Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1673/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5461/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. September 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Entwöhnungsbehandlung.
Der am 1974 geborene Kläger zog im Jahr 1988 aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland zu. Im Alter von elf Jahren konsumierte er erstmals Tabak, seit dem Alter von 17 Jahren konsumiert der Kläger Heroin, seit er 21 Jahre alt ist zudem Benzodiazepine. Der Kläger erlernte keinen Beruf; eine Ausbildung zum Industriemechaniker brach er ab. Aufgrund von Beschaffungskriminalität befand sich der Kläger mehrmals (nach eigenen Angaben vier bis fünf Mal) über eine Dauer von insgesamt etwa neun Jahren in Haft. In den Zwischenzeiten war der Kläger immer wieder monatsweise in verschiedenen ungelernten Tätigkeiten, so als Hilfsarbeiter, Dachdeckerhelfer, Metallbearbeiter, Bodenlegerhelfer, Bauhelfer, Hilfsarbeiter und zuletzt Produktionshelfer erwerbstätig. Abgesehen von durch die Haft erzwungenen Clean-Phasen war der Kläger durchgängig abhängig, seit 1995 auch in Substitutionsphasen. Der Kläger durchlief mittlerweile sechs Entzugsbehandlungen (viermal in W., einmal in Demos und einmal im Klinikum N.) und nahm bis einschließlich des Jahres 2006 an insgesamt fünf Entwöhnungsbehandlungen (1996 in Emmerich bei Abbruch nach zwei Wochen, 2000 in Schloss B. bei Abbruch nach zwei Monaten, 2004 im "Brückle" bei Abbruch nach zwei Monaten, 2005 in einer christlichen Einrichtung in Leonberg bei vorzeitiger Beendigung und 2006 in Bremen bei Abbruch nach vier Monaten) teil.
Nach Durchführung der letzten Entzugsbehandlung in W. stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Bewilligung erneuter Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Mit Bescheid vom 11. Juni 2007 wurde dem Kläger daraufhin erneut eine stationäre Leistung in der Reha-Einrichtung Ja. in M. (die insgesamt sechste Entwöhnungsbehandlung) bewilligt. Unter der Überschrift "Ergänzende Bestimmung" wurde im Bescheid unter anderem ausgeführt, dass diese wiederholte Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation wegen einer Abhängigkeitserkrankung letztmalig erfolge. Sollte der Kläger zukünftig erneut derartige Leistungen beantragen, werde diese wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt werden.
Vom 16. Juli 2007 bis 08. Oktober 2007 befand sich der Kläger daraufhin in der Reha-Einrichtung Ja. in Z ... Dort wurden ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. vom 17. Oktober 2007 folgende Diagnosen erstellt: Polytoxikomanie, Opiatabhängigkeit und chronische Hepatitis C. Im Rahmen der Diagnostik wurde ausgeführt, dass der Suchtmittelkonsum des Klägers als Versuch der Kompensation eines schwachen Ichs zu verstehen sei, dessen Funktionalität nicht ausreichend sei, um sich gegen Frustrationen zu schützen und Affekte differenziert wahrzunehmen oder auszudrücken. Als Rehabilitationsergebnis wurde festgehalten, dass der Kläger sich in Ansätzen gut auf den therapeutischen Prozess eingelassen habe. Obgleich seine Kränkbarkeit immer wieder Grenzen für den Vertrauensprozess aufgeworfen habe, sei es dem Kläger mit einer starken Ausstiegsmotivation gelungen, sich in relevanten Bereichen ausreichend Unterstützung für seinen Weg aus der Abhängigkeit zu sichern. Bei weiteren Erfolgen des Behandlungsplanes und abschließender teilstationären Behandlung und anschließend einer Form der Weiterbegleitung über Beratungsstelle und/oder Selbsthilfegruppe sei von einer eher günstigen Prognose auszugehen. Zur weiteren Bewältigung der Suchterkrankung und Konsolidierung des Behandlungserfolges sei aus medizinischer Sicht die Fortsetzung des Rehaprozesses in einer Tagesklinik sinnvoll.
Mit Bescheid vom 18. September 2007 war dem Kläger daher durch die Beklagte zur Fortsetzung eine ganztägig ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Zentrum für Suchtkrankheiten in F. für die voraussichtliche Dauer von zwölf Wochen bewilligt worden. Im Anschluss an die stationäre Behandlung in Z. erfolgte daher zum 08. Oktober 2007 der Wechsel in die Tagesklinik F ... Die am selben Tag begonnene Maßnahme wurde vom Kläger vorzeitig ohne ärztliches Einverständnis zum 15. Oktober 2007 beendet. Aufgrund eines Alkoholrückfalls am Abend des 12. Oktober 2007 war der Kläger am Folgetag aufgrund des Restalkoholgehalts an diesem Tage vom therapeutischen Programm ausgeschlossen und nach Hause geschickt worden. Der Kläger erschien danach nicht wieder zur Behandlung, sodass die Maßnahme abgebrochen wurde. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des ärztlichen Entlassungsberichts des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Me. der Tagesklinik F. vom 02. November 2007 verwiesen.
Nach erneuter Verhaftung des Klägers infolge Beschaffungskriminalität am 25. März 2009 (voraussichtliches Haftende 18. Mai 2014) stellte der Kläger am 15. Juli 2009 bei der Beklagten einen neuen Antrag auf Bewilligung stationärer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Der Kläger legte insoweit den ärztlichen Bericht zum Reha-Antrag der Anstaltsärztin Dr. G. vom 27. Juli 2009 sowie einen Sozialbericht der Psychosozialen Beratungsstelle H., erstellt durch die Diplom-Pädagogin O., vom 17. August 2009 vor. Diese führte in ihrer Stellungnahme im Hinblick auf die beantragte Leistung aus, der Kläger sei seit Jahren schwerstabhängig und lange Zeit in Substitutionsprogrammen gewesen. Schon vor der aktuellen Haftstrafe habe er eine Therapie angebahnt und dazu regelmäßig ein Jahr lang eine Therapievorbereitungsgruppe besucht. Sein Abstinenzwille sei glaubhaft. Zur Stabilisierung seiner Abstinenz benötige er allerdings einen geschützten Rahmen und intensive therapeutische Unterstützung. Zusammen mit seiner Verlobten wolle er eine Paartherapie antreten. Mit dem Suchtberater der Verlobten sei der Beratungskontext aufeinander abgestimmt worden. Eine Mittelzeittherapie sei dringend angezeigt. Aus diesem Grund werde der Wunsch des Klägers auf Durchführung einer Rehamaßnahme unterstützt.
Mit Bescheid vom 31. August 2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nach ihren Feststellungen für den Kläger bereits mehrere Entwöhnungsbehandlungen ohne dauerhaften Erfolg durchgeführt worden seien. Es sei auch nicht zu erwarten, dass dies durch die beantragte Leistung erreicht werden könne.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 07. September 2009 Widerspruch ein. Darin führte er aus, dass er nach der stationären Behandlung im Jahr 2007 sofort zur Agentur für Arbeit gegangen sei, um nach Arbeit zu suchen. Obwohl er sehr motiviert gewesen sei, habe er erst im April 2008 einen Job gefunden. Dies sei nach Jahren die erste Tätigkeit gewesen, die er wieder ausgeübt habe. Aufgrund des Todes seiner Mutter im Mai 2007 und der Großmutter im Oktober 2007 habe er eine Trauerphase durchlaufen, in der sich seine psychische Verfassung drastisch verschlechtert habe. Sein behandelnder Arzt habe ihm daraufhin starke Beruhigungs- und Schlafmittel verordnet, deren Dosierung sehr hoch gewesen sei, was wiederum zu einer erneuten Abhängigkeit geführt habe. Daraufhin habe er beschlossen, eine Entgiftung durchzuführen. Diese habe er auch erfolgreich abgeschlossen. Dennoch habe er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit während der dreiwöchigen Entgiftung seinen Arbeitsplatz verloren und sei dadurch in ein tiefes Loch gefallen. Aufgrund dessen habe er beschlossen, noch einmal eine Therapie zu versuchen, woraufhin er regelmäßige Gespräche mit seinem Drogenberater geführt habe. Sein Ziel sei eine kurze Auffangtherapie gewesen. Er habe in den letzten Behandlungen schon sehr viel verändert. Vor allem habe er seine Aggressivität mittlerweile sehr gut unter Kontrolle. Er sei ruhiger geworden und habe gelernt, Konflikte auf andere Art zu lösen. Zudem habe er seine Erwartungen heruntergeschraubt. Dies führe zu weniger Enttäuschungen. Er habe gelernt, sich immer nur kleine Ziele in kleinen Schritten zu setzen. Im Frühjahr sei er dann wieder zu einer Entgiftung gegangen, um anschließend eine Auffangtherapie zu beantragen. Da er jedoch aufgrund der erneuten Abhängigkeit wieder straffällig geworden sei, sei er während der Entgiftung verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden. Im Gefängnis sei es sehr schwer, clean zu bleiben. Darüber hinaus habe er eine Frau kennen gelernt, die ebenfalls Drogenprobleme habe; sie hätten sich entschlossen, eine Paartherapie zu machen. Seine Freundin habe eine Kostenzusage bekommen und könne sich demnächst in Therapie begeben. Damit er selbst nicht auf der Strecke bleibe, sehe er es als sehr notwendig an, dass er mit ihr zusammen auf eine Therapie gehen könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er eine mittlerweile elfjährige Tochter habe, zu der er nach der letzten Behandlung wieder ein positives Verhältnis habe aufbauen können. Nach der erneuten Abhängigkeit sei die Beziehung zu seiner Tochter jedoch wieder vorbei gewesen. Sein Kind leide sehr darunter, dass er sich im Gefängnis befinde. Er wolle daher endlich clean sein und seinem Kind das bieten, was es verdient habe. Weiter sei sein Vater herzkrank und nach dem Tod seiner Mutter sehr einsam geworden. Früher sei die Beziehung zu seinem Vater nicht so gut gewesen. Mittlerweile habe sich die Beziehung gut entwickelt, dieser unterstütze ihn, wie er nur könne. Trotzdem könne er jedes Mal im Gesicht seines Vaters die Enttäuschung sehen, wenn er ihn hier besuche. Dies tue ihm leid, er wolle auch seinem Vater dieses Mal beweisen, dass er mittlerweile alt genug sei, um seine Problematik in den Griff zu bekommen. Dies sei ihm sehr wichtig.
