Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AL 202/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 65/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.01.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld.
Der am 00.00.1951 geborene verheiratete Kläger, Lohnsteuerklasse 3, war seit 1985 als Chemiewerker bei der Firma I in X versicherungspflichtig beschäftigt. Sein Arbeitgeber kündigte ihm am 28.03.2008 zum 30.09.2008. Nach dem 30.09.2008 war der Kläger im Betrieb des Arbeitgebers nicht mehr tätig.
Am 31.03.2008 meldete sich der Kläger arbeitsuchend. Am 29.07.2008 meldete er sich erstmals arbeitslos mit Wirkung zum 01.10.2008. Am 22.09.2008 beantragte der Kläger die Zahlung von Arbeitslosengeld und wies auf eine anhängige Kündigungsschutzklage hin.
Mit Bescheid vom 26.09.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab dem 01.10.2008 für 540 Tage zunächst als Vorschuss nach einem vorläufigen Bemessungsentgelt Arbeitslosengeld. Die Beklagte meldete den Anspruchsübergang gemäß § 143 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bei dem Arbeitgeber an und teilte dies dem Kläger mit. Nach Mitteilung der letzten abgerechneten Arbeitsentgelte setzte sie den täglichen Leistungssatz mit Änderungsbescheid vom 14.10.2008 endgültig auf 39,93 EUR fest.
Auf die Kündigungsschutzklage des Klägers stellte das Arbeitsgericht C mit Urteil vom 10.12.2008 fest, dass sein Arbeitsverhältnis nicht zum 30.09.2008 geendet habe, und verurteilte die Arbeitgeberin, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitgeberin Berufung ein. Mit Beschluss vom 03.09.2009 stellte das Landesarbeitsgericht Hamm fest, dass die Arbeitsvertragspartner sich durch gerichtlichen Vergleich auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2009 und die Zahlung einer Abfindung von 45.000,00 EUR geeinigt haben. Ziffer 1 des Vergleichs lautet:
"Es besteht Einigkeit, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen mit Ablauf des 28. Februar 2009 sein Ende finden wird. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet".
Das Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 28.02.2009 sowie die Abfindung erhielt der Kläger ausbezahlt.
Am 11.02.2009 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte am 20.02.2009 Arbeitslosengeld. Den hierauf erteilten Bewilligungsbescheid vom 20.02.009 hob die Beklagte mit Auflösungsbescheid vom 14.04.2009 wegen des Endes der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall wieder auf.
Am 20.04.2009 meldete sich der Kläger nochmals arbeitslos ab dem 18.04.2009 und beantragte am 03.05.2009 erneut Arbeitslosengeld.
Mit Änderungsbescheid vom 19.05.2009 stellte die Beklagte die Anspruchshöhe für den Zeitraum vom 11.02.2009 bis zum 28.02.2009 auf null Euro wegen des Bezugs von Arbeitsentgelt und für den Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 11.04.2009 auf 39,93 EUR/täglich bei Annahme einer Anspruchsdauer von 540 Tagen fest. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage bewilligte sie dem Kläger für die Zeit ab dem 18.04.2009 für insgesamt 499 von 540 Tagen (also abzüglich der bereits bewilligten 41 Tage vom 01.03.2009 bis 11.04.2009) Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungsbetrag von 39,93 EUR. Mit Änderungsbescheiden vom 10.06.2009 und 16.07.2009 bewilligte die Beklagte bei identischem Leistungsbetrag unter Berücksichtigung des bereits gezahlten Arbeitslosengeldes bei einer ursprünglichen Anspruchsdauer von unverändert 540 Tagen noch für 456 bzw. 426 Tage Arbeitslosengeld.
Den Widerspruch des Klägers gegen den Bewilligungsbescheid vom 19.05.2009, mit dem er sich gegen die Anspruchsdauer von nur 540 Tagen wandte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2009 zurück. Der Kläger habe sich im Juli 2008 arbeitslos gemeldet. Die aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs zuerkannten Arbeitsentgeltansprüche hätten nur zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.10.2008 bis zum 28.02.2009 geführt. Anlässlich der erneuten AntragsteIlung zum 18.04.2009 sei lediglich der Zahlungsbeginn auf den 01.03.009 festgelegt worden. Zwar sei durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich das Arbeitsverhältnis verlängert worden. Die Beschäftigungslosigkeit ab Oktober 2008 sei damit aber nicht beseitigt worden. Der Anspruch sei deshalb zum 01.10.2008 entstanden und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem gemäß § 127 Abs. 2 SGB III die Höchstanspruchsdauer 18 Monate (= 540 Tage) betrage.
Hiergegen hat der Kläger am 12.08.2009 Klage erhoben und die Auffassung vertreten, Arbeitslosigkeit sei erst zum 01.03.2009 eingetreten. Auf die arbeitgeberseitige Kündigung zum 30.09.2008 könne es nicht ankommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2009 zu verurteilen, ihm für 24 Monate anstelle von 18 Monaten Arbeitslosengeld in Höhe von 39,93 EUR täglich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen und ist weiterhin der Auffassung, der Anspruch sei bereits am 01.10.2008 entstanden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.01.2011 abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte einen Anspruch für die Dauer von 18 Monaten festgestellt. Gemäß § 127 Abs. 2 SGB III in der hier maßgeblichen, vom 01.01.2008 bis zum 31.07.2009 geltenden Fassung des Gesetzes vom 08.04.2008 (BGBI. I, 681) betrage die Dauer des Anspruchs auf. Arbeitslo-sengeld nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von insgesamt mindestens 36 Monaten und nach Vollendung des 55. Lebensjahres 18 Monate. Nach Vollendung des 58. Lebensjahres und einem Versicherungspflichtverhältnis von mindestens 48 Monaten betrage sie 24 Monate. Das Sozialgericht hat sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen, dass der Anspruch des Klägers am 01.10.2008 entstanden sei. Anspruch im Sinne des § 127 SGB III sei das Stammrecht des Versicherten, d. h. die Anspruchsberechtigung, die Voraussetzung für den konkreten Leistungsanspruch sei. Das Stammrecht entstehe mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung des § 117 SGB 111 und bleibe auch bestehen, wenn der Anspruch ruhe. Zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs habe der Kläger erst das 57. und noch nicht das 58. Lebensjahr vollendet und dementsprechend gemäß § 127 Abs. 2 SGB III einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 18 Monaten (= 540 Tage) gehabt.
Gegen dieses ihm am 03.02.2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 02.03.2011, mit der er an seiner Auffassung festhält, er habe einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 24 Monaten.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.01.2011 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 19.05.2009, vom 10.06.2009 und vom 16.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2009 zu verurteilen, ihm für 24 Monate Arbeitslosengeld in Höhe von 39,93 EUR täglich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der Beratung des Senats waren.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand sind derjenige Bescheid vom 19.05.2009, mit dem die Beklagte die Anspruchsdauer auf 540 Tage festgestellt und Leistungen von täglich 39,93 EUR nach dem Ende der Zahlung von Arbeitsentgelt, nämlich ab dem 01.03.2009 bis zum 11.04.2009, gezahlt hat, ferner der weitere Bescheid vom 19.05.2009, mit dem die Beklagte unter Abzug des Leistungszeitraums von 41 Tagen dem Kläger ab dem 18.04.2009 für die restlichen 499 Tage. Arbeitslosengeld gezahlt hat. Ferner sind Streitgegenstand die Änderungsbescheide vom 10.06.2009 und 16.07.2009, die gemäß § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bereits Gegenstand des Widerspruchsverfahrens waren. Diese sind in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2009 Gegenstand des Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens geworden.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist indes unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Höhe der Leistungen hat die Beklagte, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist, zutreffend ermittelt. Die Beklagte hat aber auch die Dauer des Anspruchs zutreffend festgelegt.
Der Kläger hat gemäß § 127 Abs. 2 SGB III in seiner vom 01.01.2008 bis zum 31.07.2009 geltenden Fassung des Gesetzes vom 08.04.2008 (BGBI. I, 681) einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld für die Dauer von 18 Monaten. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist mit Ablauf des 30.09.2008 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger das 57., nicht jedoch das 58. Lebensjahr vollendet.
Gemäß § 127 SGB III richtet sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach der Dauer des Versicherungspflichtverhältnisses und dem Lebensalter, das der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hat.
Die Dauer des Versicherungspflichtverhältnisses nach § 127 Abs. 1 Nr. 1 SGB I ist erfüllt. Danach besteht bei einer Mindestdauer des Versicherungspflichtverhältnisses von 48 Monaten innerhalb der Rahmenfrist nach Vollendung des 58. Lebensjahres ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 24 Monaten. Der Kläger war seit 1985 bei seinem ehemaligen Arbeitgeber versicherungspflichtig beschäftigt.
Der Anspruch im Sinne des § 127 SGB III ist jedoch bereits am 01.10.2008, also vor Vollendung des 58. Lebensjahres, entstanden.
Bei dem Anspruch auf Arbeitslosengeld ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen dem Stammrecht und dem konkreten Einzelanspruch auf Auszahlung (vgl. nur Striebinger in Gagel, Kommentar zum SGB II und SGB III, Ergänzungslieferung 41, Stand: März 2011, Rn. 11 zu § 127 SGB III). Umstritten ist insoweit, ob mit dem "Anspruch auf Arbeitslosengeld" im Sinne des § 127 SGB III das Stammrecht, mithin die gesamte Anspruchsberechtigung, der zufolge der Arbeitnehmer durch Arbeitslosigkeit einen Anspruch erwerben kann (dazu BSG, Urteil vom 10.10.1978, Az.: 7 Rar 55/77), gemeint ist (so Valgolio in Hauck/Nofz, Stand: März 2010, Rn. 34 zu § 127 SGB III Striebinger, a.a.O., Rn. 11 zu § 127 SGB III und jedenfalls sinngemäß auch Brand in Brand/Niesel, 5. Auflage, 2010, Rn. 5 zu § 127 SGB III oder nur das schwächere Anwartschaftsrecht (so Spellbrink in Eicher/Schlegel, 59. Ergänzungslieferung, Stand: Oktober 2005, Rn. 27 zu § 127 SGB III.
Der Senat neigt insoweit der ersteren Auffassung zu, weil das Anwartschaftsrecht bereits begrifflich nicht schon der "Anspruch auf Arbeitslosengeld" selbst ist, den aber § 127 SGB III voraussetzt. Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil auch der Anspruch im Sinne des Stammrechts bereits am 30.09.2008 entstanden und das Anwartschaftsrecht im Stammrecht ohnehin als "Minus" enthalten ist. Dass hingegen mit dem "Anspruch auf Arbeitslosengeld" der konkrete Auszahlungsanspruch gemeint ist, wird, soweit ersichtlich, nicht vertreten. Dies ist auch konsequent, da sich über den Auszahlungsanspruch bereits die Ruhensbestimmungen der §§ 142 ff. SGB III verhalten.
Das Stammrecht entsteht, wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen des Arbeitslosengeld-anspruchs erfüllt sind (SpeIlbrink, a.a.O., Rn. 26 zu § 127 SGB III). Nach §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn er
1. arbeitslos ist,
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Diese Voraussetzungen lagen zeitgleich (dazu: Brand, a.a.O., Rn. 5) am 01.10.2008 vor. Der Kläger war ab dem 01.10.2008 arbeitslos. Nach § 119 Abs. 1 SGB III hat die Arbeitslosigkeit drei Voraussetzungen: Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit.
Der Kläger war ab dem 01.10.2008 beschäftigungslos. Wann im hier maßgeblichen leistungsrechtlichen Sinne Beschäftigungslosigkeit vorliegt, ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Diese Vorschrift knüpft nicht an den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern an die tatsächlichen Verhältnisse an. Beschäftigungslosigkeit ist deshalb mit der tatsächlichen Nichtbeschäftigung des Versicherten unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts gegeben. Vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht damit ein Arbeitnehmer schon dann, wenn das bisherige Beschäftigungsverhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat und eine Neubeschäftigung noch nicht wieder aufgenommen worden ist. Ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist damit trotz eines rechtlich noch bestehenden Arbeitsverhältnisses und unabhängig von der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers bereits dann nicht mehr gege-ben, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich nicht mehr erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis (sein Direktionsrecht) ausdrücklich verzichtet hat oder das Arbeitsverhältnis aufgrund einer von ihm ausgesprochenen Kündigung als beendet ansieht und weitere Dienste des Arbeitnehmers nicht annimmt, somit konkludent auf sein Direktionsrecht verzichtet (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.02.2010, Az.: L 1 AL 9/09, Rn. 27 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).
Mit ihrer Kündigung zum 30.09.008 hat die Arbeitgeberin zu erkennen gegeben, dass sie von ihrer Verfügungsbefugnis mit Ablauf des 30.09.2008 keinen Gebrauch mehr machen wollte. Tatsächlich war der Kläger nach dem 30.09.2008 auch nicht mehr im Betrieb tätig.
Ein Beschäftigungsverhältnis bestand damit mit Ablauf des 30.09.2008 nicht mehr. Daran ändert das Urteil des Arbeitsgerichts, soweit es das Arbeitsverhältnis als bis zum 28.02.2009 fortbestehend angesehen hat, schon deshalb nichts, weil damit nicht gleichzeitig das vom Arbeitsverhältnis zu trennende Beschäftigungsverhältnis fortbesteht. Soweit das Arbeitsgericht die Arbeitgeberin als verpflichtet angesehen hat, den Kläger bis zum 28.02. weiter zu beschäftigen, führt dies ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung, weil die Arbeitgeberin den Kläger eben nicht weiter beschäftigt, sondern gegen das Urteil Berufung eingelegt hat. Denn daraus wird deutlich, dass die Arbeitgeberin weiterhin von ihrer Verfügungsbefugnis keinen Gebrauch machen wollte.
Ist vielmehr der Arbeitnehmer nach einer Kündigung seines Arbeitgebers faktisch ohne Beschäftigung, stehen seiner leistungsrechtlichen Arbeitslosigkeit weder die Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch ein etwaiger Erfolg dieser Klage oder Vereinbarungen im Kündigungsschutzprozess über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das tatsächliche Ende der Beschäftigung hinaus oder (nach) Zuzahlungen von Arbeitsentgelt entgegen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).
Folglich hat die ab dem 01.10.2008 bestehende Beschäftigungslosigkeit auch der am 09.03.2009 vor dem Landesarbeitsgericht geschlossene Vergleich nicht beseitigt. Denn in diesem Vergleich haben die Parteien lediglich geregelt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch Vergleich mit Ablauf des 28.02.2009 endete, ohne dass die Arbeitgeberin sich verpflichtet hätte, den Kläger tatsächlich weiter zu beschäftigen oder dieser sich dem Direktionsrecht der Arbeitgeberin unterworfen hätte. Damit ist aber nur das Arbeitsverhältnis für diesen Zeitraum geregelt und nicht die Arbeitslosigkeit im Sinne der §§ 118, 119 SGB III beseitigt worden. Beschäftigungslosigkeit kann vielmehr - wie gezeigt - trotz eines bestehenden Arbeitsverhältnisses vorliegen (BSG, Urteil vom 17.10.2002, Az.: B 7 AL 136/01 R, vgl. Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand: Juni 2007, Rn. 48 zu § 119 SGB III). Obwohl die Kündigung zum 30.09.2008 aufgrund des nachträglich geschlossenen Vergleichs nicht wirksam war, lag somit ab diesem Zeitpunkt dennoch Beschäftigungslosigkeit trotz des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses vor (vgl. Söhngen, a.a.O., Rn. 49 zu § 119 SGB III).
Der Kläger war auch ab dem 01.10.008 für den Arbeitsmarkt verfügbar. Der Verfügbarkeit des Klägers im Sinne eines rechtlichen Dürfens stand hier auch nicht entgegen, dass er mit seiner Kündigungsschutzklage die Weiterbeschäftigung erreichen wollte bzw. das Arbeitsverhältnis durch den geschlossenen Vergleich noch bis zum 28.02.2009 rechtlich fortbestand (vgl. dazu Steinmeyer in Gagel, 25. Ergänzungslieferung, Stand: Februar 2005, Rn. 22 zu § 119 SGB III). Denn eine Beschäftigung ist jedenfalls über den 30.09.2008 hinaus praktisch nicht erfolgt. Der rechtliche Fortbestand allein des Arbeitsverhältnisses besagt eben nicht, dass auch das Beschäftigungsverhältnis fortbesteht.
Auch lag eine wirksame Arbeitslosmeldung zum 01.10.2008 vor. Zwar hatte sich der Kläger nur "ggf. mit Wirkung zum 01.10.2008" arbeitslos gemeldet, so dass dieser Erklärung auch der Inhalt einer bedingten und damit unwirksamen Arbeitslosmeldung beigemessen werden könnte. Allerdings hat nicht nur die Beklagte auf diese Meldung hin zunächst ab dem 01.10.2008 Arbeitslosengeld gezahlt, sondern der Kläger dieses auch hingenommen. Damit aber hat der Kläger bestätigt, dass er die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld durchaus bereits ab dem 01.10.2008 erfüllt wissen wollte.
Der Kläger war überdies ab dem 01.10.2008 ohne Unterbrechung arbeitslos. Die Wirkung der ursprünglichen Arbeitslosmeldung vom 29.07.2008 ist somit nicht gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III erloschen.
Ein Anspruchsverlust mangels Eigenbemühung kommt nicht in Betracht, da der Kläger nicht erklärt hat, sich nicht um seine berufliche Eingliederung kümmern zu wollen, und er es auch nicht generell abgelehnt hat, Aufforderungen der Beklagten nachzukommen.
Die Anwartschaftszeit im Sinne des § 118 Abs. 1 SGB III hat der Kläger durch seine Beschäftigung seit 1985 unproblematisch erfüllt.
Das Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.10.2008 bis zum 28.02.2009 hat das am 01.10.2008 entstandene Stammrecht auch nicht beseitigt. Für diesen Zeitraum hatte der Kläger entsprechend der Ziffer 1 des vor dem Landesarbeitsgericht geschlossenen Vergleichs Arbeitsentgelt zu beanspruchen und dieses tatsächlich auch erhalten. Damit ist der Ruhenstatbestand gemäß § 143 Abs. 1 SGB III eingetreten. Ruhen des Anspruchs bedeutet je-doch nur, dass ein konkreter Leistungsanspruch nicht geltend gemacht werden kann. An dem Be-stehen des hier allein maßgeblichen Stammrechts ändert das Ruhen jedoch nichts (Landessozial-gericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 27; Striebinger, a.a.O., Rn. 12 zu § 127 SGB III).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), lagen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld.
Der am 00.00.1951 geborene verheiratete Kläger, Lohnsteuerklasse 3, war seit 1985 als Chemiewerker bei der Firma I in X versicherungspflichtig beschäftigt. Sein Arbeitgeber kündigte ihm am 28.03.2008 zum 30.09.2008. Nach dem 30.09.2008 war der Kläger im Betrieb des Arbeitgebers nicht mehr tätig.
Am 31.03.2008 meldete sich der Kläger arbeitsuchend. Am 29.07.2008 meldete er sich erstmals arbeitslos mit Wirkung zum 01.10.2008. Am 22.09.2008 beantragte der Kläger die Zahlung von Arbeitslosengeld und wies auf eine anhängige Kündigungsschutzklage hin.
Mit Bescheid vom 26.09.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab dem 01.10.2008 für 540 Tage zunächst als Vorschuss nach einem vorläufigen Bemessungsentgelt Arbeitslosengeld. Die Beklagte meldete den Anspruchsübergang gemäß § 143 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bei dem Arbeitgeber an und teilte dies dem Kläger mit. Nach Mitteilung der letzten abgerechneten Arbeitsentgelte setzte sie den täglichen Leistungssatz mit Änderungsbescheid vom 14.10.2008 endgültig auf 39,93 EUR fest.
Auf die Kündigungsschutzklage des Klägers stellte das Arbeitsgericht C mit Urteil vom 10.12.2008 fest, dass sein Arbeitsverhältnis nicht zum 30.09.2008 geendet habe, und verurteilte die Arbeitgeberin, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitgeberin Berufung ein. Mit Beschluss vom 03.09.2009 stellte das Landesarbeitsgericht Hamm fest, dass die Arbeitsvertragspartner sich durch gerichtlichen Vergleich auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2009 und die Zahlung einer Abfindung von 45.000,00 EUR geeinigt haben. Ziffer 1 des Vergleichs lautet:
"Es besteht Einigkeit, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen mit Ablauf des 28. Februar 2009 sein Ende finden wird. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet".
Das Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 28.02.2009 sowie die Abfindung erhielt der Kläger ausbezahlt.
Am 11.02.2009 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte am 20.02.2009 Arbeitslosengeld. Den hierauf erteilten Bewilligungsbescheid vom 20.02.009 hob die Beklagte mit Auflösungsbescheid vom 14.04.2009 wegen des Endes der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall wieder auf.
Am 20.04.2009 meldete sich der Kläger nochmals arbeitslos ab dem 18.04.2009 und beantragte am 03.05.2009 erneut Arbeitslosengeld.
Mit Änderungsbescheid vom 19.05.2009 stellte die Beklagte die Anspruchshöhe für den Zeitraum vom 11.02.2009 bis zum 28.02.2009 auf null Euro wegen des Bezugs von Arbeitsentgelt und für den Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 11.04.2009 auf 39,93 EUR/täglich bei Annahme einer Anspruchsdauer von 540 Tagen fest. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage bewilligte sie dem Kläger für die Zeit ab dem 18.04.2009 für insgesamt 499 von 540 Tagen (also abzüglich der bereits bewilligten 41 Tage vom 01.03.2009 bis 11.04.2009) Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungsbetrag von 39,93 EUR. Mit Änderungsbescheiden vom 10.06.2009 und 16.07.2009 bewilligte die Beklagte bei identischem Leistungsbetrag unter Berücksichtigung des bereits gezahlten Arbeitslosengeldes bei einer ursprünglichen Anspruchsdauer von unverändert 540 Tagen noch für 456 bzw. 426 Tage Arbeitslosengeld.
Den Widerspruch des Klägers gegen den Bewilligungsbescheid vom 19.05.2009, mit dem er sich gegen die Anspruchsdauer von nur 540 Tagen wandte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2009 zurück. Der Kläger habe sich im Juli 2008 arbeitslos gemeldet. Die aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs zuerkannten Arbeitsentgeltansprüche hätten nur zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.10.2008 bis zum 28.02.2009 geführt. Anlässlich der erneuten AntragsteIlung zum 18.04.2009 sei lediglich der Zahlungsbeginn auf den 01.03.009 festgelegt worden. Zwar sei durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich das Arbeitsverhältnis verlängert worden. Die Beschäftigungslosigkeit ab Oktober 2008 sei damit aber nicht beseitigt worden. Der Anspruch sei deshalb zum 01.10.2008 entstanden und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem gemäß § 127 Abs. 2 SGB III die Höchstanspruchsdauer 18 Monate (= 540 Tage) betrage.
