Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 VJ 1/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VJ 8/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch nach Ablösung der entsprechenden Regelungen des BSeuchG durch §§ 60, 61 IfSG zum 01.01.2001 geht der Senat davon aus, dass sowohl für die haftungsgegründende als auch für die haftungsausfüllende Kausalität der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit greift.
2. Im IfSG ist zwar eine dreistufige Prüfung (Impfung - Primärschädigung - verbliebener Schaden) angelegt. Aufgrund der besonderen Wirkung von Impfungen im Körperinnern darf aber nicht ausnahmslos verlangt werden, es müsse eine deutlich wahrnehmbare Primärschädigung festgestellt werden.
3. Die Kausalitätsbeurteilung im Imfpschadensrecht hat in Form einer Gesamtabwägung aller relevanten Umstände zu erfolgen.
4. § 61 Satz 2 IfSG, der eine Kann-Versorgung vorsieht, ist dahin zu interpretieren, dass mit Ausnahme des Wahrscheinlichkeitsnachweises alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und zugleich keine Asprekte erkennbar sein dürfen, welche die Wahrscheinlichkeit der Verursachung unabhängig von der Ätiologie und der Pathogenese der betreffenden Krankheit ausschließen.
2. Im IfSG ist zwar eine dreistufige Prüfung (Impfung - Primärschädigung - verbliebener Schaden) angelegt. Aufgrund der besonderen Wirkung von Impfungen im Körperinnern darf aber nicht ausnahmslos verlangt werden, es müsse eine deutlich wahrnehmbare Primärschädigung festgestellt werden.
3. Die Kausalitätsbeurteilung im Imfpschadensrecht hat in Form einer Gesamtabwägung aller relevanten Umstände zu erfolgen.
4. § 61 Satz 2 IfSG, der eine Kann-Versorgung vorsieht, ist dahin zu interpretieren, dass mit Ausnahme des Wahrscheinlichkeitsnachweises alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und zugleich keine Asprekte erkennbar sein dürfen, welche die Wahrscheinlichkeit der Verursachung unabhängig von der Ätiologie und der Pathogenese der betreffenden Krankheit ausschließen.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Augsburg vom 25. August 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten wegen einer Versorgung nach dem Impfschadensrecht gemäß §§ 60 ff. des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).
Der 28-jährige Kläger leidet an Diabetes mellitus Typ I (im Folgenden: DM I). Am 24.08., 23.09.1999 und am 14.03.2000 erhielt er jeweils eine Impfung gegen Hepatitis A und B (Impfstoff Twinrix ADULTE). Am 04.04.2000 wurde beim Kläger erstmals DM I diagnostiziert. Etwa drei Wochen zuvor waren die ersten Symptome einer Erstmanifestation aufgetreten: permanent zunehmendes Durstgefühl, schlechter Appetit, Gewichtsverlust, große Müdigkeit, starker Druck in den Ohren, dunkle Augenringe. Für den Kläger ist ein Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht von 40 festgestellt.
Am 07.06.2000 beantragte der Kläger Versorgung nach dem Impfschadensrecht. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Internisten Dr. S. vom 19.09.2000 ist davon die Rede, die Applikation des Impfstoffs sei beim Kläger ordnungsgemäß erfolgt (Zeitpunkt, Intervall, keine akute Erkrankung zum Zeitpunkt der Impfung). Eine DM I-Er-krankung werde in der Nebenwirkungsbeschreibung der Roten Liste nicht genannt. Mit Bescheid vom 23.03.2001 lehnte der Beklagte den Versorgungsantrag ab. Widerspruch legte der Kläger nicht ein.
Am 17.12.2002 stellte der Kläger einen erneuten Antrag auf Versorgung nach dem Impfschadensrecht. Mit Bescheid vom 23.01.2003 lehnte der Beklagte eine Änderung des Ursprungsbescheids ab. Den Widerspruch vom 15.02.2003 wies er mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2003 als unbegründet zurück. In der Begründung nahm er Stellung zu dem vom Kläger vorgelegten Leserbrief von J.B. Classen im New Zealand Medical Journal vom 24.05.1996 zum Thema "Kinderschutzimpfung und DM I".
Am 23.04.2003 erhob der Kläger beim Sozialgericht Augsburg Klage (S 11 VJ 2/03). Das Sozialgericht holte ein Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. T. D. (D) vom Kinderkrankenhaus B., H., ein. Der schrieb in seinem Gutachten vom 22.07.2005, die Laborbefunde beim Kläger würden für einen autoimmunbedingten DM I sprechen. Bei dieser Krankheit spielten genetische Faktoren, Virusinfektionen und andere exogene Faktoren sowie autoimmunologische Prozesse bei der Entstehung in bisher nicht vollständig geklärter Weise zusammen. Bis heute seien ca. 13 verschiedene Viren mit der Entstehung von DM I in Verbindung gebracht worden. In diesem Zusammenhang müsse die mögliche Gefahr einer DM I-Entstehung durch Impfung diskutiert werden. Inzwischen lägen indes gute epidemiologische Daten vor, die keinen Hinweis für einen Zusammenhang zwischen Impfungen und DM I ergeben hätten. Der Sachverständige bezog sich auf Arbeiten von Graves et al., 1999, Hummel (Baby-Diab-Studie), 2001, Lindberg et al., 1999, Karvonen et al., 1999, und Di Stefano et al., 2001. Die vom Kläger vorgelegten Arbeiten von Classen seien bekannte Außenseitermeinungen, die in der Kinderdiabetologie nicht akzeptiert seien. Die Ansicht des Klägers, dass noch eine wissenschaftlich ernst zu nehmende Kontroverse bestehe, sei nicht richtig. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass DM I eine schubweise verlaufende Erkrankung sei, die bereits lange vor der Manifestation beginne. Erst wenn weniger als 20% der Insulin produzierenden Zellen noch funktionsfähig seien, komme es zum Auftreten der typischen Symptome wie im Fall des Klägers. Dies mache die Analyse möglicher krankheitsfördernder und protektiver Faktoren im Einzelfall schwierig. Manifestationsfördernd könnten Infektionen - wie im Fall des Klägers - sein, aber auch andere Belastungen wie Verletzungen, Verbrennungen, Operationen, Unfälle oder seelische Traumen. Man vermute, dass die Mehrsekretion von kontrainsulinären Hormonen, die durch Stress ausgelöst würden, eine bereits bestehende Glukosetoleranzstörung verstärke und bei bereits bestehender Beta-Insuffizienz die Grenze zur klinischen Manifestation eines DM I überschritten werde. Diese Beschleunigung in der Manifestation trete nur dann ein, wenn diese ohnehin kurz bevorstehe. Daher könnten Impfungen nicht ursächlich für die Entstehung des DM I herangezogen werden. Die am 24.08., 23.09.1999 und am 14.03.2000 durchgeführten Impfungen könnten eindeutig nicht im Sinn der Entstehung oder der Verschlimmerung des DM I herangezogen werden. In Bezug auf eine Kann-Versorgung schrieb D, es gebe keine tierexperimentellen oder anderen theoretisch begründeten wissenschaftlichen Arbeitshypothesen, warum eine Hepatitisimpfung mit der Entstehung eines DM I zusammenhängen sollte. Es lägen ausreichende epidemiologische Untersuchungen vor, dass dies gerade nicht der Fall sei. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Impfung und DM I sei unwahrscheinlich. Eine zeitliche Verbindung zwischen Impfung und Auftreten der Krankheit lasse sich nicht herstellen. Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung seien nicht gegeben.
Auf das Gutachten hin nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Klage zurück, behielt sich jedoch eine neue Initiative vor, wenn bessere Erkenntnisse zur Verfügung stünden.
Am 27.10.2007 legte der Kläger beim Beklagten ein Privatgutachten, das jedoch als "Gutachten nach § 109 SGG" deklariert war, des praktischen Arztes R. K. (K) vom 24.10.2007 vor. Diesem kam es darauf an, das Gefährdungspotential der Zusätze zu den Impfstoffen herauszustellen. Vergiftungen, so K, spielten im Rahmen der exogenen Faktoren eine große Rolle. Auch Quecksilber oder Aluminiumhydroxid seien geeignet, solche Vergiftungen hervorzurufen. K versuchte, plausibel zu machen, dass Antigene aus Impfstoffen möglicherweise dazu führen könnten, dass das Immunsystem strukturähnliches körpereigenes Gewebe angreifen könnte. Neben den inaktivierten Viren enthalte der Impfstoff weitere hochtoxische Substanzen wie Formaldehyd, Thiomersal, Aluminiumhydroxid etc ... Diese Substanzen könnten zu akuten oder chronischen Vergiftungen führen. Bei vielen der beschriebenen Nebenwirkungen handle es sich um autoimmune Prozesse. Daraus ergebe sich automatisch auch ein Gefährdungspotential bezüglich DM I, auch wenn DM I nicht explizit als Nebenwirkung der Hepatitisimpfung genannt werde. In der Zusammenfassung meinte K, Impfungen blieben als Ursache für DM I nach wie vor diskutierbar, da es sich dabei um eine Autoimmunkrankheit handle. Im Fall des Klägers stützte er sich auf den zeitlichen Zusammenhang und die von ihm erläuterten Eigenschaften der Additiva.
Der Beklagte wertete die Vorlage des Gutachtens des K als Antrag nach § 44 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) und lehnte diesen mit Bescheid vom 08.02.2008 ab. Den Widerspruch vom 26.02.2008 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2008 als unbegründet zurück.
Am 25.03.2008 hat der Kläger erneut Klage beim Sozialgericht München (S 11 VJ 1/08, später S 5 VJ 1/08) erhoben. Das Sozialgericht hat ein Gutachten der Kinderärztin an
der H. Kinderklinik (Schwerpunkt pädiatrische Endokrinologie/Diabetologie) Dr. S. B. (B) eingeholt. Im Gutachten vom 31.07.2008 hat die Sachverständige geschildert, allgemein sei die Betazellzerstörung zumeist Folge eines Autoimmunprozesses, könne aber auch idiopathisch (ohne Nachweis von Antikörpern) sein. Zu den möglichen Krankheitsursachen hat B geschrieben, eine familiäre Belastung liege nur in 10% der DM I-Fälle vor. Ein "DM I-Gen" gebe es nicht. Neben Virusinfektionen spielten weitere Umweltfaktoren eine wichtige Rolle in der Entstehung, wie z.B. Ernährungsfaktoren (Stilldauer, Kuhmilchexposition etc.). An Virusinfektionen seien u.a. Mumps und Hepatitis A identifiziert worden. Die Virusinfektion führe dabei weniger zu einer direkten Zerstörung der Betazellen, sondern löse einen langfristigen autoimmunologischen Prozess aus. Inzwischen lägen gute Studien vor, die keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Impfung und DM I ergeben hätten (DAISY-Studie von Graves, BabyDiab-Studie). Das Zusammenspiel von interkurrenten Infektionen oder anderen Belastungen scheine das Auftreten eines DM I zu beschleunigen, wenn durch eine genetische Prädisposition, spezifische Virusinfektionen und autoimmunologische Vorgänge der Zerstörungsprozess der Betazellen bereits begonnen habe und nur noch ca. 20% dieser Zellen vorhanden seien. Vor dem manifesten DM I gebe es einen Prädiabetes, worunter ein mehrere Monate bis mehrere Jahre andauernder Prozess der entzündlichen Veränderung der Inselzellen im Sinn einer Insulinitis zu verstehen sei. Die im Fall des Klägers festgestellten Veränderungen bereits eineinhalb Tage nach der Impfung stünden nicht in Zusammenhang mit dieser, sondern seien Ausdruck der erschöpften Betazellenfunktion. Auch bezüglich der vorangegangenen Impfungen lasse sich kein Zusammenhang herstellen. B hat insoweit auf eine Studie in Dänemark von Haviid (2004) verwiesen. Diese Studie, so die Sachverständige, sei nach unterschiedlichen Impfungen aufgeschlüsselt gewesen. Es habe kein Zusammenhang zwischen den jeweiligen Impfungen und dem Auftreten von DM I gefunden werden können. Weiter hat sich B auf eine Arbeit aus dem Gesundheitsblatt 2001 von Keller-Stanislawski und Hartmann sowie auf eine Übersichtsarbeit von Wraith et al. (2003) gestützt. In dem Artikel von Wraith, so B, werde auch auf die Arbeiten von Karvonen und Di Stefano hingewiesen. Auch eine Übersichtsarbeit von Schattner (2005) komme zum Ergebnis, es fände sich kein Zusammenhang zwischen Impfungen und DM I, Multipler Sklerose oder entzündlicher Darmerkrankung. B hat sich auch auf die Ergebnisse eines Workshops in Baltimore bezogen. Nur bei wenigen Autoimmunprozessen habe ein direkter Nachweis zwischen Impfung und Erkrankung nachgewiesen werden können. Hierzu gehörten das Guillain-Barré-Syndrom nach Influenza-Impfung, eine disseminierte Enzephalomyelitis nach Tollwutimpfung und eine Thrombo-zytopenie nach Masernimpfung. Es handle sich um rare Einzelfälle. In Beantwortung der Beweisfragen hat B geschrieben, der DM I wäre auch ohne die Impfung in der derzeitigen Ausprägung vorhanden. Die Impfung sei nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht ursächlich. Bei Impfspezialisten und dem Großteil der Mediziner bestehe anhand großer Studien kein Anhalt, dass eine Impfung ursächlich für die Entstehung eines DM I sei. Die vom Kläger angeführten Publikationen stellten eine Einzelmeinung dar. Höchstwahrscheinlich sei es bei ihm bereits vor der ersten Impfung zu einer entzündlichen Betazellzerstörung in der Bauchspeicheldrüse gekommen.
Sodann hat der Kläger ein Privatgutachten von Dr. K. G. (G) vorgelegt (datiert "Juli 2008"). G hat gemeint, es gebe genügend Anhaltspunkte, einen Kausalzusammenhang zwischen Impfungen und DM I zu bejahen. Denn es sei bewiesen, dass allgemein ein Zusammenhang zwischen Impfungen und Autoimmunkrankheiten bestehe. Es gebe aber auch Beweise für einen Zusammenhang zwischen Impfungen und DM I. G hat sich der Frage gewidmet, welche Zusammenhänge zwischen der Entstehung von DM I und Impfungen existieren können. Er ist auf die Mumps-, Röteln-, MMR-, Mumps-Masern- und Hib-Impfung eingegangen, nicht aber auf Hepatitisimpfungen. Neben diesem Gutachten hat der Kläger eine Vielzahl weiterer Unterlagen eingereicht.
In einer ergänzenden Stellungnahme zu alldem vom 12.09.2008 hat B angemerkt, zitierfähige wissenschaftliche Beiträge seien im Gutachten des G nicht zu finden. Auch die vom Kläger aufgeführten Punkte ließen keine neuen Aspekte erkennen. Die von G zitierten Studien seien veraltet. Vielfache, sehr gute und renommiert publizierte Studien hätten keinen Anhalt für einen Zusammenhang zwischen Impfungen und DM I erbracht. Vor wenigen Wochen sei nochmals im Deutschen Ärzteblatt eine Analyse publiziert worden, die häufig vorgebrachten Argumenten von Impfgegnern erwidert hätte. Diese Arbeit gehe auch auf die Zusatzstoffdiskussion ein und könne ebenfalls einen Zusammenhang zwischen diesen Zusatzstoffen und Autoimmunerkrankungen nicht erkennen.
Schließlich hat das Sozialgericht ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von Dr. J. E. (E) eingeholt (Gutachten vom 30.03.2009). E hat geschrieben, die autoimmune Erkrankung wäre wahrscheinlich nicht aufgetreten ohne weitere Exposition schädlicher Noxen; dazu hat er in Klammern gesetzt "wie hier die dritte Twinrix-Imp-fung". Es sei "sehr denkbar", dass die Impfung ursächlich für DM I sei bzw. die Erstmanifestation begünstigt habe. Selbst wenn bei den führenden Impfspezialisten und im Großteil der medizinischen Publikationen Zusammenhänge verneint würden, gebe es genug beweisende Literatur aus renommierten Journals, selbst neueren Datums, welche B in Abrede stelle. E hat B vorgeworfen, sie hätte ausgeblendet, was sei, aber nicht sein dürfe. Er hat argumentiert, es bestehe eine klare zeitliche Verbindung zwischen den Impfungen und der Erstmanifestation des DM I. Eine andere Ursache komme nicht in Frage. Der Kläger habe vor der Impfung keinen DM I gehabt, wohl aber zwei Wochen danach. Zwar hat E konzediert, es gebe zahllose epidemiologische Studien, die einen Zusammenhang zwischen Impfungen und Entstehung des DM I negierten. Diese, so E, stammten jedoch nachweislich zu 97% aus der Pharmaindustrie. K und G hätten dagegen Studien benannt,
die von der Pharmaindustrie unabhängig seien. Diesen werde aber zu Unrecht wenig Beachtung geschenkt. Zur Person der B hat E bemerkt, deren Befangenheit an der Meinung der Pharmaindustrie sei zu groß, sie erhalte sogar Gelder aus der Pharmakasse über einen ihr verliehenen Wissenschaftspreis. E hat der Ärzteschaft Interessenkonflikte und Korruption vorgeworfen. Tatsache sei, dass Impfschäden systematisch negiert, ignoriert und heruntergespielt würden. E hat sich darauf gestützt, seit 2001 seien beim PEI immerhin 73 DM I-Fälle gemeldet worden bei einem "Underreporting" von 95%. Außerdem stünden die Gefahren in den Beipackzetteln, auch DM I. E hat kritisiert, in Impfstudien seien die Kontrollgruppen keine echten Placebogruppen; vielmehr werde ein anderer Impfstoff verabreicht. Das aber würde die Ergebnisse verzerren, weil auch in den Kontrollsubstanzen schädliche Inhaltsstoffe seien; Nebenwirkungen würden daher viel weniger auffallen.