Die Beklagte holte daraufhin eine ärztliche Stellungnahme bei Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. He. von ihrem Sozialmedizinischen Dienst ein (Stellungnahme vom 18. November 2009). Diese gab an, dass der Kläger zuletzt im Jahr 2007 eine Entwöhnungsbehandlung in der Reha-Einrichtung Ja. durchgeführt habe und als erwerbsfähig als Gartenarbeiter/Bauhelfer und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen worden sei. Mit einer günstigen Prognose sei er in die Tagesklinik nach F. planmäßig entlassen worden. Dort habe der Kläger vorzeitig nach Alkoholrückfall die Maßnahme abgebrochen. Insgesamt seien nach 1996 noch fünf weitere Therapien abgebrochen worden, zusätzlich habe eine Entwöhnungsbehandlung in einer christlichen Einrichtung in Leonberg stattgefunden. Es sei im Rahmen eines JVA-Aufenthaltes Anfang 2009 wegen Beschaffungskriminalität durch die dortige Diplompädagogin eine Mittelzeittherapie angeregt worden. Hinsichtlich des Abstinenzwillens solle nach ihrer (Dr. He.) Auffassung eine Stabilisierung in nicht beschütztem Rahmen erfolgen, also nach Entlassung. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass dem Kläger mit mindestens sechs begonnenen Entwöhnungstherapien entsprechende Ziele hätten vermittelt werden können, die der Kläger jetzt im Sozialbericht erneut anführe. Eine Entwöhnungsbehandlung sei nicht geeignet, die Erwerbsfähigkeit im relevanten Maß zu unterstützen und zu erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2009, erneut mit dem Datum 12. Januar 2010 versandt, wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Entwöhnungsbehandlungen bei Abhängigkeit setzten nach § 2 der Suchtvereinbarung vom 20. November 1978 u.a. die Motivation des Abhängigkeitskranken voraus. Von einer Motivation werde allgemein ausgegangen, wenn bei dem Abhängigkeitskranken aufgrund einer vorliegenden Krankheitseinsicht die freiwillige Bereitschaft zur Durchführung einer Entwöhnungsbehandlung vorliege. Nachdem bereits mehrere Rehabilitationsmaßnahmen aufgrund der vorliegenden Suchtproblematik stattgefunden hätten und weiterhin Suchtmittelabhängigkeit bestehe, sei in Zusammenschau der vorhandenen medizinischen Unterlagen davon auszugehen, dass eine erneute Rehabilitation wiederum keinen nachhaltigen Erfolg haben werde. Der Kläger sei bei Gewährung der zuletzt stattgefundenen Maßnahme deutlich darauf hingewiesen worden, dass bei Erfolglosigkeit der damaligen Maßnahme keine Erfolgsaussichten für eine weitere Maßnahme gesehen werden könnten. In die nunmehr getroffene Entscheidung sei auch der Umstand einbezogen worden, dass die Motivationslage durch eine Inhaftierung geprägt sei. Von einer freiwilligen Bereitschaft zur Durchführung einer Rehamaßnahme habe daher nicht ausgegangen werden können. Aufgrund des Vorbringens im Widerspruchsverfahren sei die Sachlage erneut überprüft und der beratende Arzt um eine sozialmedizinische Erfolgsprognose gebeten worden. Auch nach neuerlicher Prüfung der medizinischen Unterlagen werde ärztlicherseits keine hinreichende Erfolgsaussicht gesehen. Er (der Widerspruchsausschuss) habe sich dieser Auffassung angeschlossen. Es könne im Hinblick auf den Effekt der bisher stattgefundenen Rehabilitation nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass durch weitere Reha-Maßnahmen eine dauerhafte Wiedereingliederung ins Erwerbsleben gelingen werde. Zudem bestünden von seiner (des Widerspruchsausschusses) Seite aufgrund der Inhaftierung erhebliche Zweifel an der freiwilligen Bereitschaft zur Durchführung einer medizinischen Rehabilitation. Der Sachverhalt sei von Amts wegen ermittelt worden. Die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen und Umstände seien berücksichtigt und hinreichend gewürdigt worden. Er (der Widerspruchsausschuss) sehe deshalb keine Möglichkeit, dem Begehren zu entsprechen. Dem Widerspruch habe daher der Erfolg versagt bleiben müssen.
Am 09. Februar 2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht H., welches den Rechtsstreit mit Beschluss vom 14. Mai 2010 an das örtlich zuständige Sozialgericht Reutlingen (SG) verwies. Zur Begründung seiner Klage wiederholte und vertiefte der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Die Rehamaßnahme sei erforderlich und er sei motiviert, eine neue Behandlung zu beginnen. Nach Beendigung der letzten Therapie sei er nach sehr kurzer Zeit wieder rückfällig geworden. Jeder Versuch, aus der Sucht auszusteigen, sei ihm bisher nicht gelungen. Als er sich für Ja. beworben habe, sei er nicht in Haft gewesen, sondern habe aus eigener Motivation dem Suchtproblem ein Ende setzen wollen. Er habe die Therapie auch durchgezogen. Jedoch seien die Trauer und der Schmerz über den Verlust von Mutter und Großmutter sehr groß gewesen; daraufhin sei er wieder rückfällig geworden. Im Juli 2008 sei er zu einer teilstationären Teilentgiftung gegangen bezüglich der Medikamentenabhängigkeit, später habe er dann von Suputex ganz entgiften und anschließend nochmals auf eine teilstationäre Therapie gehen wollen. Er habe sich ein ganzes Jahr von der Beratungsstelle und seinem Drogenberater Kapinus betreuen und sich auf eine erneute Therapie vorbereiten lassen. Aus der letzten Entgiftung heraus sei er dann verhaftet worden. Seine Motivation sei riesig, und er habe bereits im Sommer 2008 beschlossen, eine Therapie zu machen. Im Vordergrund seines Interesses stehe seine Gesundheit.
Die Beklagte trat dem Vorbringen entgegen. Sie verwies auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid und führte ergänzend aus, dass eine unzureichende Motivationslage bzw. Erfolgsaussicht gesehen werde. Der Kläger befinde sich derzeit im Strafvollzug. Hier bestehe regelmäßig die Möglichkeit der Zurückstellung der Haftstrafe gemäß § 35 Betäubungsmittelgesetz. (BtMG). Die Aussicht auf Haftverschonung stelle in den allermeisten Fällen einen erheblichen Motivationsfaktor zur Beantragung von Rehaleistungen dar. Dies sei jedoch keine Motivation im Sinne des § 2 der Suchtmittelvereinbarung vom 20. November 1978. Zwar beteuere der Kläger seine freiwillige Bereitschaft sowie seine Krankheitseinsicht, dies sei jedoch keine unübliche Begebenheit und könne nicht als Maßstab der Motivations- und Erfolgsaussichtsbewertung gesehen werden. In Kombination mit der Möglichkeit der Haftverschonung und den bestehenden psychiatrischen Gesundheitsstörungen ohne erkennbaren Behandlungsansatz genüge die bloße Behauptung von Motivations- und Krankheitseinsicht nicht, um eine Erfolgsaussicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu begründen.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen an. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Sc. (Auskunft vom 14. Juni 2010) gab an, dass beim Kläger eine Opiatabhängigkeit vorliege, die erfahrungsgemäß langfristig eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit darstelle. Abstinente Abhängige hätten hierbei eine wesentlich bessere Prognose als Substituierte. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit sei bisher noch nicht eingetreten. Anstaltsärztin Dr. G. gab in ihrer Auskunft vom 15. Juni 2010 an, dass beim Kläger eine schwere Drogenabhängigkeit von Opiaten, THC und Benzodiazepinen vorliege. Insgesamt hätten nur kurze Abstinenzzeiten außerhalb der Inhaftierung bestanden. Ferner leide der Kläger an einer chronischen Hepatitis C, derzeit ohne bedeutsamen Leberschaden. Außerdem bestehe der Verdacht auf eine posttraumatische Störung, die nach einem gewalttätigen Überfall auf den Kläger im Jahr 2007 aufgetreten sei, bei welchem dem Kläger mehrere Zähne ausgeschlagen worden und er massiv bedroht worden sei. Bis zur Verlegung des Klägers in die JVA R. sei die Erwerbsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen. Aufgrund der Schwere der zugrunde liegenden Krankheiten sei eine ambulante Therapie wahrscheinlich nicht ausreichend. Aus medizinischer Sicht bestehe nur eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit bei einer erneuten stationären Drogentherapie mit anschließender Adaptionsphase zur erfolgreichen beruflichen Reintegration.
Mit Urteil vom 29. September 2010 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2010, dem Kläger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Es sei zu der Auffassung gelangt, dass gesundheitliche Gründe vorhanden seien, die eine vorzeitige medizinische Rehabilitationsleistung dringend erforderlich machten. Dies ergebe sich in der Zusammenschau der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere nach der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. G., und werde von der Beklagten auch nicht bestritten. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Kammer der Auffassung, dass der Kläger ausreichend motiviert sei und die Maßnahme erfolgsversprechend erscheine. Der Kläger habe der Kammer seine Motivation und Bereitschaft, die Abhängigkeitserkrankung zu überwinden, ausführlich und nachvollziehbar begründet. Er habe nach seinen Angaben vor seiner Inhaftierung regelmäßige Gespräche mit seinem Drogenberater geführt und sich freiwillig einer Entgiftungsbehandlung unterzogen, die durch die Inhaftierung unterbrochen worden sei. Dies verdeutliche den freiwilligen Entschluss und die Motivation des Klägers, seine Abhängigkeitserkrankung zu überwinden. Diesen Entschluss habe der Kläger auch zeitlich vor der Inhaftierung gefasst und mit der Umsetzung begonnen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Begehren einer Entwöhnungsbehandlung und der Möglichkeit der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG bestehe nach Auffassung der Kammer daher nicht. Die Beklagte betone zwar berechtigterweise, dass der Kläger bereits mehrmals Entwöhnungsbehandlungen abgebrochen bzw. die Abstinenz nicht lange angehalten habe und der Kläger bei der bewilligten Entwöhnungsbehandlung in der Rehaeinrichtung Ja. ausdrücklich im Bewilligungsbescheid vom 11. Juni 2007 darauf hingewiesen worden sei, dass die wiederholte Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation wegen einer Abhängigkeitserkrankung letztmalig erfolge. Dennoch schließe sich die Kammer der Einschätzung von Diplompädagogin O. an, die den Abstinenzwillen des Klägers als glaubhaft erachte. Die Motivation des Klägers erscheine nach Auffassung der Kammer ausreichend, um eine dauerhafte Abstinenz zu ermöglichen. Dem Kläger sollte jedoch bewusst sein, dass dies die letzte Chance sein dürfte, seine Abhängigkeitserkrankung mit Hilfe der Beklagten zu überwinden. Der Kläger solle die ihm eröffnete Möglichkeit der Entwöhnungsbehandlung daher als letztmalige Chance nutzen.
