Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 An 71/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 85/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Regelung des § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI kommt zur Anwendung, wenn eine kleine Witwen- oder Witwerrente nach 01.01.1992 in eine große umgewandelt wird; § 89 SGB VI steht dem nicht entgegen.
2. Dies gilt auch dann, wenn die kleine Witwen- oder Witwerrente bereits vor 01.01.1992 bezogen und ab 01.01.1992 gemäß § 307 SGB VI umgewertet worden ist.
2. Dies gilt auch dann, wenn die kleine Witwen- oder Witwerrente bereits vor 01.01.1992 bezogen und ab 01.01.1992 gemäß § 307 SGB VI umgewertet worden ist.
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. April 1996 sowie Abänderung des Bescheides vom 29. Juni 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 1995 verurteilt, bei Berechnung der großen Witwenrente der Klägerin Entgeltpunkte von 68,9189 zugrunde zu legen.
II. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Berechnung der großen Witwenrente der Klägerin.
Die am ...1949 geborene Klägerin ist die Witwe des am ...1944 geborenen und am 03.10.1991 verstorbenen Versicherten ... Mit Bescheid vom 13.02.1992 bewilligte die Beklagte der Klägerin Hinterbliebenenrente ab 03.10.1991 und berechnete sie nach den Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -. Eine Zurechnungszeit kam nicht zur Anrechnung. Die Rente belief sich auf DM 1.190,00. Nach Ablauf des Sterbevierteljahres (03.01.1992) betrug die Rente DM 714,00.
Im Hinblick auf das zum 01.01.1992 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI -, wurden gemäß § 307 SGB VI Entgeltpunkte ermittelt. Dies geschah, indem der Monatsbetrag der zu leistenden anpassungsfähigen Rente durch den aktuellen Rentenwert und den für die Rente zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Rentenartfaktor geteilt wurde. Ausgehend von einem aktuellen Rentenwert von 41,44 und einem Rentenartfaktor von 0,25 für die kleine Witwenrente ergaben sich 68,9189 persönliche Entgeltpunkte.
Mit Bescheid vom 29.06.1994 bewilligte die Beklagte ab 01.09.1994 die große Witwenrente in Höhe von monatlich DM 1.566,05 (abzüglich des anzurechnenden Einkommens in Höhe von DM 26,74). Die Zeit vom 03.10.1991 bis 30.06.2001 wurde als Zurechnungszeit angesehen. Die Beklagte ermittelte die Rente aus 56,7411 persönlichen Entgeltpunkten, einem Rentenartfaktor für die große Witwenrente von 0,6 sowie einem aktuellen Rentenwert von 46,00. Die Klägerin erhob Widerspruch, da bei der Berechnung nur von 56,7411 persönlichen Entgeltpunkten statt 68,9189 ausgegangen worden sei. Nach § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI seien aber mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde zu legen und eine entsprechend höhere Rente zu zahlen.
Mit Bescheid vom 17.02.1995 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Ermittlung der Rente in Sonderfällen durch Übernahme von persönlichen Entgeltpunkten sei in § 88 SGB VI geregelt. Während das bisherige Recht den Besitzsschutz über die Zahlbetragsgarantie gewährleiste, seien zukünftig die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte besitzgeschützt. Im Ergebnis würden damit die Grundsätze des bisherigen Rechts übernommen. Seien die der kleinen Witwenrente zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte durch Umwertung nach § 307 SGB VI ermittelt worden, dürften diese persönlichen Entgeltpunkte der großen Witwenrente nicht als besitzgeschützt zugrunde gelegt werden. Sie würden bei der großen Witwenrente zu erhöhten Rentenbeträgen führen. Deshalb seien die bei der Umwertung der kleinen Witwenrente nach § 307 SGB VI ermittelten persönlichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6250 zu vervielfältigen. Das Ergebnis seien die nach § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI als besitzgeschützt zu übernehmenden Entgeltpunkte, wenn sich bei der Berechnung der großen Witwenrente weniger persönliche Entgeltpunkte ergäben. Bei der Klägerin errechneten sich, ausgehend von den gemäß § 307 SGB VI ermittelten Entgeltpunkte von 68,9189, vervielfältigt mit dem Faktor 0,6250 als besitzgeschützte Entgeltpunkte 43,07. Die Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte habe bei der Klägerin einen Wert von 56,7411 erbracht. Die sich aus der großen Witwenrente ergebenden Entgeltpunkte seien demnach höher als die besitzgeschützten; der Besitzschutz sei in diesem Fall nicht anzuwenden.
Mit der am 13.03.1995 beim Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Nach ihrer Ansicht kann der Rentenversicherungsträger nicht eine im Gesetz nicht vorgesehene Sonderregel anwenden. Der Gesetzgeber habe in Kauf genommen, daß bei einer generell vorgenommenen pauschalierten Umwertung sich Rentenbeträge ergeben könnten, die über einer z.B. nach altem Recht möglichen großen Witwenrente lägen. Er sei davon ausgegangen, daß bei einer Pauschalierung sowohl positive als auch negative Aspekte auftreten könnten.
