L 19 RJ 213/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 338/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 213/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.12.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Höhe der dem Kläger zu erstattenden Rentenversicherungsbeiträge.

Der am ...1938 geborene Kläger ist algerischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Algerien. Er hat mit Unterbrechungen vom 22.10.1959 bis 22.10.1965 in Deutschland versicherungspflichtig gearbeitet. Nachdem die Beklagte mit bindend gewordenem Bescheid vom 17.03.1997 die Bewilligung von Regelaltersrente wegen fehlender Wartezeit abgelehnt hatte (nachgewiesen sind insgesamt nur 57 Pflichtbeitragsmonate), stellte der Kläger am 08.06.1998 Antrag auf Beitragserstattung. Diesem Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.1998 entsprochen und dem Kläger einmalig den Betrag von DM 1707,43 erstattet. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 24.10.1998, eingegangen bei der Deutschen Botschaft in Algier am 10.11.1998, Widerspruch und vertrat die Auffassung, ihm stehe eine monatliche Rente oder ein Kapitalbetrag von mindestens DM 30.000,- zu. Die Beklagte wies den Widerspruch als unzulässig zurück, weil er nicht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides erhoben worden sei (Bescheid vom 22.02.1999).

Zur Begründung der am 30.05.1999 erhobenen Klage machte der Kläger weiterhin geltend, der Erstattungsbetrag entspreche nicht seiner Beitragsleistung in Deutschland. Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat die Klage durch Urteil vom 15.12.1999 als unbegründet abgewiesen, weil der Widerspruch wegen Fristversäumnis unzulässig gewesen sei. Der Bescheid vom 24.07.1998 sei am 20.08.1998 zugestellt worden, die Widerspruchsschrift vom 24.10.1998 jedoch erst am 10.11.1998 (und damit verspätet) bei der Deutschen Botschaft in Algier eingegangen.

Gegen das ihm am 13.03.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.04.2000 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, der Erstattungsbetrag entspreche nicht der Dauer seiner Tätigkeit in Deutschland. Er habe hier 5 Jahre in Folge gearbeitet, was die Erstattungssumme auf bis zu 5.000,- DM erhöhen dürfte.

Der Kläger, für den in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, beantragt sinngemäß nur noch,

das Urteil des SG Bayreuth vom 15.12.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.07.1998 idG des Widerspruchsbescheides vom 22.02.1999 zu verurteilen, ihm über die bereits ausgezahlte Summe hinaus eine höhere Erstattung bis zu einem Gesamtbetrag von DM 5.000,- zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 15.12.1999 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren neben den Streitakten erster und zweiter Instanz die Unterlagen der Beklagten, auf deren Inhalt zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich aber im Ergebnis als unbegründet. Zwar hat der Kläger den Widerspruch gegen den angefochtenen Bescheid vom 24.07.1998 nicht verspätet erhoben, weshalb sein Rechtsbehelf mit dem nachfolgenden Widerspruchsbescheid vom 22.02.1999 nicht als unzulässig hätte zurückgewiesen werden dürfen. Der streitbefangene Ausgangsbescheid wurde dem Kläger am 20.08.1998 zugestellt, wie sich aus dem bei den Unterlagen der Beklagten befindlichen Rückschein ergibt. Den Widerspruch hat der Kläger ausweislich des handschriftlich ergänzten Eingangsstempels der Deutschen Botschaft in Algier am 10.11.1998 erhoben. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG ist dadurch die Widerspruchsfrist gewahrt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil BSG vom 21.10.1998 in SozR 3-1500 § 84 Nr 2) muss der Widerspruch, anders als in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 24.07.1998 angegeben, bei Auslandszustellung nicht innerhalb eines Monats (vgl § 84 Abs 1 SGG), sondern in analoger Anwendung des § 87 Abs 1 Satz 2 SGG lediglich innerhalb von 3 Monaten nach der Bekanntgabe des Bescheides erhoben werden. Die Anwendung der Monatsfrist des § 84 Abs 1 SGG bei Bekanntgabe bzw Zustellung von Bescheiden im Ausland stellt sich, wie das BSG in dem og Urteil überzeugend ausgeführt hat, nach Wegfall der Wahlmöglichkeit des § 78 Abs 2 SGG als systemwidriger Fremdkörper im SGG dar. § 78 Abs 1 Satz 2 SGG räumt für die Erhebung der Klage gegen einen im Ausland bekanntgegebenen bzw zugestellten Widerspruchsbescheid eine Frist von 3 Monaten ein. Damit soll sichergestellt werden, dass dem im Ausland lebenden Beteiligten ausreichend Zeit zur Prüfung und Vorbereitung eines Rechtsmittels bleibt. Nicht anders ist die Interessenlage eines Beteiligten, dem ein Bescheid im Ausland zugestellt oder bekanntgegeben wird und der prüfen will, ob er dagegen mit Aussicht auf Erfolg Widerspruch erheben kann. Der Widerspruchsführer, dem ein Bescheid im Ausland zugestellt oder bekanntgegeben worden ist, verdient deshalb denselben Schutz wie jemand, der vom Ausland aus Klage erheben will. Der Widerspruch ist im sozialgerichtlichen Rechtsschutzsystem nämlich nicht weniger wichtig als das anschließende Klageverfahren.

Der Kläger hat danach den (am 10.11.1998 eingelegten) Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.07.1998, der ihm am 20.08.1998 zugestellt wurde, innerhalb der Dreimonatsfrist und damit rechtzeitig erhoben.

Aufgrund der Zulässigkeit des Widerspruchs hätte sowohl die Beklagte als auch das SG eine Entscheidung zur Sache, dh hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des streitigen Erstattungsanspruchs treffen müssen. Diese Prüfung kann in der Berufungsinstanz nachgeholt werden. Sie ergibt, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf eine höhere Beitragserstattungssumme zusteht. Grundlage für die Höhe der erstatteten Beiträge ist § 210 Abs 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), der am 01.01.1992 in Kraft getreten ist. Danach werden Beiträge nur in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie tatsächlich getragen haben. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten betrug in der Zeit vom 01.03.1957 bis 31.12.1967 14 %, von denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer je 7 % zu tragen hatten. Dementsprechend kann auch im Fall des Klägers nur ein Betrag von 7 % (Anteil des Versicherten) aus den abgeführten Beiträgen erstattet werden. Insoweit ist die Berechnung des Erstattungsbetrages durch die Beklagte nicht zu beanstanden. Der Kläger hat auch hierzu nichts vorgetragen; unabhängig davon sind für den Senat keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Berechnung der Beklagten fehlerhaft sein könnte.

Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Beitragsanteile, die von den Arbeitgebern getragen wurden, nicht zu erstatten sind. Es verstößt auch nicht gegen verfassungsmäßige Grundsätze, dass die vom Arbeitgeber gezahlten Beiträge zwar von der Erstattung ausgenommen, bei einer evtl Rentenberechnung aber berücksichtigt werden (Bundesverfassungsgericht SozR 2200 § 1303 Nr 34).

Der Kläger hat gegen die Beklagte somit keinen Anspruch auf einen höheren Erstattungsbetrag. Den ursprünglich im Beitragserstattungsverfahren (hilfsweise) geltend gemachten Anspruch auf Rentenleistungen hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht weiterverfolgt. Vorsorglich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ihm solche Ansprüche nicht zustehen, da die Mindestwartezeit von 60 Beitragsmonaten - wie im Bescheid vom 17.03.1997 ausgeführt - nicht erfüllt ist. Der Kläger hat somit auch keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Berufs- noch wegen Erwerbsunfähigkeit noch einer Regelaltersrente. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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