E hat generell behauptet, Impfungen und vor allem Metalle - solche sind als Verbindungen zum Teil in Impfstoffen enthalten - könnten Autoimmunkrankheiten auslösen. Schädlich sei Thiomersal, das Quecksilber enthalte. Zum Beleg hat er diverse Unterlagen vorgelegt (Bieger/von Baehr, Immuntoxikologie der Metalle; Vorlesungsskript eines Dozenten Daniel Feuerstein in Immuntoxikologie, WS 2008, Universität unbekannt; Beschreibungen von Thiomersal [unbekannte Herkunft, Internet]; Daunderer, Metalle und Autoimmunerkrankungen; Information des Bundesgesundheitsministeriums vom 07.08.1995 zur Entstehung von Autoimmunkrankheiten; Report zu einer Studie der Universität Irvine, Kalifornien [aus dem Internet, von unbekanntem Verfasser und unbekannten Datums]; Beitrag von Dr. Joachim Mutter in Zusammenhang mit Amalgam; Beitrag von Naumann et al., Amalgam; Beitrag von Reinhard Lauer, unbekanntes Datum, Diagnose und Therapie der chronischen Quecksilbervergiftung; Auszug aus der Zeitschrift umwelt-medizingesellschaft 2006, S. 80, wohl von besagtem Dr. Mutter). E hat die Ansicht vertreten, der Zeitraum von eineinhalb Tagen zwischen letzter Impfung und Auftreten der ersten Krankheitssymptome sei von bedeutender Aussagekraft. Eine Kann-Versorgung, so E, sei in Betracht zu ziehen, weil eine Kumulation der Gifte bestehe; denn der Kläger habe ja vorher schon viele Impfungen mit hoher Quecksilber-Belastung gehabt. Zusammenfassend sei ausreichend belegt, dass Impfungen und/oder deren Additive Autoimmunprozesse wie DM I auf der Basis des Molekulary Mimikry hervorrufen könnten. Dies könne sehr schnell, aber auch erst Wochen bis Monate nach einer Impfung auftreten. Selbst die kurze Zeitdauer nach der dritten Impfung - eineinhalb Tage - könne ausreichend sein, da es sich um einen besonderen allergischen Reaktionstypus handle. Dann hat E dies relativiert, indem er behauptet hat, die dritte Impfung könnte die Erstmanifestation ausgelöst haben ("Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat").
Als Abschluss seines Gutachtens hat E u.a. folgende Aussagen getroffen: Vor der dritten Impfung habe der Kläger keine Anzeichen einer diabetogenen Erkrankung gezeigt; ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang sei vorhanden. Es sei weder eindeutig belegbar, aber auch nicht widerlegbar, dass die festgestellten Gesundheitsstörungen auch ohne die Impfung in dieser Ausprägung aufgetreten wären. Eine andere Ursache sei nicht ersichtlich. Die Impfung sei mit großer Wahrscheinlichkeit (d.h. es spreche mehr dafür als dagegen) "für den Eintritt oder die Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen ursächlich nicht sicher auszuschließen". Impfschäden dürften nicht kategorisch abgelehnt werden nur weil es unmöglich sei, Impfschäden bis ins Letzte zu beweisen. Nur weil in der Medizin Ungewissheit bestehe, dürfe ein Zusammenhang nicht negiert werden. Alle drei Impfungen könnten entweder im Sinn der Entstehung oder der Verschlimmerung die Schädigung bewirkt haben.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.08.2009 abgewiesen. In der Begründung hat es sich auf das Gutachten der B gestützt. Der zeitliche Zusammenhang genüge nicht, um einen Ursachenzusammenhang zu begründen. Darüber hinaus gebe es nach den neuesten epidemiologischen Studien keine Anhaltspunkte für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer DM I-Erkrankung und einer Hepatitisimpfung. Das sei durch E bestätigt worden, weil dieser einen Ursachenzusammenhang nur nicht sicher habe ausschließen können. Er befürworte lediglich eine Kann-Versorgung. Aber auch die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung seien nicht erfüllt.
Am 23.09.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Tenor der Berufungsbegründung geht dahin, alle negativen Studien seien durch die Pharmaindustrie beeinflusst oder manipuliert. Glaubhaft seien ausschließlich die Arbeiten, die zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen würden. Dass E sich ausführlich zum allgemeinen Gefahrenpotential von Impfungen für die Entstehung von Autoimmunerkrankungen ausgelassen habe, sei angebracht, weil doch alle Impfstoffe Thiomersal enthalten würden. Auch im Berufungsverfahren hat der Kläger eine Vielzahl von Quellen aus dem Internet eingereicht.
Der Senat hat dem Kläger vor der mündlichen Verhandlung zur Vorbereitung darauf diverse Unterlagen übersandt, u.a. die Kopie eines Gutachtens von Prof. Dr. S. M. (M), D., vom 05.09.2010, erstellt für den Beklagten in einem anderen Verfahren.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 25.08.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Bescheide vom 23.03.2001 und 23.01.2003 zurückzunehmen, festzustellen, dass der bei ihm vorliegende DM I Schädigungsfolge im Sinne von § 52 Abs.1 des Bundesseuchengesetzes (BSeuchG) beziehungsweise § 60 Abs. 1 IfSG ist, und ihm ab Antragstellung Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz bzw. Infektionsschutzgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere wegen des Inhalts medizinischer Berichte, Gutachten und Unterlagen, wird auf die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts in den Verfahren S 11 VJ 2/03 sowie S 5 VJ 1/08 und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese haben allesamt vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, die Rücknahme des ablehnenden Bescheids vom 23.03.2001, die Feststellung des DM I als Impfschaden sowie die Zuerkennung eines Versorgungsanspruchs zu erreichen. Dabei verkörpert die Kann-Versorgung keinen eigenen Streitgegenstand (vgl. BSGE 74, 109 ; BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, S. 55).
Das Begehren des Klägers wird im Folgenden ausschließlich nach den einschlägigen Bestimmungen des IfSG beurteilt. Der Versorgungsantrag wurde zwar im Juni 2000 gestellt mit der Folge, dass der Versorgungsanspruch materiell bis Ende 2000 nach den Bestimmungen des BSeuchG zu beurteilen war (vgl. BSG SozR 4-3851 § 20 Nr. 1, Rn. 6). Jedoch ist - wie oben ausgeführt - ein (wiederholter) Antrag nach § 44 SGB X Streitgegenstand, die mit Bescheid vom 23.03.2001 ausgesprochene Ablehnung zurückzunehmen und Versorgung, unter Feststellung des DM I als Impfschaden, von Anfang an zu gewähren. Dieser Antrag wurde erst am 27.10.2007 gestellt. Zwar führt dies nicht dazu, dass aufgrund von § 60 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Leistungen erst ab Oktober 2007 gewährt werden könnten. Denn der Antrag nach § 44 SGB X vermag nicht, als Antragsmonat im Sinn von § 60 Abs. 1 Satz 1 BVG zu fungieren; als solcher ist weiterhin der Monat Juni 2000 anzusehen. Jedoch führt § 44 Abs. 4 SGB X dazu, dass Leistungen von vornherein nur für einen Zeitraum gewährt werden könnten, in dem bereits das neue Recht gegolten hat. Dabei bewirkt diese Vorschrift eine materiell-rechtliche Anspruchsvernichtung (vgl. BSG, SGb 1994, S. 85). § 44 Abs. 4 SGB X wird auch nicht durch § 60 Abs. 1 BVG verdrängt (vgl. BSG, Urteil vom 02.10.2008 - B 9 VH 1/07 R).
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG erhält bei einem Impfschaden u.a. Versorgung, wer durch eine Schutzimpfung, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Nach § 61 Satz 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann gemäß § 61 Satz 2 IfSG mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden. Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Dahin stehen kann, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG im Übrigen erfüllt sind. Jedenfalls scheitert das Begehren des Klägers auf eine Versorgung nach dem IfSG daran, dass einerseits zwischen den angeschuldigten Impfungen in den Jahren 1999/2000 und dem beim Kläger bestehenden DM I kein Kausalzusammenhang im versorgungsrechtlichen Sinn wahrscheinlich ist (dazu unten 1.) und andererseits auch die Voraussetzungen für die so genannte Kann-Versorgung nicht vorliegen (dazu unten 2.).
1. Versorgung aufgrund mit Wahrscheinlichkeit erwiesenen Kausalzusammenhangs zwischen Impfungen und Gesundheitsschaden
Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfungen und bestehendem Gesundheitsschaden ist nach Überzeugung des Senats nicht nur nicht wahrscheinlich, sondern nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse nahezu ausgeschlossen.
Im Rahmen der Kausalität zwischen Impfung und Gesundheitsschaden ist zwischen der haftungsbegründenden (zwischen Impfung und Primärschädigung) und der haftungsausfüllenden (zwischen Primärschädigung und Folgeschaden) zu unterscheiden. Das ergibt sich aus der Struktur von § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 36). Erste Voraussetzung ist danach die Durchführung einer speziellen Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe. Der Betroffene muss zweitens eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben; dabei muss es im haftungsbegründenden Tatbestand unabdingbar zu einer gesundheitlichen Schädigung
(= Primärschädigung) gekommen sein, rein wirtschaftliche Nachteile genügen insoweit nicht. Zum haftungsbegründenden Tatbestand gehört auch, dass die Primärschädigung im Sinn von § 2 Nr. 11 IfSG über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgeht. Drittens ist zur Haftungsbegründung notwendig, dass die gesundheitliche Schädigung durch die Schutzimpfung verursacht ist (so genannte haftungsbegründende Kausalität, vgl. zum Begriff BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 16, S. 74 f. m.w.N.). Der Impfschaden im Sinn von § 2 Nr. 11 IfSG - und damit der Gesundheitsschaden im Sinn von § 61 Satz 1 IfSG - bildet das letzte Glied der Prüfungskette, nämlich die verbliebene Minderung an relevanten Rechtsgütern (im gesundheitlichen und wirtschaftlichen Bereich); unter dem Reglement des BSeuchG war unter Impfschaden dagegen die Primärschädigung zu verstehen (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 36). Aus der Passage in § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG "wegen des Impfschadens" ergibt sich, dass zwischen der Primärschädigung und dem Impfschaden ebenfalls ein kausaler Zusammenhang bestehen muss (so genannte haftungsausfüllende Kausalität).
Wie auch sonst im Versorgungsrecht gilt für beide Kausalverläufe die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 37). Im Rahmen der Kausalität ist eine Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 08.08.1974 - 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges "annähernd gleichwertig" sind. Was unter dem Begriff der "annähenden Gleichwertigkeit" zu verstehen ist, ist in der angeführten Entscheidung und auch in anderen neueren Entscheidungen nicht näher präzisiert. Die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R) hält demgegenüber den Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" für nicht geeignet zur Abgrenzung, da er einen objektiven Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und sieht eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich an, wenn nicht eine alternative unversicherte Ursache von "überragender Bedeutung" ist. Letzteres entspricht im Ergebnis auch der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG, das, wie z.B. dem Urteil vom 14.07.1955 - 8 RV 177/54 zu entnehmen ist, von einer "annähernd gleichwertigen" Bedeutung einer von mehreren Ursachen solange ausgeht, als nicht einer Ursache eine "überragende Bedeutung" zukommt. Eine Abweichung von unfallversicherungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Rechtsprechung zum Kausalitätsbegriff, wie sie sich aufgrund der Differenzen zum Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" aufdrängen könnte, besteht somit nicht (Senatsurteile vom 19.07.2011 - L 15 VS 7/10 und L 15 VG 20/10). Der Senat geht daher in Übereinstimmung mit der versorgungs- und unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung davon aus, dass eine vom Schutzbereich des IfSG umfasste Ursache immer dann rechtlich wesentlich ist, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des IfSG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben).
Hinsichtlich des Beweismaßstabs genügt für die Kausalität insgesamt deren Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (vgl. BSGE 60, 58; BSG SozR 3850 § 51 Nrn 8, 10; § 52 Nr 1; BSG, Urteil vom 27.08.1998 - B 9 VJ 2/97 R; BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38). Auch nach Ablösung der entsprechenden Regelungen des BSeuchG durch §§ 60, 61 IfSG geht der Senat davon aus, dass für beide Komponenten der Kausalität der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit greift. Nach der Rechtsprechung des BSG zum Entschädigungsanspruch nach dem BSeuchG musste sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität nur wahrscheinlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 1998 - B 9 VJ 2/97 R); diese Rechtsprechung ließ sich zwanglos mit dem Wortlaut von § 52 Abs. 2 BSeuchG vereinbaren. § 61 Satz 1 IfSG unterscheidet sich jedoch von § 52 Abs. 2 BSeuchG erheblich. Nimmt man die Regelung wörtlich, scheint sie die bloße Wahrscheinlichkeit nur für die Kausalität zwischen gesundheitlicher Schädigung und dem Gesundheitsschaden genügen lassen zu wollen, während der ebenfalls notwendige Kausalzusammenhang zwischen Impfung und gesundheitlicher Schädigung außen vor bleibt. Zu Gunsten des Klägers nimmt der Senat an, dass sich entgegen dem Wortlaut von § 61 Satz 1 IfSG an der Rechtslage, die unter dem Reglement des BSeuchG durch das BSG geprägt worden ist, nichts ändern soll. Dafür spricht, dass nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrs 14/2530, S. 88) § 61 IfSG lediglich an die entsprechenden Vorschriften des BVG angepasst worden sei, um eine einheitliche Sprachregelung im Entschädigungsrecht zu erreichen, indem wie in den anderen Gesetzen der sozialen Entschädigung zwischen der (primären) gesundheitlichen Schädigung und dem verbleibenden Schaden (Gesundheitsschaden) unterschieden werde. Zudem könnte eine derartige Verschärfung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nach Ansicht des Senats erhebliche verfassungsrechtliche Probleme im Hinblick auf den Vertrauensschutz aufwerfen. An dieser Stelle soll nicht beleuchtet werden, ob ein unter dem BSeuchG entstandener Entschädigungsanspruch unter den Schutz von Art. 14 GG fällt, oder ob sich ein möglicher Vertrauensschutz vorrangig aus dem Rechtsstaatsprinzip nach den Grundsätzen der unechten Rückwirkung ergibt. Denn mit der vom Senat gewählten Auslegung, dass auch die haftungsbegründende Kausalität von der Erleichterung im Beweismaßstab erfasst wird, wird von vornherein vermieden, dass es überhaupt zu einer Rechtsverschlechterung kommen kann. Nicht zuletzt hat das BSG jüngst die Beweiserleichterung des § 61 Satz 1 IfSG für beide Kausalstränge angewandt, allerdings ohne auf das Problem einzugehen (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38).
Aber auch diese Handhabung durch den Senat verhilft dem Kläger nicht zu dem begehrten Versorgungsanspruch. Ebenso wenig nützt ihm, dass der Senat nicht schon deswegen einen Anspruch auf Versorgung verneint, weil eine Primärschädigung als solche überhaupt nicht identifiziert werden kann. Zwar ist im IfSG eine dreistufige Prüfung (Impfung - Primärschädigung - verbliebener Schaden) angelegt. Es wäre allerdings realitätsfremd, in jedem impfschadensrechtlichen Fall zu verlangen, es müsse eine deutlich wahrnehmbare Primärschädigung festgestellt werden. Allgemein dient die Dreigliedrigkeit dazu, bestimmte Geschehnisabläufe bereits auf einer Vorstufe der Prüfung "auszusondern" und das Fehlen kausaler Zusammenhänge leichter erkennen zu können. Je mehr sich die Kausalitätsprüfung in gedankliche Zwischenschritte "zerlegen" lässt, desto objektivierbarer kann der Geschehnisablauf rechtlich aufgearbeitet werden. Diese Differenzierung ist aber dann nicht möglich, wenn die Schädigung, also der Eingriff in das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit, nicht deutlich zu Tage tritt, sondern wie hier im Verborgenen erfolgt.
Zweifellos ist in solchen Fällen die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung schwieriger, weil sich der Verursachungspfad nicht klar abzeichnet. Dennoch darf nicht per se wegen der Nichterkennbarkeit einer Primärschädigung am Rechtsgut der körperlichen Gesundheit die Wahrscheinlichkeit des kausalen Zusammenhangs negiert werden. Vielmehr muss der Zusammenhang zwischen Impfung und manifestiertem Gesundheitsschaden in einer einzigen gedanklichen "Etappe" beurteilt werden.
