Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 25 RJ 14/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 175/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
In diesem Rechtsstreit geht es um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am ...1942 geborene, in Österreich lebende Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Zuletzt war sie bis Oktober 1992 in Österreich als Verpackerin beschäftigt.
Am 03.03.1997 stellte die Klägerin in Österreich Rentenantrag, der dort zu einer Alterspension wegen Arbeitslosigkeit ab 01.04.1997 führte (Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 28.05.1997). Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 21.05.1997 ab, weil die Klägerin trotz eines Bandscheibenprolaps L5/S1 mit geringem Reizzustand, psychoneurasthenischen Zustandsbildes, Migräne cervicale und kompensierten Bluthochdruckes noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltung und ohne Zeitdruck vollschichtig zu verrichten. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 23.09. 1997 zurückgewiesen.
Im anschließenden Klageverfahren wies die Klägerin auf Wirbelsäulenbeschwerden und Migräne hin. Auch leide sie an Angst- und Panikattacken und sei nicht mehr in der Lage, einen Achtstundentag durchzuarbeiten. Das Sozialgericht (SG) hat die Klägerin nach Beiziehung diverser Befundberichte auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet untersuchen lassen. Dabei wurden auf orthopädischem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: 1. Geringe Fehlhaltung der Halswirbelsäule. 2. Leichte Chondrosis intervertebralis im Scheitelpunkt der Brustkyphose, Residuen einer abgelaufenen Scheuermann schen Erkrankung. Initiale Spondylose der Brustwirbelsäule. 3. Leichte Spondylose der Lendenwirbelsäule. 4. Initiale Retropatellararthrose beidseits. 5. Leichte Schultereckgelenksarthrose beidseits. 6. Geringe zystische Veränderungen vor allem in der rechten Handwurzel. Die Klägerin könne mit diesen Leiden noch leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten. Zu vermeiden seien Heben und Tragen von schweren Lasten, häufiges Bücken, möglichst auch permanente Überkopfarbeiten. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet wurden folgende Befunde erhoben: a) Ängstlich-depressives Syndrom bei einfacher, primär wenig durchsetzungsfähiger Persönlichkeitsstruktur. b) Spannungskopfschmerzsyndrom ohne Anhaltspunkte für einen intrakraniellen Prozess. c) Chronisches Wirbelsäulensyndrom bei nachgewiesenem Bandscheibenprolaps L5/S1 ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte, einfache, körperliche Tätigkeiten aus wechselnder Ausgangsposition im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten. Zu vermeiden seien Akkord- und Schichtarbeiten, Arbeiten unter Zeitdruck und Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges bestünden nicht. Gestützt auf diese Gutachten wurde die Klage mit Urteil vom 19.01.1999 abgewiesen.
Gegen das am 25.02.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, die am 29.03.1999 einging. Sie führt aus, sie finde an ihrem Wohnort keine Beschäftigung, da sie nicht voll arbeiten könne und keinen Führerschein besitze. Sie habe so lange gearbeitet, dass sie schon meine, dass ihr eine Rente zustehe. Sie leide auch unter Angstzuständen und Depressionen, komme kaum aus dem Haus, außer für zwei Arztbesuche pro Woche. Der Senat hat eine Reihe von Befundberichten beigezogen und ein Gutachten von dem Neurologen und Psychiater Dr.V ... vom 03.12.2000 eingeholt. Dieses Gutachten stimmt nach umfangreicher Anamnese und intensiver Auseinandersetzung mit den zahlreichen ärztlichen Unterlagen im Wesentlichen dem vom SG eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten zu. Es werden folgende Diagnosen gestellt: - Angst und depressive Störungen, (ICD 10: F 41.2). - Schmerzsyndrom der Wirbelsäule ohne neurologische Funktionsausfälle. Der Sachverständige führt dazu aus, die kontinuierlich vorhandene Angststörung sei mittelgradig, führe zu teilweisem Vermeidungsverhalten und Einschränkungen des Aktionsradius, gestatte der Klägerin aber dennnoch die Teilnahme am sozialen Leben. Es gebe keine Hinweise für eine endogene Depression, manisch-depressive Erkrankung, schwere Neurose oder Persönlichkeitsstörungen. EEG und CT seien unauffällig. Die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt werde durch die Gesundheitsstörungen auf neuropsychiatrischem Fachgebiet nur leichtgradig beeinträchtigt. Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Heben und Tragen schwerer Lasten sowie häufigem Bücken, ferner Arbeiten mit starker Lärmexposition. Nicht mehr möglich seien Arbeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit und die Stresstoleranz, Arbeiten unter Zeitdruck, in Wechsel- oder Nachtschicht. Ausdauer und Umstellungsfähigkeit seien durch die ängstlich-depressive Symptomatik und die sozial-phobischen Ängste beeinträchtigt. Als Packerin könne die Klägerin nicht mehr arbeiten, sonst aber alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der vorgenannten qualitativen Einschränkungen ausführen.
