L 7 KA 52/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 92/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 52/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat dem Beklagten und den Beigeladenen zu 1. und 6. die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die bedarfsunabhängige Zulassung des Klägers zum Vertrags-Psychotherapeuten.

Der im Jahre1942 geborene Kläger bestand am 11. November 1974 die Prüfung zum Diplom-Psychologen. Seit Anfang 1981 ist er als klinischer Diplom-Psychologe im Klinikum in den Kliniken imT-WW beschäftigt, seit dem Jahre 1987 auf der Psychiatrischen Psychotherapie-Station der Waldhaus-Klinik, die der Kläger selbst mit aufgebaut hatte. Dieses Beschäftigungsverhältnis dauert an und hat einen Umfang von derzeit 28 Wochenstunden. Ab dem 1. Oktober 1986 betrieb der Kläger zugleich eine eigene psychotherapeutische Praxis und behandelte dort im Rahmen des Delegationsverfahrens auch Patienten der gesetzlichen Krankenkassen im Umfang von 20 Wochenstunden. Seit dem 4. Januar 1999 ist er als Psychotherapeut approbiert.

Den Zulassungsantrag des Klägers auf die bedarfsunabhängige Zulassung zum Vertrags-Psychotherapeuten vom 7. Dezember 1998 lehnte der Zulassungsausschuss der Ärzte mit Beschluss vom 4. Juni 1999 mit der Begründung ab, eine Zulassung könne wegen des fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses nicht erfolgen. Dieser Beschluss wurde am 6. Oktober 1999 per Einschreiben zwecks Zustellung zur Post gegeben. Am 8. November 1999 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, den er zunächst nicht begründete. Unter dem 10. Dezember 1999 bat er, den Eingang seiner Widerspruchsbegründung abzuwarten, die schließlich unter dem 29. Dezember 1999 erfolgte. Mit Beschluss vom 12. Januar 2000 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 4. Juni 1999 zurück: Der Widerspruch sei unzulässig, weil er nicht innerhalb der Widerspruchsfrist mit Gründen versehen worden sei. Darüber hinaus sei er auch unbegründet, weil Hinderungsgründe für die Zulassung sowohl nach § 20 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) als auch nach § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV entgegenstünden. § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV sei erfüllt, weil das Beschäftigungsverhältnis des Klägers mit mehr als 19,25 Wochenstunden als Vertrags-Psychotherapeut ausschließe. Darüber hinaus sei auch eine Interessenkollision nach § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV zu befürchten, weil ein Interessenkonflikt zwischen der Tätigkeit als angestellter Psychotherapeut und als niedergelassener Vertrags-Psychotherapeut entstehen könne.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin durch Urteil vom 20. Juni 2001 abgewiesen: Es könne dahinstehen, ob bei Erteilung der bedarfsunabhängigen Zulassung des Klägers § 20 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV entgegenstünden. Denn sein Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 4. Juni 1999 sei verspätet gewesen. Er habe seine Einwände erstmals mit Schriftsatz vom 28. Dezember 1999 und damit zu spät geltend gemacht, weil sich aus § 44 Ärzte-ZV ergebe, dass der Widerspruch innerhalb der Frist mit Angabe von Gründen einzulegen sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 9. Juni 1999 (B 6 KA 76/97 R) die Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung, die auf die Voraussetzungen des § 44 Ärzte-ZV hingewiesen habe, bestätigt.

Gegen dieses ihm am 26. Juli 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 27. August 2001, Berufung zum Landessozialgericht Berlin eingelegt. Er rügt die Anwendung des § 44 Ärzte-ZV und meint, die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 oder 2 Ärzte-ZV seien nicht erfüllt. Im Übrigen könne diese Vorschrift nur auf solche Psychotherapeuten angewendet werden, die mit ihrer Zulassung erstmals eine Praxisgründung verbinden wollten. In seinem Falle sei jedoch zu bedenken, dass er bereits seit mehr als 15 Jahren über eine eigene Praxis verfüge und die Ablehnung der Zulassung deshalb in eine bestandsgeschützte Position eingreife.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2001 sowie den Beschluss der Beklagten vom 12. Januar 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger als Psychologischen Psychotherapeuten in Berlin Tempelhof-Schöneberg, zuzulassen.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1. und 6. beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das Urteil des Sozialgerichts Berlin sowie den angefochtenen Beschluss des Beklagten für zutreffend.

Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Hierbei lässt der Senat ausdrücklich offen, ob bereits der Widerspruch des Klägers nach § 44 Ärzte-ZV als verspätet anzusehen war. Nach dieser Vorschrift ist der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Berufungsausschusses mit Angabe von Gründen beim Berufungsausschuss einzulegen. Vorliegend begann die Widerspruchsfrist am 9. Oktober 1999 (drei Tage nach Abgabe zur Post per Einschreiben) und endete damit am 9. November 1999. Innerhalb dieser Frist, nämlich am 8. November 1999, ging lediglich der Widerspruch des Klägers selbst ein, nicht jedoch die nach § 44 Satz 1 Ärzte-ZV vorgesehene Widerspruchsbegründung. Es erscheint dem Senat jedoch als zweifelhaft, ob dies bereits zur Unzulässigkeit des Widerspruchs führen muss. § 44 Ärzte-ZV jedenfalls nennt diese Rechtsfolge nicht, sondern beschreibt lediglich die Obliegenheiten des Widerspruchsführers. Im Hinblick auf die große Bedeutung einer Fristversäumnis wäre jedoch möglicherweise eine solche ausdrückliche Rechtsfolgenregelung erforderlich gewesen. Darüber hinaus lässt sich auch dem von dem Sozialgericht Berlin zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Juni 1999 (B 6 KA 76/97 R - SozR 3-5520 § 44 Nr. 1) nicht entnehmen, dass ein innerhalb der Widerspruchsfrist eingelegter, jedoch nicht innerhalb dieser Frist mit Gründen versehener Widerspruch zwangsläufig unzulässig ist. Denn das BSG hatte in dem dortigen Fall einen Vorgang zu entscheiden, bei dem auch der Widerspruch selbst nicht innerhalb der Widerspruchsfrist eingelegt worden war. Streitentscheidend war die Frage, ob die Widerspruchsfrist überhaupt ausgelöst worden war, weil die Rechtsbehelfsbelehrung auf das Erfordernis einer mit Gründen versehenen Widerspruchseinlegung hingewiesen hatte. Die Rechtmäßigkeit dieser Rechtsbehelfsbelehrung und damit das Auslösen der einmonatigen Widerspruchsfrist hat das BSG in der genannten Entscheidung bejaht, jedoch keine Entscheidung darüber getroffen, wie in Fällen wie dem vorliegenden zu entscheiden sein wird, in denen ein - wenn auch nicht mit Gründen versehener - Widerspruch fristgemäß eingelegt wird.

Dies kann jedoch offen bleiben, denn aus anderem Grunde ist die Berufung unbegründet. Der Kläger hat jedenfalls nach § 20 Abs. 1 und Abs. 2 keinen Anspruch auf Zulassung als Vertrags-Psychotherapeut. So steht er zunächst nicht gemäß § 20 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Ärzte-ZV für die Versorgung der Versicherten in dem erforderlichen - üblichen- Umfang zur Verfügung. Für Letzteres ist zu fordern, dass die vertragsärztliche bzw. vertragstherapeutische Tätigkeit des Zulassungsbewerbers zweifelsfrei als dessen Hauptberuf qualifiziert werden kann und prägend für seine Berufstätigkeit insgesamt ist. Das erfordert, dass eine daneben ausgeübte weisungsabhängige, fremdbestimmte Erwerbstätigkeit in einem auf Dauer angelegten Beschäftigungsverhältnis oder in einem ähnlichen Rechtsverhältnis deutlich nur untergeordneten Umfang haben darf. Das ist der Fall, wenn die andere Erwerbstätigkeit den Betreffenden maximal ein Drittel der üblichen Wochenarbeitszeit abhängiger Beschäftigungsverhältnisse - also etwa 13 Stunden - in Anspruch nimmt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2002, B 6 KA 20/01 R). Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, denn er steht in einem Beschäftigungsverhältnis von 28 Wochenstunden.

Darüber hinaus sind auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 Ärzte-ZV erfüllt. Denn die Tätigkeit des Klägers in der Psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses ist wegen der sich auch dort ergebenden Patientenkontakte ihrem Wesen nach mit vertrags-psychotherapeutischer Tätigkeit nicht zu vereinbaren. Abgesehen davon, dass der Kläger jedenfalls in der Vergangenheit Patienten im Anschluss an eine stationäre Behandlung in der Waldhaus-Klinik ambulant in seiner Praxis weiterbehandelt hat, schließt schon die abstrakte Möglichkeit, dass Interessen- oder Pflichtenkollisionen zulasten von Patienten oder Kostenträgern auftreten können, einen Zulassungsanspruch aus. Selbst eine Erklärung, in der sich der Kläger verpflichten würde, als Vertrags-Psychotherapeut keine in dem anderen Erwerbsbereich bekannt gewordenen Patienten behandeln zu wollen, wäre nicht geeignet, diese objektive Gefährdungssituation zu beseitigen (vgl. BSG a.a.O.).

An dieser Einschätzung vermag sich auch nichts dadurch zu ändern, dass der Kläger seit mehr als 15 Jahren eine Praxis als niedergelassener Psychotherapeut betreibt, die in ihrem Bestand gefährdet werde; er wird insbesondere dadurch nicht in seinen Grundrechten verletzt. Die Regelung zur bedarfsunabhängigen Zulassung bzw. Ermächtigung stellt für die betroffenen Psychotherapeuten eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand dar, und zwar auch dann, wenn die Psychotherapeuten bereits vorher am Delegationsverfahren teilgenommen haben. Denn durch die Neuregelung der psychotherapeutischen Versorgung werden Rechtspositionen nicht verschlechtert, sondern verbessert, weil erstmals eine den Ärzten gleichgestellte Teilhabe an der Behandlung von Krankenversicherten eröffnet wird (Bundesverfassungsgericht -BVerfG- SozR 3-2500 § 95 Nr. 24 sowie NJW 2000 1779 und Bundessozialgericht -BSG- SozR 3-2500 § 95 Nr. 25). Dies berechtigte den Gesetzgeber zugleich, die Erweiterung der Rechtsposition an anderer Stelle auch von Einschränkungen abhängig zu machen. Darüber hinaus ist dem Kläger der Betrieb seiner Praxis als niedergelassener Psychotherapeut rechtlich dann möglich, wenn er die abhängige Beschäftigung aufgibt und die Praxistätigkeit zu seinem Hauptberuf ausweitet. Und Schließlich würde durch eine fehlende Zulassung der Bestand der Praxis jedenfalls nicht in seiner Substanz beeinträchtigt, weil dem Kläger die Behandlung sonstiger Patienten - etwa Privatpatienten oder Patienten, deren Behandlungskosten durch den Sozial- oder Jugendhilfeträger getragen werden, weiter möglich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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