Gegen dieses ihr am 18. November 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. November 2010 Berufung eingelegt. Der Kläger betreibe seit 20 Jahren einen fortgesetzten und schweren Drogenmissbrauch. Eine Abstinenz (auch nur von geringer Dauer) habe der Kläger bislang zu keiner Zeit herstellen können. Bestenfalls sei ihm diese durch mehrfache Inhaftierungen "auferlegt" worden, wobei selbst dort permanent eine Drogensubstitution stattfinde. Der Kläger habe in der Vergangenheit bereits fünf Entgiftungen und vier Entwöhnungsbehandlungen durchlaufen. Diese hätten zu keiner Zeit einen auch nur kurzzeitigen Erfolg gebracht. Vielmehr habe der Kläger durch sein Verhalten den steten Abbruch der Maßnahmen aus disziplinarischen Gründen (Rückfall) mitunter selbst verursacht, oder er sei unmittelbar aus der Therapie heraus verhaftet worden. Aus der letzten stationären Entwöhnungsbehandlung sei der Kläger mit einer eher günstigen Prognose entlassen worden. Die daran anschließende Maßnahme in der Tagesklinik in F. habe ganze acht Tage angedauert und sei erneut aus disziplinarischen Gründen beendet worden. Der Kläger habe unmittelbar danach wieder ungehemmten und schweren Drogenmissbrauch betrieben. Die von der Versichertengemeinschaft hierfür zuletzt aufgewandten Mittel hätten annähernd EUR 10.000,00 betragen. Die jetzige erneute Antragstellung auf Entwöhnungsbehandlung sei nach Inhaftierung des Klägers erfolgt. Sie (die Beklagte) habe mit Bescheid vom 31. August 2009 im Rahmen des ihr obliegenden Ermessens eine Bewilligung weiterer Entwöhnungsbehandlungen mangels jeglicher Erfolgsprognose abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage habe für den Kläger zu Unrecht Erfolg gehabt. Das SG habe sie (die Beklagte) direkt zur Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation verurteilt, sei jedoch zur Verurteilung einer Ermessensleistung nicht befugt gewesen. Bereits aus diesem Grund sei das Urteil rechtsfehlerhaft. Sämtliche Rehabilitationsleistungen stellten Ermessensleistungen dar. Das Gericht könne demnach lediglich prüfen, ob eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch vorliege. Das Gericht sei jedoch nicht befugt, eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens zu stellen. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null habe zu keiner Zeit vorgelegen. Wie im Sachverhalt bereits dargestellt, habe der Kläger bereits mehrfach Leistungen zur Entwöhnung erhalten. Diese hätten keinerlei Erfolg gezeitigt. Damit sei aus ihrer Sicht bereits hinreichend belegt, dass für eine weitere Entwöhnungsbehandlung keinerlei Aussicht auf einen Erfolg einer solchen Maßnahme bestehe. Ein Erfolg soll aus ihrer Sicht wenigstens eine Erfolgsprognose im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit erbringen. Eine solche sei durch das SG jedoch zu keiner Zeit mittels eines Sachverständigengutachtens hinterfragt worden. Vielmehr habe sich das SG lediglich den Beteuerungen des Klägers unterworfen, welcher hierin seine letzte Chance sehe. Dies sei bei schwer Drogenabhängigen und Haftinsassen regelmäßig der Fall und begründe weder eine positive Chance noch eine negative Bewertung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. September 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Anders als von der Beklagten vertreten, habe das SG nicht rechtsfehlerhaft "durchentschieden". Das SG habe rechtsfehlerfrei erkannt, dass die streitgegenständliche Versagung der Therapiemaßnahme in jeder Hinsicht spruchreif gewesen sei. Ein Gericht habe dann eine eigene Entscheidung zu treffen und so faktisch die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu ersetzen, wenn absehbar sei, dass die im Urteil auszusprechende Verpflichtung, ihn (den Kläger) unter Beachtung der Rechtsauffasssung des Gerichts zu bescheiden, nur zu einer Verzögerung führe und nicht gesichert sei, dass die Verwaltungsbehörde auch tatsächlich im Sinne des Gerichts entscheiden werde. Zutreffend habe das SG erkannt, dass die gesundheitlichen Aspekte eine Entscheidung zu seinen (des Klägers) Gunsten unabdingbar gemacht hätten. Dies - nicht dagegen die Frage, wie viel Geld die Beklagte respektive die Versichertengemeinschaft bisher investiert habe - seien in den Mittelpunkt der Entscheidung zu rücken. Dr. G. habe mitgeteilt, dass sein Gesundheitszustand eine weitere Rehabilitationsmaßnahme dringend erforderlich mache. Außer dem regelmäßigen Kontakt und den Gesprächen mit dem Drogenberater gebe es in der Haftanstalt keine zusätzlichen Gruppen oder Therapieangebote. Er (der Kläger) habe sich seit Haftbeginn bei mehreren Einrichtungen ohne Kostenträger beworben, jedoch hätten Gericht und Staatsanwaltschaft die Durchführung einer Maßnahme dort abgelehnt mit der Begründung, er solle sich in eine professionelle Behandlung begeben. Angeblich sei es nicht mehr möglich, eine Therapie ohne Kostenträger vor Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe zu machen. Es sei ihm sehr wichtig, dass er die eine Chance nochmal bekomme. Eine Therapie zu Lasten der Beklagten wäre besser für ihn, da er der Einsicht sei, dass es bei ihm einige psychische Störungen gebe, die er nur mit professioneller therapeutischer Hilfe bewältigen könne. Es sei ihm bewusst, dass dies nicht die erste Behandlung für ihn sei. Wären seine Mutter und seine Großmutter im Jahr 2007 nicht gestorben, hätte er das Suchtproblem schon nach seiner Behandlung in Ja. in den Griff bekommen. Aufgrund von Trauer und Schmerz sei dies jedoch nicht möglich gewesen. Zur Zeit befinde er sich in der JVA Konstanz im Substitutionsprogramm. Seither gehe es ihm psychisch besser, er könne arbeiten, die Depressionen und Ängste seien weg. Bei ihm bestehe immer die Gefahr, zu Benzodiazepinen zu greifen. Zur Zeit nehme er diese nicht ein, es bereite ihm jedoch viel Angst, wenn er daran denke, was passiere, wenn er wieder irgendwann mal frei und draußen sei. Ohne eine Behandlung sehe er der Zukunft sehr skeptisch entgegen. Er befinde sich in regelmäßiger Behandlung des zuständigen Anstaltsarztes Dr. Di ... Auch nach seinem behandelnden Anstaltsarzt Dr. Di. sei eine Entwöhnungstherapie dringend erforderlich. Dass er derzeit arbeitsfähig sei, stehe nicht im Widerspruch zum Klagebegehren. Er sei suchtkrank und werde, wenn die Therapie versagt werde, wesentlich schlechtere Aussichten auf ein suchtfreies und abstinentes Leben haben. Die begehrte Therapiemaßnahme diene nicht nur der kurzfristigen punktuellen Behandlung, sondern solle ihm (dem Kläger) eine Grundlage für ein dauerhaft abstinentes Leben bieten. Dass es ihm derzeit gelinge, seine Suchterkrankung so weit zu bändigen, dass er arbeitsfähig sei, könne ihm nicht zum Nachteil gereichen; auf dieser Grundlage könne die Erforderlichkeit der Rehabilitationsmaßnahme nicht verneint werden. Einer derzeitigen Erbringung der Leistung stehe zwar § 12 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) entgegen. Er begehre jedoch nur die grundsätzliche Feststellung dahingehend, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm eine Maßnahme zur Rehabilitation zu bewilligen. Ein konkreter Zeitpunkt oder Zeitraum, in welchem diese Leistung zur Teilhabe zu erbringen sei, werde nicht verlangt.
Der Senat hat Dr. Di. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat in der am 01. Juni 2011 beim LSG eingegangenen Auskunft angegeben, beim Kläger sei die Diagnose eines Opiatentzugssyndroms gestellt worden, zudem eine leicht depressive Erkrankung und Schulterarmbeschwerden rechts. Es sei eine Opiat-Substitutions-Therapie durchgeführt worden sowie eine antidepressive Therapie mit Mirthazapin und zudem eine Schmerztherapie mit Antiphlogistika und Infiltration von Lokalanästhetika und Corticoiden. Eventuell könnten durch Rehamaßnahmen die Beschwerden im Schulterarmbereich verbessert werden. Es solle auf jeden Fall noch eine fachärztlich-orthopädische Untersuchung erfolgen, um diese Indikation zu stellen. Im Übrigen erscheine ihm ein stationäres Heilverfahren nicht dringend vor Mitte Oktober 2011 erforderlich. Bezüglich der Opiatabhängigkeit könne eine Arbeitsfähigkeit durch Substitutionsbehandlung erhalten werden. Eine Entwöhnungstherapie sei sicher wünschenswert, jedoch nicht dringend erforderlich.
Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Kläger das Attest des Dr. Di. vom 28. Juni 2011 und ein Schreiben desselben vom 01. August 2011 vorgelegt. Im Attest vom 28. Juni 2011 gibt Dr. Di. an, nachdem er nochmal mit dem Kläger gesprochen habe, halte er eine Entwöhnungstherapie für dringend erforderlich. Unter der gegenwärtigen Substitutionstherapie sei der Kläger zwar arbeitsfähig, langfristig würde seine Arbeitsfähigkeit jedoch sicherlich vermindert werden. Der Kläger sei derzeit hochmotiviert, an einer Entwöhnungstherapie teilzunehmen. Nach dem Schreiben des Dr. Di. vom 01. August 2011 ist der Kläger derzeit mit einem Opiat-Ersatzstoff substituiert. Falle dieser Ersatzstoff weg, sei der Kläger mit Sicherheit nicht arbeitsfähig. Da Opiat-Substitutionsplätze limitiert seien, sei nicht zu erwarten, dass der Kläger sofort substituiert werde nach der Haft.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Januar 2010 ist rechtmäßig, weshalb das SG ihn nicht hätte aufheben dürfen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Entwöhnungsbehandlung. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage des Klägers abzuweisen.
1. Entgegen dem letzten Vorbringen des Klägers geht der Senat davon aus, dass nicht lediglich die Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung einer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Entwöhnungsbehandlung begehrt wird. Ein in diesem Sinne von dem in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 29. September 2010 zu Protokoll gegebenen abweichender Antrag könnte nur als teilweise Klagerücknahme bei Umwandlung des Leistungs- in einen Feststellungsantrag verstanden werden. Da eine Klage mit diesem Begehren aufgrund der Subsidiarität der Feststellungsklage jedoch unzulässig und die Berufung der Beklagten schon aus diesem Grunde erfolgreich wäre, geht der Senat vielmehr unverändert von einem Anfechtungs- und Leistungsbegehren des Klägers aus.
2. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erbringt der Rentenversicherungsträger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen. Ob medizinische Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind (sog. Eingangsprüfung) steht - anders als von der Beklagten eingewandt - nicht im Ermessen der Rentenversicherung (hier der Beklagten), sondern ist alleine davon abhängig, ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des § 10 SGB VI (persönliche Voraussetzungen) und des § 11 SGB VI (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) vorliegen und kein Leistungsausschluss gemäß § 12 SGB VI gegeben ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG - , Urteil vom 23. Februar 2000 - B 5 RJ 8/99 R; vgl. dazu auch Kater, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, EL April 2010, § 13 Rn. 5). Das "Ob" einer medizinischen Reha-Maßnahme ist daher vollumfänglich gerichtlich überprüfbar. Gemäß § 13 Abs. 1 SGB VI bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall dann unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Maßnahmen sowie der Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Hinsichtlich des "Wie", das heißt Art, Dauer, Umfang usw., liegt eine Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers vor, die durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüft werden kann.
