L 1 RA 78/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RA 56/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 RA 78/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1946 geborene Kläger erwarb nach dem Studium an der Technischen Universität Berlin (15.3.1965 - 8.11.1979) im Jahre 1979 den Grad eines Diplom-Physikers. Das Arbeitsamt gewährte zunächst Arbeitslosenhilfe (9.11.1979 - 28.9.1981), anschließend Übergangsgeld für die Dauer seiner Umschulung zum Eurythmisten vom 29.9.1981 bis 31.8.1986. Seit 1.9.1986 steht der Kläger im Arbeitsverhältnis.

Im Januar 1993 beantragte er die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die am 2.7.1974 und 3.8.1976 geborenen Kinder G. und K. seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau G. H. (Eheschließung am 20.10.1981). Er sei nicht der leibliche Vater der Kinder, jedoch habe er sich wegen des damaligen Gerichtsreferendariats seiner Lebenspartnerin die Betreuung der Kinder partnerschaftlich geteilt.

Mit streitigem Bescheid vom 29.11.1993 lehnte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) den Antrag ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung lägen in der Zeit vom 1.8.1974 bis 19.10.1981 nicht vor. Den Widerspruch begründete der Kläger damit, dass nur durch seine Betreuung der Kinder die Beigeladene ihre begonnene Referendarausbildung sofort nach Ende des Mutterschutzes habe fortsetzen und den Unterhalt der Kinder finanziell sichern können. Dies dürfe ihm rentenrechtlich nicht zum Nachteil gereichen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5.12.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger gehöre im begehrten Zeitraum nicht zu den erziehenden Elternteilen im Sinne des Gesetzes. Ein Stiefelternverhältnis bestehe erst ab der Verehelichung am 20.10.1981. Ein Pflegekindschaftsverhältnis scheitere daran, dass die Kinder trotz der Ausbildung der Mutter als Gerichtsreferendarin nicht aus deren Obhut und Erziehungsgewalt ausgeschieden seien und die alleinige Fürsorge für die Kinder nicht auf den Kläger übergegangen sei.

Mit seiner zum Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, der Gesetzgeber habe den bei ihm vorliegenden Fall einer sozialen Vaterschaft, der sich seit Geburt um die Betreuung der Kinder kümmere, selbst aber nicht biologischer Vater sein könne, nicht bedacht. Bei einer solchen Regelungslücke müssten die maßgeblichen Vorschriften analog angewandt werden. Vor der Heirat im Oktober 1981 habe er die Kinder nicht anerkannt. Das SG hat die Mutter der Kinder G. und K. mit Beschluss vom 15.1.1999 zum Verfahren beigeladen.

Durch Urteil vom 7.2.2001 hat das SG die Klage abgewiesen, ein Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung bestehe nicht. Der Kläger habe die Kinder vor der Heirat am 20.10.1981 nicht angenommen, noch könne er bis zu diesem Zeitpunkt als Stiefelternteil angesehen werden. Ebenso wenig liege ein Pflegekind- schaftsverhältnis vor, da das familiäre Band zwischen den Kindern und der leiblichen Mutter bei einem Leben in häuslicher Gemeinschaft nicht gelöst sei. Unschädlich sei, dass bei Abwesenheit der Mutter die Betreuung und Versorgung der Kinder von einer anderen Person wie dem Kläger, der auch im Haushalt lebe, wahrgenommen werde. Insgesamt gehöre der Kläger nicht zu den erziehenden Elternteilen im Sinne des Gesetzes (§§ 56, 249, 57 SGB VI).

Die Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) stützt der Kläger im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 7.2.2001 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 29.11.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.12.1996 zu verurteilen, die Zeit von 1.8.1974 bis 19.10.1981 bei ihm als Kindererziehungszeit bzw. als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Mit einer Übertragung der vom Kläger geltend gemachten Zeiten für die Zeit nach dem Jahr 1979 sei sie nicht einverstanden, da sie in dieser Zeit vom Kläger getrennt gelebt habe und die Kinder selbst erzogen habe.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143, 151 SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG entschieden, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitraum (1.8.1974 - 19.10.1981) keinen Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten noch auf eine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung hat.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vormerkung von Pflichtbeitragszeiten und Berücksichtigungszeiten für die am 1974 und 1976 geborenen Kinder nach § 149 Abs. 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sowie §§ 56, 57 und 249 Abs.1 SGB VI liegen nicht vor. Zugunsten des Klägers besteht bis zum 19.10. 1981 weder eine Stiefelternschaft noch eine Pflegeelternschaft; auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht.