Die Klägerin hat dazu mit Schreiben vom 02.01.2001 mitgeteilt, dass sie ihre Berufung aufrecht erhalte, da sie in Österreich Gesundheitsgründen nicht mehr arbeitsfähig sei. Mit ihrer Invalidenpension und der Witwenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann dürfe sie in Österreich nichts hinzuverdienen. Mehr als eine Putzstelle stundenweise würde sie ohnehin nicht bekommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 19.01.1999 sowie des Bescheides vom 21.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.1997 zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts München.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs.1 Satz 2, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Insbesondere ist die Berufungsfrist gewahrt, die im vorliegenden Fall drei Monate beträgt, weil die Klägerin im Ausland wohnt (§ 153 Abs.1 iVm § 87 Abs.1 Satz 2 SGG).
Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der deutschen Rentenversicherung.
Gemäß §§ 43 Abs.1, 44 Abs.1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung haben Ver- Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn sie berufs- bzw. erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Gemäß § 43 Abs.2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder wegen Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs oder der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Gemäß § 44 Abs.2 SGB VI sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgrenze bzw. (ab 01.04.1999) 630,00 DM übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist weder berufs- noch erwerbsunfähig. Sie hat keinen Beruf erlernt und zuletzt in Österreich bis 1992 als Verpackerin eine ungelernte Tätigkeit ausgeübt. Damit sind ihr alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zuzumuten.
Hier kann sie nach dem Ergebnis der vom SG und vom erkennenden Senat eingeholten Gutachten mit gewissen Einschränkungen noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten, so dass weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Im Vordergrund stehen Beschwerden seitens der Wirbelsäule. Hierzu hat der Orthopäde Dr.F ... in seinem Gutachten vom 16.09.1998 überzeugend dargelegt, dass nur eine geringe Fehlhaltung der Halswirbelsäule vorliege, ferner nur eine leichte Chondrosis intervertebralis im Scheitelpunkt der Brustkyphose sowie Residuen einer abgelaufenen Scheuermann schen Erkrankung. Eine Spondylose der Brustwirbelsäule bezeichnete er als initial, also im Anfangsstadium. Im Bereich der Lendenwirbelsäule wird eine leichte Spondylose beschrieben. Auch die arthrotischen Veränderungen im Knie bzw. Schultergelenk werden als leicht bzw. initial bezeichnet. Die zystischen Veränderungen vor allem in der Handwurzel haben nur ein geringes Ausmaß. Vom orthopädischen Fachgebiet her kann die Klägerin jedenfalls noch leichte und sogar noch mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten, wobei das Heben und Tragen von schweren Lasten zu vermeiden ist, was sich bei leichten Arbeiten von selber versteht. Zu vermeiden sind ferner häufiges Bücken und permanente Überkopfarbeiten, Einschränkungen, die bei einer normalen leichten Arbeit keine Rolle spielen. Bedeutsamer sind die Leiden aus dem neurologisch-psychiatrischen Bereich. Hierzu hat der Senat ein weiteres Gutachten von Dr.V ... vom 03.12.2000 eingeholt, das jedoch weitgehend mit dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr.K ... vom 17.09.1998 übereinstimmt. Danach handelt es sich bei der Klägerin um eine Angst und depressive Störung sowie um ein Schmerzsyndrom der Wirbelsäule, allerdings ohne neurologische Funktionsausfälle. Durch die von Dr.V ... als mittelgradig bezeichnete Angststörung ist die Klägerin in ihrem Aktionsradius zwar eingeschränkt, aber durchaus noch in der Lage, am sozialen Leben teilzunehmen. Für eine endogene Depression, manisch depressive Erkrankung oder schwere Neurose oder Persönlichkeitsstörungen fehlt jeglicher Hinweis. Die körperlichen Untersuchungen wie EEG und CT waren unauffällig. Insgesamt ist die Klägerin auch durch die Krankheiten auf diesem Fachgebiet nur leichtgradig beeinträchtigt. Sie kann noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten. Zusätzlich zu den aus orthopädischen Gründen bestehenden Einschränkungen (siehe oben) sind wegen der reduzierten nervlichen Belastbarkeit starke Lärmexpositionen sowie besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit und die Stresstoleranz (Zeitdruck, Wechsel- oder Nachtschicht) zu vermeiden. Eingeschränkt sind auch Dauer und Umstellungsfähigkeit. Unter diesen Umständen kann die Klägerin zwar nicht mehr den gegebenenfalls körperlich schweren Beruf einer Packerin ausüben, wohl aber kann sie eine Vielzahl von leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch verrichten, ohne dass diese konkret benannt werden müssten.
