L 14 RJ 162/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 Ar 92/95 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 162/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
"Bisheriger Beruf" kann dann, wenn die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung nicht die qualitativ höchste war, eine frühere höherwertige Tätigkeit sein, die dem Berufsleben am ehesten das Gepräge gegeben hat. Ein Lösungswille ist beim Wechsel zu einer geringerwertigen Tätigkeit nur anzunehmen, wenn der Versicherte diese mit dem Ziel verrichtet hat, sie auf Dauer, d. h. bis zur Erreichung der Altersgrenze oder bis zum Eintritt einer verminderten Erwerbsfähigkeit, auszuüben.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29. November 1995 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1939 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger. Er hat in seiner Heimat den Beruf eines Strickers erlernt (dreijährige Lehrlingsschule). In Kroatien entrichtete er zwischen 1956 und 1964 sowie von Juni 1973 bis November 1993 Beiträge zur Rentenversicherung, zuletzt als selbständiger Stricker, und wurde dann berentet (Invalidenrente der I. Kategorie). In der Bundesrepublik Deutschland war er zwischen August 1965 und September 1972 versicherungspflichtig beschäftigt, und zwar vom 20.08.1965 bis 13.08.1968 bei der Firma ... und ... GmbH in Gärtringen als Stricker, vom 19.08.1968 bis 12.03.1971 bei der ... AG in Sindelfingen als Montierer, vom 15.03.1971 bis 21.01.1972 mit Unterbrechungen erneut bei ... und ... als Stricker und vom 24.01.1972 bis 08.09.1972 bei der Firma ... GmbH & Co. KG in Herrenberg als Montagearbeiter.

Seinen Rentenantrag vom 15.07.1993 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.09.1994 mit der Begründung ab, der Kläger sei noch in der Lage, vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten zu ebener Erde, ohne dauerndes Gehen und Stehen, ohne besonderen Zeitdruck (Akkord, Fließband) und nicht an laufenden Maschinen zu verrichten. Grundlage hierfür war ein Gutachten der Invalidenkommission in Zagreb vom 24.06.1994 nebst einer Vielzahl von beigefügten ärztlichen Unterlagen aus der Zeit zwischen 1988 und 1994 sowie die prüfärztliche Stellungnahme des Dr ... vom 14.09.1994.

Nach dem Gutachten der Invalidenkommission bestanden beim Kläger eine Pseudoaphakie nach Operation eines grauen Stars rechts 1990 und links 1993, eine Schwachsichtigkeit auf beiden Augen sowie ein beidseitiges sekundäres Glaukom, ferner ein chronisches lumbosakrales Syndrom mit beidseitiger Radikulopathie L 5/S 1 und erheblicher Reduktion der Funktionskapazität des lumbalen Teils der Wirbelsäule, eine Deformation und Kontraktur des linken Ellbogens (30 bis 110 Grad) als Folge einer Verletzung in der Jugend, degenerative Veränderungen beider Hüftgelenke mit eingeschränkten Rotationsbewegungen, ein Verdacht auf Polyneuropathie wahrscheinlich toxischer Genese sowie ein reaktives ängstlich-depressives Zustandsbild mit teilweisen Dekompensationen panischen Typs bei einer psychoorganisch veränderten Persönlichkeit mit Alkoholismus in der Anamnese. Arbeiten eines Strickers waren dem Kläger nach Auffassung der Invalidenkommission nicht mehr möglich, leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu ebener Erde ohne dauerndes Gehen und Stehen, ohne überwiegend einseitige Körperhaltungen und häufiges Heben und Tragen von Lasten sowie häufiges Bücken, ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit wie Schichtdienst und besonderer Zeitdruck, konnte er nurmehr unter vollschichtig verrichten. Der Prüfarzt Dr ... konnte sich aufgrund der Objektivbefunde in seiner Stellungnahme vom 14.09.1994 dieser Beurteilung nicht anschließen. Er hielt den Kläger in leichten Arbeiten mit den genannten Einschränkungen für vollschichtig einsatzfähig.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei qualifizierter Stricker und habe sein ganzes Leben als solcher gearbeitet, könne diesen Beruf aber nicht mehr ausüben. Er legte ein Zeugnis der "Lehrlingsschule des gemischten Faches" vom 01.08.1956 über die Abschlußprüfung als "ausgelernter Arbeiter des Textilfachs, Beruf: Strumpfstricker - Stricker" mit einem Änderungsvermerk vom 19.02.1965 über den Beruf Stricker vor.

Anfragen der Beklagten bei den früheren Arbeitgebern ... und ... GmbH sowie ... GmbH & Co KG in Herrenberg ergaben, daß erstere nicht mehr existierte und der Kläger bei der Firma ... GmbH & Co KG als Montagearbeiter im Akkord in der Federmontage der Schreinerei, bezahlt nach MTV für Holz- und Kunststoff, Lohngruppe 5, tätig war; nähere Angaben bezüglich der Tätigkeit konnten nicht mehr gemacht werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) trug der Kläger vor, er sei für alle Arbeiten in seinem Beruf wie auch für alle sonstigen Arbeiten leistungsunfähig. Er legte eine Bescheinigung über die am 16.11.1993 erfolgte Aufgabe seines selbständigen Gewerbes als "Flechter" vor.

Das SG ermittelte, daß die Firma ... und ... GmbH das Gewerbe nach Verlegung nach Sindelfingen dort zum 31.12. 1993 abgemeldet hatte. Die Firma ... GmbH & Co. KG teilte mit Schreiben vom 31.07.1995 und 02.08.1995 mit, sie verfüge nicht mehr über frühere Personalunterlagen, laut Information der AOK sei der Kläger bei ihr als Montagearbeiter eingestellt gewesen; vermutlich habe es sich um eine angelernte Tätigkeit gehandelt, wobei die Anlernzeit nicht allzu lang gedauert haben müsse.

Das SG erhob Beweis über den Gesundheitszustand und die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Einholung von Gutachten auf nervenärztlichem Fachgebiet durch Dr ... und auf sozialmedizinischem Fachgebiet durch Dr ... Letztere veranlaßte zusätzlich eine augenärztliche Befunderhebung durch den Augenarzt Dr ...

Der Gutachter Dr ... erhob in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 27.11.1995 beim Kläger die Diagnosen eines degenerativen Wirbelsäulensyndroms ohne radikuläre Ausfälle sowie einen Zustand nach früherem chronischen Alkoholmißbrauch. Ein ausgeprägtes Polyneuropathie-Syndrom, eine radikuläre Symptomatik sowie Hinweise auf ein depressives Syndrom von Belang fand der Sachverständige nicht. Er hielt aus nervenärztlicher Sicht leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten für möglich. Lediglich manuelle Tätigkeiten, die eine uneingeschränkte Beidhändigkeit erforderten, waren nach seiner Ansicht im Hinblick auf die eingeschränkte Beweglichkeit des linken Ellbogengelenkes ausgeschlossen. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit des Klägers wurde von Dr ... bejaht.

Dr ... erhob in ihrem Gutachten vom 28.11.1995 unter Mitberücksichtigung des augenärztlichen Befundes vom 27.11.1995 folgende Diagnosen: 1. Sehminderung beidseits bei operativ behandeltem grauen Star beidseits mit Hinterkammerlinsenimplantation; 2. Wirbelsäulensyndrom; 3. Hüftgelenksarthrose beidseits, Fußfehlform; 4. Bewegungseinschränkung des linken Ellbogens; 5. chronische Bronchitis bei Nikotinabusus; Nebenbefund: 6. Leistenbruch rechts, Zustand nach Alkoholabusus, Gallenstein, Miktionsbeschwerden.

Auch Dr ... fand keinerlei Hinweise für eine reaktive depressive Verstimmung oder ein psychoorganisches Syndrom, ebenso keine Merk- und Konzentrationsstörungen. Bezüglich des Befundes von seiten der Augen schloß sie aufgrund der mäßig eingeschränkten Sehleistung nach operativ behandeltem grauen Star dauernde Feinarbeiten aus, sah aber sonstige Einschränkungen quantitativer Art nicht als begründet an.

Von Seiten des Bewegungsapparates waren dem Kläger laut Gutachten leichte körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten, ohne normale Gebrauchsfähigkeit des linken Armes und ohne ständiges Gehen und Stehen zumutbar. Aufgrund des bestehenden Streckdefizites des linken Armes bzw. Ellenbogens (hochgradige Arthrose des Gelenks mit Weichteilverkalkungen nach älterer Fraktur) konnte die linke Hand, welche in ihrer Funktion nicht eingeschränkt ist, nur für Tätigkeiten benutzt werden, die relativ nah am Körper ausgeführt werden. Dies war dem Kläger in seinem Beruf als Stricker möglich, er hat den linken Arm immer als Beiarm benutzt.

Insgesamt konnte der Kläger unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen auf augenärztlichem, orthopädischem und internistischem Gebiet weiterhin leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen, wohltemperierten Räumen, ohne volle Gebrauchsfähigkeit des linken Armes und ohne ständige Naharbeit vollschichtig verrichten. Damit war er nach Auffassung von Frau Dr ... als Montagearbeiter sowie als Stricker und Flechter nicht mehr einsetzbar, wohl aber als einfacher Pförtner und Verpacker leichter Gegenstände bei Berücksichtigung der genannten Einschränkungen.

In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger auf Befragen an, die Firma ... und ... GmbH sei seinerzeit bankrott gegangen, deswegen habe er sich eine andere Tätigkeit bei der Firma ... suchen müssen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 29.11.1995 ab. Es ging davon aus, daß der Kläger aufgrund seiner in Deutschland zuletzt verrichteten Tätigkeit als Montagearbeiter nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema allenfalls dem Bereich der oberen Anlernebene zuzuordnen sei. Damit sei er zumutbar auf die Tätigkeit eines einfachen Pförtners verweisbar. Diese Tätigkeit könne er nach dem Ergebnis der eingeholten Gutachten des Dr ... und der Dr ... auch noch verrichten. Es handle sich um eine körperlich leichte Arbeit im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, überwiegend in geschlossenen und beheizbaren Räumen, die aber nicht als typischer Schonarbeitsplatz, der nur leistungsgeminderten Angehörigen des eigenen Betriebs vorbehalten sei, angesehen werden könne.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen dieses Urteil. Er vertritt die Auffassung, es sei bei ihm vom Beruf des Textilfacharbeiters auszugehen; diese Tätigkeit könne er ebenso wie andere Tätigkeiten aufgrund der bei ihm vorliegenden Leistungseinschränkungen nicht mehr ausüben. Auf den Beruf des Pförtners sei er nicht verweisbar. Zudem sei der Arbeitsmarkt insoweit als verschlossen anzusehen. Zum einen handle es sich um einen typischen Schonarbeitsplatz, zum anderen gingen Pförtnerstellen wegen des Abbaus von Arbeitsplätzen in der Industrie wie in der Verwaltung zurück, denn selbst Behörden gingen inzwischen dazu über, diese Stellen aus eigenen Reihen zu besetzen. Zudem sei die Pförtnertätigkeit häufig zusätzlich mit anderweitigem Arbeitsaufwand verbunden und entspreche nicht den gesundheitlichen Bedingungen des Klägers (eingeschränktes Sehvermögen, Alkoholkonsum).

Der Senat hat eine Auskunft der AOK Sindelfingen über die Tätigkeiten des Klägers zwischen 1965 und 1972 sowie Angaben der Firma ... über dessen dortige Tätigkeit als angelernter Arbeiter (Sattler-Beihilfe) mit einer Anlernzeit von einem Monat eingeholt. Den Beteiligten hat er eine berufskundliche Auskunft des Landesarbeitsamts Nordbayern vom Januar 1997 zur Pförtnertätigkeit übersandt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29.11.1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.09.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.08.1993 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, daß beim Kläger nur die in Deutschland verrichtete Tätigkeit für die Feststellung des bisherigen Berufs maßgebend sei. Der Nachweis, daß der Kläger als Facharbeiter beschäftigt gewesen sei, sei nicht geführt worden.

Sie legte Auskünfte des Landesarbeitsamtes Nordbayern vom 02.01.1993 sowie des Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg vom 21.11.1996 über Pförtnertätigkeiten und die Anzahl entsprechender Arbeitsplätze vor.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Rentenakten der Beklagten vor. Hierauf wird wegen der Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 f., 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), in der Hauptsache jedoch unbegründet.

Wie das SG ist auch der Senat der Überzeugung, daß der Kläger nicht berufsunfähig und erst recht nicht erwerbsunfähig ist. Da er noch leichte Arbeiten mit gewissen Einschränkungen vollschichtig verrichten kann, ist seine Erwerbsfähigkeit nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken (§ 43 Abs.2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Teil VI - SGB VI). Zu diesem Ergebnis ist der Senat nach Auswertung aller vorliegenden ärztlichen Gutachten und Unterlagen gekommen.

Nach den vom SG auf nervenärztlichem und sozialmedizinischem Gebiet eingeholten Gutachten der Dres ... und ... liegen beim Kläger im wesentlichen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem, augenärztlichem und internistischem Fachgebiet vor. Das SG hat die Feststellungen der Gutachter bereits ausführlich gewürdigt. Schlüssig und nachvollziehbar haben beide Sachverständige die funktionellen Auswirkungen der einzelnen Gesundheitsstörungen dargelegt, so daß der Senat sich ihrer Beurteilung der Leistungsfähigkeit und nicht der durch zeitliche Leistungseinschränkungen weitergehenden Beurteilung der kroatischen Invalidenkommission anschloß. Danach kann der Kläger nurmehr leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen und temperierten Räumen, ohne volle Gebrauchsfähigkeit des linken Armes und ohne ständige Naharbeiten vollschichtig verrichten. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit auf entsprechende Arbeiten ist altersentsprechend und damit nicht beeinträchtigt. Für die Notwendigkeit einer erneuten Begutachtung im Berufungsverfahren ergab sich kein Anhalt. Insbesondere hat der Kläger keine Verschlechterung seit den Untersuchungen im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht.

Maßgebend für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit im Rahmen des § 43 Abs.2 SGB VI ist der bisherige Beruf und die besondere Anforderung der bisherigen Berufstätigkeit, wie sie sich aufgrund der versicherungspflichtigen Tätigkeit des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland darstellen (BSG vom 18.03.1975 - 4 RJ 51/74 in SozR 2200 § 1246 Nr.6). Allein dieser Teil des Erwerbslebens ist nach deutschem Recht zu berücksichtigen. Dabei ist in der Regel auf die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit abzustellen, wenn diese zugleich die qualitativ höchste gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.53, 56). In anderen Fallgestaltungen hat das BSG darauf abgehoben, daß als Hauptberuf nicht unbedingt die letzte, sondern diejenige Berufstätigkeit zugrundezulegen ist, die der Versicherte bei im wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft eine nennenswerte Zeit ausgeübt hat, vgl. SozR 2200 § 1246 Nr.130 m.w.N., BSG vom 17.12.1997 - 13 RJ 59/97). Bei der vom Kläger zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Montagearbeiter bei der Firma ... handelte es sich um eine angelernte Tätigkeit mit "nicht allzu langer" Anlernzeit (vgl. Auskunft der Firma vom 02.08.1995). Sie kann nicht als die qualitativ höchstwertige Tätigkeit angesehen werden, obwohl sie besser bezahlt war als die zuvor verrichtete erlernte Tätigkeit als Stricker. Das gleiche gilt für die zwischen 1968 und 1971 verrichtete angelernte Tätigkeit bei der ... AG (Anlernzeit ein Monat). Zugunsten des Klägers geht der Senat daher davon aus, daß die insgesamt 47 Monate ausgeübte Tätigkeit als Stricker als Hauptberuf zu betrachten ist, der dem Berufsleben des Klägers in der Bundesrepublik trotz zweimaliger Hinwendung zu anderen, angelernten Tätigkeiten von insgesamt 39 Monaten Dauer am ehesten das Gepräge gegeben hat. Es läßt sich auch nicht sagen, daß der Kläger sich von dieser Tätigkeit durch die zweimalige Aufnahme anderer Tätigkeiten freiwillig gelöst hätte. Dies zeigt zum einen die - wenn auch kurzfristige - Rückkehr zum alten Arbeitgeber nach 3 1/2 Jahren Montagetätigkeit, zum anderen läßt sich nicht eindeutig feststellen, daß der Kläger sich mit der letzten berufsfremden Tätigkeit im Jahre 1972 als Montierer erkennbar der neuen Tätigkeit endgültig zugewandt hat. Erforderlich dafür wäre, daß er sich mit dieser Tätigkeit abgefunden und nicht mehr den - realisierbaren - Willen zur Rückkehr zu früherer, höherwertiger Tätigkeit hatte (vgl. Niesel in KassKomm, § 43 SGB VI Rdnrn.32 und 32 f.). Nach seinen Angaben verließ der Kläger die Firma ... und ... weg, weil diese "bankrott ging". Dies könnte insoweit zutreffen, als die Firma nach Auskunft der Stadt Sindelfingen ihren Sitz zu einem nicht genannten Zeitpunkt nach Sindelfingen verlegte und dort später im Jahre 1983 abgemeldet wurde. Für einen entsprechenden Lösungswillen ist laut BSG vom 22.03.1988 (SozR 2200 § 1246 Nr.158) beim Wechsel von einer qualifizierten zu einer geringerwertigen Beschäftigung darauf abzustellen, ob der Versicherte die zuletzt ausgeübte Tätigkeit auf Dauer, d.h. mit dem Ziel verrichtet hat, sie bis zur Erreichung der Altersgrenze oder bis zum Eintritt einer verminderten Erwerbsfähigkeit auszuüben. Eine solche Absicht kann bei der zuletzt vom Kläger in Deutschland verrichteten Tätigkeit den Umständen nach nicht unterstellt werden.

Auch wenn demnach vom Beruf des Strickers als "bisherigem Beruf" des Klägers auszugehen ist, so kann ihm dennoch insoweit ein Berufsschutz nicht zukommen. Es ist mangels jeglicher Unterlagen nicht mehr feststellbar, inwieweit die kroatische Ausbildung des Klägers als einer dreijährigen Facharbeiterausbildung in Deutschland entsprechend angesehen wurde und ob der Kläger dementsprechend hier als Facharbeiter (Stricker in der BRD bis 1971 dreijähriger industrieller Ausbildungsberuf im Bereich Strickerei) eingesetzt und bezahlt war. Aus den erzielten Entgelten können schon im Hinblick auf Überstunden und Nachtschichtzuschläge keine Rückschlüsse auf die tarifliche Einstufung gezogen werden. Auch hilft die Bezeichnung "Stricker" in dem von der AOK Sindelfingen übersandten Auszug über Mitgliedzeiten nicht weiter, da damit lediglich allgemein die Tätigkeit und der Tätigkeitsbereich umschrieben werden, nicht aber auch eine Angabe zum konkreten tariflichen Einsatz des Klägers gemacht wird.

Geht man zugunsten des Klägers davon aus, daß er als Stricker in der BRD als angelernter Arbeiter im oberen Bereich (mit einer Regelausbildungszeit bis zu zwei Jahren) eingesetzt war, so kann er nach dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, soweit sie nicht nur einen sehr geringen qualitativen Wert haben (vgl. BSG vom 15.11.1983 - SozR 2200 § 1246 Nr.109). Es ist ihm allerdings eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. In Betracht kommt insoweit auch nach Auffassung des Senats die schon vom SG angeführte Tätigkeit eines einfachen Pförtners (vgl. BSG vom 13.07.1988 - 5/4 a RJ 19/87 und vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/95). Es handelt sich um eine Tätigkeit, die der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen noch zu erbringen vermag, nämlich um eine leichte körperliche Arbeit, bei der sich seine qualitativen Leistungseinschränkungen, insbesondere die eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit des linken Armes und das lediglich mangelnde Sehvermögen für ständige Naharbeiten (vgl. Gutachten Dr ..., die ausdrücklich Pförtnertätigkeiten für möglich erachtet) nicht auswirken. Auch stellen Pförtnertätigkeiten entgegen der Auffassung des Klägers nicht grundsätzlich Schonarbeitsplätze dar - wie dies die bereits von der Beklagten im Berufungsverfahren übersandten Auskünfte des Landesarbeitsamtes Nordbayern und des Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg zeigen. Diese Auskünfte ergeben ebenso wie die vom Senat beigebrachte Auskunft des Landesarbeitsamtes Nordbayern vom 16.01.1997, daß entsprechende Stellen in genügender Anzahl vorhanden sind (vgl. dazu BSG vom 14.05.1996 in SozR 3-2200 § 1246 Nr.53). Sie werden - im öffentlichen Dienst - nach BAT X und IX bezahlt. Nicht von Bedeutung ist es, ob die allgemein zugänglichen Arbeitsplätze in der BRD von Arbeitnehmern besetzt sind oder offen stehen. Das Risiko, daß der Kläger bei gesundheitlicher Eignung einen Arbeitsplatz tatsächlich erhält, trägt nicht die Rentenversicherung. Verringerte Chancen, infolge fortgeschrittenen Alters und erheblichen Konkurrenzkampfes im Arbeitsleben eine Stelle zu erhalten, sind nicht zu berücksichtigen (BSG vom 25.01.1994 - 4 RA 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr.41 m.w.N.). Wie der Gesetzgeber in § 43 Abs.2 Satz 4 SGB VI normiert hat, ist derjenige nicht berufsunfähig, der eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Da der Kläger nicht berufsunfähig ist, liegt umsoweniger Erwerbsunfähigkeit vor. Diese setzt noch weitergehende Einschränkungen des Erwerbsvermögens voraus (§ 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI).

Die Berufung des Klägers war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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