Das Sozialgericht wies mit Urteil vom 24.04.1996 die Klage ab. Es vertrat die Ansicht, die Besitzschutzregelung des § 88 SGB VI könne nur zur Anwendung kommen, wenn der Anspruch auf die bisherige Rente bei Beginn der späteren Rente nicht mehr bestehe. Solange die Ansprüche nebeneinander gegeben seien, sei § 89 SGB VI maßgebend, d.h. der Besitzschutz des § 88 SGB VI greife nicht, wenn der Anspruch auf die bisherige Rente weiterbestehe. § 88 SGB VI sei daher nicht anwendbar, wenn eine Witwe zunächst nur Anspruch auf die kleine Witwenrente und erst später (z.B. wie die Klägerin nach Vollendung des 45. Lebensjahres) zusätzlich Anspruch auf die große habe. In einem solchen Fall gehe der Anspruch auf die kleine Witwenrente nicht mit Beginn der großen verloren, jene werde lediglich nach § 89 Abs.2 SGB VI nicht gezahlt. Durch diese Grundsätze werde ein Versicherter, der Anspruch auf eine andere (weitere) Rente habe, nicht benachteiligt, solange alle Renten, auf die ein Anspruch bestehe, nach neuem Recht berechnet worden seien. Anders verhalte es sich, wenn die erste Rente nach bisherigem Recht festzustellen und die Folgerente nach neuem Recht zu berechnen sei. Da es in solchen Fällen zwar zu höheren Folgerenten komme, die Differenz bezogen auf das alte Recht aber nicht im Verhältnis der Rentenartfaktoren entspreche, hätten sich die Rentenversicherungsträger auf das sog. Institut der erweiterten Zahlbetragsgarantie verständigt. Dieses Verfahren entspreche zwar nicht den §§ 88, 89 SGB VI, es werde aber sichergestellt, daß sich das neue Recht auf Bestandsrenten zum einen nicht negativ auswirke, zum anderen im Vergleich zum alten Recht keine ungereimten Ergebnisse ergebe. Das ab 01.01.1992 geltende Recht ersetze die früheren Steigerungssätze durch die Rentenartfaktoren. Im Ergebnis errechneten sich dadurch bis auf die kleine Witwen- und Witwerrente die gleichen Rentenhöhen wie nach dem alten Recht. Für diese beiden genannten Rentenarten hätte sich gegenüber dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht ein Rentenartfaktor von 0,4 ergeben (60% des Rentenartfaktors 0,6667) - § 67 SGB VI -. Die Festlegung des Rentenartfaktors auf 0,25 sei jedoch deshalb erfolgt, weil ab 01.01.1992 bei der Berechnung der kleinen Witwen- bzw. Witwerrente die Zurechnungszeit berücksichtigt werde. In diesen Fällen ergäben sich daher die persönlichen Entgeltpunkte in einer dem bisherigen Recht entsprechenden Höhe nur dann, wenn der anpassungsfähige Monatsbetrag durch den aktuellen Rentenwert und den Rentenartfaktor 0,4 geteilt werde. Nur dieses Ergebnis solle besitzgeschützt sein. Denn die Einführung des neuen Rechts sollte sich nicht nachteilig auswirken, aber auch nicht zu ungereimten Ergebnissen führen. Diese Berechnungsweise führe zu besitzgeschützten persönlichen Entgeltpunkten in Höhe von 43,07. Der Besitzschutz sei im Falle der Klägerin jedoch nicht anzuwenden, da die sich aus der großen Witwenrente ergebenden persönlichen Entgeltpunkte höher gewesen seien (56,7411). Ausgehend von diesem Betrag errechne sich eine monatliche Rente von DM 1.566,05. Derselbe Betrag ergäbe sich bei einer an dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht orientierten Vergleichsberechnung in Bezug auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente des Versicherten (56,7411 x 1 x 46,00 = DM 2.610,09 x 60% = DM 1.566,05).
Die Klägerin legte am 21.06.1996 Berufung ein.
Sie beantragt sinngemäß,
der Bescheid der Beklagten vom 29.06.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.02.1995 sowie das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.04.1996 werden insoweit berichtigt, als bei der Rentenberechnung die nach § 307 SGB VI i.V.m. § 88 Abs.2 SGB VI besitzgeschützten Entgeltpunkte von 68,9189 der Rentenberechnung zugrunde zu legen sind.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.04.1996 zurückzuweisen.
Die Klägerin stützt sich darauf, daß die Schutzvorschrift des § 88 SGB VI zur Anwendung komme. Die von der Beklagten vorgenommene Umwertung sei im Gesetz nicht vorgesehen.