Diese Beurteilung hat in einer Gesamtabwägung aller relevanten Umstände zu erfolgen. Die Gesamtabwägung vollzieht sich nicht ausschließlich auf der medizinischen Ebene, sondern ist - wie auch sonst Abwägungsvorgänge, z.B. im Recht der Fachplanung - erheblich rechtlich determiniert. So müssen zunächst alle möglicherweise relevanten medizinischen Aspekte herausgearbeitet und gesammelt werden. Dabei handelt es sich einerseits um Tatsachen, die den konkreten Fall betreffen, so z.B. der beobachtete zeitliche Abstand zwischen Impfung und Auftreten relevanter Symptome oder eventuelle gesundheitliche Vorschädigungen. Andererseits spielen generelle Tatsachen eine eminent wichtige Rolle; dazu gehören beispielsweise die bisherigen Beobachtungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf den Impfstoff. Auch die Gewichtung der einfließenden Aspekte bleibt nicht ausschließlich dem gutachterlichen Ermessen überlassen. So muss die Aussagekraft der generellen Tatsachen nach deren Evidenz beurteilt werden. Zu diesem Zweck sind die Tatsachen gedanklich nach "Evidenzklassen" zu gliedern, in etwa vergleichbar dem Verfahren, das der Gemeinsame Bundesausschuss anwendet, wenn er die Zweckmäßigkeit einer medizinischen Methode beurteilt. Groß angelegte, nach wissenschaftlichen Grundätzen durchgeführte epidemiologische Studien haben grundsätzlich die größte Aussagekraft, jedenfalls soweit es darum geht, gerade das statistisch gesicherte Ergebnis der Studie zu verwerten. Generell ist ein sicherer Nachweis einer Wirkung - auch einer ungewollten, schädlichen Wirkung - oder des Unterbleibens einer solchen in der Schulmedizin dann erbracht, wenn repräsentative Studien vorliegen, wobei die Studien - um Zufallsergebnisse weitgehend auszuschließen - vor allem mit einer ausreichend großen Zahl von Probanden durchgeführt worden sein müssen. Treten bestimmte Krankheiten, die auch arbeitshypothetisch mit Impfungen plausibel in Zusammenhang stehen können, bei der geimpften Gruppe signifikant häufiger auf als bei der ungeimpften, kann der Nachweis des erhöhten Schädigungsrisikos als erbracht gelten. So kann es sein, dass aufgrund der Ergebnisse einer geeigneten epidemiologischen Studie eine bestimmte generelle Tatsache als eindeutig erwiesen oder als eindeutig widerlegt angesehen werden kann, ohne dass im konkreten Fall beobachtbare "verdächtige" Umstände im Stande wären, eine gegenteilige Beurteilung zuzulassen.
Medizinische Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, müssen auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaft-lichen Erkenntnisstands beurteilt werden (BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 42). Auch ein womöglich bereits längere Zeit zurückliegender Vorgang muss, wenn über ihn erst jetzt abschließend zu entscheiden ist, nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft beurteilt werden. Die Bindung an den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft gilt auch, soweit die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) dazu in Widerspruch stehen. Diese sind zwar im Prinzip auch heute noch als antizipierte Sachverständigengutachten anzuwenden. Für den Fall aber, dass sie nicht mehr den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergeben, sind sie nicht anwendbar; dann haben Verwaltung und Gerichte auf andere Weise den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 39).
Bei Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze hat der Senat keine Zweifel, dass es an der Wahrscheinlichkeit der wesentlichen Verursachung durch die angeschuldigten Impfungen fehlt. Der Senat stützt sich insoweit in erster Linie auf die Sachverständigengutachten von D und B, deren Feststellungen er sich zu Eigen macht. Beide Gutachter sind in Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen und unter sorgfältiger Auswertung aktueller wissenschaftlicher Literatur in überzeugender Manier zum Ergebnis gelangt, die Impfungen hätten keinen signifikanten Verursachungsbeitrag geleistet, wobei sich B gerade in ihrer ergänzenden Stellungnahme mit der These beschäftigt hat, Zusatzstoffe in Impfstoffen würden das Risiko eines DM I erhöhen. Beide Sachverständige haben sich korrekter Methodik bedient, indem sie sich auf die Ermittlung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft konzentriert und zu diesem Zweck seriöses und aussagekräftiges Material verarbeitet haben und dabei nicht in irgendeiner Weise selektiv vorgegangen sind. Ihre Schlussfolgerungen, die sie aus den Ergebnissen der einschlägigen Studien bzw. Veröffentlichungen für den konkret vorliegenden Fall gezogen haben, sind vollständig, logisch korrekt und plausibel. Zu betonen ist, dass die Hepatitisimpfung bislang in der medizinischen Wissenschaft überhaupt nicht ernsthaft als Auslöser für DM I diskutiert wurde. Im Brennpunkt der Betrachtungen standen vielmehr die Mumpsimpfung sowie anscheinend auch die HiB-Impfung. Gleichwohl hat D darauf hingewiesen, die Studie von Di Stefano aus dem Jahr 2001 habe sich gerade auch mit der Hepatitis B-Impfung beschäftigt, jedoch keine Hinweise für ein erhöhtes DM I-Risiko erbracht. Von Interesse sind aber auch Studien, die sich mit anderen Impfstoffen befasst haben, gerade weil diejenigen Personenkreise, die nach wie vor - ohne dafür einen medizinisch-wissenschaftlich fundierten Ansatz einer Begründung zu haben - einen Kausalzusammenhang zwischen Impfungen und dem Entstehen von DM I vertreten, vorwiegend impfstoffunspezifische Bestandteile der Impfstoffe wie Thiomersal oder Aluminiumhydroxid "verdächtigen".
Bestätigt werden die Ergebnisse der Sachverständigen durch ein aktuelles Gutachten des M (Ärztlicher Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums des S. Krankenhauses G., D.) vom 05.09.2010, das dieser für den Beklagten in einer anderen Angelegenheit erstellt hat. Dass der Beklagte Auftraggeber war, macht das Gutachten nicht unverwertbar oder wertlos. Denn es erweckt gleichwohl den Eindruck großer Objektivität, Unbefangenheit und wissenschaftlicher Sorgfalt. Der Senat hat das Gutachten des M bereits vor der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt (gerichtlicher Schriftsatz vom 21.07.2011). In dem Fall, der dem Gutachten zugrunde lag, waren zwar andere Impfstoffe beteiligt. Gleichwohl hat M seine Einschätzungen zu Impfungen generell abgegeben, so dass sich in dem Gutachten zahlreiche Feststellungen von sehr hoher Aussagekraft auch für den vorliegenden Fall finden. Bereits die Überschrift des Gutachtens bringt klar zum Ausdruck, dass Impfungen allgemein untersucht werden sollten; das war auch von vornherein Gutachtensauftrag des Beklagten gewesen. Bemerkenswert erscheint, dass der Vorgutachter, der in jenem Fall aufgetreten war, genau die gleichen Argumentationsstrukturen aufgebaut hatte wie der Kläger hier. Der seinerzeitige Vorgutachter hatte diverse wissenschaftliche Hypothesen zum "molekularen Mimikry" und eine Reihe an Grundlagenarbeiten zur Krankheitsentstehung ausführlich dargestellt. Zusätzlich waren - genau wie hier - grundsätzliche Überlegungen zu Autoimmunerkrankungen und Impfungen diskutiert worden. Die Kernfeststellung des Vorgutachters war folgende: "Die Auslösung einer autoimmunen Reaktion wie z.B. ein DM I durch die thiomersalhaltigen DT-Impfstoffe bei einem entsprechend disponierten Patienten kann als medizinische Hypothese mit sehr hoher Plausibilität betrachtet werden". Auch insoweit sieht der Senat eine frappierende Konvergenz mit der Argumentation des Klägers und der Sachverständigen K, G und E. Damit war M genau mit den gleichen Fragestellungen konfrontiert worden, wie sie auch hier bestehen.
M hat geschildert, für andere Impfungen als die Mumpsimpfung sei in der Literatur bisher kein Fall für die Auslösung eines DM I beschrieben worden. Im Gegenteil gebe es Arbeiten, die sogar einen schützenden Effekt proklamieren würden. Die Studie von Di Stefano aus 2001, in die auch die Hepatitis B-Impfung einbezogen war, sei, so M weiter, die bis dahin größte Studie zur Rolle von Impfungen gewesen. Für keine Impfung habe sich ein Hinweis für eine Beschleunigung von DM I ergeben.
Di Stefano et al. selbst hatten in einem Aufsatz zur Studie formuliert, deren Ziel sei gewesen zu ermitteln, ob zwischen Impfungen in der Kindheit, insbesondere gegen Hepatitis B und Haemophilus influenzae (HiB), und der Entwicklung von DM I ein Zusammenhang bestehe und ob der Impfzeitpunkt Auswirkungen auf dieses Risiko habe. Als Schlussfolgerung ist festgehalten, diese "umfangreiche, bevölkerungsbezogene Fall-Kontroll-Studie" habe kein erhöhtes Risiko von DM I im Zusammenhang mit den routinemäßig empfohlenen Kindheitsimpfstoffen gezeigt. Die Ergebnisse über Hepatitis B-Impfstoffe stützten die Hypothese eines bestehenden Zusammenhangs nicht. Die Ergebnisse der Studie und die überwiegend epidemiologischen Beweise ließen nicht darauf schließen, dass zwischen den empfohlenen Kindheitsimpfstoffen und einem Risiko des DM I ein Zusammenhang bestehe.
Vor allem hat M auf eine Studie von Hviid et al. hingewiesen, die 2004 im New England Journal of Medicine publiziert worden war. In diese Studie waren alle Kinder eingeschlossen, die in Dänemark in der Zeit vom 01.01.1990 bis 31.12.2000 geboren worden waren. Wegen der großen Anzahl erfasster Probanden hat M die Studie als sehr aussagekräftig dargestellt, indem er geschrieben hat, nach dieser Publikation sei in Fachkreisen die Frage eines Zusammenhangs von Impfungen und Entwicklung eines DM I definitiv negativ beantwortet worden.
Die Kritik des Klägers an der letztgenannten Studie, in diese seien keinerlei thiomersalhaltige Impfstoffe einbezogen gewesen, weil in Dänemark schon wesentlich früher auf Thiomersal verzichtet worden sei, ist falsch. Tatsächlich enthielt der in Dänemark verabreichte Pertussisimpfstoff noch bis Mitte 1992 diesen Zusatzstoff. Hviid et al., also gerade die Wissenschaftler, welche die große Studie in Dänemark durchgeführt und ausgewertet hatten, haben im Oktober 2003 zum Zusammenhang zwischen thiomersalhaltigen Impfstoffen und Autismus einen Aufsatz veröffentlicht, wonach keine Hinweise für einen Zusammenhang vorlägen. Dieser Beitrag macht auf der einen Seite deutlich, dass in der Wissenschaft nie ein Zusammenhang zwischen Thiomersal und DM I ernsthaft diskutiert worden ist; im Fokus standen vielmehr nur eventuelle Hirnentwicklungsstörungen bei Säuglingen aufgrund der Vielzahl an Impfungen. Vor allem aber widerlegt der Beitrag die Behauptung des Klägers, die große Studie in Dänemark habe keine thiomersalhaltigen Impfstoffe umfasst. Auch - das ist entscheidend - für den Pertussisimpfstoff wurden keinerlei Hinweise gefunden, er könnte DM I ausgelöst haben.
Die Ergebnisse der Sachverständigen erhalten Unterstützung durch die in den AHP 1996 und 2004 - also die zeitnahen Fassungen (zur Notwendigkeit der Zeitnähe vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 47) - für Hepatitis A und B aufgeführten üblichen Impfreaktionen und Impfschäden (Nr. 57.15, 57.16). DM I wird dabei als möglicher Impfschaden nicht genannt. Dieser Umstand schließt zwar nicht per se die Anerkennung als Impfschaden aus, da Nr. 57 AHP keinen abschließenden Kanon von möglichen Impfschäden aufstellt, sondern nur bisherige medizinische Erfahrungen dokumentieren wollte. Daraus ergibt sich aber eindeutig, dass 2004 keinerlei Hinweise auf DM I als Impfschaden vorlagen.
Der Senat vermag die Ergebnisse von D und B nicht nur anhand des Gutachtens des M, sondern auch durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu verifizieren, die auch er als ein mit medizinischen Laien besetztes Gremium auswerten, verstehen und im Rechtsfindungsprozess sachgerecht verwerten kann, ohne dass der Inhalt erst durch einen medizinischen Sachverständigen "übersetzt" werden müsste. Das liegt einerseits daran, dass diese Beiträge nicht die unmittelbaren Studienbeschreibungen verkörpern, sondern ihrerseits die vorhandenen Studien auswerten und medizinisch-wissenschaftliche Schlüsse daraus ziehen. Andererseits beschäftigen sich die Beiträge mit dem allgemeinen Stand der Wissenschaft, nicht aber mit Gesundheitszustand und funktionelle Einschränkungen einer konkreten Person. Angesichts dessen erschließt sich dem Senat umfangreiches, in der mündlichen Verhandlung besprochenes Material, das die Gutachten von D, B und M bestätigt:
1. Die WHO hat in einer Informationsschrift aus dem Jahr 2000 geäußert, der übereinstimmende Stand der Wissenschaft (Berufung auf Arbeiten von Karvonen, Jefferson) nehme an, dass es keine Verbindung zwischen Impfungen, auch Hepatitis B-Impfungen, und DM I gebe.
2. Keller-Stanislawski und Hartmann haben 2001 im Bundesgesundheitsblatt (S. 613) eine Übersichtsarbeit veröffentlicht, Titel "Existiert ein Zusammenhang zwischen Impfungen und Typ-1-Diabetes mellitus bei Kindern und Jugendlichen?". Darin findet man die Aussage, besonders der Mumpsimpfstoff habe Anlass zu Diskussionen gegeben, da die Wildtypvariante des Mumpsvirus selten zu einer Pankreatitis führen könne. Im Folgenden haben die Autoren eingehend die vorhandenen Studien ausgewertet und keinen Zusammenhang zwischen Impfungen und der Entstehung von DM I entdeckt.
3. Der Aufsatz "Thiomersal und Impfungen" von Weisser/Bauer/Volkers/Keller-Stanislawski, Bundesgesundheitsblatt 2004, S. 1165 ff., kommt zum Ergebnis, dass nach neueren epidemiologischen Studien kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen neurodegenerativen Entwicklungsstörungen und thiomersalhaltigen Impfstoffen existiere. Die Autoren haben darauf hingewiesen, die vorhandenen Erfahrungen würden das - nicht in Thiomersal enthaltene - Methyl-Quecksilber betreffen und die diesbezüglich festgesetzten Grenzwerte lägen wesentlich höher als die in Impfstoffen verwandten Dosen. Verschiedene Gremien, CPMP, FDA, AAP/PHS, IOM und die WHO, hätten unabhängig voneinander festgestellt, dass keine Hinweise auf schädliche Wirkungen wie Autismus und andere Entwicklungsstörungen vorlägen. Bis jetzt seien keine Nebenwirkungen durch die in Impfstoffen verwendeten niedrigen Thiomersaldosen bekannt außer seltene Überempfindlichkeitsreaktionen.
4. Die Hinweise der STIKO über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen (Epidemiologisches Bulletin, 22.06.2007/S. 209 ff.), die auf der Basis des aktuellen Wissens erfolgen (vgl. BSG SozR 4-3851 § 20 Nr. 1, Rn. 13), nennen zu Hepatitis A- und Hepatitis B-Impfstoffen (S. 217/218) Lokal- und Allgemeinreaktionen, Komplikationen, Krankheiten/Krankheitserscheinungen in ungeklärtem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung sowie Hypothesen und unbewiesene Behauptungen. Unter keiner der vier Rubriken wird der Verdacht geäußert, es könne zu DM I kommen. Zu Thiomersal und Aluminiumhydroxid wird ausgeführt (S. 230 - 232), die Prüfung der Sicherheit und Wirksamkeit von Zusatzstoffen erfolge im Zulassungsverfahren der jeweiligen Impfstoffe (S. 230). Das GACVS habe ab 2002 die Rolle von Thiomersal in Impfstoffen analysiert. Der Analyse sei die Feststellung vorangestellt worden, dass sich Ethyl-Quecksilber substanziell von Methyl-Quecksilber unterscheide. Die Halbwertszeit für Ethyl-Quecksilber sei viel kürzer, so dass die Exposition kurz sei. Zudem werde es aktiv über den Darm ausgeschieden, während Methyl-Quecksilber im Körper akkumuliere. Die Autoren mehrere epidemiologischer Studien in Großbritannien und Dänemark hätten den möglichen Zusammenhang zwischen thiomersalhaltigen Impfstoffen und neurologischen Entwicklungsstörungen untersucht. Es habe kein Hinweis auf einen Zusammenhang gefunden werden können. Gegenteilige Studien an Mäusen hätte das GACVS keine Aussagekraft beigemessen. Zu Aluminiumhydroxid hat die STIKO geschrieben, im Vergleich zur Exposition über Trinkwasser, Lebensmittel oder Medikamente sei die Aluminiumexposition durch Impfstoffe gering.
5. Gleich lautende Äußerungen zu Thiomersal findet man in der Übersichtsarbeit "Impfsicherheit heute" von Schneeweiß/Pfleiderer/Keller-Stanislawski, die im Deutschen Ärzteblatt 2008, S. 590 ff., publiziert wurde, auf S. 591.