Die Tatsache, dass die Klägerin ihrer Meinung nach in Österreich keinen Arbeitsplatz erhalten kann, kann nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin für die Frage, ob ihr eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung zusteht, sich auf den gesamten Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen muss. Im Übrigen ist die Frage, ob ein Rentenbewerber konkret eine Arbeit bekommt, bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit nicht ein Risiko der Renten- sondern der Arbeitslosenversicherung. Nicht berücksichtigt werden kann deshalb auch, ob sich eine etwaige Erwerbstätigkeit der Klägerin schädlich auf die in Österreich bezogenen Renten auswirken würde.
Ein Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach §§ 43, 44 SGB VI aF steht der Klägerin mithin nicht zu.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem seit 01.01.2001 geltenden § 43 SGB VI nF. Nach § 43 Abs.1, 2 SGB VI nF haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs.3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich, dass das neue Recht insofern strengere Anforderungen stellt, als die Erwerbsminderung nicht nur unter acht (vollschichtig) sondern unter sechs Stunden abgesunken sein muss, damit ein Rentenanspruch wegen Erwerbsminderung überhaupt entstehen kann. Dies ist bei der Klägerin nach dem Ergebnis der gerichtsärztlichen Begutachtung (siehe oben) nicht der Fall. Mithin ergibt sich auch durch die Gesetzesänderung zum 01.01.2001 kein Rentenanspruch.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG München vom 19.01.1999 war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
In diesem Rechtsstreit geht es um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am ...1942 geborene, in Österreich lebende Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Zuletzt war sie bis Oktober 1992 in Österreich als Verpackerin beschäftigt.
Am 03.03.1997 stellte die Klägerin in Österreich Rentenantrag, der dort zu einer Alterspension wegen Arbeitslosigkeit ab 01.04.1997 führte (Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 28.05.1997). Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 21.05.1997 ab, weil die Klägerin trotz eines Bandscheibenprolaps L5/S1 mit geringem Reizzustand, psychoneurasthenischen Zustandsbildes, Migräne cervicale und kompensierten Bluthochdruckes noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltung und ohne Zeitdruck vollschichtig zu verrichten. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 23.09. 1997 zurückgewiesen.
Im anschließenden Klageverfahren wies die Klägerin auf Wirbelsäulenbeschwerden und Migräne hin. Auch leide sie an Angst- und Panikattacken und sei nicht mehr in der Lage, einen Achtstundentag durchzuarbeiten. Das Sozialgericht (SG) hat die Klägerin nach Beiziehung diverser Befundberichte auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet untersuchen lassen. Dabei wurden auf orthopädischem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: 1. Geringe Fehlhaltung der Halswirbelsäule. 2. Leichte Chondrosis intervertebralis im Scheitelpunkt der Brustkyphose, Residuen einer abgelaufenen Scheuermann schen Erkrankung. Initiale Spondylose der Brustwirbelsäule. 3. Leichte Spondylose der Lendenwirbelsäule. 4. Initiale Retropatellararthrose beidseits. 5. Leichte Schultereckgelenksarthrose beidseits. 6. Geringe zystische Veränderungen vor allem in der rechten Handwurzel. Die Klägerin könne mit diesen Leiden noch leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten. Zu vermeiden seien Heben und Tragen von schweren Lasten, häufiges Bücken, möglichst auch permanente Überkopfarbeiten. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet wurden folgende Befunde erhoben: a) Ängstlich-depressives Syndrom bei einfacher, primär wenig durchsetzungsfähiger Persönlichkeitsstruktur. b) Spannungskopfschmerzsyndrom ohne Anhaltspunkte für einen intrakraniellen Prozess. c) Chronisches Wirbelsäulensyndrom bei nachgewiesenem Bandscheibenprolaps L5/S1 ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte, einfache, körperliche Tätigkeiten aus wechselnder Ausgangsposition im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten. Zu vermeiden seien Akkord- und Schichtarbeiten, Arbeiten unter Zeitdruck und Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges bestünden nicht. Gestützt auf diese Gutachten wurde die Klage mit Urteil vom 19.01.1999 abgewiesen.