Die Beklagte nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg Bezug.
Dem Senat liegen vor die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Nürnberg sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin genießt Besitzschutz und hat Anspruch darauf, daß ihre große Witwenrente unter Berücksichtigung von persönlichen Entgeltpunkten im Umfang von 68,9189 ermittelt wird. Dies ergibt sich aus § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI i.V.m. § 307 SGB VI.
Nach § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI werden bei Berechnung einer Witwenrente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt, wenn eine Witwe eine Hinterbliebenenrente bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine solche Rente beginnt. Die vom Sozialgericht (unter Bezugnahme auf Stahl in Hauck-Haines SGB VI, K Rdnr.7 zu § 88) vertretene Ansicht, § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI habe zur Voraussetzung, daß der Anspruch auf die bisherige Rente bei Beginn der späteren Rente nicht mehr bestehe, überzeugt nicht. Zwar trifft es zu, daß in einem solchen Fall der Anspruch auf die kleine Witwenrente nicht mit Beginn der großen Witwenrente vollständig entfällt, es wird vielmehr lediglich die kleine Witwenrente nach § 89 Abs.2 SGB VI nicht geleistet. Dies bedeutet, daß das Rentenstammrecht nicht weggefallen ist, sondern nur die Einzelansprüche nach § 89 SGB VI "ruhen". Die von Niesel (KassKomm 6 § 88 Rdnr. 3 a) zu § 88 Abs.1 SGB VI, dem dieselbe Problematik zugrunde liegt, vertretene Ansicht, überzeugt in vollem Umfang. Danach ist bei nebeneinander bestehenden Rentenansprüchen die Anwendung des § 89 SGB VI statt des § 88 SGB VI mit dem Normzweck des § 88 SGB VI, für die Folgerenten einen dynamischen Besitzschutz zu gewährleisten, nicht vereinbar und auch nicht zwangsläufig aus dem Wortlaut des § 88 SGB VI abzuleiten. Die Grundsatznorm des Abs.1 Satz 1 stellt nur auf den Bezug einer späteren Rente, nicht aber auf den Wegfall der bisherigen Rente bzw. des subjektiven Stammrechts ab. Es reicht vielmehr, wenn wegen § 89 SGB VI kein Anspruch mehr auf die aus dem Stammrecht erwachsenden Einzelansprüche besteht. Zwar enthalten Abs.1 Satz 2 sowie Abs.2 Satz 1 und 2 die Formulierung "nach Ende des Bezugs"; dadurch soll aber offensichtlich nur sichergestellt werden, daß der Besitzschutz anders als in Abs.1 Satz 1 für die Folgerenten zeitlich auf 24 Kalendermonate beschränkt wird. Dies ergibt sich aus der ursprünglichen Fassung des Abs.2 Satz 1. § 87 Abs.2 Satz 1 FRAKT E-RRG hat folgende Fassung gehabt: "Hat der verstorbene Versicherte bis zum Tode eine Rente bezogen, werden für eine daraus abzuleitende Hinterbliebenenrente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt." Die Änderung wurde damit begründet, es solle gewährleistet werden, daß die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte immer dann geschützt seien, wenn innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Beendigung einer Rente erneut eine Rente beginne (vgl. Niesel, a.a.O.). Nach der ursprünglich vorgesehenen Formulierung sei ein nahtloser Übergang zwischen dem Rentenbezug des Verstorbenen und dem Bezug der Hinterbliebenenrente erforderlich gewesen. Diese Ungleichbehandlung sei nicht beabsichtigt gewesen und sozialpolitisch auch nicht vertretbar (KassKomm 6 § 88 Rdnr.12). Aus der zeitlichen Beschränkung auf 24 Monate, die zwangsläufig auf das Ende der Rente abstellen müsse, könne aber nicht abgeleitet werden, daß kein Besitzschutz bestehe, wenn das Rentenstammrecht nicht weggefallen sei, sondern nur die Einzelansprüche ruhten. Die gegenteilige Ansicht widerspreche der Systematik des SGB VI; denn § 89 SGB VI stehe im 4. Unterabschnitt, der (nur) das Zusammentreffen von Renten und Einkommen (und damit lediglich das Ruhen eines Anspruchs) regle, so daß dieser Vorschrift keine Regelungen über die Rentenberechnung zu entnehmen seien, die (wie § 88 SGB VI) im 3. Unterabschnitt geregelt seien. Der Besitzschutz des § 88 SGB VI gelte daher auch, wenn der Anspruch auf die bisherige Rente nicht weggefallen sei, sondern nach § 89 SGB VI nur durch eine höhere bzw. ranghöhere Rente verdrängt werde.
