlichen damit begründet, dass die von der Klägerin erwartete Karriere ihres verstorbenen Ehemannes in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht berücksichtigt werden könne. Eine gutachterliche Klärung des mutmaßlichen Berufsweges müsse daher unterbleiben. Die bei der Klägerin anzuwendenden Vorschriften des AVG vor Inkrafttreten des AnVNG hätten Zurechnungszeiten nicht vorgesehen. Diesem Umstand habe der Gesetzgeber durch einen entsprechenden Umstellungsfaktor, ausgehend vom Lebensalter bei Tod, Rechnung getragen. Es seien auch keine weiteren Steigerungsbeträge bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen, Steigerungsbeträge für Ausfallzeiten habe es nach altem Recht nicht gegeben. Zusätzliche Steigerungsbeträge ergäben sich auch nicht daraus, dass der Verstorbene Verfolgter durch das nationalsozialistische Regime gewesen wäre. Was die politische Verfolgung anbelange, sei das Vorbringen der Klägerin weitgehend recht unbestimmt. Einerseits verwende die Klägerin den Ausdruck, sie hätten untertauchen müssen, auf der anderen Seite schildere sie die wirtschaftlichen Erfolge und die gute Situierung ihres Ehemannes während der NS-Zeit. Betrachte man die tatsächliche Beitragsentrichtung, ergebe sich, dass ab September 1938 bis zum Beginn des Kriegsdienstes Beiträge entrichtet worden seien. Für die darin bestehenden Beitragslücken ergäben sich keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Verstorbene genau in diesen Monaten aus Verfolgungsgründen gehindert gewesen wäre, ein Engagement einzugehen. Es hätten sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Verstorbene aus Verfolgungsgründen erst im März 1935 in die Versicherung eingetreten wäre. Aus dem Arbeitsbuch ergebe sich klar, dass der Verstorbene in sehr angesehenen Häusern habe arbeiten können. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass zumindest zeitweise überhaupt keine Versicherungspflicht wegen Überschreitens der JAV-Grenze bestanden habe. Für zusätzliche Steigerungsbeträge nach dem WGSVG fehle jede Grundlage.

Dagegen legte die Klägerin Berufung ein, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Zur Untermauerung ihres Begehrens legte sie zahlreiche weitere Unterlagen vor.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 15.10.1999 und unter Aufhebung des Bescheides vom 04.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.1998 zu verurteilen, ihr eine höhere Witwenrente zu gewähren und dies rückwirkend, möglichst bis zum Zeitpunkt, da ihr Mann vermisst worden sei, nämlich Dezember 1943.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Bescheid vom 06.09.2000 führte die Beklagte das Urteil des Sozialgerichts aus, was zu einer Nachzahlung für die Klägerin in Höhe von 19.108,80 DM führte.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Rentenakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß den §§ 143, 151 SGG zulässig, jedoch sachlich unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Witwenrente, soweit das Sozialgericht ihrem Begehren nicht entsprochen hat. Die Klägerin kann insbesondere nicht beanspruchen, dass die mögliche berufliche Entwicklung ihres verstorbenen Ehemannes bei der Rentenberechnung in der Angestelltenrentenversicherung Berücksichtigung findet. Entscheidend für die Rentenhöhe sind vielmehr die tatsächlich vorhandenen Beitrags- und Ersatzzeiten. Die Klägerin kann auch nicht die Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten bzw. Höherbewertung vorhandener Versicherungszeiten auf der Grundlage des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) verlangen. Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil ausführlich dargestellt und zutreffend begründet. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die von der Klägerin zur Begründung der Berufung vorgetragenen Argumente, die im Klageverfahren bereits bekannt waren, sind nicht geeignet, an der Richtigkeit der sozialgerichtlichen Entscheidung zu zweifeln. Es besteht insbesondere keine Veranlassung, über den zu erwartenden beruflichen Werdegang und das hieraus zu erzielende Einkommen des Ehemannes der Klägerin Beweis durch Anhörung eines Sachverständigen zu erheben, da diese Frage für die Höhe des Rentenanspruches aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht rechtserheblich ist.

Die Berufung der Klägerin kann vielmehr keinen Erfolg haben, weshalb sie als unbegründet zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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