Ausgehend davon hat die Beklagte zu Recht die erneute Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Entwöhnungsbehandlung abgelehnt. Es liegen im Falle des Klägers nämlich bereits die Eingangsvoraussetzungen für die begehrte stationäre Drogentherapie nicht vor, weil der Kläger die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10 SGB VI für die Durchführung einer solchen Therapie nicht aufweist. Zudem ist ein Ausschlussgrund im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI gegeben.
a) § 10 SGB VI macht zur persönlichen Voraussetzung für die Gewährung einer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, dass eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) und eine positive Erfolgsprognose für die Behebung der Einschränkungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) vorliegen. Die Maßstäbe dieser Vorschrift werden auch durch die von der Beklagten zitierte "Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger bei der Akutbehandlung (Entzugsbehandlung) und medizinischen Rehabilitation (Entwöhnungsbehandlung) Abhängigkeitskranker" (hier maßgeblich allerdings die jüngste Fassung vom 04. Mai 2001) aufgegriffen.
Der Senat hält schon für zweifelhaft, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI gemindert oder erheblich gefährdet ist. Der Kläger hat über viele Jahre hinweg trotz seiner Drogenabhängigkeit immer wieder Arbeit gefunden und diese auch verrichten können. Der ihn derzeit behandelnde Anstaltsarzt Dr. Di. hat hierzu in seiner vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenaussage (bei Gericht eingegangen am 01. Juni 2011) angegeben, bezüglich der Opiatabhängigkeit könne eine Arbeitsfähigkeit durch Substitutionsbehandlung erhalten werden; eine Entwöhnungstherapie sei zwar wünschenswert, aber nicht dringend erforderlich. Diese Aussage hat Dr. Di. auch in seinem weiteren Schreiben vom 28. Juni 2011 letztlich nicht in Frage gestellt, indem er ausgeführt hat, zwar sei der Kläger gegenwärtig arbeitsfähig, aber langfristig würde seine Arbeitsfähigkeit sicherlich vermindert werden. Die nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erforderliche Erheblichkeit der Gefährdung der Erwerbsfähigkeit dürfte damit vorliegend nicht gegeben sein. Die weiteren Ausführungen des Dr. Di. zur Motivation des Klägers hinsichtlich der begehrten Entwöhnungstherapie betreffen die Frage nach der Erfolgsprognose, nicht dagegen der Erwerbsminderung.
Jedenfalls aber fehlt es vorliegend an einer positiven Erfolgsprognose für die Behebung der beim Kläger bestehenden Drogenabhängigkeit (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Für die erforderliche Prognose reicht die entfernt liegende Möglichkeit nicht; Voraussetzung ist vielmehr grundsätzlich, dass der Erfolg der Leistung wahrscheinlich ist (vgl. schon BSG, Urteil vom 17. Februar 1982 - 1 RJ 102/80 - BSGE 53, 100, 105). Es muss nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung insbesondere der Leiden, der persönlichen Verhältnisse und der Bereitschaft zur Mitwirkung mehr dafür als dagegen sprechen, dass die Leistung zu einer wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit führen kann. Ist bei vorausschauender Betrachtung der Erfolg der Leistung nicht nur zweifelhaft, sondern kann die Möglichkeit eines Erfolgs nicht erwartet werden, ist die Rehabilitationsleistung abzulehnen (vgl. Kater, aaO, Rn. 14). Bei Leistungen für Drogenabhängige sind allerdings an die Erfolgsaussichten keine übertriebenen Anforderungen zu stellen. Sie können vom Rentenversicherungsträger auch dann durchgeführt werden, wenn der Erfolg unsicher, aber möglich ist (vgl. bereits BSG, Urteil vom 24. März 1983 - 8 RK 2/82 - SozR 2200 § 184a Nr. 5). Bei der zu stellenden Prognose kommt es darauf an, ob nach den im Zeitpunkt der Einleitung der Leistung und während der Dauer ihrer Durchführung jeweils erkennbaren Tatsachen die Folgerung gerechtfertigt ist, dass eine Chance besteht, das Rehabilitationsziel zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1992 - 13 RJ 27/91 - in juris). Dann allerdings, wenn eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben von vornherein nicht zu erwarten ist oder nicht aussichtsreich erscheint, ist eine Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers nicht gegeben.
Aus Sicht des Senats kommt danach die erneute Gewährung einer Entwöhnungsbehandlung nicht in Betracht, weil sich eine positive Erfolgsprognose im Falle des Klägers nicht bejahen lässt. Es besteht nach derzeitigem Stand der Dinge keine Chance, dass das Rehabilitationsziel der andauernden Abstinenz durch eine erneute Entwöhnungstherapie erreicht wird. Zwar hat Diplom-Pädagogin O. von der Psychosozialen Beratungsstelle H. in ihrem Sozialbericht vom 17. August 2009 dem Kläger einen glaubhaften Abstinenzwillen bescheinigt. Einen solchen grundsätzlichen Willen stellt jedoch auch der Senat nicht in Abrede. Der Kläger hat eindrücklich geschildert, dass er aufgrund verschiedener Bezugspersonen (insbesondere seinem Vater und seiner Tochter) ein drogenfreies Leben führen möchte. Jedoch ist allein der Wille zur Abstinenz aus Sicht des Senats nicht ausreichend; vielmehr muss auch anhand der äußeren Umstände jedenfalls eine gewisse Chance zum tatsächlichen Erreichen andauernder Abstinenz begründbar sein. Die Beklagte hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits langjährig drogenabhängig ist und echte "Clean-Phasen" lediglich durch die äußeren Umstände einer Haft erzwungen waren. Insbesondere aber spricht der Verlauf der bisherigen Therapien gegen eine positive Rehabilitationsprognose. In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa den Beschluss des Hessischen LSG vom 06. Januar 2011 - L 5 R 486/10 B ER - in juris) geht der Senat davon aus, dass eine positive Erfolgsprognose ganz erheblich in Frage steht, wenn der Versicherte wiederholt nicht mitgewirkt bzw. die Teilnahme an der Rehabilitationsleistung abgebrochen hat. Dies ist hier in ganz extremem Maße der Fall. Der Kläger hat bereits eine Vielzahl von Entwöhnungsbehandlungen durchgeführt (unter Berücksichtigung auch derjenigen in einer kirchlichen Einrichtung insgesamt sechs), die alle erfolglos waren. Die von ihm bis einschließlich des Jahres 2006 durchgeführten Entwöhnungstherapien hat er sämtlich eigenmächtig vorzeitig abgebrochen. Die ihm von der Beklagten zuletzt bewilligte Entwöhnungstherapie im Jahr 2007, die sich in eine stationäre und eine ambulante Phase gliederte, hat der Kläger hinsichtlich der stationären Phase zwar vollständig durchgestanden. Im Rahmen der sich daran unmittelbar anschließenden ambulanten Therapiephase mit ganztägiger Betreuung hat er jedoch bereits innerhalb der ersten Woche einen Rückfall erlitten und ist anschließend nicht einmal mehr zur Maßnahme erschienen. Dabei waren die vom Kläger jetzt als Indikator für hinreichende Erfolgsaussichten einer neuen Maßnahme herangezogenen persönlichen Bindungen schon vorher als Motivationsfaktoren vorhanden. Den Akten lässt sich entnehmen, dass der Kläger seiner schon von einer ungünstigen Krebsprognose gezeichneten Mutter seinerzeit versprochen hatte, seine Abhängigkeit wirksam zu bekämpfen; gleichwohl war er damals rückfällig geworden. Auch hatte der Kläger zu seiner Tochter schon vor dem letzten Rückfall eine erhebliche emotionale Bindung aufgebaut; auch dies hat ihn jedoch nicht von einem erneuten Rückfall abzuhalten vermocht. Schließlich hatte die Beklagte dem Kläger in ihrem letzten eine Maßnahme bewilligenden Bescheid vom 11. Juni 2007 sehr deutlich gemacht, dass diese Maßnahme die letzte von Seiten der Beklagten bewilligte Chance darstelle. Trotz dieses "Erfolgsdrucks" hat der Kläger den Erfolg dieser Maßnahme innerhalb kürzester Zeit nach Entlassung aus der stationären Entwöhnungstherapie im Rahmen einer ganztägigen ambulanten Rehabilitationsmaßnahme wieder aufs Spiel gesetzt. Einen neuen Stabilitätsfaktor vermag der Senat allenfalls in der vom Kläger genannten Freundin zu sehen, mit der zusammen er nunmehr seine Sucht angehen möchte. Angesichts der Vielzahl der gegen eine Erfolgschance sprechenden Faktoren vermag dies jedoch eine hinreichende Erfolgsprognose nicht zu begründen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger (trotz Freundin) die erneute Inhaftierung mit dem Ergebnis der Trennung von dieser Freundin riskiert hat und überdies die erneute Entwöhnungstherapie erst nach erfolgter Inhaftierung beantragt wurde.
b) Neben dem Fehlen der persönlichen Voraussetzungen für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation liegt aber auch der Ausschlusstatbestand des § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI vor. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen zur Teilhabe nicht für Versicherte erbracht, die sich in Untersuchungshaft oder im Vollzug einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregelung der Besserung oder Sicherung sich befinden oder einstweilig nach § 126 a Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) untergebracht sind. Dieser Ausschlussgrund greift bei Aussetzung oder Unterbrechung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe nicht ein. Eine Unterbrechung der Freiheitsstrafe zum Zwecke der Durchführung der Leistung zur medizinischen Rehabilitation wird nur in § 35 BtmG geregelt. Eine solche Unterbrechung liegt jedoch hier nicht vor. Die Tatsache, dass eine Unterbrechung erfolgen könnte, ist insoweit unerheblich. Der Gesetzgeber hat einen eindeutigen Wortlaut in § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI gewählt. Die Möglichkeit einer bedingten Rehabilitationsgewährung bei Wegfall der Ausschlussvoraussetzungen ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen (vgl. ebenso LSG Hessen, aaO). Auch verfängt das Argument des Klägers nicht, er habe ja keine sofortige, sondern eine irgendwann durchzuführende Maßnahme beantragt. Auch diese Argumentation hebelte den Ausschlussgrund des § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI, folgte man ihr, vollständig aus, da fast jede Freiheitsstrafe im Ergebnis zeitlich begrenzt ist und daher diese Regelung keinerlei Anwendungsbereich mehr hätte. Zudem wäre die vom Kläger begehrte Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme "auf Vorrat" auch mit dem Regelungsgefüge der §§ 9 ff SGB VI nicht vereinbar. Diese Vorschriften setzen das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme voraus und machen daher stets eine aktuelle Überprüfung derselben erforderlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Entwöhnungsbehandlung.