Diese Ansicht wird im übrigen von Eicher-Haase-Rauschenbach "Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten" § 88 SGB VI Anm.4, GK-SGB VI § 88 Anm.14, Zweng/Scheerer/ Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI - § 88 Rdnr.29, Kreikebohm SGB VI § 88 Rdnr.13 und letztlich Arbeitsanweisung der BfA § 88 SGB VI Ziffer 6.2 vertreten. Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht im übrigen, daß es nicht sinnvoll wäre, bei einer Unterbrechung der Leistung der kleinen bis zum Beginn der großen Witwenrente Besitzschutz zu gewähren, in einem der Regelfälle - nämlich "Umwandlung" der kleinen in die große Witwenrente bei Vollendung des 45. Lebensjahres - aber nicht. Der Senat kommt deswegen zum Ergebnis, daß die Klägerin grundsätzlich Besitzschutz nach § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI genießt.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß ihre Rente bereits vor dem 01.01.1992 begonnen hat und nach den Vorschriften des AVG berechnet gewesen ist. In § 307 SGB VI ist geregelt, wie in einem Fall, in dem bereits am 1. Januar 1992 Anspruch auf Rente bestanden hat, persönliche Entgeltpunkte ermittelt werden (Umwertung). Es wird der Monatsbetrag der zu leistenden anpassungsfähigen Rente durch den aktuellen Rentenwert und den für die Rente zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Rentenartfaktor geteilt. Der Rentenartfaktor der kleinen Witwenrente beträgt gemäß § 67 SGB VI nach Ablauf des sog. Sterbevierteljahres 0,25. Dieser Betrag wurde von der Beklagten bei der Umwertung im Bescheid vom 13.02.1992 zugrunde gelegt. Der ermittelte Betrag von 68,9189 ist die Summe, die gemäß § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI mindestens zugrunde gelegt werden muß. Da die tatsächlich ermittelten persönlichen Entgeltpunkte der großen Witwenrente unter diesem Wert liegen, hat die Beklagte die besitzgeschützten Entgeltpunkte zu berücksichtigen.
Dafür, daß die durch Umwertung festgestellten persönlichen Entgeltpunkte (§ 307 SGB VI) nicht von § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI geschützt wären, findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt, so daß der Schutz auf diese Entgeltpunkte erstreckt wird (Niesel KassKomm 6 § 88 Rdnr.20). Auch dieser Grundsatz wird von der Beklagten im Prinzip nicht bestritten. Die Versicherungsträger haben nur für eine nach § 307 SGB VI umgewertete kleine Witwenrente, an die im Anschluß daran eine große Witwenrente gezahlt wird, besondere Grundsätze beschlossen (Hauck/Haines § 88 Rdnr.59). Danach sind bei dieser Fallgestaltung besitzgeschützte Entgeltpunkte im Sinne des Abs.2 Satz 2 in der Weise zu ermitteln, daß der anpassungsfähige Monatsbetrag, der am 31.12. 1991 gezahlten kleinen Witwen- oder Witwerrente durch den aktuellen Rentenwert und durch einen fiktiven Rentenartfaktor von 0,4 geteilt wird. Dasselbe Ergebnis wird erzielt, wenn die persönlichen Entgeltpunkte aus der Umwertung der kleinen Witwenrente nach § 307 SGB VI mit 0,625 für die Teilmonatsrente der Rentenversicherung der Angestellten vervielfältigt wird. Diese Berechnungsweise hat die Beklagte vorgenommen und dabei den Betrag von 43,07 als besitzgeschützt ermittelt.
Hintergrund dieser Vorgehensweise ist, daß nach dem bisherigen Recht die kleine Witwenrente 60% der Berufsunfähigkeitsrente des Versicherten ohne Zurechnungszeit betrug. Dies würde einen Rentenartfaktor von 0,4 ergeben (Berechnung: 60% des Rentenartfaktors 0,6667 = 0,4). Nur wenn der am 31.12.1991 zustehende anpassungsfähige Monatsbetrag der kleinen Witwenrente durch den aktuellen Rentenwert und den Rentenartfaktor 0,4 geteilt wird, ergeben sich persönliche Entgeltpunkte in einer dem bisherigen Recht entsprechenden Höhe. Diese Entgeltpunkte sind dann im Rahmen der "erweiterten Zahlbetragsgarantie" in die große Witwenrente zu übernehmen (Hauck/Haines § 88 Rdnr.58, 59). Für diese von der BfA vertretene Ansicht fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Die Regelung mag sinnvoll erscheinen, sie mag in anderen Fällen auch für die Versicherten günstig sein, sie ist aber im Gesetz nicht vorgesehen. Sowohl die Vorschrift des § 307 SGB VI als auch des § 88 Abs.2 SGB VI hat einen eindeutigen Wortlaut; für die von der Beklagten vorgenommene Auslegung ist kein Raum. Es liegt keine Lücke im Gesetz vor, die mit der von der Beklagten gewählte Berechnung geschlossen werden könnte. Für die von der Beklagten für sinnvoll gehaltene Lösung könnte nur der Gesetzgeber sorgen.