Gegen das am 25.02.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, die am 29.03.1999 einging. Sie führt aus, sie finde an ihrem Wohnort keine Beschäftigung, da sie nicht voll arbeiten könne und keinen Führerschein besitze. Sie habe so lange gearbeitet, dass sie schon meine, dass ihr eine Rente zustehe. Sie leide auch unter Angstzuständen und Depressionen, komme kaum aus dem Haus, außer für zwei Arztbesuche pro Woche. Der Senat hat eine Reihe von Befundberichten beigezogen und ein Gutachten von dem Neurologen und Psychiater Dr.V ... vom 03.12.2000 eingeholt. Dieses Gutachten stimmt nach umfangreicher Anamnese und intensiver Auseinandersetzung mit den zahlreichen ärztlichen Unterlagen im Wesentlichen dem vom SG eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten zu. Es werden folgende Diagnosen gestellt: - Angst und depressive Störungen, (ICD 10: F 41.2). - Schmerzsyndrom der Wirbelsäule ohne neurologische Funktionsausfälle. Der Sachverständige führt dazu aus, die kontinuierlich vorhandene Angststörung sei mittelgradig, führe zu teilweisem Vermeidungsverhalten und Einschränkungen des Aktionsradius, gestatte der Klägerin aber dennnoch die Teilnahme am sozialen Leben. Es gebe keine Hinweise für eine endogene Depression, manisch-depressive Erkrankung, schwere Neurose oder Persönlichkeitsstörungen. EEG und CT seien unauffällig. Die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt werde durch die Gesundheitsstörungen auf neuropsychiatrischem Fachgebiet nur leichtgradig beeinträchtigt. Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Heben und Tragen schwerer Lasten sowie häufigem Bücken, ferner Arbeiten mit starker Lärmexposition. Nicht mehr möglich seien Arbeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit und die Stresstoleranz, Arbeiten unter Zeitdruck, in Wechsel- oder Nachtschicht. Ausdauer und Umstellungsfähigkeit seien durch die ängstlich-depressive Symptomatik und die sozial-phobischen Ängste beeinträchtigt. Als Packerin könne die Klägerin nicht mehr arbeiten, sonst aber alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der vorgenannten qualitativen Einschränkungen ausführen.
Die Klägerin hat dazu mit Schreiben vom 02.01.2001 mitgeteilt, dass sie ihre Berufung aufrecht erhalte, da sie in Österreich Gesundheitsgründen nicht mehr arbeitsfähig sei. Mit ihrer Invalidenpension und der Witwenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann dürfe sie in Österreich nichts hinzuverdienen. Mehr als eine Putzstelle stundenweise würde sie ohnehin nicht bekommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 19.01.1999 sowie des Bescheides vom 21.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.1997 zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts München.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs.1 Satz 2, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Insbesondere ist die Berufungsfrist gewahrt, die im vorliegenden Fall drei Monate beträgt, weil die Klägerin im Ausland wohnt (§ 153 Abs.1 iVm § 87 Abs.1 Satz 2 SGG).
Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der deutschen Rentenversicherung.
Gemäß §§ 43 Abs.1, 44 Abs.1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung haben Ver- Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn sie berufs- bzw. erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Gemäß § 43 Abs.2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder wegen Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs oder der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Gemäß § 44 Abs.2 SGB VI sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgrenze bzw. (ab 01.04.1999) 630,00 DM übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist weder berufs- noch erwerbsunfähig. Sie hat keinen Beruf erlernt und zuletzt in Österreich bis 1992 als Verpackerin eine ungelernte Tätigkeit ausgeübt. Damit sind ihr alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zuzumuten.
Hier kann sie nach dem Ergebnis der vom SG und vom erkennenden Senat eingeholten Gutachten mit gewissen Einschränkungen noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten, so dass weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Im Vordergrund stehen Beschwerden seitens der Wirbelsäule. Hierzu hat der Orthopäde Dr.F ... in seinem Gutachten vom 16.09.1998 überzeugend dargelegt, dass nur eine geringe Fehlhaltung der Halswirbelsäule vorliege, ferner nur eine leichte Chondrosis intervertebralis im Scheitelpunkt der Brustkyphose sowie Residuen einer abgelaufenen Scheuermann schen Erkrankung. Eine Spondylose der Brustwirbelsäule bezeichnete er als initial, also im Anfangsstadium. Im Bereich der Lendenwirbelsäule wird eine leichte Spondylose beschrieben. Auch die arthrotischen Veränderungen im Knie bzw. Schultergelenk werden als leicht bzw. initial bezeichnet. Die zystischen Veränderungen vor allem in der Handwurzel haben nur ein geringes Ausmaß. Vom orthopädischen Fachgebiet her kann die Klägerin jedenfalls noch leichte und sogar noch mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten, wobei das Heben und Tragen von schweren Lasten zu vermeiden ist, was sich bei leichten Arbeiten von selber versteht. Zu vermeiden sind ferner häufiges Bücken und permanente Überkopfarbeiten, Einschränkungen, die bei einer normalen leichten Arbeit keine Rolle spielen. Bedeutsamer sind die Leiden aus dem neurologisch-psychiatrischen Bereich. Hierzu hat der Senat ein weiteres Gutachten von Dr.V ... vom 03.12.2000 eingeholt, das jedoch weitgehend mit dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr.K ... vom 17.09.1998 übereinstimmt. Danach handelt es sich bei der Klägerin um eine Angst und depressive Störung sowie um ein Schmerzsyndrom der Wirbelsäule, allerdings ohne neurologische Funktionsausfälle. Durch die von Dr.V ... als mittelgradig bezeichnete Angststörung ist die Klägerin in ihrem Aktionsradius zwar eingeschränkt, aber durchaus noch in der Lage, am sozialen Leben teilzunehmen. Für eine endogene Depression, manisch depressive Erkrankung oder schwere Neurose oder Persönlichkeitsstörungen fehlt jeglicher Hinweis. Die körperlichen Untersuchungen wie EEG und CT waren unauffällig. Insgesamt ist die Klägerin auch durch die Krankheiten auf diesem Fachgebiet nur leichtgradig beeinträchtigt. Sie kann noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten. Zusätzlich zu den aus orthopädischen Gründen bestehenden Einschränkungen (siehe oben) sind wegen der reduzierten nervlichen Belastbarkeit starke Lärmexpositionen sowie besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit und die Stresstoleranz (Zeitdruck, Wechsel- oder Nachtschicht) zu vermeiden. Eingeschränkt sind auch Dauer und Umstellungsfähigkeit. Unter diesen Umständen kann die Klägerin zwar nicht mehr den gegebenenfalls körperlich schweren Beruf einer Packerin ausüben, wohl aber kann sie eine Vielzahl von leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch verrichten, ohne dass diese konkret benannt werden müssten.
Die Tatsache, dass die Klägerin ihrer Meinung nach in Österreich keinen Arbeitsplatz erhalten kann, kann nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin für die Frage, ob ihr eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung zusteht, sich auf den gesamten Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen muss. Im Übrigen ist die Frage, ob ein Rentenbewerber konkret eine Arbeit bekommt, bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit nicht ein Risiko der Renten- sondern der Arbeitslosenversicherung. Nicht berücksichtigt werden kann deshalb auch, ob sich eine etwaige Erwerbstätigkeit der Klägerin schädlich auf die in Österreich bezogenen Renten auswirken würde.
Ein Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach §§ 43, 44 SGB VI aF steht der Klägerin mithin nicht zu.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem seit 01.01.2001 geltenden § 43 SGB VI nF. Nach § 43 Abs.1, 2 SGB VI nF haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs.3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich, dass das neue Recht insofern strengere Anforderungen stellt, als die Erwerbsminderung nicht nur unter acht (vollschichtig) sondern unter sechs Stunden abgesunken sein muss, damit ein Rentenanspruch wegen Erwerbsminderung überhaupt entstehen kann. Dies ist bei der Klägerin nach dem Ergebnis der gerichtsärztlichen Begutachtung (siehe oben) nicht der Fall. Mithin ergibt sich auch durch die Gesetzesänderung zum 01.01.2001 kein Rentenanspruch.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG München vom 19.01.1999 war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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