6. Aufsatz "Sicherheit von Impfstoffen" von Weißer/Barth/Keller-Stanislawski in Bundesgesundheitsblatt 2009, S. 1 ff.
7. In einer Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts vom 26.04.2011 zur Frage
"Stehen Impfungen in Zusammenhang mit der Ausbildung von Diabetes mellitus Typ 1" wird unter Bezugnahme auf die großen epidemiologischen Studien zum Ausdruck gebracht, dass es keine Hinweise auf einen Zusammenhang gebe.
8. Stellungnahme der EMEA (Europäische Agentur zur Evaluierung von Medizinprodukten) zu Thiomersal vom 24.03.2004.
9. Statement on thiomersal der WHO vom Juli 2006 unter Bezugnahme auf die GACVS.
10. Stellungnahme der FDA (U.S. Food and Drug Administration) zu Thiomersal in Impfstoffen (wohl aus 2001 oder 2002).
Dagegen vermag der Kläger weder mit den von ihm selbst vorgebrachten Argumenten noch mit den Privatgutachten von K und G zu überzeugen. Auch das Gutachten des E nach § 109 SGG hilft ihm nicht weiter.
Der Vortrag des Klägers ist dadurch gekennzeichnet, dass seine Mutter, die für ihn als Prozessbevollmächtigte aufgetreten ist, eine enorme Zahl von Beiträgen aus dem Internet eingereicht hat, die der Senat allesamt zur Kenntnis genommen hat, die aber allesamt ohne relevante Aussagekraft sind. Stets geht es dabei nicht um das eigentlich zu lösende Problem, sondern durchweg um undifferenzierte, diffuse Äußerungen zur Giftigkeit bestimmter Stoffe (vor allem Quecksilber) oder zu Autoimmunerkrankungen. Das gesamte Verfahren hindurch findet man den fast automatischen Schluss der Klägerseite - leider aber auch der Gutachter K, G und E - von der Eignung bestimmter Stoffe, Autoimmunerkrankungen auszulösen, auf die Eigenschaft, dann zwangsläufig auch DM I hervorzurufen. Jedoch erscheint es höchst unlogisch, sämtliche Autoimmunerkrankungen undifferenziert "in einen Topf zu werfen". Denn augenscheinlich wirken und manifestieren sich diese Krankheiten ganz spezifisch. Ansonsten müsste ein hoher Anteil an Rheumatikern auch DM I oder Multiple Sklerose haben. Autoimmunreaktionen scheinen im Körper also gezielt abzulaufen.
Ebenso wie die drei Gutachter K, G und E hat der Kläger den hier bestehenden zeitlichen Zusammenhang zwischen der dritten Hepatitisimpfung und dem ersten Manifestwerden der Symptome falsch interpretiert. Aus den Gutachten von D und B ergibt sich, dass dem Auftreten der ersten Symptome von DM I ein längerer Prozess der Zellzerstörung vorausgeht. Vor diesem Hintergrund ist es verfehlt, die dritte Impfung als wesentliche Bedingung für das Entstehen der Krankheit anzusehen. Wie dem Gutachten des D entnommen kann, könnte die Impfung das Manifestwerden allenfalls getriggert haben. Dann aber wäre sie eine reine Gelegenheitsursache bzw. ein bloßer Anstoß, niemals aber wesentliche Bedingung im versorgungsrechtlichen Sinn. Sogar E hat davon gesprochen, die Impfung sei der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe; damit aber wird keine wesentliche Bedingung beschrieben.
Dass der Kläger von Anfang an und unbeirrbar auf diese Weise argumentiert hat, bewegt sich im normalen Bereich des engagierten Parteiverhaltens. Dass aber auch Mediziner, die als Parteigutachter auftreten, sich dieser unwissenschaftlichen Vorgehensweise bedienen, erstaunt. Die Privatgutachten des K und des G, die der Senat im Weg des Urkundenbeweises verwertet, sind indiskutabel. Das Gutachten des G erweckt den Eindruck eines "Baustein-Gutachtens". Anders ist es nicht zu erklären, dass G zwar ausführlich auf die Mumps-, Röteln-, MMR-, Mumps-Masern- und Hib-Impfung eingegangen ist, nicht aber auf die relevanten Hepatitisimpfungen. Der Senat empfindet es nicht nur als handwerklichen Fehler, sondern als wissenschaftlich nicht seriös, einerseits wie G pauschal zu behaupten, es gebe genügend Anhaltspunkte, einen Kausalzusammenhang zwischen Impfungen und DM I zu bejahen, und dabei sogar von "Beweisen" zu sprechen, andererseits aber solche in keiner Weise zu benennen und dazu vollständig davon abzusehen, die aktuelle wissenschaftliche Literatur in ihrer Gesamtheit zu sichten und auszuwerten.
Genauso jenseits des Stands der Wissenschaft bewegt sich das Gutachten des K. Auch dieser Sachverständige hat darauf verzichtet, den aktuellen Stand in der medizinischen Wissenschaft darzustellen oder auch nur darauf hinzuweisen. Vielmehr hat er seine subjektiven Theorien präsentiert, die auf der Giftigkeit von Quecksilber und Aluminium basieren. Die fehlende wissenschaftliche Qualität des Gutachtens zeigt sich u.a. darin, dass K es offenbar für maßgebend betrachtet hat, dass seit 1993 in Frankreich Beschwerden beobachtet worden sind, die als makrophagische Myofasziitis (MM) eingeordnet werden.
Daraus hätte er aber nicht ableiten dürfen, Aluminium sei als ernsthafter Kausalfaktor für die Verursachung von DM I in Erwägung zu ziehen. K hat nämlich argumentiert, die MM sei oft mit generalisierten Gelenk- oder Muskelschmerzen, chronischer Müdigkeit, aber auch mit anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert. Dabei hat er übersehen, dass beim Kläger solche primären Erscheinungen nicht festgestellt wurden, auch kein erhöhter Aluminiumgehalt an der Impfstelle. Dass Aluminium ohne derartige Erscheinungen unmittelbar die Bauchspeicheldrüse geschädigt haben könnte, erscheint vor diesem Hintergrund aus der Luft gegriffen. In keiner Weise nachvollziehbar mutet auch der gedankliche Ansatz des K an, die Inkubationszeiten der "natürlichen" Hepatitiserkrankung ließen auch an einen Zusammenhang mit der ersten und der zweiten Impfung denken. Dabei ignoriert der Arzt, dass es im vorliegenden Fall nicht um eine Hepatitiserkrankung, sondern um DM I geht. Der Senat vermag keinerlei Aussagewert in dem Umstand zu erkennen, dass im vorliegenden Fall die Zeitspanne zwischen zweiter Impfung und der Manifestation der DM I in etwa der natürlichen Inkubationszeit der Hepatitis entspricht. In diesem Zusammenhang kann K auch nicht damit gehört werden, die Hepatitisinfektion habe DM I parallel getriggert; denn der Kläger hatte schlicht keine Hepatitissymptome. Dass ihm die Methodik der Impfschadensbegutachtung nicht geläufig ist, hat K in dem Satz, es komme einzig und allein auf das Auftreten der Ereignisse in einem zeitlichen Zusammenhang zu den durchgeführten Impfungen an, dokumentiert.
E scheint über den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft dagegen besser orientiert zu sein. Denn immerhin hat er eingeräumt, es gebe eine Vielzahl epidemiologischer Studien, die gegen einen Zusammenhang sprechen würden. Er aber meint, diese Studien seien alle durch die Pharmaindustrie verfälscht und daher unbrauchbar. Der Senat maßt sich nicht an zu wissen, ob und auf welche Weise insoweit tatsächlich Verquickungen und Abhängigkeiten bestehen. Jedenfalls disqualifiziert sich E durch die Undifferenziertheit, eifernde Polemik und Platitüdenhaftigkeit, mit der er das Gericht davon überzeugen möchte, das gesamte System sei korrupt und "pharmaverseucht". Seine Kritik an B bewegt sich am Rande der Verunglimpfung. Dass der Senat angesichts dessen E nicht folgen kann, bedarf keiner weiteren Erläuterung. So tendenziös das Gutachten des E anmutet, spräche es letztendlich sogar gegen das Begehren des Klägers. Denn E hat geschrieben, die Möglichkeit einer Verursachung könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Das ließe nicht einmal eine Kann-Versorgung zu.
Richtig ist zweifellos, dass der Großteil der wissenschaftlichen Studien durch die Pharmaindustrie finanziert ist. Das ist aber durch das in Deutschland herrschende arzneimittelrechtliche Zulassungs- und Überwachungssystem bedingt und so gewollt. Die Zulassungsbehörde führt nicht selbst von Amts wegen Studien durch, sondern hat im Wesentlichen die vom Arzneimittelhersteller vorgelegten Studien zu überprüfen. Diese Verfahrensweise findet sich gerade bei komplexen Genehmigungsverfahren häufiger. Die Zulassungsbehörde hat die Aussagekraft der Studien zu überprüfen; fehlte es daran, würden die darin ausgewiesenen Ergebnisse nicht akzeptiert. Sowohl für die Behörde als auch für den fachkundigen Leser ist durchaus erkennbar, ob eine Studie objektiv und valide ist; denn deren Methodik lässt sich nicht verbergen oder manipulieren. Somit wäre es verfehlt anzunehmen, diese Studien seien per se geschönt oder gar falsch. Angesichts der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten eines Zulassungs- und Überwachungssystems, das dem Hersteller die Durchführung wissenschaftlicher Prüfungen abverlangt, dürfte der pauschale Vorwurf, dieses sei ineffizient oder korrupt, neben der Sache liegen.
Nur der Information halber sei der Kläger auf eine groß angelegte Studie über Amalgam-Plomben von Melchart (Klinikum rechts der Isar der TU München) hingewiesen. Diese hat keine Hinweise erbracht, dass die quecksilberhaltigen Füllungen gesundheitsschädlich sind.
2. Kann-Versorgung
Auch auf der Basis von § 61 Satz 2 IfSG vermag der Kläger mit seinem Begehren nicht durchzudringen. Eine Versorgung kann danach auch gewährt werden, wenn die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung nur deswegen scheitert, weil in der medizinischen Wissenschaft über die Leidensursache allgemein Unkenntnis herrscht. Dabei ist eine abstrakte theoretische Unsicherheit Voraussetzung, nicht eine bloß konkrete im Einzelfall (BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, S. 57). § 61 Satz 2 IfSG ist dahin zu interpretieren, dass mit Ausnahme des Wahrscheinlichkeitsnachweises alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und zugleich keine Aspekte erkennbar sein dürfen, welche die Wahrscheinlichkeit der Verursachung unabhängig von der Ätiologie und der Pathogenese der betreffenden Krankheit ausschließen.
Auch im Rahmen der Kann-Versorgung existiert eine Kausalitätsvoraussetzung. Diese erfüllt der Kläger nicht. Zwischen § 61 Satz 1 und 2 IfSG bestehen im Hinblick darauf nur graduelle Unterschiede (BSG SozR 3850 § 52 Nr. 1, S. 4). Die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs reicht im Rahmen der Kann-Versorgung nicht. Vielmehr muss es wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, welche die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs vertritt. Wird eine solche Meinung überhaupt nicht vertreten, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft über die Entstehung des Leidens (vgl. dazu eingehend BSGE 73, 190 ). Nach der Rechtsprechung des BSG zum Soldatenversorgungsrecht, die auch hier anwendbar ist, muss zur Gewährung der Kann-Versorgung nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang zwischen angeschuldigtem Ereignis und Leidensmanifestation bestehen, sondern nach einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen körperlichen Belastungen und einer festgestellten Krankheit sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern vielmehr eine "gute Möglichkeit", die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann (BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, S. 57).
Die einschlägigen Regelungen der AHP bzw. der VG übernehmen und konkretisieren diese rechtlichen Anforderungen. Teil C Nr. 4 VG enthält zur Kann-Versorgung u.a. folgende Regelungen:
a) ...
b) Folgende medizinische Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
aa) Über die Ätiologie und Pathogenese des Leidens darf keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrschen. Eine von der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung abweichende persönliche Ansicht einer sachverständigen Person erfüllt nicht den Tatbestand einer Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft.
bb) Wegen mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen darf die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen oder Schädigungsfolgen für die Entstehung und den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können. Ein ursächlicher Einfluss der im Einzelfall vorliegenden Umstände muss in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen werden. Ist die ursächliche Bedeutung bestimmter Einflüsse trotz mangelnder Kenntnis der Ätiologie und Pathogenese wissenschaftlich nicht umstritten, so muss gutachterlich beurteilt werden, ob der ursächliche Zusammenhang wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist.
cc) Zwischen der Einwirkung der wissenschaftlich in ihrer ursächlichen Bedeutung umstrittenen Umstände und der Manifestation des Leidens oder der Verschlimmerung des Krankheitsbildes muss eine zeitliche Verbindung gewahrt sein, die mit den allgemeinen Erfahrungen über biologische Verläufe und den in den wissenschaftlichen Theorien vertretenen Auffassungen über Art und Wesen des Leidens in Einklang steht.
c) ...
d) Ist bei einem Leiden eine Kannversorgung generell in Betracht zu ziehen, muss trotzdem anhand des Sachverhaltes des Einzelfalles stets zuerst geprüft werden, ob der ursächliche Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit zu beurteilen ist. Lässt sich dabei die Frage des ursächlichen Zusammenhangs bereits in ihrer Gesamtheit entscheiden, so entfällt eine Kannversorgung ...
Die AHP 1996, 2005, 2005 und 2008, enthielten, soweit von Relevanz, jeweils in Nr. 39
damit übereinstimmende Regelungen.
Zwar entnimmt der Senat den Gutachten von D und B, dass in der medizinischen Wissenschaft nach wie vor Ungewissheit über die Entstehung des Leidens im Sinn von § 61 Satz 2 IfSG herrscht. Beide Sachverständige haben sich in ihren Gutachten ausführlich zu Ätiologie und Pathogenese des DM I geäußert. Diese Einlassungen zeigen, dass zu der Erkrankung auf genereller Ebene noch derartige Wissenslücken bestehen, dass eine Kann-Versorgung grundsätzlich in Frage käme. In Übereinstimmung damit wurde DM I in den AHP als Krankheit genannt (Nr. 39 Abs. 7), für die eine Kann-Versorgung in Betracht zu ziehen war. Die VG enthalten einen entsprechenden Passus nicht mehr; dieses Schweigen der VG darf aber nicht zu dem Schluss verleiten, die rechtlich geforderte Ungewissheit sei für DM I nunmehr ausgeräumt.
Gleichwohl führt für den Kläger kein Weg zu einer Kann-Versorgung. Denn die nach der BSG-Rechtsprechung geforderte "gute" Möglichkeit der Verursachung lässt sich nicht feststellen. Der Senat bezieht sich insoweit wiederum auf die überzeugenden Gutachten von D und B, deren Feststellungen er sich auch diesbezüglich zu Eigen macht, sowie unterstützend von M. D hat ausgeführt, es gebe keine tierexperimentellen oder anderen theoretisch begründeten wissenschaftlichen Arbeitshypothesen, warum eine Hepatitisimpfung mit der Entstehung eines DM I zusammenhängen sollte. Es lägen ausreichende epidemiologische Untersuchungen vor, dass dies gerade nicht der Fall sei. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Impfung und DM I sei unwahrscheinlich. Eine zeitliche Verbindung zwischen Impfung und Auftreten der Krankheit lasse sich nicht herstellen. Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung seien nicht gegeben. B hat bekräftigt, DM I wäre auch ohne die Impfung in der derzeitigen Ausprägung vorhanden. Die Impfung sei nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht ursächlich. Bei Impfspezialisten und
dem Großteil der Mediziner bestehe anhand großer Studien kein Anhalt, dass eine Impfung ursächlich für die Entstehung eines DM I sei. Die vom Kläger angeführten Publikationen stellten eine Einzelmeinung dar. M hat geäußert, da in der medizinischen Wissenschaft keine Unklarheit über den Zusammenhang zwischen Impfungen und Entwicklung eines DM I bestehe - M meint damit alle Impfungen -, komme auch die Kann-Versorgung nicht zur Anwendung. Für andere Impfungen als die Mumpsimpfung sei in der Literatur bisher kein Fall für die Auslösung eines DM I beschrieben worden. Aus alldem schließt der Senat, dass von einer "guten Möglichkeit" im Sinn der BSG-Rechtsprechung keine Rede sein kann. Keiner der Gutachter hat eine medizinisch nachvollziehbare Lehrmeinung benennen können, die einen Zusammenhang zwischen Hepatitisimpfung und DM I für wahrscheinlich erachtet. Den Ausführungen der Sachverständigen zufolge kann die Verursachung von DM I durch eine Hepatitisimpfung nicht einmal mehr als Arbeitshypothese aufrechterhalten werden (vgl. Teil C Nr. 4 lit. b bb VG). Denn nach den Methoden der Schulmedizin kann dies inzwischen als widerlegt gelten. Die nach wie vor z.B. von K, G und E vertretene gegenteilige Ansicht entbehrt der wissenschaftlichen Basis und kann nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr ernst genommen werden. Eine "nachvollziehbare wissenschaftliche Lehrmeinung" verkörpert sie keinesfalls.
Aus der Anwendung der AHP bzw. VG ergibt sich nichts anderes. Es bedarf keiner Erörterung, inwieweit die AHP in welchen Zeiträumen noch Anwendung finden. Denn nach allen in Betracht kommenden Rechtsvorschriften fehlt es an der Voraussetzung, dass eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung ausscheidet (vgl. Teil C Nr. 4 lit. b bb, lit. d VG). Es lässt sich nämlich eine außerordentlich hohe Wahrscheinlichkeit dafür feststellen, dass die angeschuldigten Impfungen gerade nicht den DM I im versorgungsrechtlichen Sinn verursacht haben. Darin ändert auch die ausdrückliche Nennung des DM I in Nr. 39 Abs. 7 AHP nichts; gleichwohl müssen die genannten rechtlichen Voraussetzungen für die Kann-Versorgung stets im Einzelnen geprüft werden. Ebenso wie Nr. 39 Abs. 7 erteilte auch Nr. 120 AHP lediglich den Auftrag, eine Kann-Versorgung zu prüfen, nicht aber sie zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Augsburg vom 25. August 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten wegen einer Versorgung nach dem Impfschadensrecht gemäß §§ 60 ff. des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).
Der 28-jährige Kläger leidet an Diabetes mellitus Typ I (im Folgenden: DM I). Am 24.08., 23.09.1999 und am 14.03.2000 erhielt er jeweils eine Impfung gegen Hepatitis A und B (Impfstoff Twinrix ADULTE). Am 04.04.2000 wurde beim Kläger erstmals DM I diagnostiziert. Etwa drei Wochen zuvor waren die ersten Symptome einer Erstmanifestation aufgetreten: permanent zunehmendes Durstgefühl, schlechter Appetit, Gewichtsverlust, große Müdigkeit, starker Druck in den Ohren, dunkle Augenringe. Für den Kläger ist ein Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht von 40 festgestellt.
Am 07.06.2000 beantragte der Kläger Versorgung nach dem Impfschadensrecht. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Internisten Dr. S. vom 19.09.2000 ist davon die Rede, die Applikation des Impfstoffs sei beim Kläger ordnungsgemäß erfolgt (Zeitpunkt, Intervall, keine akute Erkrankung zum Zeitpunkt der Impfung). Eine DM I-Er-krankung werde in der Nebenwirkungsbeschreibung der Roten Liste nicht genannt. Mit Bescheid vom 23.03.2001 lehnte der Beklagte den Versorgungsantrag ab. Widerspruch legte der Kläger nicht ein.
Am 17.12.2002 stellte der Kläger einen erneuten Antrag auf Versorgung nach dem Impfschadensrecht. Mit Bescheid vom 23.01.2003 lehnte der Beklagte eine Änderung des Ursprungsbescheids ab. Den Widerspruch vom 15.02.2003 wies er mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2003 als unbegründet zurück. In der Begründung nahm er Stellung zu dem vom Kläger vorgelegten Leserbrief von J.B. Classen im New Zealand Medical Journal vom 24.05.1996 zum Thema "Kinderschutzimpfung und DM I".
Am 23.04.2003 erhob der Kläger beim Sozialgericht Augsburg Klage (S 11 VJ 2/03). Das Sozialgericht holte ein Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. T. D. (D) vom Kinderkrankenhaus B., H., ein. Der schrieb in seinem Gutachten vom 22.07.2005, die Laborbefunde beim Kläger würden für einen autoimmunbedingten DM I sprechen. Bei dieser Krankheit spielten genetische Faktoren, Virusinfektionen und andere exogene Faktoren sowie autoimmunologische Prozesse bei der Entstehung in bisher nicht vollständig geklärter Weise zusammen. Bis heute seien ca. 13 verschiedene Viren mit der Entstehung von DM I in Verbindung gebracht worden. In diesem Zusammenhang müsse die mögliche Gefahr einer DM I-Entstehung durch Impfung diskutiert werden. Inzwischen lägen indes gute epidemiologische Daten vor, die keinen Hinweis für einen Zusammenhang zwischen Impfungen und DM I ergeben hätten. Der Sachverständige bezog sich auf Arbeiten von Graves et al., 1999, Hummel (Baby-Diab-Studie), 2001, Lindberg et al., 1999, Karvonen et al., 1999, und Di Stefano et al., 2001. Die vom Kläger vorgelegten Arbeiten von Classen seien bekannte Außenseitermeinungen, die in der Kinderdiabetologie nicht akzeptiert seien. Die Ansicht des Klägers, dass noch eine wissenschaftlich ernst zu nehmende Kontroverse bestehe, sei nicht richtig. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass DM I eine schubweise verlaufende Erkrankung sei, die bereits lange vor der Manifestation beginne. Erst wenn weniger als 20% der Insulin produzierenden Zellen noch funktionsfähig seien, komme es zum Auftreten der typischen Symptome wie im Fall des Klägers. Dies mache die Analyse möglicher krankheitsfördernder und protektiver Faktoren im Einzelfall schwierig. Manifestationsfördernd könnten Infektionen - wie im Fall des Klägers - sein, aber auch andere Belastungen wie Verletzungen, Verbrennungen, Operationen, Unfälle oder seelische Traumen. Man vermute, dass die Mehrsekretion von kontrainsulinären Hormonen, die durch Stress ausgelöst würden, eine bereits bestehende Glukosetoleranzstörung verstärke und bei bereits bestehender Beta-Insuffizienz die Grenze zur klinischen Manifestation eines DM I überschritten werde. Diese Beschleunigung in der Manifestation trete nur dann ein, wenn diese ohnehin kurz bevorstehe. Daher könnten Impfungen nicht ursächlich für die Entstehung des DM I herangezogen werden. Die am 24.08., 23.09.1999 und am 14.03.2000 durchgeführten Impfungen könnten eindeutig nicht im Sinn der Entstehung oder der Verschlimmerung des DM I herangezogen werden. In Bezug auf eine Kann-Versorgung schrieb D, es gebe keine tierexperimentellen oder anderen theoretisch begründeten wissenschaftlichen Arbeitshypothesen, warum eine Hepatitisimpfung mit der Entstehung eines DM I zusammenhängen sollte. Es lägen ausreichende epidemiologische Untersuchungen vor, dass dies gerade nicht der Fall sei. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Impfung und DM I sei unwahrscheinlich. Eine zeitliche Verbindung zwischen Impfung und Auftreten der Krankheit lasse sich nicht herstellen. Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung seien nicht gegeben.
Auf das Gutachten hin nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Klage zurück, behielt sich jedoch eine neue Initiative vor, wenn bessere Erkenntnisse zur Verfügung stünden.
Am 27.10.2007 legte der Kläger beim Beklagten ein Privatgutachten, das jedoch als "Gutachten nach § 109 SGG" deklariert war, des praktischen Arztes R. K. (K) vom 24.10.2007 vor. Diesem kam es darauf an, das Gefährdungspotential der Zusätze zu den Impfstoffen herauszustellen. Vergiftungen, so K, spielten im Rahmen der exogenen Faktoren eine große Rolle. Auch Quecksilber oder Aluminiumhydroxid seien geeignet, solche Vergiftungen hervorzurufen. K versuchte, plausibel zu machen, dass Antigene aus Impfstoffen möglicherweise dazu führen könnten, dass das Immunsystem strukturähnliches körpereigenes Gewebe angreifen könnte. Neben den inaktivierten Viren enthalte der Impfstoff weitere hochtoxische Substanzen wie Formaldehyd, Thiomersal, Aluminiumhydroxid etc ... Diese Substanzen könnten zu akuten oder chronischen Vergiftungen führen. Bei vielen der beschriebenen Nebenwirkungen handle es sich um autoimmune Prozesse. Daraus ergebe sich automatisch auch ein Gefährdungspotential bezüglich DM I, auch wenn DM I nicht explizit als Nebenwirkung der Hepatitisimpfung genannt werde. In der Zusammenfassung meinte K, Impfungen blieben als Ursache für DM I nach wie vor diskutierbar, da es sich dabei um eine Autoimmunkrankheit handle. Im Fall des Klägers stützte er sich auf den zeitlichen Zusammenhang und die von ihm erläuterten Eigenschaften der Additiva.
Der Beklagte wertete die Vorlage des Gutachtens des K als Antrag nach § 44 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) und lehnte diesen mit Bescheid vom 08.02.2008 ab. Den Widerspruch vom 26.02.2008 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2008 als unbegründet zurück.
Am 25.03.2008 hat der Kläger erneut Klage beim Sozialgericht München (S 11 VJ 1/08, später S 5 VJ 1/08) erhoben. Das Sozialgericht hat ein Gutachten der Kinderärztin an
der H. Kinderklinik (Schwerpunkt pädiatrische Endokrinologie/Diabetologie) Dr. S. B. (B) eingeholt. Im Gutachten vom 31.07.2008 hat die Sachverständige geschildert, allgemein sei die Betazellzerstörung zumeist Folge eines Autoimmunprozesses, könne aber auch idiopathisch (ohne Nachweis von Antikörpern) sein. Zu den möglichen Krankheitsursachen hat B geschrieben, eine familiäre Belastung liege nur in 10% der DM I-Fälle vor. Ein "DM I-Gen" gebe es nicht. Neben Virusinfektionen spielten weitere Umweltfaktoren eine wichtige Rolle in der Entstehung, wie z.B. Ernährungsfaktoren (Stilldauer, Kuhmilchexposition etc.). An Virusinfektionen seien u.a. Mumps und Hepatitis A identifiziert worden. Die Virusinfektion führe dabei weniger zu einer direkten Zerstörung der Betazellen, sondern löse einen langfristigen autoimmunologischen Prozess aus. Inzwischen lägen gute Studien vor, die keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Impfung und DM I ergeben hätten (DAISY-Studie von Graves, BabyDiab-Studie). Das Zusammenspiel von interkurrenten Infektionen oder anderen Belastungen scheine das Auftreten eines DM I zu beschleunigen, wenn durch eine genetische Prädisposition, spezifische Virusinfektionen und autoimmunologische Vorgänge der Zerstörungsprozess der Betazellen bereits begonnen habe und nur noch ca. 20% dieser Zellen vorhanden seien. Vor dem manifesten DM I gebe es einen Prädiabetes, worunter ein mehrere Monate bis mehrere Jahre andauernder Prozess der entzündlichen Veränderung der Inselzellen im Sinn einer Insulinitis zu verstehen sei. Die im Fall des Klägers festgestellten Veränderungen bereits eineinhalb Tage nach der Impfung stünden nicht in Zusammenhang mit dieser, sondern seien Ausdruck der erschöpften Betazellenfunktion. Auch bezüglich der vorangegangenen Impfungen lasse sich kein Zusammenhang herstellen. B hat insoweit auf eine Studie in Dänemark von Haviid (2004) verwiesen. Diese Studie, so die Sachverständige, sei nach unterschiedlichen Impfungen aufgeschlüsselt gewesen. Es habe kein Zusammenhang zwischen den jeweiligen Impfungen und dem Auftreten von DM I gefunden werden können. Weiter hat sich B auf eine Arbeit aus dem Gesundheitsblatt 2001 von Keller-Stanislawski und Hartmann sowie auf eine Übersichtsarbeit von Wraith et al. (2003) gestützt. In dem Artikel von Wraith, so B, werde auch auf die Arbeiten von Karvonen und Di Stefano hingewiesen. Auch eine Übersichtsarbeit von Schattner (2005) komme zum Ergebnis, es fände sich kein Zusammenhang zwischen Impfungen und DM I, Multipler Sklerose oder entzündlicher Darmerkrankung. B hat sich auch auf die Ergebnisse eines Workshops in Baltimore bezogen. Nur bei wenigen Autoimmunprozessen habe ein direkter Nachweis zwischen Impfung und Erkrankung nachgewiesen werden können. Hierzu gehörten das Guillain-Barré-Syndrom nach Influenza-Impfung, eine disseminierte Enzephalomyelitis nach Tollwutimpfung und eine Thrombo-zytopenie nach Masernimpfung. Es handle sich um rare Einzelfälle. In Beantwortung der Beweisfragen hat B geschrieben, der DM I wäre auch ohne die Impfung in der derzeitigen Ausprägung vorhanden. Die Impfung sei nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht ursächlich. Bei Impfspezialisten und dem Großteil der Mediziner bestehe anhand großer Studien kein Anhalt, dass eine Impfung ursächlich für die Entstehung eines DM I sei. Die vom Kläger angeführten Publikationen stellten eine Einzelmeinung dar. Höchstwahrscheinlich sei es bei ihm bereits vor der ersten Impfung zu einer entzündlichen Betazellzerstörung in der Bauchspeicheldrüse gekommen.
Sodann hat der Kläger ein Privatgutachten von Dr. K. G. (G) vorgelegt (datiert "Juli 2008"). G hat gemeint, es gebe genügend Anhaltspunkte, einen Kausalzusammenhang zwischen Impfungen und DM I zu bejahen. Denn es sei bewiesen, dass allgemein ein Zusammenhang zwischen Impfungen und Autoimmunkrankheiten bestehe. Es gebe aber auch Beweise für einen Zusammenhang zwischen Impfungen und DM I. G hat sich der Frage gewidmet, welche Zusammenhänge zwischen der Entstehung von DM I und Impfungen existieren können. Er ist auf die Mumps-, Röteln-, MMR-, Mumps-Masern- und Hib-Impfung eingegangen, nicht aber auf Hepatitisimpfungen. Neben diesem Gutachten hat der Kläger eine Vielzahl weiterer Unterlagen eingereicht.
In einer ergänzenden Stellungnahme zu alldem vom 12.09.2008 hat B angemerkt, zitierfähige wissenschaftliche Beiträge seien im Gutachten des G nicht zu finden. Auch die vom Kläger aufgeführten Punkte ließen keine neuen Aspekte erkennen. Die von G zitierten Studien seien veraltet. Vielfache, sehr gute und renommiert publizierte Studien hätten keinen Anhalt für einen Zusammenhang zwischen Impfungen und DM I erbracht. Vor wenigen Wochen sei nochmals im Deutschen Ärzteblatt eine Analyse publiziert worden, die häufig vorgebrachten Argumenten von Impfgegnern erwidert hätte. Diese Arbeit gehe auch auf die Zusatzstoffdiskussion ein und könne ebenfalls einen Zusammenhang zwischen diesen Zusatzstoffen und Autoimmunerkrankungen nicht erkennen.
Schließlich hat das Sozialgericht ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von Dr. J. E. (E) eingeholt (Gutachten vom 30.03.2009). E hat geschrieben, die autoimmune Erkrankung wäre wahrscheinlich nicht aufgetreten ohne weitere Exposition schädlicher Noxen; dazu hat er in Klammern gesetzt "wie hier die dritte Twinrix-Imp-fung". Es sei "sehr denkbar", dass die Impfung ursächlich für DM I sei bzw. die Erstmanifestation begünstigt habe. Selbst wenn bei den führenden Impfspezialisten und im Großteil der medizinischen Publikationen Zusammenhänge verneint würden, gebe es genug beweisende Literatur aus renommierten Journals, selbst neueren Datums, welche B in Abrede stelle. E hat B vorgeworfen, sie hätte ausgeblendet, was sei, aber nicht sein dürfe. Er hat argumentiert, es bestehe eine klare zeitliche Verbindung zwischen den Impfungen und der Erstmanifestation des DM I. Eine andere Ursache komme nicht in Frage. Der Kläger habe vor der Impfung keinen DM I gehabt, wohl aber zwei Wochen danach. Zwar hat E konzediert, es gebe zahllose epidemiologische Studien, die einen Zusammenhang zwischen Impfungen und Entstehung des DM I negierten. Diese, so E, stammten jedoch nachweislich zu 97% aus der Pharmaindustrie. K und G hätten dagegen Studien benannt,
die von der Pharmaindustrie unabhängig seien. Diesen werde aber zu Unrecht wenig Beachtung geschenkt. Zur Person der B hat E bemerkt, deren Befangenheit an der Meinung der Pharmaindustrie sei zu groß, sie erhalte sogar Gelder aus der Pharmakasse über einen ihr verliehenen Wissenschaftspreis. E hat der Ärzteschaft Interessenkonflikte und Korruption vorgeworfen. Tatsache sei, dass Impfschäden systematisch negiert, ignoriert und heruntergespielt würden. E hat sich darauf gestützt, seit 2001 seien beim PEI immerhin 73 DM I-Fälle gemeldet worden bei einem "Underreporting" von 95%. Außerdem stünden die Gefahren in den Beipackzetteln, auch DM I. E hat kritisiert, in Impfstudien seien die Kontrollgruppen keine echten Placebogruppen; vielmehr werde ein anderer Impfstoff verabreicht. Das aber würde die Ergebnisse verzerren, weil auch in den Kontrollsubstanzen schädliche Inhaltsstoffe seien; Nebenwirkungen würden daher viel weniger auffallen.
E hat generell behauptet, Impfungen und vor allem Metalle - solche sind als Verbindungen zum Teil in Impfstoffen enthalten - könnten Autoimmunkrankheiten auslösen. Schädlich sei Thiomersal, das Quecksilber enthalte. Zum Beleg hat er diverse Unterlagen vorgelegt (Bieger/von Baehr, Immuntoxikologie der Metalle; Vorlesungsskript eines Dozenten Daniel Feuerstein in Immuntoxikologie, WS 2008, Universität unbekannt; Beschreibungen von Thiomersal [unbekannte Herkunft, Internet]; Daunderer, Metalle und Autoimmunerkrankungen; Information des Bundesgesundheitsministeriums vom 07.08.1995 zur Entstehung von Autoimmunkrankheiten; Report zu einer Studie der Universität Irvine, Kalifornien [aus dem Internet, von unbekanntem Verfasser und unbekannten Datums]; Beitrag von Dr. Joachim Mutter in Zusammenhang mit Amalgam; Beitrag von Naumann et al., Amalgam; Beitrag von Reinhard Lauer, unbekanntes Datum, Diagnose und Therapie der chronischen Quecksilbervergiftung; Auszug aus der Zeitschrift umwelt-medizingesellschaft 2006, S. 80, wohl von besagtem Dr. Mutter). E hat die Ansicht vertreten, der Zeitraum von eineinhalb Tagen zwischen letzter Impfung und Auftreten der ersten Krankheitssymptome sei von bedeutender Aussagekraft. Eine Kann-Versorgung, so E, sei in Betracht zu ziehen, weil eine Kumulation der Gifte bestehe; denn der Kläger habe ja vorher schon viele Impfungen mit hoher Quecksilber-Belastung gehabt. Zusammenfassend sei ausreichend belegt, dass Impfungen und/oder deren Additive Autoimmunprozesse wie DM I auf der Basis des Molekulary Mimikry hervorrufen könnten. Dies könne sehr schnell, aber auch erst Wochen bis Monate nach einer Impfung auftreten. Selbst die kurze Zeitdauer nach der dritten Impfung - eineinhalb Tage - könne ausreichend sein, da es sich um einen besonderen allergischen Reaktionstypus handle. Dann hat E dies relativiert, indem er behauptet hat, die dritte Impfung könnte die Erstmanifestation ausgelöst haben ("Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat").
Als Abschluss seines Gutachtens hat E u.a. folgende Aussagen getroffen: Vor der dritten Impfung habe der Kläger keine Anzeichen einer diabetogenen Erkrankung gezeigt; ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang sei vorhanden. Es sei weder eindeutig belegbar, aber auch nicht widerlegbar, dass die festgestellten Gesundheitsstörungen auch ohne die Impfung in dieser Ausprägung aufgetreten wären. Eine andere Ursache sei nicht ersichtlich. Die Impfung sei mit großer Wahrscheinlichkeit (d.h. es spreche mehr dafür als dagegen) "für den Eintritt oder die Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen ursächlich nicht sicher auszuschließen". Impfschäden dürften nicht kategorisch abgelehnt werden nur weil es unmöglich sei, Impfschäden bis ins Letzte zu beweisen. Nur weil in der Medizin Ungewissheit bestehe, dürfe ein Zusammenhang nicht negiert werden. Alle drei Impfungen könnten entweder im Sinn der Entstehung oder der Verschlimmerung die Schädigung bewirkt haben.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.08.2009 abgewiesen. In der Begründung hat es sich auf das Gutachten der B gestützt. Der zeitliche Zusammenhang genüge nicht, um einen Ursachenzusammenhang zu begründen. Darüber hinaus gebe es nach den neuesten epidemiologischen Studien keine Anhaltspunkte für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer DM I-Erkrankung und einer Hepatitisimpfung. Das sei durch E bestätigt worden, weil dieser einen Ursachenzusammenhang nur nicht sicher habe ausschließen können. Er befürworte lediglich eine Kann-Versorgung. Aber auch die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung seien nicht erfüllt.
Am 23.09.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Tenor der Berufungsbegründung geht dahin, alle negativen Studien seien durch die Pharmaindustrie beeinflusst oder manipuliert. Glaubhaft seien ausschließlich die Arbeiten, die zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen würden. Dass E sich ausführlich zum allgemeinen Gefahrenpotential von Impfungen für die Entstehung von Autoimmunerkrankungen ausgelassen habe, sei angebracht, weil doch alle Impfstoffe Thiomersal enthalten würden. Auch im Berufungsverfahren hat der Kläger eine Vielzahl von Quellen aus dem Internet eingereicht.
Der Senat hat dem Kläger vor der mündlichen Verhandlung zur Vorbereitung darauf diverse Unterlagen übersandt, u.a. die Kopie eines Gutachtens von Prof. Dr. S. M. (M), D., vom 05.09.2010, erstellt für den Beklagten in einem anderen Verfahren.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 25.08.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Bescheide vom 23.03.2001 und 23.01.2003 zurückzunehmen, festzustellen, dass der bei ihm vorliegende DM I Schädigungsfolge im Sinne von § 52 Abs.1 des Bundesseuchengesetzes (BSeuchG) beziehungsweise § 60 Abs. 1 IfSG ist, und ihm ab Antragstellung Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz bzw. Infektionsschutzgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere wegen des Inhalts medizinischer Berichte, Gutachten und Unterlagen, wird auf die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts in den Verfahren S 11 VJ 2/03 sowie S 5 VJ 1/08 und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese haben allesamt vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, die Rücknahme des ablehnenden Bescheids vom 23.03.2001, die Feststellung des DM I als Impfschaden sowie die Zuerkennung eines Versorgungsanspruchs zu erreichen. Dabei verkörpert die Kann-Versorgung keinen eigenen Streitgegenstand (vgl. BSGE 74, 109 ; BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, S. 55).
Das Begehren des Klägers wird im Folgenden ausschließlich nach den einschlägigen Bestimmungen des IfSG beurteilt. Der Versorgungsantrag wurde zwar im Juni 2000 gestellt mit der Folge, dass der Versorgungsanspruch materiell bis Ende 2000 nach den Bestimmungen des BSeuchG zu beurteilen war (vgl. BSG SozR 4-3851 § 20 Nr. 1, Rn. 6). Jedoch ist - wie oben ausgeführt - ein (wiederholter) Antrag nach § 44 SGB X Streitgegenstand, die mit Bescheid vom 23.03.2001 ausgesprochene Ablehnung zurückzunehmen und Versorgung, unter Feststellung des DM I als Impfschaden, von Anfang an zu gewähren. Dieser Antrag wurde erst am 27.10.2007 gestellt. Zwar führt dies nicht dazu, dass aufgrund von § 60 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Leistungen erst ab Oktober 2007 gewährt werden könnten. Denn der Antrag nach § 44 SGB X vermag nicht, als Antragsmonat im Sinn von § 60 Abs. 1 Satz 1 BVG zu fungieren; als solcher ist weiterhin der Monat Juni 2000 anzusehen. Jedoch führt § 44 Abs. 4 SGB X dazu, dass Leistungen von vornherein nur für einen Zeitraum gewährt werden könnten, in dem bereits das neue Recht gegolten hat. Dabei bewirkt diese Vorschrift eine materiell-rechtliche Anspruchsvernichtung (vgl. BSG, SGb 1994, S. 85). § 44 Abs. 4 SGB X wird auch nicht durch § 60 Abs. 1 BVG verdrängt (vgl. BSG, Urteil vom 02.10.2008 - B 9 VH 1/07 R).
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG erhält bei einem Impfschaden u.a. Versorgung, wer durch eine Schutzimpfung, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Nach § 61 Satz 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann gemäß § 61 Satz 2 IfSG mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden. Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Dahin stehen kann, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG im Übrigen erfüllt sind. Jedenfalls scheitert das Begehren des Klägers auf eine Versorgung nach dem IfSG daran, dass einerseits zwischen den angeschuldigten Impfungen in den Jahren 1999/2000 und dem beim Kläger bestehenden DM I kein Kausalzusammenhang im versorgungsrechtlichen Sinn wahrscheinlich ist (dazu unten 1.) und andererseits auch die Voraussetzungen für die so genannte Kann-Versorgung nicht vorliegen (dazu unten 2.).
1. Versorgung aufgrund mit Wahrscheinlichkeit erwiesenen Kausalzusammenhangs zwischen Impfungen und Gesundheitsschaden
Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfungen und bestehendem Gesundheitsschaden ist nach Überzeugung des Senats nicht nur nicht wahrscheinlich, sondern nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse nahezu ausgeschlossen.
Im Rahmen der Kausalität zwischen Impfung und Gesundheitsschaden ist zwischen der haftungsbegründenden (zwischen Impfung und Primärschädigung) und der haftungsausfüllenden (zwischen Primärschädigung und Folgeschaden) zu unterscheiden. Das ergibt sich aus der Struktur von § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 36). Erste Voraussetzung ist danach die Durchführung einer speziellen Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe. Der Betroffene muss zweitens eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben; dabei muss es im haftungsbegründenden Tatbestand unabdingbar zu einer gesundheitlichen Schädigung
(= Primärschädigung) gekommen sein, rein wirtschaftliche Nachteile genügen insoweit nicht. Zum haftungsbegründenden Tatbestand gehört auch, dass die Primärschädigung im Sinn von § 2 Nr. 11 IfSG über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgeht. Drittens ist zur Haftungsbegründung notwendig, dass die gesundheitliche Schädigung durch die Schutzimpfung verursacht ist (so genannte haftungsbegründende Kausalität, vgl. zum Begriff BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 16, S. 74 f. m.w.N.). Der Impfschaden im Sinn von § 2 Nr. 11 IfSG - und damit der Gesundheitsschaden im Sinn von § 61 Satz 1 IfSG - bildet das letzte Glied der Prüfungskette, nämlich die verbliebene Minderung an relevanten Rechtsgütern (im gesundheitlichen und wirtschaftlichen Bereich); unter dem Reglement des BSeuchG war unter Impfschaden dagegen die Primärschädigung zu verstehen (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 36). Aus der Passage in § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG "wegen des Impfschadens" ergibt sich, dass zwischen der Primärschädigung und dem Impfschaden ebenfalls ein kausaler Zusammenhang bestehen muss (so genannte haftungsausfüllende Kausalität).
Wie auch sonst im Versorgungsrecht gilt für beide Kausalverläufe die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 37). Im Rahmen der Kausalität ist eine Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 08.08.1974 - 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges "annähernd gleichwertig" sind. Was unter dem Begriff der "annähenden Gleichwertigkeit" zu verstehen ist, ist in der angeführten Entscheidung und auch in anderen neueren Entscheidungen nicht näher präzisiert. Die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R) hält demgegenüber den Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" für nicht geeignet zur Abgrenzung, da er einen objektiven Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und sieht eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich an, wenn nicht eine alternative unversicherte Ursache von "überragender Bedeutung" ist. Letzteres entspricht im Ergebnis auch der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG, das, wie z.B. dem Urteil vom 14.07.1955 - 8 RV 177/54 zu entnehmen ist, von einer "annähernd gleichwertigen" Bedeutung einer von mehreren Ursachen solange ausgeht, als nicht einer Ursache eine "überragende Bedeutung" zukommt. Eine Abweichung von unfallversicherungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Rechtsprechung zum Kausalitätsbegriff, wie sie sich aufgrund der Differenzen zum Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" aufdrängen könnte, besteht somit nicht (Senatsurteile vom 19.07.2011 - L 15 VS 7/10 und L 15 VG 20/10). Der Senat geht daher in Übereinstimmung mit der versorgungs- und unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung davon aus, dass eine vom Schutzbereich des IfSG umfasste Ursache immer dann rechtlich wesentlich ist, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des IfSG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben).
Hinsichtlich des Beweismaßstabs genügt für die Kausalität insgesamt deren Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (vgl. BSGE 60, 58; BSG SozR 3850 § 51 Nrn 8, 10; § 52 Nr 1; BSG, Urteil vom 27.08.1998 - B 9 VJ 2/97 R; BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38). Auch nach Ablösung der entsprechenden Regelungen des BSeuchG durch §§ 60, 61 IfSG geht der Senat davon aus, dass für beide Komponenten der Kausalität der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit greift. Nach der Rechtsprechung des BSG zum Entschädigungsanspruch nach dem BSeuchG musste sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität nur wahrscheinlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 1998 - B 9 VJ 2/97 R); diese Rechtsprechung ließ sich zwanglos mit dem Wortlaut von § 52 Abs. 2 BSeuchG vereinbaren. § 61 Satz 1 IfSG unterscheidet sich jedoch von § 52 Abs. 2 BSeuchG erheblich. Nimmt man die Regelung wörtlich, scheint sie die bloße Wahrscheinlichkeit nur für die Kausalität zwischen gesundheitlicher Schädigung und dem Gesundheitsschaden genügen lassen zu wollen, während der ebenfalls notwendige Kausalzusammenhang zwischen Impfung und gesundheitlicher Schädigung außen vor bleibt. Zu Gunsten des Klägers nimmt der Senat an, dass sich entgegen dem Wortlaut von § 61 Satz 1 IfSG an der Rechtslage, die unter dem Reglement des BSeuchG durch das BSG geprägt worden ist, nichts ändern soll. Dafür spricht, dass nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrs 14/2530, S. 88) § 61 IfSG lediglich an die entsprechenden Vorschriften des BVG angepasst worden sei, um eine einheitliche Sprachregelung im Entschädigungsrecht zu erreichen, indem wie in den anderen Gesetzen der sozialen Entschädigung zwischen der (primären) gesundheitlichen Schädigung und dem verbleibenden Schaden (Gesundheitsschaden) unterschieden werde. Zudem könnte eine derartige Verschärfung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nach Ansicht des Senats erhebliche verfassungsrechtliche Probleme im Hinblick auf den Vertrauensschutz aufwerfen. An dieser Stelle soll nicht beleuchtet werden, ob ein unter dem BSeuchG entstandener Entschädigungsanspruch unter den Schutz von Art. 14 GG fällt, oder ob sich ein möglicher Vertrauensschutz vorrangig aus dem Rechtsstaatsprinzip nach den Grundsätzen der unechten Rückwirkung ergibt. Denn mit der vom Senat gewählten Auslegung, dass auch die haftungsbegründende Kausalität von der Erleichterung im Beweismaßstab erfasst wird, wird von vornherein vermieden, dass es überhaupt zu einer Rechtsverschlechterung kommen kann. Nicht zuletzt hat das BSG jüngst die Beweiserleichterung des § 61 Satz 1 IfSG für beide Kausalstränge angewandt, allerdings ohne auf das Problem einzugehen (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 38).
Aber auch diese Handhabung durch den Senat verhilft dem Kläger nicht zu dem begehrten Versorgungsanspruch. Ebenso wenig nützt ihm, dass der Senat nicht schon deswegen einen Anspruch auf Versorgung verneint, weil eine Primärschädigung als solche überhaupt nicht identifiziert werden kann. Zwar ist im IfSG eine dreistufige Prüfung (Impfung - Primärschädigung - verbliebener Schaden) angelegt. Es wäre allerdings realitätsfremd, in jedem impfschadensrechtlichen Fall zu verlangen, es müsse eine deutlich wahrnehmbare Primärschädigung festgestellt werden. Allgemein dient die Dreigliedrigkeit dazu, bestimmte Geschehnisabläufe bereits auf einer Vorstufe der Prüfung "auszusondern" und das Fehlen kausaler Zusammenhänge leichter erkennen zu können. Je mehr sich die Kausalitätsprüfung in gedankliche Zwischenschritte "zerlegen" lässt, desto objektivierbarer kann der Geschehnisablauf rechtlich aufgearbeitet werden. Diese Differenzierung ist aber dann nicht möglich, wenn die Schädigung, also der Eingriff in das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit, nicht deutlich zu Tage tritt, sondern wie hier im Verborgenen erfolgt.
Zweifellos ist in solchen Fällen die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung schwieriger, weil sich der Verursachungspfad nicht klar abzeichnet. Dennoch darf nicht per se wegen der Nichterkennbarkeit einer Primärschädigung am Rechtsgut der körperlichen Gesundheit die Wahrscheinlichkeit des kausalen Zusammenhangs negiert werden. Vielmehr muss der Zusammenhang zwischen Impfung und manifestiertem Gesundheitsschaden in einer einzigen gedanklichen "Etappe" beurteilt werden.