Der am 1974 geborene Kläger zog im Jahr 1988 aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland zu. Im Alter von elf Jahren konsumierte er erstmals Tabak, seit dem Alter von 17 Jahren konsumiert der Kläger Heroin, seit er 21 Jahre alt ist zudem Benzodiazepine. Der Kläger erlernte keinen Beruf; eine Ausbildung zum Industriemechaniker brach er ab. Aufgrund von Beschaffungskriminalität befand sich der Kläger mehrmals (nach eigenen Angaben vier bis fünf Mal) über eine Dauer von insgesamt etwa neun Jahren in Haft. In den Zwischenzeiten war der Kläger immer wieder monatsweise in verschiedenen ungelernten Tätigkeiten, so als Hilfsarbeiter, Dachdeckerhelfer, Metallbearbeiter, Bodenlegerhelfer, Bauhelfer, Hilfsarbeiter und zuletzt Produktionshelfer erwerbstätig. Abgesehen von durch die Haft erzwungenen Clean-Phasen war der Kläger durchgängig abhängig, seit 1995 auch in Substitutionsphasen. Der Kläger durchlief mittlerweile sechs Entzugsbehandlungen (viermal in W., einmal in Demos und einmal im Klinikum N.) und nahm bis einschließlich des Jahres 2006 an insgesamt fünf Entwöhnungsbehandlungen (1996 in Emmerich bei Abbruch nach zwei Wochen, 2000 in Schloss B. bei Abbruch nach zwei Monaten, 2004 im "Brückle" bei Abbruch nach zwei Monaten, 2005 in einer christlichen Einrichtung in Leonberg bei vorzeitiger Beendigung und 2006 in Bremen bei Abbruch nach vier Monaten) teil.
Nach Durchführung der letzten Entzugsbehandlung in W. stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Bewilligung erneuter Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Mit Bescheid vom 11. Juni 2007 wurde dem Kläger daraufhin erneut eine stationäre Leistung in der Reha-Einrichtung Ja. in M. (die insgesamt sechste Entwöhnungsbehandlung) bewilligt. Unter der Überschrift "Ergänzende Bestimmung" wurde im Bescheid unter anderem ausgeführt, dass diese wiederholte Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation wegen einer Abhängigkeitserkrankung letztmalig erfolge. Sollte der Kläger zukünftig erneut derartige Leistungen beantragen, werde diese wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt werden.
Vom 16. Juli 2007 bis 08. Oktober 2007 befand sich der Kläger daraufhin in der Reha-Einrichtung Ja. in Z ... Dort wurden ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. vom 17. Oktober 2007 folgende Diagnosen erstellt: Polytoxikomanie, Opiatabhängigkeit und chronische Hepatitis C. Im Rahmen der Diagnostik wurde ausgeführt, dass der Suchtmittelkonsum des Klägers als Versuch der Kompensation eines schwachen Ichs zu verstehen sei, dessen Funktionalität nicht ausreichend sei, um sich gegen Frustrationen zu schützen und Affekte differenziert wahrzunehmen oder auszudrücken. Als Rehabilitationsergebnis wurde festgehalten, dass der Kläger sich in Ansätzen gut auf den therapeutischen Prozess eingelassen habe. Obgleich seine Kränkbarkeit immer wieder Grenzen für den Vertrauensprozess aufgeworfen habe, sei es dem Kläger mit einer starken Ausstiegsmotivation gelungen, sich in relevanten Bereichen ausreichend Unterstützung für seinen Weg aus der Abhängigkeit zu sichern. Bei weiteren Erfolgen des Behandlungsplanes und abschließender teilstationären Behandlung und anschließend einer Form der Weiterbegleitung über Beratungsstelle und/oder Selbsthilfegruppe sei von einer eher günstigen Prognose auszugehen. Zur weiteren Bewältigung der Suchterkrankung und Konsolidierung des Behandlungserfolges sei aus medizinischer Sicht die Fortsetzung des Rehaprozesses in einer Tagesklinik sinnvoll.
Mit Bescheid vom 18. September 2007 war dem Kläger daher durch die Beklagte zur Fortsetzung eine ganztägig ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Zentrum für Suchtkrankheiten in F. für die voraussichtliche Dauer von zwölf Wochen bewilligt worden. Im Anschluss an die stationäre Behandlung in Z. erfolgte daher zum 08. Oktober 2007 der Wechsel in die Tagesklinik F ... Die am selben Tag begonnene Maßnahme wurde vom Kläger vorzeitig ohne ärztliches Einverständnis zum 15. Oktober 2007 beendet. Aufgrund eines Alkoholrückfalls am Abend des 12. Oktober 2007 war der Kläger am Folgetag aufgrund des Restalkoholgehalts an diesem Tage vom therapeutischen Programm ausgeschlossen und nach Hause geschickt worden. Der Kläger erschien danach nicht wieder zur Behandlung, sodass die Maßnahme abgebrochen wurde. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des ärztlichen Entlassungsberichts des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Me. der Tagesklinik F. vom 02. November 2007 verwiesen.
Nach erneuter Verhaftung des Klägers infolge Beschaffungskriminalität am 25. März 2009 (voraussichtliches Haftende 18. Mai 2014) stellte der Kläger am 15. Juli 2009 bei der Beklagten einen neuen Antrag auf Bewilligung stationärer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Der Kläger legte insoweit den ärztlichen Bericht zum Reha-Antrag der Anstaltsärztin Dr. G. vom 27. Juli 2009 sowie einen Sozialbericht der Psychosozialen Beratungsstelle H., erstellt durch die Diplom-Pädagogin O., vom 17. August 2009 vor. Diese führte in ihrer Stellungnahme im Hinblick auf die beantragte Leistung aus, der Kläger sei seit Jahren schwerstabhängig und lange Zeit in Substitutionsprogrammen gewesen. Schon vor der aktuellen Haftstrafe habe er eine Therapie angebahnt und dazu regelmäßig ein Jahr lang eine Therapievorbereitungsgruppe besucht. Sein Abstinenzwille sei glaubhaft. Zur Stabilisierung seiner Abstinenz benötige er allerdings einen geschützten Rahmen und intensive therapeutische Unterstützung. Zusammen mit seiner Verlobten wolle er eine Paartherapie antreten. Mit dem Suchtberater der Verlobten sei der Beratungskontext aufeinander abgestimmt worden. Eine Mittelzeittherapie sei dringend angezeigt. Aus diesem Grund werde der Wunsch des Klägers auf Durchführung einer Rehamaßnahme unterstützt.
Mit Bescheid vom 31. August 2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nach ihren Feststellungen für den Kläger bereits mehrere Entwöhnungsbehandlungen ohne dauerhaften Erfolg durchgeführt worden seien. Es sei auch nicht zu erwarten, dass dies durch die beantragte Leistung erreicht werden könne.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 07. September 2009 Widerspruch ein. Darin führte er aus, dass er nach der stationären Behandlung im Jahr 2007 sofort zur Agentur für Arbeit gegangen sei, um nach Arbeit zu suchen. Obwohl er sehr motiviert gewesen sei, habe er erst im April 2008 einen Job gefunden. Dies sei nach Jahren die erste Tätigkeit gewesen, die er wieder ausgeübt habe. Aufgrund des Todes seiner Mutter im Mai 2007 und der Großmutter im Oktober 2007 habe er eine Trauerphase durchlaufen, in der sich seine psychische Verfassung drastisch verschlechtert habe. Sein behandelnder Arzt habe ihm daraufhin starke Beruhigungs- und Schlafmittel verordnet, deren Dosierung sehr hoch gewesen sei, was wiederum zu einer erneuten Abhängigkeit geführt habe. Daraufhin habe er beschlossen, eine Entgiftung durchzuführen. Diese habe er auch erfolgreich abgeschlossen. Dennoch habe er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit während der dreiwöchigen Entgiftung seinen Arbeitsplatz verloren und sei dadurch in ein tiefes Loch gefallen. Aufgrund dessen habe er beschlossen, noch einmal eine Therapie zu versuchen, woraufhin er regelmäßige Gespräche mit seinem Drogenberater geführt habe. Sein Ziel sei eine kurze Auffangtherapie gewesen. Er habe in den letzten Behandlungen schon sehr viel verändert. Vor allem habe er seine Aggressivität mittlerweile sehr gut unter Kontrolle. Er sei ruhiger geworden und habe gelernt, Konflikte auf andere Art zu lösen. Zudem habe er seine Erwartungen heruntergeschraubt. Dies führe zu weniger Enttäuschungen. Er habe gelernt, sich immer nur kleine Ziele in kleinen Schritten zu setzen. Im Frühjahr sei er dann wieder zu einer Entgiftung gegangen, um anschließend eine Auffangtherapie zu beantragen. Da er jedoch aufgrund der erneuten Abhängigkeit wieder straffällig geworden sei, sei er während der Entgiftung verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden. Im Gefängnis sei es sehr schwer, clean zu bleiben. Darüber hinaus habe er eine Frau kennen gelernt, die ebenfalls Drogenprobleme habe; sie hätten sich entschlossen, eine Paartherapie zu machen. Seine Freundin habe eine Kostenzusage bekommen und könne sich demnächst in Therapie begeben. Damit er selbst nicht auf der Strecke bleibe, sehe er es als sehr notwendig an, dass er mit ihr zusammen auf eine Therapie gehen könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er eine mittlerweile elfjährige Tochter habe, zu der er nach der letzten Behandlung wieder ein positives Verhältnis habe aufbauen können. Nach der erneuten Abhängigkeit sei die Beziehung zu seiner Tochter jedoch wieder vorbei gewesen. Sein Kind leide sehr darunter, dass er sich im Gefängnis befinde. Er wolle daher endlich clean sein und seinem Kind das bieten, was es verdient habe. Weiter sei sein Vater herzkrank und nach dem Tod seiner Mutter sehr einsam geworden. Früher sei die Beziehung zu seinem Vater nicht so gut gewesen. Mittlerweile habe sich die Beziehung gut entwickelt, dieser unterstütze ihn, wie er nur könne. Trotzdem könne er jedes Mal im Gesicht seines Vaters die Enttäuschung sehen, wenn er ihn hier besuche. Dies tue ihm leid, er wolle auch seinem Vater dieses Mal beweisen, dass er mittlerweile alt genug sei, um seine Problematik in den Griff zu bekommen. Dies sei ihm sehr wichtig.