Eine Anerkennung aus dem Verhältnis als Stiefelternteil scheidet im streitigen Zeitraum aus. Für einen Elternteil wird neben weiteren Voraussetzungen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist. Über § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) wird der Begriff "Elternteil" auf Stiefeltern erweitert. Ein Stiefelternteil ist eine Person, die mit dem Kind des anderen Ehegatten einen eigenen Haushalt bildet und mit ihm ein auf Dauer angelegtes elternähnliches Betreuungs- und Erziehungsverhältnis begründet. Vorliegend sind die beiden Kinder zwar Stiefkinder des Klägers - nicht seine eigenen Kinder, da die Beigeladene diese als Mutter der Kinder in die Ehe eingebracht hat. Bei Eheschließung am 20.10.1981 war der Kläger erst ab diesem Zeitpunkt Stiefelternteil geworden. Er war es somit nicht schon im streitigen Zeitraum.

Eine Anerkennung aus dem Verhältnis als Pflegeelternteil kommt ebenfalls nicht in Betracht. Rechtsgrundlage ist § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI i.V.m. § 56 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 SGB I, der den Begriff "Elternteil" auf Pflegeeltern erweitert. Ein Pflegekindschaftsverhältnis liegt nur dann vor, wenn die Kinder aus der Obhut und Erziehungsgewalt der Kindesmutter ausgeschieden sind und die alleinige Fürsorge auf den Pflegeelternteil übergegangen ist. Erfolgt die Betreuung der Kinder lediglich tagsüber und werden die Kinder abends oder an Wochenenden von der Kindesmutter betreut, so liegt kein Pflegekindschaftsverhältnis vor. Dies hat das SG zutreffend ausgeführt und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesssozialgerichts im Einzelnen dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI nicht in Betracht, da als deren Voraussetzung eine Regelungslücke nicht ersichtlich ist. Der Gesetzgeber hat den Kreis der Eltern, denen eine Kindererziehungszeit angerechnet werden kann, über die leiblichen Eltern hinaus auf Stiefeltern und Pflegeeltern erweitert (vgl. § 56 Abs.1 Satz 2 SGB VI i.V.m. § 56 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I). Eine Gleichstellung mit leiblichen Eltern erfolgt auch dann, wenn Personen Kinder nach §§ 1741 ff BGB an Kindesstatt als Adoptivvater bzw. Adoptivmutter annehmen. Von all diesen Möglichkeiten hat der Kläger bis zum 20.10. 1981 keinen Gebrauch gemacht, obwohl er nach seinen Angaben im Verwaltungsverfahren von Geburt der Kinder an mit der Beigeladenen im gemeinsamen Haushalt durchgehend gelebt hat.

Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) lässt sich eine Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 56 Abs.1 Satz 2 SGB VI nicht herleiten.

Das BVerfG (vgl. BVerfGE 87,1) hat den Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet, Nachteile der Kindererziehenden in der Alterssicherung weiter abzubauen; dabei seien die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. In einer weiteren Entscheidung (Beschluss vom 12.3.1996, 1 BvR 609/90, Band 94, 241) forderte das BVerfG eine verfassungsge- mäße Neuregelung der bisherigen Vorschriften zur Bewertung von Kindererziehungszeiten bis zum 1.7.1998. Dieser Aufforderung ist der Gesetzgeber im Rahmen des Rentenreformgesetzes 1999 nachgekommen.

Für die Beurteilung, ob eine Berücksichtigungszeit anzuerkennen ist, gilt nichts anderes. Denn nach § 57 Satz 1 SGB VI müssen die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Dies war, wie oben im Einzelnen dargelegt, zu verneinen.

Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung, § 193 SGG, beruht auf der Erwägung, dass das Rechtsmittel des Klägers keinen Erfolg hat.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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