Diese Beurteilung hat in einer Gesamtabwägung aller relevanten Umstände zu erfolgen. Die Gesamtabwägung vollzieht sich nicht ausschließlich auf der medizinischen Ebene, sondern ist - wie auch sonst Abwägungsvorgänge, z.B. im Recht der Fachplanung - erheblich rechtlich determiniert. So müssen zunächst alle möglicherweise relevanten medizinischen Aspekte herausgearbeitet und gesammelt werden. Dabei handelt es sich einerseits um Tatsachen, die den konkreten Fall betreffen, so z.B. der beobachtete zeitliche Abstand zwischen Impfung und Auftreten relevanter Symptome oder eventuelle gesundheitliche Vorschädigungen. Andererseits spielen generelle Tatsachen eine eminent wichtige Rolle; dazu gehören beispielsweise die bisherigen Beobachtungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf den Impfstoff. Auch die Gewichtung der einfließenden Aspekte bleibt nicht ausschließlich dem gutachterlichen Ermessen überlassen. So muss die Aussagekraft der generellen Tatsachen nach deren Evidenz beurteilt werden. Zu diesem Zweck sind die Tatsachen gedanklich nach "Evidenzklassen" zu gliedern, in etwa vergleichbar dem Verfahren, das der Gemeinsame Bundesausschuss anwendet, wenn er die Zweckmäßigkeit einer medizinischen Methode beurteilt. Groß angelegte, nach wissenschaftlichen Grundätzen durchgeführte epidemiologische Studien haben grundsätzlich die größte Aussagekraft, jedenfalls soweit es darum geht, gerade das statistisch gesicherte Ergebnis der Studie zu verwerten. Generell ist ein sicherer Nachweis einer Wirkung - auch einer ungewollten, schädlichen Wirkung - oder des Unterbleibens einer solchen in der Schulmedizin dann erbracht, wenn repräsentative Studien vorliegen, wobei die Studien - um Zufallsergebnisse weitgehend auszuschließen - vor allem mit einer ausreichend großen Zahl von Probanden durchgeführt worden sein müssen. Treten bestimmte Krankheiten, die auch arbeitshypothetisch mit Impfungen plausibel in Zusammenhang stehen können, bei der geimpften Gruppe signifikant häufiger auf als bei der ungeimpften, kann der Nachweis des erhöhten Schädigungsrisikos als erbracht gelten. So kann es sein, dass aufgrund der Ergebnisse einer geeigneten epidemiologischen Studie eine bestimmte generelle Tatsache als eindeutig erwiesen oder als eindeutig widerlegt angesehen werden kann, ohne dass im konkreten Fall beobachtbare "verdächtige" Umstände im Stande wären, eine gegenteilige Beurteilung zuzulassen.
Medizinische Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, müssen auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaft-lichen Erkenntnisstands beurteilt werden (BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 42). Auch ein womöglich bereits längere Zeit zurückliegender Vorgang muss, wenn über ihn erst jetzt abschließend zu entscheiden ist, nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft beurteilt werden. Die Bindung an den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft gilt auch, soweit die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) dazu in Widerspruch stehen. Diese sind zwar im Prinzip auch heute noch als antizipierte Sachverständigengutachten anzuwenden. Für den Fall aber, dass sie nicht mehr den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergeben, sind sie nicht anwendbar; dann haben Verwaltung und Gerichte auf andere Weise den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 39).
Bei Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze hat der Senat keine Zweifel, dass es an der Wahrscheinlichkeit der wesentlichen Verursachung durch die angeschuldigten Impfungen fehlt. Der Senat stützt sich insoweit in erster Linie auf die Sachverständigengutachten von D und B, deren Feststellungen er sich zu Eigen macht. Beide Gutachter sind in Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen und unter sorgfältiger Auswertung aktueller wissenschaftlicher Literatur in überzeugender Manier zum Ergebnis gelangt, die Impfungen hätten keinen signifikanten Verursachungsbeitrag geleistet, wobei sich B gerade in ihrer ergänzenden Stellungnahme mit der These beschäftigt hat, Zusatzstoffe in Impfstoffen würden das Risiko eines DM I erhöhen. Beide Sachverständige haben sich korrekter Methodik bedient, indem sie sich auf die Ermittlung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft konzentriert und zu diesem Zweck seriöses und aussagekräftiges Material verarbeitet haben und dabei nicht in irgendeiner Weise selektiv vorgegangen sind. Ihre Schlussfolgerungen, die sie aus den Ergebnissen der einschlägigen Studien bzw. Veröffentlichungen für den konkret vorliegenden Fall gezogen haben, sind vollständig, logisch korrekt und plausibel. Zu betonen ist, dass die Hepatitisimpfung bislang in der medizinischen Wissenschaft überhaupt nicht ernsthaft als Auslöser für DM I diskutiert wurde. Im Brennpunkt der Betrachtungen standen vielmehr die Mumpsimpfung sowie anscheinend auch die HiB-Impfung. Gleichwohl hat D darauf hingewiesen, die Studie von Di Stefano aus dem Jahr 2001 habe sich gerade auch mit der Hepatitis B-Impfung beschäftigt, jedoch keine Hinweise für ein erhöhtes DM I-Risiko erbracht. Von Interesse sind aber auch Studien, die sich mit anderen Impfstoffen befasst haben, gerade weil diejenigen Personenkreise, die nach wie vor - ohne dafür einen medizinisch-wissenschaftlich fundierten Ansatz einer Begründung zu haben - einen Kausalzusammenhang zwischen Impfungen und dem Entstehen von DM I vertreten, vorwiegend impfstoffunspezifische Bestandteile der Impfstoffe wie Thiomersal oder Aluminiumhydroxid "verdächtigen".
Bestätigt werden die Ergebnisse der Sachverständigen durch ein aktuelles Gutachten des M (Ärztlicher Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums des S. Krankenhauses G., D.) vom 05.09.2010, das dieser für den Beklagten in einer anderen Angelegenheit erstellt hat. Dass der Beklagte Auftraggeber war, macht das Gutachten nicht unverwertbar oder wertlos. Denn es erweckt gleichwohl den Eindruck großer Objektivität, Unbefangenheit und wissenschaftlicher Sorgfalt. Der Senat hat das Gutachten des M bereits vor der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt (gerichtlicher Schriftsatz vom 21.07.2011). In dem Fall, der dem Gutachten zugrunde lag, waren zwar andere Impfstoffe beteiligt. Gleichwohl hat M seine Einschätzungen zu Impfungen generell abgegeben, so dass sich in dem Gutachten zahlreiche Feststellungen von sehr hoher Aussagekraft auch für den vorliegenden Fall finden. Bereits die Überschrift des Gutachtens bringt klar zum Ausdruck, dass Impfungen allgemein untersucht werden sollten; das war auch von vornherein Gutachtensauftrag des Beklagten gewesen. Bemerkenswert erscheint, dass der Vorgutachter, der in jenem Fall aufgetreten war, genau die gleichen Argumentationsstrukturen aufgebaut hatte wie der Kläger hier. Der seinerzeitige Vorgutachter hatte diverse wissenschaftliche Hypothesen zum "molekularen Mimikry" und eine Reihe an Grundlagenarbeiten zur Krankheitsentstehung ausführlich dargestellt. Zusätzlich waren - genau wie hier - grundsätzliche Überlegungen zu Autoimmunerkrankungen und Impfungen diskutiert worden. Die Kernfeststellung des Vorgutachters war folgende: "Die Auslösung einer autoimmunen Reaktion wie z.B. ein DM I durch die thiomersalhaltigen DT-Impfstoffe bei einem entsprechend disponierten Patienten kann als medizinische Hypothese mit sehr hoher Plausibilität betrachtet werden". Auch insoweit sieht der Senat eine frappierende Konvergenz mit der Argumentation des Klägers und der Sachverständigen K, G und E. Damit war M genau mit den gleichen Fragestellungen konfrontiert worden, wie sie auch hier bestehen.
M hat geschildert, für andere Impfungen als die Mumpsimpfung sei in der Literatur bisher kein Fall für die Auslösung eines DM I beschrieben worden. Im Gegenteil gebe es Arbeiten, die sogar einen schützenden Effekt proklamieren würden. Die Studie von Di Stefano aus 2001, in die auch die Hepatitis B-Impfung einbezogen war, sei, so M weiter, die bis dahin größte Studie zur Rolle von Impfungen gewesen. Für keine Impfung habe sich ein Hinweis für eine Beschleunigung von DM I ergeben.
Di Stefano et al. selbst hatten in einem Aufsatz zur Studie formuliert, deren Ziel sei gewesen zu ermitteln, ob zwischen Impfungen in der Kindheit, insbesondere gegen Hepatitis B und Haemophilus influenzae (HiB), und der Entwicklung von DM I ein Zusammenhang bestehe und ob der Impfzeitpunkt Auswirkungen auf dieses Risiko habe. Als Schlussfolgerung ist festgehalten, diese "umfangreiche, bevölkerungsbezogene Fall-Kontroll-Studie" habe kein erhöhtes Risiko von DM I im Zusammenhang mit den routinemäßig empfohlenen Kindheitsimpfstoffen gezeigt. Die Ergebnisse über Hepatitis B-Impfstoffe stützten die Hypothese eines bestehenden Zusammenhangs nicht. Die Ergebnisse der Studie und die überwiegend epidemiologischen Beweise ließen nicht darauf schließen, dass zwischen den empfohlenen Kindheitsimpfstoffen und einem Risiko des DM I ein Zusammenhang bestehe.
Vor allem hat M auf eine Studie von Hviid et al. hingewiesen, die 2004 im New England Journal of Medicine publiziert worden war. In diese Studie waren alle Kinder eingeschlossen, die in Dänemark in der Zeit vom 01.01.1990 bis 31.12.2000 geboren worden waren. Wegen der großen Anzahl erfasster Probanden hat M die Studie als sehr aussagekräftig dargestellt, indem er geschrieben hat, nach dieser Publikation sei in Fachkreisen die Frage eines Zusammenhangs von Impfungen und Entwicklung eines DM I definitiv negativ beantwortet worden.
Die Kritik des Klägers an der letztgenannten Studie, in diese seien keinerlei thiomersalhaltige Impfstoffe einbezogen gewesen, weil in Dänemark schon wesentlich früher auf Thiomersal verzichtet worden sei, ist falsch. Tatsächlich enthielt der in Dänemark verabreichte Pertussisimpfstoff noch bis Mitte 1992 diesen Zusatzstoff. Hviid et al., also gerade die Wissenschaftler, welche die große Studie in Dänemark durchgeführt und ausgewertet hatten, haben im Oktober 2003 zum Zusammenhang zwischen thiomersalhaltigen Impfstoffen und Autismus einen Aufsatz veröffentlicht, wonach keine Hinweise für einen Zusammenhang vorlägen. Dieser Beitrag macht auf der einen Seite deutlich, dass in der Wissenschaft nie ein Zusammenhang zwischen Thiomersal und DM I ernsthaft diskutiert worden ist; im Fokus standen vielmehr nur eventuelle Hirnentwicklungsstörungen bei Säuglingen aufgrund der Vielzahl an Impfungen. Vor allem aber widerlegt der Beitrag die Behauptung des Klägers, die große Studie in Dänemark habe keine thiomersalhaltigen Impfstoffe umfasst. Auch - das ist entscheidend - für den Pertussisimpfstoff wurden keinerlei Hinweise gefunden, er könnte DM I ausgelöst haben.
Die Ergebnisse der Sachverständigen erhalten Unterstützung durch die in den AHP 1996 und 2004 - also die zeitnahen Fassungen (zur Notwendigkeit der Zeitnähe vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VJ 1/10 R, Rn. 47) - für Hepatitis A und B aufgeführten üblichen Impfreaktionen und Impfschäden (Nr. 57.15, 57.16). DM I wird dabei als möglicher Impfschaden nicht genannt. Dieser Umstand schließt zwar nicht per se die Anerkennung als Impfschaden aus, da Nr. 57 AHP keinen abschließenden Kanon von möglichen Impfschäden aufstellt, sondern nur bisherige medizinische Erfahrungen dokumentieren wollte. Daraus ergibt sich aber eindeutig, dass 2004 keinerlei Hinweise auf DM I als Impfschaden vorlagen.
Der Senat vermag die Ergebnisse von D und B nicht nur anhand des Gutachtens des M, sondern auch durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu verifizieren, die auch er als ein mit medizinischen Laien besetztes Gremium auswerten, verstehen und im Rechtsfindungsprozess sachgerecht verwerten kann, ohne dass der Inhalt erst durch einen medizinischen Sachverständigen "übersetzt" werden müsste. Das liegt einerseits daran, dass diese Beiträge nicht die unmittelbaren Studienbeschreibungen verkörpern, sondern ihrerseits die vorhandenen Studien auswerten und medizinisch-wissenschaftliche Schlüsse daraus ziehen. Andererseits beschäftigen sich die Beiträge mit dem allgemeinen Stand der Wissenschaft, nicht aber mit Gesundheitszustand und funktionelle Einschränkungen einer konkreten Person. Angesichts dessen erschließt sich dem Senat umfangreiches, in der mündlichen Verhandlung besprochenes Material, das die Gutachten von D, B und M bestätigt:
1. Die WHO hat in einer Informationsschrift aus dem Jahr 2000 geäußert, der übereinstimmende Stand der Wissenschaft (Berufung auf Arbeiten von Karvonen, Jefferson) nehme an, dass es keine Verbindung zwischen Impfungen, auch Hepatitis B-Impfungen, und DM I gebe.
2. Keller-Stanislawski und Hartmann haben 2001 im Bundesgesundheitsblatt (S. 613) eine Übersichtsarbeit veröffentlicht, Titel "Existiert ein Zusammenhang zwischen Impfungen und Typ-1-Diabetes mellitus bei Kindern und Jugendlichen?". Darin findet man die Aussage, besonders der Mumpsimpfstoff habe Anlass zu Diskussionen gegeben, da die Wildtypvariante des Mumpsvirus selten zu einer Pankreatitis führen könne. Im Folgenden haben die Autoren eingehend die vorhandenen Studien ausgewertet und keinen Zusammenhang zwischen Impfungen und der Entstehung von DM I entdeckt.
3. Der Aufsatz "Thiomersal und Impfungen" von Weisser/Bauer/Volkers/Keller-Stanislawski, Bundesgesundheitsblatt 2004, S. 1165 ff., kommt zum Ergebnis, dass nach neueren epidemiologischen Studien kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen neurodegenerativen Entwicklungsstörungen und thiomersalhaltigen Impfstoffen existiere. Die Autoren haben darauf hingewiesen, die vorhandenen Erfahrungen würden das - nicht in Thiomersal enthaltene - Methyl-Quecksilber betreffen und die diesbezüglich festgesetzten Grenzwerte lägen wesentlich höher als die in Impfstoffen verwandten Dosen. Verschiedene Gremien, CPMP, FDA, AAP/PHS, IOM und die WHO, hätten unabhängig voneinander festgestellt, dass keine Hinweise auf schädliche Wirkungen wie Autismus und andere Entwicklungsstörungen vorlägen. Bis jetzt seien keine Nebenwirkungen durch die in Impfstoffen verwendeten niedrigen Thiomersaldosen bekannt außer seltene Überempfindlichkeitsreaktionen.
4. Die Hinweise der STIKO über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen (Epidemiologisches Bulletin, 22.06.2007/S. 209 ff.), die auf der Basis des aktuellen Wissens erfolgen (vgl. BSG SozR 4-3851 § 20 Nr. 1, Rn. 13), nennen zu Hepatitis A- und Hepatitis B-Impfstoffen (S. 217/218) Lokal- und Allgemeinreaktionen, Komplikationen, Krankheiten/Krankheitserscheinungen in ungeklärtem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung sowie Hypothesen und unbewiesene Behauptungen. Unter keiner der vier Rubriken wird der Verdacht geäußert, es könne zu DM I kommen. Zu Thiomersal und Aluminiumhydroxid wird ausgeführt (S. 230 - 232), die Prüfung der Sicherheit und Wirksamkeit von Zusatzstoffen erfolge im Zulassungsverfahren der jeweiligen Impfstoffe (S. 230). Das GACVS habe ab 2002 die Rolle von Thiomersal in Impfstoffen analysiert. Der Analyse sei die Feststellung vorangestellt worden, dass sich Ethyl-Quecksilber substanziell von Methyl-Quecksilber unterscheide. Die Halbwertszeit für Ethyl-Quecksilber sei viel kürzer, so dass die Exposition kurz sei. Zudem werde es aktiv über den Darm ausgeschieden, während Methyl-Quecksilber im Körper akkumuliere. Die Autoren mehrere epidemiologischer Studien in Großbritannien und Dänemark hätten den möglichen Zusammenhang zwischen thiomersalhaltigen Impfstoffen und neurologischen Entwicklungsstörungen untersucht. Es habe kein Hinweis auf einen Zusammenhang gefunden werden können. Gegenteilige Studien an Mäusen hätte das GACVS keine Aussagekraft beigemessen. Zu Aluminiumhydroxid hat die STIKO geschrieben, im Vergleich zur Exposition über Trinkwasser, Lebensmittel oder Medikamente sei die Aluminiumexposition durch Impfstoffe gering.
5. Gleich lautende Äußerungen zu Thiomersal findet man in der Übersichtsarbeit "Impfsicherheit heute" von Schneeweiß/Pfleiderer/Keller-Stanislawski, die im Deutschen Ärzteblatt 2008, S. 590 ff., publiziert wurde, auf S. 591.
6. Aufsatz "Sicherheit von Impfstoffen" von Weißer/Barth/Keller-Stanislawski in Bundesgesundheitsblatt 2009, S. 1 ff.
7. In einer Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts vom 26.04.2011 zur Frage
"Stehen Impfungen in Zusammenhang mit der Ausbildung von Diabetes mellitus Typ 1" wird unter Bezugnahme auf die großen epidemiologischen Studien zum Ausdruck gebracht, dass es keine Hinweise auf einen Zusammenhang gebe.
8. Stellungnahme der EMEA (Europäische Agentur zur Evaluierung von Medizinprodukten) zu Thiomersal vom 24.03.2004.
9. Statement on thiomersal der WHO vom Juli 2006 unter Bezugnahme auf die GACVS.
10. Stellungnahme der FDA (U.S. Food and Drug Administration) zu Thiomersal in Impfstoffen (wohl aus 2001 oder 2002).
Dagegen vermag der Kläger weder mit den von ihm selbst vorgebrachten Argumenten noch mit den Privatgutachten von K und G zu überzeugen. Auch das Gutachten des E nach § 109 SGG hilft ihm nicht weiter.
Der Vortrag des Klägers ist dadurch gekennzeichnet, dass seine Mutter, die für ihn als Prozessbevollmächtigte aufgetreten ist, eine enorme Zahl von Beiträgen aus dem Internet eingereicht hat, die der Senat allesamt zur Kenntnis genommen hat, die aber allesamt ohne relevante Aussagekraft sind. Stets geht es dabei nicht um das eigentlich zu lösende Problem, sondern durchweg um undifferenzierte, diffuse Äußerungen zur Giftigkeit bestimmter Stoffe (vor allem Quecksilber) oder zu Autoimmunerkrankungen. Das gesamte Verfahren hindurch findet man den fast automatischen Schluss der Klägerseite - leider aber auch der Gutachter K, G und E - von der Eignung bestimmter Stoffe, Autoimmunerkrankungen auszulösen, auf die Eigenschaft, dann zwangsläufig auch DM I hervorzurufen. Jedoch erscheint es höchst unlogisch, sämtliche Autoimmunerkrankungen undifferenziert "in einen Topf zu werfen". Denn augenscheinlich wirken und manifestieren sich diese Krankheiten ganz spezifisch. Ansonsten müsste ein hoher Anteil an Rheumatikern auch DM I oder Multiple Sklerose haben. Autoimmunreaktionen scheinen im Körper also gezielt abzulaufen.
Ebenso wie die drei Gutachter K, G und E hat der Kläger den hier bestehenden zeitlichen Zusammenhang zwischen der dritten Hepatitisimpfung und dem ersten Manifestwerden der Symptome falsch interpretiert. Aus den Gutachten von D und B ergibt sich, dass dem Auftreten der ersten Symptome von DM I ein längerer Prozess der Zellzerstörung vorausgeht. Vor diesem Hintergrund ist es verfehlt, die dritte Impfung als wesentliche Bedingung für das Entstehen der Krankheit anzusehen. Wie dem Gutachten des D entnommen kann, könnte die Impfung das Manifestwerden allenfalls getriggert haben. Dann aber wäre sie eine reine Gelegenheitsursache bzw. ein bloßer Anstoß, niemals aber wesentliche Bedingung im versorgungsrechtlichen Sinn. Sogar E hat davon gesprochen, die Impfung sei der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe; damit aber wird keine wesentliche Bedingung beschrieben.
Dass der Kläger von Anfang an und unbeirrbar auf diese Weise argumentiert hat, bewegt sich im normalen Bereich des engagierten Parteiverhaltens. Dass aber auch Mediziner, die als Parteigutachter auftreten, sich dieser unwissenschaftlichen Vorgehensweise bedienen, erstaunt. Die Privatgutachten des K und des G, die der Senat im Weg des Urkundenbeweises verwertet, sind indiskutabel. Das Gutachten des G erweckt den Eindruck eines "Baustein-Gutachtens". Anders ist es nicht zu erklären, dass G zwar ausführlich auf die Mumps-, Röteln-, MMR-, Mumps-Masern- und Hib-Impfung eingegangen ist, nicht aber auf die relevanten Hepatitisimpfungen. Der Senat empfindet es nicht nur als handwerklichen Fehler, sondern als wissenschaftlich nicht seriös, einerseits wie G pauschal zu behaupten, es gebe genügend Anhaltspunkte, einen Kausalzusammenhang zwischen Impfungen und DM I zu bejahen, und dabei sogar von "Beweisen" zu sprechen, andererseits aber solche in keiner Weise zu benennen und dazu vollständig davon abzusehen, die aktuelle wissenschaftliche Literatur in ihrer Gesamtheit zu sichten und auszuwerten.
Genauso jenseits des Stands der Wissenschaft bewegt sich das Gutachten des K. Auch dieser Sachverständige hat darauf verzichtet, den aktuellen Stand in der medizinischen Wissenschaft darzustellen oder auch nur darauf hinzuweisen. Vielmehr hat er seine subjektiven Theorien präsentiert, die auf der Giftigkeit von Quecksilber und Aluminium basieren. Die fehlende wissenschaftliche Qualität des Gutachtens zeigt sich u.a. darin, dass K es offenbar für maßgebend betrachtet hat, dass seit 1993 in Frankreich Beschwerden beobachtet worden sind, die als makrophagische Myofasziitis (MM) eingeordnet werden.
Daraus hätte er aber nicht ableiten dürfen, Aluminium sei als ernsthafter Kausalfaktor für die Verursachung von DM I in Erwägung zu ziehen. K hat nämlich argumentiert, die MM sei oft mit generalisierten Gelenk- oder Muskelschmerzen, chronischer Müdigkeit, aber auch mit anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert. Dabei hat er übersehen, dass beim Kläger solche primären Erscheinungen nicht festgestellt wurden, auch kein erhöhter Aluminiumgehalt an der Impfstelle. Dass Aluminium ohne derartige Erscheinungen unmittelbar die Bauchspeicheldrüse geschädigt haben könnte, erscheint vor diesem Hintergrund aus der Luft gegriffen. In keiner Weise nachvollziehbar mutet auch der gedankliche Ansatz des K an, die Inkubationszeiten der "natürlichen" Hepatitiserkrankung ließen auch an einen Zusammenhang mit der ersten und der zweiten Impfung denken. Dabei ignoriert der Arzt, dass es im vorliegenden Fall nicht um eine Hepatitiserkrankung, sondern um DM I geht. Der Senat vermag keinerlei Aussagewert in dem Umstand zu erkennen, dass im vorliegenden Fall die Zeitspanne zwischen zweiter Impfung und der Manifestation der DM I in etwa der natürlichen Inkubationszeit der Hepatitis entspricht. In diesem Zusammenhang kann K auch nicht damit gehört werden, die Hepatitisinfektion habe DM I parallel getriggert; denn der Kläger hatte schlicht keine Hepatitissymptome. Dass ihm die Methodik der Impfschadensbegutachtung nicht geläufig ist, hat K in dem Satz, es komme einzig und allein auf das Auftreten der Ereignisse in einem zeitlichen Zusammenhang zu den durchgeführten Impfungen an, dokumentiert.
E scheint über den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft dagegen besser orientiert zu sein. Denn immerhin hat er eingeräumt, es gebe eine Vielzahl epidemiologischer Studien, die gegen einen Zusammenhang sprechen würden. Er aber meint, diese Studien seien alle durch die Pharmaindustrie verfälscht und daher unbrauchbar. Der Senat maßt sich nicht an zu wissen, ob und auf welche Weise insoweit tatsächlich Verquickungen und Abhängigkeiten bestehen. Jedenfalls disqualifiziert sich E durch die Undifferenziertheit, eifernde Polemik und Platitüdenhaftigkeit, mit der er das Gericht davon überzeugen möchte, das gesamte System sei korrupt und "pharmaverseucht". Seine Kritik an B bewegt sich am Rande der Verunglimpfung. Dass der Senat angesichts dessen E nicht folgen kann, bedarf keiner weiteren Erläuterung. So tendenziös das Gutachten des E anmutet, spräche es letztendlich sogar gegen das Begehren des Klägers. Denn E hat geschrieben, die Möglichkeit einer Verursachung könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Das ließe nicht einmal eine Kann-Versorgung zu.
Richtig ist zweifellos, dass der Großteil der wissenschaftlichen Studien durch die Pharmaindustrie finanziert ist. Das ist aber durch das in Deutschland herrschende arzneimittelrechtliche Zulassungs- und Überwachungssystem bedingt und so gewollt. Die Zulassungsbehörde führt nicht selbst von Amts wegen Studien durch, sondern hat im Wesentlichen die vom Arzneimittelhersteller vorgelegten Studien zu überprüfen. Diese Verfahrensweise findet sich gerade bei komplexen Genehmigungsverfahren häufiger. Die Zulassungsbehörde hat die Aussagekraft der Studien zu überprüfen; fehlte es daran, würden die darin ausgewiesenen Ergebnisse nicht akzeptiert. Sowohl für die Behörde als auch für den fachkundigen Leser ist durchaus erkennbar, ob eine Studie objektiv und valide ist; denn deren Methodik lässt sich nicht verbergen oder manipulieren. Somit wäre es verfehlt anzunehmen, diese Studien seien per se geschönt oder gar falsch. Angesichts der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten eines Zulassungs- und Überwachungssystems, das dem Hersteller die Durchführung wissenschaftlicher Prüfungen abverlangt, dürfte der pauschale Vorwurf, dieses sei ineffizient oder korrupt, neben der Sache liegen.
Nur der Information halber sei der Kläger auf eine groß angelegte Studie über Amalgam-Plomben von Melchart (Klinikum rechts der Isar der TU München) hingewiesen. Diese hat keine Hinweise erbracht, dass die quecksilberhaltigen Füllungen gesundheitsschädlich sind.
2. Kann-Versorgung
Auch auf der Basis von § 61 Satz 2 IfSG vermag der Kläger mit seinem Begehren nicht durchzudringen. Eine Versorgung kann danach auch gewährt werden, wenn die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung nur deswegen scheitert, weil in der medizinischen Wissenschaft über die Leidensursache allgemein Unkenntnis herrscht. Dabei ist eine abstrakte theoretische Unsicherheit Voraussetzung, nicht eine bloß konkrete im Einzelfall (BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, S. 57). § 61 Satz 2 IfSG ist dahin zu interpretieren, dass mit Ausnahme des Wahrscheinlichkeitsnachweises alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und zugleich keine Aspekte erkennbar sein dürfen, welche die Wahrscheinlichkeit der Verursachung unabhängig von der Ätiologie und der Pathogenese der betreffenden Krankheit ausschließen.
Auch im Rahmen der Kann-Versorgung existiert eine Kausalitätsvoraussetzung. Diese erfüllt der Kläger nicht. Zwischen § 61 Satz 1 und 2 IfSG bestehen im Hinblick darauf nur graduelle Unterschiede (BSG SozR 3850 § 52 Nr. 1, S. 4). Die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs reicht im Rahmen der Kann-Versorgung nicht. Vielmehr muss es wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, welche die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs vertritt. Wird eine solche Meinung überhaupt nicht vertreten, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft über die Entstehung des Leidens (vgl. dazu eingehend BSGE 73, 190 ). Nach der Rechtsprechung des BSG zum Soldatenversorgungsrecht, die auch hier anwendbar ist, muss zur Gewährung der Kann-Versorgung nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang zwischen angeschuldigtem Ereignis und Leidensmanifestation bestehen, sondern nach einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen körperlichen Belastungen und einer festgestellten Krankheit sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern vielmehr eine "gute Möglichkeit", die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann (BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, S. 57).
Die einschlägigen Regelungen der AHP bzw. der VG übernehmen und konkretisieren diese rechtlichen Anforderungen. Teil C Nr. 4 VG enthält zur Kann-Versorgung u.a. folgende Regelungen:
a) ...
b) Folgende medizinische Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
aa) Über die Ätiologie und Pathogenese des Leidens darf keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrschen. Eine von der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung abweichende persönliche Ansicht einer sachverständigen Person erfüllt nicht den Tatbestand einer Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft.
bb) Wegen mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen darf die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen oder Schädigungsfolgen für die Entstehung und den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können. Ein ursächlicher Einfluss der im Einzelfall vorliegenden Umstände muss in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen werden. Ist die ursächliche Bedeutung bestimmter Einflüsse trotz mangelnder Kenntnis der Ätiologie und Pathogenese wissenschaftlich nicht umstritten, so muss gutachterlich beurteilt werden, ob der ursächliche Zusammenhang wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist.
cc) Zwischen der Einwirkung der wissenschaftlich in ihrer ursächlichen Bedeutung umstrittenen Umstände und der Manifestation des Leidens oder der Verschlimmerung des Krankheitsbildes muss eine zeitliche Verbindung gewahrt sein, die mit den allgemeinen Erfahrungen über biologische Verläufe und den in den wissenschaftlichen Theorien vertretenen Auffassungen über Art und Wesen des Leidens in Einklang steht.
c) ...
d) Ist bei einem Leiden eine Kannversorgung generell in Betracht zu ziehen, muss trotzdem anhand des Sachverhaltes des Einzelfalles stets zuerst geprüft werden, ob der ursächliche Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit zu beurteilen ist. Lässt sich dabei die Frage des ursächlichen Zusammenhangs bereits in ihrer Gesamtheit entscheiden, so entfällt eine Kannversorgung ...
Die AHP 1996, 2005, 2005 und 2008, enthielten, soweit von Relevanz, jeweils in Nr. 39
damit übereinstimmende Regelungen.
Zwar entnimmt der Senat den Gutachten von D und B, dass in der medizinischen Wissenschaft nach wie vor Ungewissheit über die Entstehung des Leidens im Sinn von § 61 Satz 2 IfSG herrscht. Beide Sachverständige haben sich in ihren Gutachten ausführlich zu Ätiologie und Pathogenese des DM I geäußert. Diese Einlassungen zeigen, dass zu der Erkrankung auf genereller Ebene noch derartige Wissenslücken bestehen, dass eine Kann-Versorgung grundsätzlich in Frage käme. In Übereinstimmung damit wurde DM I in den AHP als Krankheit genannt (Nr. 39 Abs. 7), für die eine Kann-Versorgung in Betracht zu ziehen war. Die VG enthalten einen entsprechenden Passus nicht mehr; dieses Schweigen der VG darf aber nicht zu dem Schluss verleiten, die rechtlich geforderte Ungewissheit sei für DM I nunmehr ausgeräumt.
Gleichwohl führt für den Kläger kein Weg zu einer Kann-Versorgung. Denn die nach der BSG-Rechtsprechung geforderte "gute" Möglichkeit der Verursachung lässt sich nicht feststellen. Der Senat bezieht sich insoweit wiederum auf die überzeugenden Gutachten von D und B, deren Feststellungen er sich auch diesbezüglich zu Eigen macht, sowie unterstützend von M. D hat ausgeführt, es gebe keine tierexperimentellen oder anderen theoretisch begründeten wissenschaftlichen Arbeitshypothesen, warum eine Hepatitisimpfung mit der Entstehung eines DM I zusammenhängen sollte. Es lägen ausreichende epidemiologische Untersuchungen vor, dass dies gerade nicht der Fall sei. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Impfung und DM I sei unwahrscheinlich. Eine zeitliche Verbindung zwischen Impfung und Auftreten der Krankheit lasse sich nicht herstellen. Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung seien nicht gegeben. B hat bekräftigt, DM I wäre auch ohne die Impfung in der derzeitigen Ausprägung vorhanden. Die Impfung sei nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht ursächlich. Bei Impfspezialisten und
dem Großteil der Mediziner bestehe anhand großer Studien kein Anhalt, dass eine Impfung ursächlich für die Entstehung eines DM I sei. Die vom Kläger angeführten Publikationen stellten eine Einzelmeinung dar. M hat geäußert, da in der medizinischen Wissenschaft keine Unklarheit über den Zusammenhang zwischen Impfungen und Entwicklung eines DM I bestehe - M meint damit alle Impfungen -, komme auch die Kann-Versorgung nicht zur Anwendung. Für andere Impfungen als die Mumpsimpfung sei in der Literatur bisher kein Fall für die Auslösung eines DM I beschrieben worden. Aus alldem schließt der Senat, dass von einer "guten Möglichkeit" im Sinn der BSG-Rechtsprechung keine Rede sein kann. Keiner der Gutachter hat eine medizinisch nachvollziehbare Lehrmeinung benennen können, die einen Zusammenhang zwischen Hepatitisimpfung und DM I für wahrscheinlich erachtet. Den Ausführungen der Sachverständigen zufolge kann die Verursachung von DM I durch eine Hepatitisimpfung nicht einmal mehr als Arbeitshypothese aufrechterhalten werden (vgl. Teil C Nr. 4 lit. b bb VG). Denn nach den Methoden der Schulmedizin kann dies inzwischen als widerlegt gelten. Die nach wie vor z.B. von K, G und E vertretene gegenteilige Ansicht entbehrt der wissenschaftlichen Basis und kann nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr ernst genommen werden. Eine "nachvollziehbare wissenschaftliche Lehrmeinung" verkörpert sie keinesfalls.
Aus der Anwendung der AHP bzw. VG ergibt sich nichts anderes. Es bedarf keiner Erörterung, inwieweit die AHP in welchen Zeiträumen noch Anwendung finden. Denn nach allen in Betracht kommenden Rechtsvorschriften fehlt es an der Voraussetzung, dass eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung ausscheidet (vgl. Teil C Nr. 4 lit. b bb, lit. d VG). Es lässt sich nämlich eine außerordentlich hohe Wahrscheinlichkeit dafür feststellen, dass die angeschuldigten Impfungen gerade nicht den DM I im versorgungsrechtlichen Sinn verursacht haben. Darin ändert auch die ausdrückliche Nennung des DM I in Nr. 39 Abs. 7 AHP nichts; gleichwohl müssen die genannten rechtlichen Voraussetzungen für die Kann-Versorgung stets im Einzelnen geprüft werden. Ebenso wie Nr. 39 Abs. 7 erteilte auch Nr. 120 AHP lediglich den Auftrag, eine Kann-Versorgung zu prüfen, nicht aber sie zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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