Die Beklagte holte daraufhin eine ärztliche Stellungnahme bei Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. He. von ihrem Sozialmedizinischen Dienst ein (Stellungnahme vom 18. November 2009). Diese gab an, dass der Kläger zuletzt im Jahr 2007 eine Entwöhnungsbehandlung in der Reha-Einrichtung Ja. durchgeführt habe und als erwerbsfähig als Gartenarbeiter/Bauhelfer und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen worden sei. Mit einer günstigen Prognose sei er in die Tagesklinik nach F. planmäßig entlassen worden. Dort habe der Kläger vorzeitig nach Alkoholrückfall die Maßnahme abgebrochen. Insgesamt seien nach 1996 noch fünf weitere Therapien abgebrochen worden, zusätzlich habe eine Entwöhnungsbehandlung in einer christlichen Einrichtung in Leonberg stattgefunden. Es sei im Rahmen eines JVA-Aufenthaltes Anfang 2009 wegen Beschaffungskriminalität durch die dortige Diplompädagogin eine Mittelzeittherapie angeregt worden. Hinsichtlich des Abstinenzwillens solle nach ihrer (Dr. He.) Auffassung eine Stabilisierung in nicht beschütztem Rahmen erfolgen, also nach Entlassung. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass dem Kläger mit mindestens sechs begonnenen Entwöhnungstherapien entsprechende Ziele hätten vermittelt werden können, die der Kläger jetzt im Sozialbericht erneut anführe. Eine Entwöhnungsbehandlung sei nicht geeignet, die Erwerbsfähigkeit im relevanten Maß zu unterstützen und zu erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2009, erneut mit dem Datum 12. Januar 2010 versandt, wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Entwöhnungsbehandlungen bei Abhängigkeit setzten nach § 2 der Suchtvereinbarung vom 20. November 1978 u.a. die Motivation des Abhängigkeitskranken voraus. Von einer Motivation werde allgemein ausgegangen, wenn bei dem Abhängigkeitskranken aufgrund einer vorliegenden Krankheitseinsicht die freiwillige Bereitschaft zur Durchführung einer Entwöhnungsbehandlung vorliege. Nachdem bereits mehrere Rehabilitationsmaßnahmen aufgrund der vorliegenden Suchtproblematik stattgefunden hätten und weiterhin Suchtmittelabhängigkeit bestehe, sei in Zusammenschau der vorhandenen medizinischen Unterlagen davon auszugehen, dass eine erneute Rehabilitation wiederum keinen nachhaltigen Erfolg haben werde. Der Kläger sei bei Gewährung der zuletzt stattgefundenen Maßnahme deutlich darauf hingewiesen worden, dass bei Erfolglosigkeit der damaligen Maßnahme keine Erfolgsaussichten für eine weitere Maßnahme gesehen werden könnten. In die nunmehr getroffene Entscheidung sei auch der Umstand einbezogen worden, dass die Motivationslage durch eine Inhaftierung geprägt sei. Von einer freiwilligen Bereitschaft zur Durchführung einer Rehamaßnahme habe daher nicht ausgegangen werden können. Aufgrund des Vorbringens im Widerspruchsverfahren sei die Sachlage erneut überprüft und der beratende Arzt um eine sozialmedizinische Erfolgsprognose gebeten worden. Auch nach neuerlicher Prüfung der medizinischen Unterlagen werde ärztlicherseits keine hinreichende Erfolgsaussicht gesehen. Er (der Widerspruchsausschuss) habe sich dieser Auffassung angeschlossen. Es könne im Hinblick auf den Effekt der bisher stattgefundenen Rehabilitation nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass durch weitere Reha-Maßnahmen eine dauerhafte Wiedereingliederung ins Erwerbsleben gelingen werde. Zudem bestünden von seiner (des Widerspruchsausschusses) Seite aufgrund der Inhaftierung erhebliche Zweifel an der freiwilligen Bereitschaft zur Durchführung einer medizinischen Rehabilitation. Der Sachverhalt sei von Amts wegen ermittelt worden. Die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen und Umstände seien berücksichtigt und hinreichend gewürdigt worden. Er (der Widerspruchsausschuss) sehe deshalb keine Möglichkeit, dem Begehren zu entsprechen. Dem Widerspruch habe daher der Erfolg versagt bleiben müssen.
Am 09. Februar 2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht H., welches den Rechtsstreit mit Beschluss vom 14. Mai 2010 an das örtlich zuständige Sozialgericht Reutlingen (SG) verwies. Zur Begründung seiner Klage wiederholte und vertiefte der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Die Rehamaßnahme sei erforderlich und er sei motiviert, eine neue Behandlung zu beginnen. Nach Beendigung der letzten Therapie sei er nach sehr kurzer Zeit wieder rückfällig geworden. Jeder Versuch, aus der Sucht auszusteigen, sei ihm bisher nicht gelungen. Als er sich für Ja. beworben habe, sei er nicht in Haft gewesen, sondern habe aus eigener Motivation dem Suchtproblem ein Ende setzen wollen. Er habe die Therapie auch durchgezogen. Jedoch seien die Trauer und der Schmerz über den Verlust von Mutter und Großmutter sehr groß gewesen; daraufhin sei er wieder rückfällig geworden. Im Juli 2008 sei er zu einer teilstationären Teilentgiftung gegangen bezüglich der Medikamentenabhängigkeit, später habe er dann von Suputex ganz entgiften und anschließend nochmals auf eine teilstationäre Therapie gehen wollen. Er habe sich ein ganzes Jahr von der Beratungsstelle und seinem Drogenberater Kapinus betreuen und sich auf eine erneute Therapie vorbereiten lassen. Aus der letzten Entgiftung heraus sei er dann verhaftet worden. Seine Motivation sei riesig, und er habe bereits im Sommer 2008 beschlossen, eine Therapie zu machen. Im Vordergrund seines Interesses stehe seine Gesundheit.
Die Beklagte trat dem Vorbringen entgegen. Sie verwies auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid und führte ergänzend aus, dass eine unzureichende Motivationslage bzw. Erfolgsaussicht gesehen werde. Der Kläger befinde sich derzeit im Strafvollzug. Hier bestehe regelmäßig die Möglichkeit der Zurückstellung der Haftstrafe gemäß § 35 Betäubungsmittelgesetz. (BtMG). Die Aussicht auf Haftverschonung stelle in den allermeisten Fällen einen erheblichen Motivationsfaktor zur Beantragung von Rehaleistungen dar. Dies sei jedoch keine Motivation im Sinne des § 2 der Suchtmittelvereinbarung vom 20. November 1978. Zwar beteuere der Kläger seine freiwillige Bereitschaft sowie seine Krankheitseinsicht, dies sei jedoch keine unübliche Begebenheit und könne nicht als Maßstab der Motivations- und Erfolgsaussichtsbewertung gesehen werden. In Kombination mit der Möglichkeit der Haftverschonung und den bestehenden psychiatrischen Gesundheitsstörungen ohne erkennbaren Behandlungsansatz genüge die bloße Behauptung von Motivations- und Krankheitseinsicht nicht, um eine Erfolgsaussicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu begründen.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen an. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Sc. (Auskunft vom 14. Juni 2010) gab an, dass beim Kläger eine Opiatabhängigkeit vorliege, die erfahrungsgemäß langfristig eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit darstelle. Abstinente Abhängige hätten hierbei eine wesentlich bessere Prognose als Substituierte. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit sei bisher noch nicht eingetreten. Anstaltsärztin Dr. G. gab in ihrer Auskunft vom 15. Juni 2010 an, dass beim Kläger eine schwere Drogenabhängigkeit von Opiaten, THC und Benzodiazepinen vorliege. Insgesamt hätten nur kurze Abstinenzzeiten außerhalb der Inhaftierung bestanden. Ferner leide der Kläger an einer chronischen Hepatitis C, derzeit ohne bedeutsamen Leberschaden. Außerdem bestehe der Verdacht auf eine posttraumatische Störung, die nach einem gewalttätigen Überfall auf den Kläger im Jahr 2007 aufgetreten sei, bei welchem dem Kläger mehrere Zähne ausgeschlagen worden und er massiv bedroht worden sei. Bis zur Verlegung des Klägers in die JVA R. sei die Erwerbsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen. Aufgrund der Schwere der zugrunde liegenden Krankheiten sei eine ambulante Therapie wahrscheinlich nicht ausreichend. Aus medizinischer Sicht bestehe nur eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit bei einer erneuten stationären Drogentherapie mit anschließender Adaptionsphase zur erfolgreichen beruflichen Reintegration.
Mit Urteil vom 29. September 2010 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2010, dem Kläger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Es sei zu der Auffassung gelangt, dass gesundheitliche Gründe vorhanden seien, die eine vorzeitige medizinische Rehabilitationsleistung dringend erforderlich machten. Dies ergebe sich in der Zusammenschau der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere nach der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. G., und werde von der Beklagten auch nicht bestritten. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Kammer der Auffassung, dass der Kläger ausreichend motiviert sei und die Maßnahme erfolgsversprechend erscheine. Der Kläger habe der Kammer seine Motivation und Bereitschaft, die Abhängigkeitserkrankung zu überwinden, ausführlich und nachvollziehbar begründet. Er habe nach seinen Angaben vor seiner Inhaftierung regelmäßige Gespräche mit seinem Drogenberater geführt und sich freiwillig einer Entgiftungsbehandlung unterzogen, die durch die Inhaftierung unterbrochen worden sei. Dies verdeutliche den freiwilligen Entschluss und die Motivation des Klägers, seine Abhängigkeitserkrankung zu überwinden. Diesen Entschluss habe der Kläger auch zeitlich vor der Inhaftierung gefasst und mit der Umsetzung begonnen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Begehren einer Entwöhnungsbehandlung und der Möglichkeit der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG bestehe nach Auffassung der Kammer daher nicht. Die Beklagte betone zwar berechtigterweise, dass der Kläger bereits mehrmals Entwöhnungsbehandlungen abgebrochen bzw. die Abstinenz nicht lange angehalten habe und der Kläger bei der bewilligten Entwöhnungsbehandlung in der Rehaeinrichtung Ja. ausdrücklich im Bewilligungsbescheid vom 11. Juni 2007 darauf hingewiesen worden sei, dass die wiederholte Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation wegen einer Abhängigkeitserkrankung letztmalig erfolge. Dennoch schließe sich die Kammer der Einschätzung von Diplompädagogin O. an, die den Abstinenzwillen des Klägers als glaubhaft erachte. Die Motivation des Klägers erscheine nach Auffassung der Kammer ausreichend, um eine dauerhafte Abstinenz zu ermöglichen. Dem Kläger sollte jedoch bewusst sein, dass dies die letzte Chance sein dürfte, seine Abhängigkeitserkrankung mit Hilfe der Beklagten zu überwinden. Der Kläger solle die ihm eröffnete Möglichkeit der Entwöhnungsbehandlung daher als letztmalige Chance nutzen.