Die Berufung ist deswegen begründet.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, da dem Rechtsstreit - mit der Frage der Anwendbarkeit des § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI auf die Umwandlung einer nach § 307 Abs.1 SGB VI umgewerteten "kleinen Witwenrente" in eine "große" - grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 160 Abs.2 SGG).
II. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Berechnung der großen Witwenrente der Klägerin.
Die am ...1949 geborene Klägerin ist die Witwe des am ...1944 geborenen und am 03.10.1991 verstorbenen Versicherten ... Mit Bescheid vom 13.02.1992 bewilligte die Beklagte der Klägerin Hinterbliebenenrente ab 03.10.1991 und berechnete sie nach den Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -. Eine Zurechnungszeit kam nicht zur Anrechnung. Die Rente belief sich auf DM 1.190,00. Nach Ablauf des Sterbevierteljahres (03.01.1992) betrug die Rente DM 714,00.
Im Hinblick auf das zum 01.01.1992 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI -, wurden gemäß § 307 SGB VI Entgeltpunkte ermittelt. Dies geschah, indem der Monatsbetrag der zu leistenden anpassungsfähigen Rente durch den aktuellen Rentenwert und den für die Rente zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Rentenartfaktor geteilt wurde. Ausgehend von einem aktuellen Rentenwert von 41,44 und einem Rentenartfaktor von 0,25 für die kleine Witwenrente ergaben sich 68,9189 persönliche Entgeltpunkte.
Mit Bescheid vom 29.06.1994 bewilligte die Beklagte ab 01.09.1994 die große Witwenrente in Höhe von monatlich DM 1.566,05 (abzüglich des anzurechnenden Einkommens in Höhe von DM 26,74). Die Zeit vom 03.10.1991 bis 30.06.2001 wurde als Zurechnungszeit angesehen. Die Beklagte ermittelte die Rente aus 56,7411 persönlichen Entgeltpunkten, einem Rentenartfaktor für die große Witwenrente von 0,6 sowie einem aktuellen Rentenwert von 46,00. Die Klägerin erhob Widerspruch, da bei der Berechnung nur von 56,7411 persönlichen Entgeltpunkten statt 68,9189 ausgegangen worden sei. Nach § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI seien aber mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde zu legen und eine entsprechend höhere Rente zu zahlen.
Mit Bescheid vom 17.02.1995 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Ermittlung der Rente in Sonderfällen durch Übernahme von persönlichen Entgeltpunkten sei in § 88 SGB VI geregelt. Während das bisherige Recht den Besitzsschutz über die Zahlbetragsgarantie gewährleiste, seien zukünftig die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte besitzgeschützt. Im Ergebnis würden damit die Grundsätze des bisherigen Rechts übernommen. Seien die der kleinen Witwenrente zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte durch Umwertung nach § 307 SGB VI ermittelt worden, dürften diese persönlichen Entgeltpunkte der großen Witwenrente nicht als besitzgeschützt zugrunde gelegt werden. Sie würden bei der großen Witwenrente zu erhöhten Rentenbeträgen führen. Deshalb seien die bei der Umwertung der kleinen Witwenrente nach § 307 SGB VI ermittelten persönlichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6250 zu vervielfältigen. Das Ergebnis seien die nach § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI als besitzgeschützt zu übernehmenden Entgeltpunkte, wenn sich bei der Berechnung der großen Witwenrente weniger persönliche Entgeltpunkte ergäben. Bei der Klägerin errechneten sich, ausgehend von den gemäß § 307 SGB VI ermittelten Entgeltpunkte von 68,9189, vervielfältigt mit dem Faktor 0,6250 als besitzgeschützte Entgeltpunkte 43,07. Die Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte habe bei der Klägerin einen Wert von 56,7411 erbracht. Die sich aus der großen Witwenrente ergebenden Entgeltpunkte seien demnach höher als die besitzgeschützten; der Besitzschutz sei in diesem Fall nicht anzuwenden.
Mit der am 13.03.1995 beim Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Nach ihrer Ansicht kann der Rentenversicherungsträger nicht eine im Gesetz nicht vorgesehene Sonderregel anwenden. Der Gesetzgeber habe in Kauf genommen, daß bei einer generell vorgenommenen pauschalierten Umwertung sich Rentenbeträge ergeben könnten, die über einer z.B. nach altem Recht möglichen großen Witwenrente lägen. Er sei davon ausgegangen, daß bei einer Pauschalierung sowohl positive als auch negative Aspekte auftreten könnten.
Das Sozialgericht wies mit Urteil vom 24.04.1996 die Klage ab. Es vertrat die Ansicht, die Besitzschutzregelung des § 88 SGB VI könne nur zur Anwendung kommen, wenn der Anspruch auf die bisherige Rente bei Beginn der späteren Rente nicht mehr bestehe. Solange die Ansprüche nebeneinander gegeben seien, sei § 89 SGB VI maßgebend, d.h. der Besitzschutz des § 88 SGB VI greife nicht, wenn der Anspruch auf die bisherige Rente weiterbestehe. § 88 SGB VI sei daher nicht anwendbar, wenn eine Witwe zunächst nur Anspruch auf die kleine Witwenrente und erst später (z.B. wie die Klägerin nach Vollendung des 45. Lebensjahres) zusätzlich Anspruch auf die große habe. In einem solchen Fall gehe der Anspruch auf die kleine Witwenrente nicht mit Beginn der großen verloren, jene werde lediglich nach § 89 Abs.2 SGB VI nicht gezahlt. Durch diese Grundsätze werde ein Versicherter, der Anspruch auf eine andere (weitere) Rente habe, nicht benachteiligt, solange alle Renten, auf die ein Anspruch bestehe, nach neuem Recht berechnet worden seien. Anders verhalte es sich, wenn die erste Rente nach bisherigem Recht festzustellen und die Folgerente nach neuem Recht zu berechnen sei. Da es in solchen Fällen zwar zu höheren Folgerenten komme, die Differenz bezogen auf das alte Recht aber nicht im Verhältnis der Rentenartfaktoren entspreche, hätten sich die Rentenversicherungsträger auf das sog. Institut der erweiterten Zahlbetragsgarantie verständigt. Dieses Verfahren entspreche zwar nicht den §§ 88, 89 SGB VI, es werde aber sichergestellt, daß sich das neue Recht auf Bestandsrenten zum einen nicht negativ auswirke, zum anderen im Vergleich zum alten Recht keine ungereimten Ergebnisse ergebe. Das ab 01.01.1992 geltende Recht ersetze die früheren Steigerungssätze durch die Rentenartfaktoren. Im Ergebnis errechneten sich dadurch bis auf die kleine Witwen- und Witwerrente die gleichen Rentenhöhen wie nach dem alten Recht. Für diese beiden genannten Rentenarten hätte sich gegenüber dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht ein Rentenartfaktor von 0,4 ergeben (60% des Rentenartfaktors 0,6667) - § 67 SGB VI -. Die Festlegung des Rentenartfaktors auf 0,25 sei jedoch deshalb erfolgt, weil ab 01.01.1992 bei der Berechnung der kleinen Witwen- bzw. Witwerrente die Zurechnungszeit berücksichtigt werde. In diesen Fällen ergäben sich daher die persönlichen Entgeltpunkte in einer dem bisherigen Recht entsprechenden Höhe nur dann, wenn der anpassungsfähige Monatsbetrag durch den aktuellen Rentenwert und den Rentenartfaktor 0,4 geteilt werde. Nur dieses Ergebnis solle besitzgeschützt sein. Denn die Einführung des neuen Rechts sollte sich nicht nachteilig auswirken, aber auch nicht zu ungereimten Ergebnissen führen. Diese Berechnungsweise führe zu besitzgeschützten persönlichen Entgeltpunkten in Höhe von 43,07. Der Besitzschutz sei im Falle der Klägerin jedoch nicht anzuwenden, da die sich aus der großen Witwenrente ergebenden persönlichen Entgeltpunkte höher gewesen seien (56,7411). Ausgehend von diesem Betrag errechne sich eine monatliche Rente von DM 1.566,05. Derselbe Betrag ergäbe sich bei einer an dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht orientierten Vergleichsberechnung in Bezug auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente des Versicherten (56,7411 x 1 x 46,00 = DM 2.610,09 x 60% = DM 1.566,05).
Die Klägerin legte am 21.06.1996 Berufung ein.
Sie beantragt sinngemäß,
der Bescheid der Beklagten vom 29.06.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.02.1995 sowie das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.04.1996 werden insoweit berichtigt, als bei der Rentenberechnung die nach § 307 SGB VI i.V.m. § 88 Abs.2 SGB VI besitzgeschützten Entgeltpunkte von 68,9189 der Rentenberechnung zugrunde zu legen sind.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.04.1996 zurückzuweisen.
Die Klägerin stützt sich darauf, daß die Schutzvorschrift des § 88 SGB VI zur Anwendung komme. Die von der Beklagten vorgenommene Umwertung sei im Gesetz nicht vorgesehen.
Die Beklagte nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg Bezug.
Dem Senat liegen vor die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Nürnberg sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin genießt Besitzschutz und hat Anspruch darauf, daß ihre große Witwenrente unter Berücksichtigung von persönlichen Entgeltpunkten im Umfang von 68,9189 ermittelt wird. Dies ergibt sich aus § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI i.V.m. § 307 SGB VI.
Nach § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI werden bei Berechnung einer Witwenrente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt, wenn eine Witwe eine Hinterbliebenenrente bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine solche Rente beginnt. Die vom Sozialgericht (unter Bezugnahme auf Stahl in Hauck-Haines SGB VI, K Rdnr.7 zu § 88) vertretene Ansicht, § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI habe zur Voraussetzung, daß der Anspruch auf die bisherige Rente bei Beginn der späteren Rente nicht mehr bestehe, überzeugt nicht. Zwar trifft es zu, daß in einem solchen Fall der Anspruch auf die kleine Witwenrente nicht mit Beginn der großen Witwenrente vollständig entfällt, es wird vielmehr lediglich die kleine Witwenrente nach § 89 Abs.2 SGB VI nicht geleistet. Dies bedeutet, daß das Rentenstammrecht nicht weggefallen ist, sondern nur die Einzelansprüche nach § 89 SGB VI "ruhen". Die von Niesel (KassKomm 6 § 88 Rdnr. 3 a) zu § 88 Abs.1 SGB VI, dem dieselbe Problematik zugrunde liegt, vertretene Ansicht, überzeugt in vollem Umfang. Danach ist bei nebeneinander bestehenden Rentenansprüchen die Anwendung des § 89 SGB VI statt des § 88 SGB VI mit dem Normzweck des § 88 SGB VI, für die Folgerenten einen dynamischen Besitzschutz zu gewährleisten, nicht vereinbar und auch nicht zwangsläufig aus dem Wortlaut des § 88 SGB VI abzuleiten. Die Grundsatznorm des Abs.1 Satz 1 stellt nur auf den Bezug einer späteren Rente, nicht aber auf den Wegfall der bisherigen Rente bzw. des subjektiven Stammrechts ab. Es reicht vielmehr, wenn wegen § 89 SGB VI kein Anspruch mehr auf die aus dem Stammrecht erwachsenden Einzelansprüche besteht. Zwar enthalten Abs.1 Satz 2 sowie Abs.2 Satz 1 und 2 die Formulierung "nach Ende des Bezugs"; dadurch soll aber offensichtlich nur sichergestellt werden, daß der Besitzschutz anders als in Abs.1 Satz 1 für die Folgerenten zeitlich auf 24 Kalendermonate beschränkt wird. Dies ergibt sich aus der ursprünglichen Fassung des Abs.2 Satz 1. § 87 Abs.2 Satz 1 FRAKT E-RRG hat folgende Fassung gehabt: "Hat der verstorbene Versicherte bis zum Tode eine Rente bezogen, werden für eine daraus abzuleitende Hinterbliebenenrente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt." Die Änderung wurde damit begründet, es solle gewährleistet werden, daß die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte immer dann geschützt seien, wenn innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Beendigung einer Rente erneut eine Rente beginne (vgl. Niesel, a.a.O.). Nach der ursprünglich vorgesehenen Formulierung sei ein nahtloser Übergang zwischen dem Rentenbezug des Verstorbenen und dem Bezug der Hinterbliebenenrente erforderlich gewesen. Diese Ungleichbehandlung sei nicht beabsichtigt gewesen und sozialpolitisch auch nicht vertretbar (KassKomm 6 § 88 Rdnr.12). Aus der zeitlichen Beschränkung auf 24 Monate, die zwangsläufig auf das Ende der Rente abstellen müsse, könne aber nicht abgeleitet werden, daß kein Besitzschutz bestehe, wenn das Rentenstammrecht nicht weggefallen sei, sondern nur die Einzelansprüche ruhten. Die gegenteilige Ansicht widerspreche der Systematik des SGB VI; denn § 89 SGB VI stehe im 4. Unterabschnitt, der (nur) das Zusammentreffen von Renten und Einkommen (und damit lediglich das Ruhen eines Anspruchs) regle, so daß dieser Vorschrift keine Regelungen über die Rentenberechnung zu entnehmen seien, die (wie § 88 SGB VI) im 3. Unterabschnitt geregelt seien. Der Besitzschutz des § 88 SGB VI gelte daher auch, wenn der Anspruch auf die bisherige Rente nicht weggefallen sei, sondern nach § 89 SGB VI nur durch eine höhere bzw. ranghöhere Rente verdrängt werde.
Diese Ansicht wird im übrigen von Eicher-Haase-Rauschenbach "Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten" § 88 SGB VI Anm.4, GK-SGB VI § 88 Anm.14, Zweng/Scheerer/ Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI - § 88 Rdnr.29, Kreikebohm SGB VI § 88 Rdnr.13 und letztlich Arbeitsanweisung der BfA § 88 SGB VI Ziffer 6.2 vertreten. Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht im übrigen, daß es nicht sinnvoll wäre, bei einer Unterbrechung der Leistung der kleinen bis zum Beginn der großen Witwenrente Besitzschutz zu gewähren, in einem der Regelfälle - nämlich "Umwandlung" der kleinen in die große Witwenrente bei Vollendung des 45. Lebensjahres - aber nicht. Der Senat kommt deswegen zum Ergebnis, daß die Klägerin grundsätzlich Besitzschutz nach § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI genießt.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß ihre Rente bereits vor dem 01.01.1992 begonnen hat und nach den Vorschriften des AVG berechnet gewesen ist. In § 307 SGB VI ist geregelt, wie in einem Fall, in dem bereits am 1. Januar 1992 Anspruch auf Rente bestanden hat, persönliche Entgeltpunkte ermittelt werden (Umwertung). Es wird der Monatsbetrag der zu leistenden anpassungsfähigen Rente durch den aktuellen Rentenwert und den für die Rente zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Rentenartfaktor geteilt. Der Rentenartfaktor der kleinen Witwenrente beträgt gemäß § 67 SGB VI nach Ablauf des sog. Sterbevierteljahres 0,25. Dieser Betrag wurde von der Beklagten bei der Umwertung im Bescheid vom 13.02.1992 zugrunde gelegt. Der ermittelte Betrag von 68,9189 ist die Summe, die gemäß § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI mindestens zugrunde gelegt werden muß. Da die tatsächlich ermittelten persönlichen Entgeltpunkte der großen Witwenrente unter diesem Wert liegen, hat die Beklagte die besitzgeschützten Entgeltpunkte zu berücksichtigen.
Dafür, daß die durch Umwertung festgestellten persönlichen Entgeltpunkte (§ 307 SGB VI) nicht von § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI geschützt wären, findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt, so daß der Schutz auf diese Entgeltpunkte erstreckt wird (Niesel KassKomm 6 § 88 Rdnr.20). Auch dieser Grundsatz wird von der Beklagten im Prinzip nicht bestritten. Die Versicherungsträger haben nur für eine nach § 307 SGB VI umgewertete kleine Witwenrente, an die im Anschluß daran eine große Witwenrente gezahlt wird, besondere Grundsätze beschlossen (Hauck/Haines § 88 Rdnr.59). Danach sind bei dieser Fallgestaltung besitzgeschützte Entgeltpunkte im Sinne des Abs.2 Satz 2 in der Weise zu ermitteln, daß der anpassungsfähige Monatsbetrag, der am 31.12. 1991 gezahlten kleinen Witwen- oder Witwerrente durch den aktuellen Rentenwert und durch einen fiktiven Rentenartfaktor von 0,4 geteilt wird. Dasselbe Ergebnis wird erzielt, wenn die persönlichen Entgeltpunkte aus der Umwertung der kleinen Witwenrente nach § 307 SGB VI mit 0,625 für die Teilmonatsrente der Rentenversicherung der Angestellten vervielfältigt wird. Diese Berechnungsweise hat die Beklagte vorgenommen und dabei den Betrag von 43,07 als besitzgeschützt ermittelt.
Hintergrund dieser Vorgehensweise ist, daß nach dem bisherigen Recht die kleine Witwenrente 60% der Berufsunfähigkeitsrente des Versicherten ohne Zurechnungszeit betrug. Dies würde einen Rentenartfaktor von 0,4 ergeben (Berechnung: 60% des Rentenartfaktors 0,6667 = 0,4). Nur wenn der am 31.12.1991 zustehende anpassungsfähige Monatsbetrag der kleinen Witwenrente durch den aktuellen Rentenwert und den Rentenartfaktor 0,4 geteilt wird, ergeben sich persönliche Entgeltpunkte in einer dem bisherigen Recht entsprechenden Höhe. Diese Entgeltpunkte sind dann im Rahmen der "erweiterten Zahlbetragsgarantie" in die große Witwenrente zu übernehmen (Hauck/Haines § 88 Rdnr.58, 59). Für diese von der BfA vertretene Ansicht fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Die Regelung mag sinnvoll erscheinen, sie mag in anderen Fällen auch für die Versicherten günstig sein, sie ist aber im Gesetz nicht vorgesehen. Sowohl die Vorschrift des § 307 SGB VI als auch des § 88 Abs.2 SGB VI hat einen eindeutigen Wortlaut; für die von der Beklagten vorgenommene Auslegung ist kein Raum. Es liegt keine Lücke im Gesetz vor, die mit der von der Beklagten gewählte Berechnung geschlossen werden könnte. Für die von der Beklagten für sinnvoll gehaltene Lösung könnte nur der Gesetzgeber sorgen.
Die Berufung ist deswegen begründet.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, da dem Rechtsstreit - mit der Frage der Anwendbarkeit des § 88 Abs.2 Satz 2 SGB VI auf die Umwandlung einer nach § 307 Abs.1 SGB VI umgewerteten "kleinen Witwenrente" in eine "große" - grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 160 Abs.2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved