L 19 RJ 236/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 320/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 236/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.03.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit (BU) hat.

Die am 1966 geborene Klägerin hat nach eigenen Angaben die 1981 begonnene Lehre einer Hotelfachfrau nicht abgeschlossen und war anschließend als Küchenhilfe, Verkäuferin, Küchenleiterin (15.04. bis 31.10.1987) und zuletzt vom 01.01.1988 bis 20.08.1991 als Beiköchin versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 06.11.1998 beantragte die Klägerin Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen folgender Gesundheitsstörungen: Thrombose (Beckenvenen), Gehbehinderung und Marcumar-Behandlung. Die Beklagte nahm die Unterlagen und einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr.B. bei und ließ die Klägerin durch den Chirurgen Dr.G. untersuchen. Er erachtete die Klägerin für fähig, ihre ehemals ausgeübte Tätigkeit als Küchenhilfe nur noch im Umfang bis zu zwei Stunden zu verrichten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei sie für leichte Arbeiten im Sitzen und Stehen im Wechselrhythmus vollschichtig (mit funktionellen Einschränkungen) einsetzbar. Im Anschluss an dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.01.1999 und Widerspruchsbescheid vom 14.05.1999 Rentenleistungen ab, weil die Klägerin weder berufs- noch erwerbsunfähig sei.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Würzburg (SG) einen Befundbericht von Dr.B. mit dessen Unterlagen und die Schwerbehindertenakte des AVF Würzburg zum Verfahren beigezogen. Es hat von Amts wegen die Orthopädin C. gehört, die die Klägerin im Gutachten vom 21.07.2000 ebenfalls für fähig hielt, überwiegend leichte Tätigkeiten, vor allem im Wechselrhythmus bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen vollschichtig zu verrichten. Zu der gleichen Leistungsbeurteilung ist auch der auf Antrag der Klägerin gehörte Orthopäde Prof. Dr.P. im Gutachten vom 05.01.2001 gelangt.

Mit Urteil vom 13.03.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei im Hinblick auf ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Beiköchin als qualifiziert angelernte Arbeiterin zu betrachten. Sie sei deshalb zumutbar auf die Tätigkeit einer "einfachen Pförtnerin" zu verweisen, der sie ohne Weiteres gewachsen sei. Die Klägerin sei damit nicht berufsunfähig. Auch aus den ab 01.01.2001 geltenden gesetzlichen Vorschriften zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lasse sich ein Rentenanspruch nicht ableiten.

Ihre dagegen eingelegte Berufung begründet die Klägerin im Wesentlichen damit, sie sei als Facharbeiterin anzusehen, weil sie sich - zwar ohne Abschluss der Ausbildung - anschließend qualifiziert habe, so dass sie als Küchenleiterin eingesetzt worden sei. Ihr sei eine vollschichtige Tätigkeit als einfache Pförtnerin aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass ihr irgendeine Beschäftigung zu betriebsüblichen Bedingungen nicht mehr möglich sei. Dies führe im Ergebnis dazu, dass nicht BU-, sondern Erwerbsunfähigkeits (EU)-Rente zu gewähren sei.

Der Senat hat zunächst die Schwerbehindertenakte des AVF Würzburg (GdB 30) und eine Auskunft des letzten Arbeitgebers der Klägerin (Gasthof "Z.", V.) zum Verfahren beigenommen. Weiter hat er die Klägerin in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört; insoweit wird auf die Niederschrift vom 26.09.2001 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Würzburg vom 13.03.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.01.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.05.1999 zu verurteilen, ihr BU-Rente zu gewähren. Hilfsweise beantragt sie, ein weiteres Gutachten vorwiegend auf internistischem Gebiet gemäß § 109 SGG von einem noch zu benennenden Gutachter einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Begründung im angefochtenen Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die beigezogene Schwerbehindertenakte, die Unterlagen der Beklagten und die Streitakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel der Klägerin ist sachlich nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil zu Recht festgestellt, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rentenleistungen wegen BU hat. Denn die Klägerin ist nicht berufsunfähig iS des Gesetzes (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -SGB VI-).

Rente wegen BU erhält die Versicherte, die die Wartezeit und die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hat und berufsunfähig iS des § 43 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung ist. Nach dem aktenkundigen Versicherungsverlauf und den Feststellungen der Beklagten sind zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen BU erfüllt, bei der Klägerin liegt aber BU noch nicht vor. Berufsunfähig sind nach § 43 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Der geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen BU steht der Klägerin nach dem Ergebnis der im Verwaltungs- und Klageverfahren durchgeführten medizinischen Sachaufklärung nicht zu, da sie trotz der bei ihr festgestellten Gesundheitsstörungen und der damit verbundenen Leistungseinbuße nach wie vor zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig und regelmäßig verrichten kann, ohne dass wegen einer "gravierenden Einzelbehinderung" oder im Hinblick auf das Vorliegen einer außergewöhnlichen "Summierung einer Mehrzahl krankheitsbedingter Leistungseinschränkungen" von einem verschlossenen Arbeitsmarkt auszugehen wäre. In dieser Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin stimmt der Senat mit den Feststellungen und Folgerungen des SG überein. Im Berufungsverfahren ist eine bedeutsame Verschlechterung im Gesamtbefinden der Klägerin nicht geltend gemacht worden und auch dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Die vom SG gehörten Sachverständigen C. und Prof. P. haben übereinstimmend dargelegt, dass die Klägerin bei Beachtung der von ihnen geschilderten qualitativen Einschränkungen (aus orthopädischer Sicht: Keine besondere Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Bücken oder Knien) noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Die Wegefähigkeit ist erhalten, betriebsunübliche Pausen oder eine außergewöhnliche Arbeitszeitgestaltung sind nicht erforderlich.