Gegen dieses ihr am 18. November 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. November 2010 Berufung eingelegt. Der Kläger betreibe seit 20 Jahren einen fortgesetzten und schweren Drogenmissbrauch. Eine Abstinenz (auch nur von geringer Dauer) habe der Kläger bislang zu keiner Zeit herstellen können. Bestenfalls sei ihm diese durch mehrfache Inhaftierungen "auferlegt" worden, wobei selbst dort permanent eine Drogensubstitution stattfinde. Der Kläger habe in der Vergangenheit bereits fünf Entgiftungen und vier Entwöhnungsbehandlungen durchlaufen. Diese hätten zu keiner Zeit einen auch nur kurzzeitigen Erfolg gebracht. Vielmehr habe der Kläger durch sein Verhalten den steten Abbruch der Maßnahmen aus disziplinarischen Gründen (Rückfall) mitunter selbst verursacht, oder er sei unmittelbar aus der Therapie heraus verhaftet worden. Aus der letzten stationären Entwöhnungsbehandlung sei der Kläger mit einer eher günstigen Prognose entlassen worden. Die daran anschließende Maßnahme in der Tagesklinik in F. habe ganze acht Tage angedauert und sei erneut aus disziplinarischen Gründen beendet worden. Der Kläger habe unmittelbar danach wieder ungehemmten und schweren Drogenmissbrauch betrieben. Die von der Versichertengemeinschaft hierfür zuletzt aufgewandten Mittel hätten annähernd EUR 10.000,00 betragen. Die jetzige erneute Antragstellung auf Entwöhnungsbehandlung sei nach Inhaftierung des Klägers erfolgt. Sie (die Beklagte) habe mit Bescheid vom 31. August 2009 im Rahmen des ihr obliegenden Ermessens eine Bewilligung weiterer Entwöhnungsbehandlungen mangels jeglicher Erfolgsprognose abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage habe für den Kläger zu Unrecht Erfolg gehabt. Das SG habe sie (die Beklagte) direkt zur Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation verurteilt, sei jedoch zur Verurteilung einer Ermessensleistung nicht befugt gewesen. Bereits aus diesem Grund sei das Urteil rechtsfehlerhaft. Sämtliche Rehabilitationsleistungen stellten Ermessensleistungen dar. Das Gericht könne demnach lediglich prüfen, ob eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch vorliege. Das Gericht sei jedoch nicht befugt, eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens zu stellen. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null habe zu keiner Zeit vorgelegen. Wie im Sachverhalt bereits dargestellt, habe der Kläger bereits mehrfach Leistungen zur Entwöhnung erhalten. Diese hätten keinerlei Erfolg gezeitigt. Damit sei aus ihrer Sicht bereits hinreichend belegt, dass für eine weitere Entwöhnungsbehandlung keinerlei Aussicht auf einen Erfolg einer solchen Maßnahme bestehe. Ein Erfolg soll aus ihrer Sicht wenigstens eine Erfolgsprognose im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit erbringen. Eine solche sei durch das SG jedoch zu keiner Zeit mittels eines Sachverständigengutachtens hinterfragt worden. Vielmehr habe sich das SG lediglich den Beteuerungen des Klägers unterworfen, welcher hierin seine letzte Chance sehe. Dies sei bei schwer Drogenabhängigen und Haftinsassen regelmäßig der Fall und begründe weder eine positive Chance noch eine negative Bewertung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. September 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Anders als von der Beklagten vertreten, habe das SG nicht rechtsfehlerhaft "durchentschieden". Das SG habe rechtsfehlerfrei erkannt, dass die streitgegenständliche Versagung der Therapiemaßnahme in jeder Hinsicht spruchreif gewesen sei. Ein Gericht habe dann eine eigene Entscheidung zu treffen und so faktisch die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu ersetzen, wenn absehbar sei, dass die im Urteil auszusprechende Verpflichtung, ihn (den Kläger) unter Beachtung der Rechtsauffasssung des Gerichts zu bescheiden, nur zu einer Verzögerung führe und nicht gesichert sei, dass die Verwaltungsbehörde auch tatsächlich im Sinne des Gerichts entscheiden werde. Zutreffend habe das SG erkannt, dass die gesundheitlichen Aspekte eine Entscheidung zu seinen (des Klägers) Gunsten unabdingbar gemacht hätten. Dies - nicht dagegen die Frage, wie viel Geld die Beklagte respektive die Versichertengemeinschaft bisher investiert habe - seien in den Mittelpunkt der Entscheidung zu rücken. Dr. G. habe mitgeteilt, dass sein Gesundheitszustand eine weitere Rehabilitationsmaßnahme dringend erforderlich mache. Außer dem regelmäßigen Kontakt und den Gesprächen mit dem Drogenberater gebe es in der Haftanstalt keine zusätzlichen Gruppen oder Therapieangebote. Er (der Kläger) habe sich seit Haftbeginn bei mehreren Einrichtungen ohne Kostenträger beworben, jedoch hätten Gericht und Staatsanwaltschaft die Durchführung einer Maßnahme dort abgelehnt mit der Begründung, er solle sich in eine professionelle Behandlung begeben. Angeblich sei es nicht mehr möglich, eine Therapie ohne Kostenträger vor Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe zu machen. Es sei ihm sehr wichtig, dass er die eine Chance nochmal bekomme. Eine Therapie zu Lasten der Beklagten wäre besser für ihn, da er der Einsicht sei, dass es bei ihm einige psychische Störungen gebe, die er nur mit professioneller therapeutischer Hilfe bewältigen könne. Es sei ihm bewusst, dass dies nicht die erste Behandlung für ihn sei. Wären seine Mutter und seine Großmutter im Jahr 2007 nicht gestorben, hätte er das Suchtproblem schon nach seiner Behandlung in Ja. in den Griff bekommen. Aufgrund von Trauer und Schmerz sei dies jedoch nicht möglich gewesen. Zur Zeit befinde er sich in der JVA Konstanz im Substitutionsprogramm. Seither gehe es ihm psychisch besser, er könne arbeiten, die Depressionen und Ängste seien weg. Bei ihm bestehe immer die Gefahr, zu Benzodiazepinen zu greifen. Zur Zeit nehme er diese nicht ein, es bereite ihm jedoch viel Angst, wenn er daran denke, was passiere, wenn er wieder irgendwann mal frei und draußen sei. Ohne eine Behandlung sehe er der Zukunft sehr skeptisch entgegen. Er befinde sich in regelmäßiger Behandlung des zuständigen Anstaltsarztes Dr. Di ... Auch nach seinem behandelnden Anstaltsarzt Dr. Di. sei eine Entwöhnungstherapie dringend erforderlich. Dass er derzeit arbeitsfähig sei, stehe nicht im Widerspruch zum Klagebegehren. Er sei suchtkrank und werde, wenn die Therapie versagt werde, wesentlich schlechtere Aussichten auf ein suchtfreies und abstinentes Leben haben. Die begehrte Therapiemaßnahme diene nicht nur der kurzfristigen punktuellen Behandlung, sondern solle ihm (dem Kläger) eine Grundlage für ein dauerhaft abstinentes Leben bieten. Dass es ihm derzeit gelinge, seine Suchterkrankung so weit zu bändigen, dass er arbeitsfähig sei, könne ihm nicht zum Nachteil gereichen; auf dieser Grundlage könne die Erforderlichkeit der Rehabilitationsmaßnahme nicht verneint werden. Einer derzeitigen Erbringung der Leistung stehe zwar § 12 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) entgegen. Er begehre jedoch nur die grundsätzliche Feststellung dahingehend, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm eine Maßnahme zur Rehabilitation zu bewilligen. Ein konkreter Zeitpunkt oder Zeitraum, in welchem diese Leistung zur Teilhabe zu erbringen sei, werde nicht verlangt.
Der Senat hat Dr. Di. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat in der am 01. Juni 2011 beim LSG eingegangenen Auskunft angegeben, beim Kläger sei die Diagnose eines Opiatentzugssyndroms gestellt worden, zudem eine leicht depressive Erkrankung und Schulterarmbeschwerden rechts. Es sei eine Opiat-Substitutions-Therapie durchgeführt worden sowie eine antidepressive Therapie mit Mirthazapin und zudem eine Schmerztherapie mit Antiphlogistika und Infiltration von Lokalanästhetika und Corticoiden. Eventuell könnten durch Rehamaßnahmen die Beschwerden im Schulterarmbereich verbessert werden. Es solle auf jeden Fall noch eine fachärztlich-orthopädische Untersuchung erfolgen, um diese Indikation zu stellen. Im Übrigen erscheine ihm ein stationäres Heilverfahren nicht dringend vor Mitte Oktober 2011 erforderlich. Bezüglich der Opiatabhängigkeit könne eine Arbeitsfähigkeit durch Substitutionsbehandlung erhalten werden. Eine Entwöhnungstherapie sei sicher wünschenswert, jedoch nicht dringend erforderlich.
Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Kläger das Attest des Dr. Di. vom 28. Juni 2011 und ein Schreiben desselben vom 01. August 2011 vorgelegt. Im Attest vom 28. Juni 2011 gibt Dr. Di. an, nachdem er nochmal mit dem Kläger gesprochen habe, halte er eine Entwöhnungstherapie für dringend erforderlich. Unter der gegenwärtigen Substitutionstherapie sei der Kläger zwar arbeitsfähig, langfristig würde seine Arbeitsfähigkeit jedoch sicherlich vermindert werden. Der Kläger sei derzeit hochmotiviert, an einer Entwöhnungstherapie teilzunehmen. Nach dem Schreiben des Dr. Di. vom 01. August 2011 ist der Kläger derzeit mit einem Opiat-Ersatzstoff substituiert. Falle dieser Ersatzstoff weg, sei der Kläger mit Sicherheit nicht arbeitsfähig. Da Opiat-Substitutionsplätze limitiert seien, sei nicht zu erwarten, dass der Kläger sofort substituiert werde nach der Haft.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Januar 2010 ist rechtmäßig, weshalb das SG ihn nicht hätte aufheben dürfen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Entwöhnungsbehandlung. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage des Klägers abzuweisen.
1. Entgegen dem letzten Vorbringen des Klägers geht der Senat davon aus, dass nicht lediglich die Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung einer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Entwöhnungsbehandlung begehrt wird. Ein in diesem Sinne von dem in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 29. September 2010 zu Protokoll gegebenen abweichender Antrag könnte nur als teilweise Klagerücknahme bei Umwandlung des Leistungs- in einen Feststellungsantrag verstanden werden. Da eine Klage mit diesem Begehren aufgrund der Subsidiarität der Feststellungsklage jedoch unzulässig und die Berufung der Beklagten schon aus diesem Grunde erfolgreich wäre, geht der Senat vielmehr unverändert von einem Anfechtungs- und Leistungsbegehren des Klägers aus.
2. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erbringt der Rentenversicherungsträger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen. Ob medizinische Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind (sog. Eingangsprüfung) steht - anders als von der Beklagten eingewandt - nicht im Ermessen der Rentenversicherung (hier der Beklagten), sondern ist alleine davon abhängig, ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des § 10 SGB VI (persönliche Voraussetzungen) und des § 11 SGB VI (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) vorliegen und kein Leistungsausschluss gemäß § 12 SGB VI gegeben ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG - , Urteil vom 23. Februar 2000 - B 5 RJ 8/99 R; vgl. dazu auch Kater, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, EL April 2010, § 13 Rn. 5). Das "Ob" einer medizinischen Reha-Maßnahme ist daher vollumfänglich gerichtlich überprüfbar. Gemäß § 13 Abs. 1 SGB VI bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall dann unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Maßnahmen sowie der Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Hinsichtlich des "Wie", das heißt Art, Dauer, Umfang usw., liegt eine Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers vor, die durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüft werden kann.