Hiergegen hat der Kläger am 12.08.2009 Klage erhoben und die Auffassung vertreten, Arbeitslosigkeit sei erst zum 01.03.2009 eingetreten. Auf die arbeitgeberseitige Kündigung zum 30.09.2008 könne es nicht ankommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2009 zu verurteilen, ihm für 24 Monate anstelle von 18 Monaten Arbeitslosengeld in Höhe von 39,93 EUR täglich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen und ist weiterhin der Auffassung, der Anspruch sei bereits am 01.10.2008 entstanden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.01.2011 abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte einen Anspruch für die Dauer von 18 Monaten festgestellt. Gemäß § 127 Abs. 2 SGB III in der hier maßgeblichen, vom 01.01.2008 bis zum 31.07.2009 geltenden Fassung des Gesetzes vom 08.04.2008 (BGBI. I, 681) betrage die Dauer des Anspruchs auf. Arbeitslo-sengeld nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von insgesamt mindestens 36 Monaten und nach Vollendung des 55. Lebensjahres 18 Monate. Nach Vollendung des 58. Lebensjahres und einem Versicherungspflichtverhältnis von mindestens 48 Monaten betrage sie 24 Monate. Das Sozialgericht hat sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen, dass der Anspruch des Klägers am 01.10.2008 entstanden sei. Anspruch im Sinne des § 127 SGB III sei das Stammrecht des Versicherten, d. h. die Anspruchsberechtigung, die Voraussetzung für den konkreten Leistungsanspruch sei. Das Stammrecht entstehe mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung des § 117 SGB 111 und bleibe auch bestehen, wenn der Anspruch ruhe. Zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs habe der Kläger erst das 57. und noch nicht das 58. Lebensjahr vollendet und dementsprechend gemäß § 127 Abs. 2 SGB III einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 18 Monaten (= 540 Tage) gehabt.
Gegen dieses ihm am 03.02.2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 02.03.2011, mit der er an seiner Auffassung festhält, er habe einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 24 Monaten.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.01.2011 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 19.05.2009, vom 10.06.2009 und vom 16.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2009 zu verurteilen, ihm für 24 Monate Arbeitslosengeld in Höhe von 39,93 EUR täglich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der Beratung des Senats waren.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand sind derjenige Bescheid vom 19.05.2009, mit dem die Beklagte die Anspruchsdauer auf 540 Tage festgestellt und Leistungen von täglich 39,93 EUR nach dem Ende der Zahlung von Arbeitsentgelt, nämlich ab dem 01.03.2009 bis zum 11.04.2009, gezahlt hat, ferner der weitere Bescheid vom 19.05.2009, mit dem die Beklagte unter Abzug des Leistungszeitraums von 41 Tagen dem Kläger ab dem 18.04.2009 für die restlichen 499 Tage. Arbeitslosengeld gezahlt hat. Ferner sind Streitgegenstand die Änderungsbescheide vom 10.06.2009 und 16.07.2009, die gemäß § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bereits Gegenstand des Widerspruchsverfahrens waren. Diese sind in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2009 Gegenstand des Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens geworden.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist indes unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Höhe der Leistungen hat die Beklagte, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist, zutreffend ermittelt. Die Beklagte hat aber auch die Dauer des Anspruchs zutreffend festgelegt.
Der Kläger hat gemäß § 127 Abs. 2 SGB III in seiner vom 01.01.2008 bis zum 31.07.2009 geltenden Fassung des Gesetzes vom 08.04.2008 (BGBI. I, 681) einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld für die Dauer von 18 Monaten. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist mit Ablauf des 30.09.2008 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger das 57., nicht jedoch das 58. Lebensjahr vollendet.
Gemäß § 127 SGB III richtet sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach der Dauer des Versicherungspflichtverhältnisses und dem Lebensalter, das der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hat.
Die Dauer des Versicherungspflichtverhältnisses nach § 127 Abs. 1 Nr. 1 SGB I ist erfüllt. Danach besteht bei einer Mindestdauer des Versicherungspflichtverhältnisses von 48 Monaten innerhalb der Rahmenfrist nach Vollendung des 58. Lebensjahres ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 24 Monaten. Der Kläger war seit 1985 bei seinem ehemaligen Arbeitgeber versicherungspflichtig beschäftigt.
Der Anspruch im Sinne des § 127 SGB III ist jedoch bereits am 01.10.2008, also vor Vollendung des 58. Lebensjahres, entstanden.
Bei dem Anspruch auf Arbeitslosengeld ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen dem Stammrecht und dem konkreten Einzelanspruch auf Auszahlung (vgl. nur Striebinger in Gagel, Kommentar zum SGB II und SGB III, Ergänzungslieferung 41, Stand: März 2011, Rn. 11 zu § 127 SGB III). Umstritten ist insoweit, ob mit dem "Anspruch auf Arbeitslosengeld" im Sinne des § 127 SGB III das Stammrecht, mithin die gesamte Anspruchsberechtigung, der zufolge der Arbeitnehmer durch Arbeitslosigkeit einen Anspruch erwerben kann (dazu BSG, Urteil vom 10.10.1978, Az.: 7 Rar 55/77), gemeint ist (so Valgolio in Hauck/Nofz, Stand: März 2010, Rn. 34 zu § 127 SGB III Striebinger, a.a.O., Rn. 11 zu § 127 SGB III und jedenfalls sinngemäß auch Brand in Brand/Niesel, 5. Auflage, 2010, Rn. 5 zu § 127 SGB III oder nur das schwächere Anwartschaftsrecht (so Spellbrink in Eicher/Schlegel, 59. Ergänzungslieferung, Stand: Oktober 2005, Rn. 27 zu § 127 SGB III.
Der Senat neigt insoweit der ersteren Auffassung zu, weil das Anwartschaftsrecht bereits begrifflich nicht schon der "Anspruch auf Arbeitslosengeld" selbst ist, den aber § 127 SGB III voraussetzt. Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil auch der Anspruch im Sinne des Stammrechts bereits am 30.09.2008 entstanden und das Anwartschaftsrecht im Stammrecht ohnehin als "Minus" enthalten ist. Dass hingegen mit dem "Anspruch auf Arbeitslosengeld" der konkrete Auszahlungsanspruch gemeint ist, wird, soweit ersichtlich, nicht vertreten. Dies ist auch konsequent, da sich über den Auszahlungsanspruch bereits die Ruhensbestimmungen der §§ 142 ff. SGB III verhalten.
Das Stammrecht entsteht, wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen des Arbeitslosengeld-anspruchs erfüllt sind (SpeIlbrink, a.a.O., Rn. 26 zu § 127 SGB III). Nach §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn er
1. arbeitslos ist,
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Diese Voraussetzungen lagen zeitgleich (dazu: Brand, a.a.O., Rn. 5) am 01.10.2008 vor. Der Kläger war ab dem 01.10.2008 arbeitslos. Nach § 119 Abs. 1 SGB III hat die Arbeitslosigkeit drei Voraussetzungen: Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit.
Der Kläger war ab dem 01.10.2008 beschäftigungslos. Wann im hier maßgeblichen leistungsrechtlichen Sinne Beschäftigungslosigkeit vorliegt, ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Diese Vorschrift knüpft nicht an den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern an die tatsächlichen Verhältnisse an. Beschäftigungslosigkeit ist deshalb mit der tatsächlichen Nichtbeschäftigung des Versicherten unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts gegeben. Vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht damit ein Arbeitnehmer schon dann, wenn das bisherige Beschäftigungsverhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat und eine Neubeschäftigung noch nicht wieder aufgenommen worden ist. Ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist damit trotz eines rechtlich noch bestehenden Arbeitsverhältnisses und unabhängig von der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers bereits dann nicht mehr gege-ben, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich nicht mehr erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis (sein Direktionsrecht) ausdrücklich verzichtet hat oder das Arbeitsverhältnis aufgrund einer von ihm ausgesprochenen Kündigung als beendet ansieht und weitere Dienste des Arbeitnehmers nicht annimmt, somit konkludent auf sein Direktionsrecht verzichtet (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.02.2010, Az.: L 1 AL 9/09, Rn. 27 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).
Mit ihrer Kündigung zum 30.09.008 hat die Arbeitgeberin zu erkennen gegeben, dass sie von ihrer Verfügungsbefugnis mit Ablauf des 30.09.2008 keinen Gebrauch mehr machen wollte. Tatsächlich war der Kläger nach dem 30.09.2008 auch nicht mehr im Betrieb tätig.
Ein Beschäftigungsverhältnis bestand damit mit Ablauf des 30.09.2008 nicht mehr. Daran ändert das Urteil des Arbeitsgerichts, soweit es das Arbeitsverhältnis als bis zum 28.02.2009 fortbestehend angesehen hat, schon deshalb nichts, weil damit nicht gleichzeitig das vom Arbeitsverhältnis zu trennende Beschäftigungsverhältnis fortbesteht. Soweit das Arbeitsgericht die Arbeitgeberin als verpflichtet angesehen hat, den Kläger bis zum 28.02. weiter zu beschäftigen, führt dies ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung, weil die Arbeitgeberin den Kläger eben nicht weiter beschäftigt, sondern gegen das Urteil Berufung eingelegt hat. Denn daraus wird deutlich, dass die Arbeitgeberin weiterhin von ihrer Verfügungsbefugnis keinen Gebrauch machen wollte.
Ist vielmehr der Arbeitnehmer nach einer Kündigung seines Arbeitgebers faktisch ohne Beschäftigung, stehen seiner leistungsrechtlichen Arbeitslosigkeit weder die Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch ein etwaiger Erfolg dieser Klage oder Vereinbarungen im Kündigungsschutzprozess über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das tatsächliche Ende der Beschäftigung hinaus oder (nach) Zuzahlungen von Arbeitsentgelt entgegen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).
Folglich hat die ab dem 01.10.2008 bestehende Beschäftigungslosigkeit auch der am 09.03.2009 vor dem Landesarbeitsgericht geschlossene Vergleich nicht beseitigt. Denn in diesem Vergleich haben die Parteien lediglich geregelt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch Vergleich mit Ablauf des 28.02.2009 endete, ohne dass die Arbeitgeberin sich verpflichtet hätte, den Kläger tatsächlich weiter zu beschäftigen oder dieser sich dem Direktionsrecht der Arbeitgeberin unterworfen hätte. Damit ist aber nur das Arbeitsverhältnis für diesen Zeitraum geregelt und nicht die Arbeitslosigkeit im Sinne der §§ 118, 119 SGB III beseitigt worden. Beschäftigungslosigkeit kann vielmehr - wie gezeigt - trotz eines bestehenden Arbeitsverhältnisses vorliegen (BSG, Urteil vom 17.10.2002, Az.: B 7 AL 136/01 R, vgl. Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand: Juni 2007, Rn. 48 zu § 119 SGB III). Obwohl die Kündigung zum 30.09.2008 aufgrund des nachträglich geschlossenen Vergleichs nicht wirksam war, lag somit ab diesem Zeitpunkt dennoch Beschäftigungslosigkeit trotz des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses vor (vgl. Söhngen, a.a.O., Rn. 49 zu § 119 SGB III).
Der Kläger war auch ab dem 01.10.008 für den Arbeitsmarkt verfügbar. Der Verfügbarkeit des Klägers im Sinne eines rechtlichen Dürfens stand hier auch nicht entgegen, dass er mit seiner Kündigungsschutzklage die Weiterbeschäftigung erreichen wollte bzw. das Arbeitsverhältnis durch den geschlossenen Vergleich noch bis zum 28.02.2009 rechtlich fortbestand (vgl. dazu Steinmeyer in Gagel, 25. Ergänzungslieferung, Stand: Februar 2005, Rn. 22 zu § 119 SGB III). Denn eine Beschäftigung ist jedenfalls über den 30.09.2008 hinaus praktisch nicht erfolgt. Der rechtliche Fortbestand allein des Arbeitsverhältnisses besagt eben nicht, dass auch das Beschäftigungsverhältnis fortbesteht.
Auch lag eine wirksame Arbeitslosmeldung zum 01.10.2008 vor. Zwar hatte sich der Kläger nur "ggf. mit Wirkung zum 01.10.2008" arbeitslos gemeldet, so dass dieser Erklärung auch der Inhalt einer bedingten und damit unwirksamen Arbeitslosmeldung beigemessen werden könnte. Allerdings hat nicht nur die Beklagte auf diese Meldung hin zunächst ab dem 01.10.2008 Arbeitslosengeld gezahlt, sondern der Kläger dieses auch hingenommen. Damit aber hat der Kläger bestätigt, dass er die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld durchaus bereits ab dem 01.10.2008 erfüllt wissen wollte.
Der Kläger war überdies ab dem 01.10.2008 ohne Unterbrechung arbeitslos. Die Wirkung der ursprünglichen Arbeitslosmeldung vom 29.07.2008 ist somit nicht gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III erloschen.
Ein Anspruchsverlust mangels Eigenbemühung kommt nicht in Betracht, da der Kläger nicht erklärt hat, sich nicht um seine berufliche Eingliederung kümmern zu wollen, und er es auch nicht generell abgelehnt hat, Aufforderungen der Beklagten nachzukommen.
Die Anwartschaftszeit im Sinne des § 118 Abs. 1 SGB III hat der Kläger durch seine Beschäftigung seit 1985 unproblematisch erfüllt.
Das Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.10.2008 bis zum 28.02.2009 hat das am 01.10.2008 entstandene Stammrecht auch nicht beseitigt. Für diesen Zeitraum hatte der Kläger entsprechend der Ziffer 1 des vor dem Landesarbeitsgericht geschlossenen Vergleichs Arbeitsentgelt zu beanspruchen und dieses tatsächlich auch erhalten. Damit ist der Ruhenstatbestand gemäß § 143 Abs. 1 SGB III eingetreten. Ruhen des Anspruchs bedeutet je-doch nur, dass ein konkreter Leistungsanspruch nicht geltend gemacht werden kann. An dem Be-stehen des hier allein maßgeblichen Stammrechts ändert das Ruhen jedoch nichts (Landessozial-gericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 27; Striebinger, a.a.O., Rn. 12 zu § 127 SGB III).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), lagen nicht vor.
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