Ausgangspunkt für die Prüfung von BU, die allein Gegenstand des Verfahrens ist, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den die Versicherte ausgeübt hat. Dieser ist, wie das SG zutreffend festgestellt hat, der einer Beiköchin, den die Klägerin zuletzt von 1988 bis 1991 im Gasthof "Z." ausgeübt hat. Sie war - ohne Ausbildung für den Kochberuf - mit der Zubereitung von Beilagen, kalten Gerichten, Dessertposten, Salaten beschäftigt und hat damit nur einen Teilbereich der Aufgabenzuweisung für einen ausgebildeten Koch abgedeckt, der beispielsweise das gesamte Angebot eines Speiserestaurants in der Zubereitung beherrschen muss. Dem SG ist darin zuzustimmen, dass die Klägerin damit allenfalls dem oberen Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter nach dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema zuzuordnen ist. Auch der Umstand, dass die Klägerin - nach ihren Angaben - saisonweise (vom 15.04. bis 31.10.1997) als "Küchenleiterin" eingesetzt war, begründet keinen Berufsschutz als Köchin. Die Klägerin war in dieser Zeit nach ihrer Einlassung in einer Weinstube mit Gartenbetrieb als einzige (angelernte) Kochkraft beschäftigt; neben ihr waren in der Küche nur Aushilfen tätig. Diese Tätigkeit lässt keinen Vergleich mit den Anforderungen des Ausbildungsberufs eines Kochs oder gar einer Küchenmeisterin (als Spezialisierung und Aufstieg aus dem Kochberuf) zu.

Ausgehend von dieser Einstufung der Klägerin, hat das SG die Tätigkeit einer "einfachen Pförtnerin" rechtsfehlerfrei für sozial zumutbar gehalten. Soweit ungelernte Tätigkeiten in Betracht gezogen werden, müssen sich diese durch Qualitätsmerkmale auszeichnen, zB das Erfordernis einer nicht ganz geringfügigen Einweisung (Einarbeitung) oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse. Eine Pförtnertätigkeit hebt sich schon im Hinblick auf die ihr innewohnende Kontrollfunktion typischerweise aus dem Kreis einfachster ungelernter Tätigkeiten heraus (Urteil des BSG vom 05.04.2001 - B 13 RJ 61/00 R). Die Ausübung einer einfachen Pförtnertätigkeit entspricht auch nach Auffassung des Senats den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin, wie sie in den Gutachten der vom SG gehörten Sachverständigen C. und Prof. P. dargelegt wurden. Sie erlaubt, wie allgemein bekannt, in der Regel einen Wechsel der Körperhaltung und erfordert keineswegs länger dauernde körperliche Zwangshaltungen.

Der Sachverhalt ist in medizinischer Hinsicht zur Überzeugung des Senats hinreichend aufgeklärt. Insbesondere bedarf es nicht der Einholung eines weiteren ärztlichen Sachverständigengutachtens. Denn die vom SG gehörten Sachverständigen haben durchaus gesehen und berücksichtigt, dass die Klägerin an einem Ulcus cruris am linken Bein leidet. Dieses kann nach allgemein-medizinischen Kenntnissen zwar zu - vorübergehenden - Zeiten der Arbeitsunfähigkeit führen, nicht aber zu einem lang andauernden Zustand der EU oder BU. Zu einer weiteren medizinischen Sachaufklärung von Amts wegen bestand mithin keine Veranlassung. Dem erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, gemäß § 109 SGG einen weiteren medizinischen Sachverständigen anzuhören, war ebenfalls nicht zu entsprechen. Denn einmal ist das Berufungsgericht nicht verpflichtet, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, wenn in erster Instanz bereits ein solches eingeholt wurde (Meyer-Ladewig SGG 6.Auflage § 109 Rdnr 11a). Besondere Umstände, von diesem Grundsatz abzugehen, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Zum anderen war dem Antrag nicht zu entsprechen, weil er verspätet vorgebracht worden ist (§ 109 Abs 2 SGG). Die Klägerin hatte seit Einlegung der Berufung hinreichend Zeit, einen Antrag nach § 109 SGG zu stellen. Wenn sie dies bis zur mündlichen Verhandlung nicht getan hat, ist darin eine grobe Nachlässigkeit zu sehen, die bei Stattgabe des Antrags zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen würde. Der Antrag war daher abzulehnen.

Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor. Bei einer noch in Vollschicht leistungsfähigen Versicherten lässt sich weder aus dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 10.12.1976 noch aus der seit 01.01.2001 geänderten Rechtslage ein Rentenanspruch herleiten.
Rechtskraft
Aus
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