Ausgehend davon hat die Beklagte zu Recht die erneute Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Entwöhnungsbehandlung abgelehnt. Es liegen im Falle des Klägers nämlich bereits die Eingangsvoraussetzungen für die begehrte stationäre Drogentherapie nicht vor, weil der Kläger die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10 SGB VI für die Durchführung einer solchen Therapie nicht aufweist. Zudem ist ein Ausschlussgrund im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI gegeben.
a) § 10 SGB VI macht zur persönlichen Voraussetzung für die Gewährung einer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, dass eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) und eine positive Erfolgsprognose für die Behebung der Einschränkungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) vorliegen. Die Maßstäbe dieser Vorschrift werden auch durch die von der Beklagten zitierte "Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger bei der Akutbehandlung (Entzugsbehandlung) und medizinischen Rehabilitation (Entwöhnungsbehandlung) Abhängigkeitskranker" (hier maßgeblich allerdings die jüngste Fassung vom 04. Mai 2001) aufgegriffen.
Der Senat hält schon für zweifelhaft, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI gemindert oder erheblich gefährdet ist. Der Kläger hat über viele Jahre hinweg trotz seiner Drogenabhängigkeit immer wieder Arbeit gefunden und diese auch verrichten können. Der ihn derzeit behandelnde Anstaltsarzt Dr. Di. hat hierzu in seiner vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenaussage (bei Gericht eingegangen am 01. Juni 2011) angegeben, bezüglich der Opiatabhängigkeit könne eine Arbeitsfähigkeit durch Substitutionsbehandlung erhalten werden; eine Entwöhnungstherapie sei zwar wünschenswert, aber nicht dringend erforderlich. Diese Aussage hat Dr. Di. auch in seinem weiteren Schreiben vom 28. Juni 2011 letztlich nicht in Frage gestellt, indem er ausgeführt hat, zwar sei der Kläger gegenwärtig arbeitsfähig, aber langfristig würde seine Arbeitsfähigkeit sicherlich vermindert werden. Die nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erforderliche Erheblichkeit der Gefährdung der Erwerbsfähigkeit dürfte damit vorliegend nicht gegeben sein. Die weiteren Ausführungen des Dr. Di. zur Motivation des Klägers hinsichtlich der begehrten Entwöhnungstherapie betreffen die Frage nach der Erfolgsprognose, nicht dagegen der Erwerbsminderung.
Jedenfalls aber fehlt es vorliegend an einer positiven Erfolgsprognose für die Behebung der beim Kläger bestehenden Drogenabhängigkeit (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Für die erforderliche Prognose reicht die entfernt liegende Möglichkeit nicht; Voraussetzung ist vielmehr grundsätzlich, dass der Erfolg der Leistung wahrscheinlich ist (vgl. schon BSG, Urteil vom 17. Februar 1982 - 1 RJ 102/80 - BSGE 53, 100, 105). Es muss nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung insbesondere der Leiden, der persönlichen Verhältnisse und der Bereitschaft zur Mitwirkung mehr dafür als dagegen sprechen, dass die Leistung zu einer wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit führen kann. Ist bei vorausschauender Betrachtung der Erfolg der Leistung nicht nur zweifelhaft, sondern kann die Möglichkeit eines Erfolgs nicht erwartet werden, ist die Rehabilitationsleistung abzulehnen (vgl. Kater, aaO, Rn. 14). Bei Leistungen für Drogenabhängige sind allerdings an die Erfolgsaussichten keine übertriebenen Anforderungen zu stellen. Sie können vom Rentenversicherungsträger auch dann durchgeführt werden, wenn der Erfolg unsicher, aber möglich ist (vgl. bereits BSG, Urteil vom 24. März 1983 - 8 RK 2/82 - SozR 2200 § 184a Nr. 5). Bei der zu stellenden Prognose kommt es darauf an, ob nach den im Zeitpunkt der Einleitung der Leistung und während der Dauer ihrer Durchführung jeweils erkennbaren Tatsachen die Folgerung gerechtfertigt ist, dass eine Chance besteht, das Rehabilitationsziel zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1992 - 13 RJ 27/91 - in juris). Dann allerdings, wenn eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben von vornherein nicht zu erwarten ist oder nicht aussichtsreich erscheint, ist eine Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers nicht gegeben.
Aus Sicht des Senats kommt danach die erneute Gewährung einer Entwöhnungsbehandlung nicht in Betracht, weil sich eine positive Erfolgsprognose im Falle des Klägers nicht bejahen lässt. Es besteht nach derzeitigem Stand der Dinge keine Chance, dass das Rehabilitationsziel der andauernden Abstinenz durch eine erneute Entwöhnungstherapie erreicht wird. Zwar hat Diplom-Pädagogin O. von der Psychosozialen Beratungsstelle H. in ihrem Sozialbericht vom 17. August 2009 dem Kläger einen glaubhaften Abstinenzwillen bescheinigt. Einen solchen grundsätzlichen Willen stellt jedoch auch der Senat nicht in Abrede. Der Kläger hat eindrücklich geschildert, dass er aufgrund verschiedener Bezugspersonen (insbesondere seinem Vater und seiner Tochter) ein drogenfreies Leben führen möchte. Jedoch ist allein der Wille zur Abstinenz aus Sicht des Senats nicht ausreichend; vielmehr muss auch anhand der äußeren Umstände jedenfalls eine gewisse Chance zum tatsächlichen Erreichen andauernder Abstinenz begründbar sein. Die Beklagte hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits langjährig drogenabhängig ist und echte "Clean-Phasen" lediglich durch die äußeren Umstände einer Haft erzwungen waren. Insbesondere aber spricht der Verlauf der bisherigen Therapien gegen eine positive Rehabilitationsprognose. In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa den Beschluss des Hessischen LSG vom 06. Januar 2011 - L 5 R 486/10 B ER - in juris) geht der Senat davon aus, dass eine positive Erfolgsprognose ganz erheblich in Frage steht, wenn der Versicherte wiederholt nicht mitgewirkt bzw. die Teilnahme an der Rehabilitationsleistung abgebrochen hat. Dies ist hier in ganz extremem Maße der Fall. Der Kläger hat bereits eine Vielzahl von Entwöhnungsbehandlungen durchgeführt (unter Berücksichtigung auch derjenigen in einer kirchlichen Einrichtung insgesamt sechs), die alle erfolglos waren. Die von ihm bis einschließlich des Jahres 2006 durchgeführten Entwöhnungstherapien hat er sämtlich eigenmächtig vorzeitig abgebrochen. Die ihm von der Beklagten zuletzt bewilligte Entwöhnungstherapie im Jahr 2007, die sich in eine stationäre und eine ambulante Phase gliederte, hat der Kläger hinsichtlich der stationären Phase zwar vollständig durchgestanden. Im Rahmen der sich daran unmittelbar anschließenden ambulanten Therapiephase mit ganztägiger Betreuung hat er jedoch bereits innerhalb der ersten Woche einen Rückfall erlitten und ist anschließend nicht einmal mehr zur Maßnahme erschienen. Dabei waren die vom Kläger jetzt als Indikator für hinreichende Erfolgsaussichten einer neuen Maßnahme herangezogenen persönlichen Bindungen schon vorher als Motivationsfaktoren vorhanden. Den Akten lässt sich entnehmen, dass der Kläger seiner schon von einer ungünstigen Krebsprognose gezeichneten Mutter seinerzeit versprochen hatte, seine Abhängigkeit wirksam zu bekämpfen; gleichwohl war er damals rückfällig geworden. Auch hatte der Kläger zu seiner Tochter schon vor dem letzten Rückfall eine erhebliche emotionale Bindung aufgebaut; auch dies hat ihn jedoch nicht von einem erneuten Rückfall abzuhalten vermocht. Schließlich hatte die Beklagte dem Kläger in ihrem letzten eine Maßnahme bewilligenden Bescheid vom 11. Juni 2007 sehr deutlich gemacht, dass diese Maßnahme die letzte von Seiten der Beklagten bewilligte Chance darstelle. Trotz dieses "Erfolgsdrucks" hat der Kläger den Erfolg dieser Maßnahme innerhalb kürzester Zeit nach Entlassung aus der stationären Entwöhnungstherapie im Rahmen einer ganztägigen ambulanten Rehabilitationsmaßnahme wieder aufs Spiel gesetzt. Einen neuen Stabilitätsfaktor vermag der Senat allenfalls in der vom Kläger genannten Freundin zu sehen, mit der zusammen er nunmehr seine Sucht angehen möchte. Angesichts der Vielzahl der gegen eine Erfolgschance sprechenden Faktoren vermag dies jedoch eine hinreichende Erfolgsprognose nicht zu begründen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger (trotz Freundin) die erneute Inhaftierung mit dem Ergebnis der Trennung von dieser Freundin riskiert hat und überdies die erneute Entwöhnungstherapie erst nach erfolgter Inhaftierung beantragt wurde.
b) Neben dem Fehlen der persönlichen Voraussetzungen für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation liegt aber auch der Ausschlusstatbestand des § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI vor. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen zur Teilhabe nicht für Versicherte erbracht, die sich in Untersuchungshaft oder im Vollzug einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregelung der Besserung oder Sicherung sich befinden oder einstweilig nach § 126 a Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) untergebracht sind. Dieser Ausschlussgrund greift bei Aussetzung oder Unterbrechung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe nicht ein. Eine Unterbrechung der Freiheitsstrafe zum Zwecke der Durchführung der Leistung zur medizinischen Rehabilitation wird nur in § 35 BtmG geregelt. Eine solche Unterbrechung liegt jedoch hier nicht vor. Die Tatsache, dass eine Unterbrechung erfolgen könnte, ist insoweit unerheblich. Der Gesetzgeber hat einen eindeutigen Wortlaut in § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI gewählt. Die Möglichkeit einer bedingten Rehabilitationsgewährung bei Wegfall der Ausschlussvoraussetzungen ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen (vgl. ebenso LSG Hessen, aaO). Auch verfängt das Argument des Klägers nicht, er habe ja keine sofortige, sondern eine irgendwann durchzuführende Maßnahme beantragt. Auch diese Argumentation hebelte den Ausschlussgrund des § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI, folgte man ihr, vollständig aus, da fast jede Freiheitsstrafe im Ergebnis zeitlich begrenzt ist und daher diese Regelung keinerlei Anwendungsbereich mehr hätte. Zudem wäre die vom Kläger begehrte Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme "auf Vorrat" auch mit dem Regelungsgefüge der §§ 9 ff SGB VI nicht vereinbar. Diese Vorschriften setzen das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme voraus und machen daher stets eine aktuelle Überprüfung derselben erforderlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved