Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 594/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 270/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.04.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vorverlegung des Leistungsfalles der Berufsunfähigkeit im Wege des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Der am 1940 geborene Kläger hat den Beruf eines Glasbläsers erlernt (Prüfung abgelegt 1957) und war nach seinen Angaben von 1957 bis April 1993 (Rentenantrag) ganztätig in diesem Beruf beschäftigt. Am 13.12.1984 hatte er im Glaswerk W. einen Arbeitsunfall erlitten (Prellung des Gesichtsschädels). Nach vorübergehender Arbeitslosigkeit und dem Versuch, sich als Thermometerbläser selbständig zu machen, hat er von September 1989 bis zu einem weiteren Arbeitsunfall am 05.07.1991 bei der Firma S. in W. als Maschinenglasbläser gearbeitet.
Am 07.04.1993 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte entsprach diesem Antrag mit Bescheid vom 22.06.1993 nur teilweise und bewilligte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.09.1992 aufgrund eines am 05.07.1991 eingetretenen Versicherungsfalles (Unfalltag). Wegen der Höhe des anzurechnenden Arbeitslosengeldes ergab sich kein auszahlbarer Betrag. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Bescheid vom 25.10.1993 zurückgewiesen. Das anschließende Klageverfahren (Az: S 8 Ar 564/93 SG Würzburg) endete durch Klagerücknahme am 27.06.1994.
Den am selben Tag gestellten Antrag auf Umwandlung der BU-Rente in Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.09.1994 zunächst ab, gewährte dem Kläger jedoch aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs im Rahmen des dadurch beendeten (weiteren) sozialgerichtlichen Verfahrens beim SG Würzburg (Az: S 8 Ar 791/94) auf der Grundlage eines am 24.06.1994 eingetretenen Leistungsfalls ab 14.04.1995 (nach Ende einer medizinischen Reha-Maßnahme) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die zunächst auf Zeit bewilligte Rente wurde mit Bescheid vom 28.10.1996 als Dauerrente weiter gewährt.
Gemäß § 44 SGB X hat der Kläger am 14.08.1997 selbst und am 02.10.1997 durch seinen Bevollmächtigten beantragt, den Rentenbeginn für die Berufsunfähigkeitsrente auf Dezember 1991/Januar 1992 vorzuverlegen; weiter verlangte er festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 95 Satz 2 SGB VI gegeben waren und ein Ruhenstatbestand für die Rente während der Dauer der Arbeitslosengeldzahlung nicht vorgelegen habe. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.12.1997 die Neufeststellung der Rente wegen Berufsunfähigkeit ab. Zwar gelte der Rehabilitationsantrag vom 17.06.1991 als Rentenantrag, weshalb sich bei einem Versicherungsfall vom 05.07.1991 ein Rentenbeginn ab 01.08.1991 ergeben würde. Vom 05.07.1991 bis 09.06.1993 habe der Kläger aber Verletztengeld (von der Berufsgenossenschaft der keramischen und Glasindustrie) und vom 10.06.1993 bis 22.09.1994 Arbeitslosengeld bezogen. Neben dem Anspruch auf Verletztengeld bestehe kein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Das Arbeitslosengeld habe auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit angerechnet werden müssen, da die Voraussetzungen für den Ausschluss der Anrechnung nach § 95 Satz 2 Nr 2 SGB VI nicht vorgelegen hätten. Der dagegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.07.1998). Bis 09.06.1993 habe ihm gemäß § 116 Abs 1 SGB VI wegen des gleichzeitig bestehenden Anspruchs auf Verletztengeld kein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zugestanden (die Rückabwicklung sei der Einfachheit halber in der Weise erfolgt, dass die AOK Main-Tauberkreis den ihr aus der BU-Rente zugeflossenen Erstattungsbetrag an die Beklägte zurückgezahlt habe). Hinsichtlich des ab 10.06.1993 bezogenen Arbeitslosengeldes sei aber daran festzuhalten, dass dieses nach § 95 Satz 1 SGB VI auf die BU-Rente anzurechnen war, weil der Ausschlusstatbestand nach Satz 2 Nr 2 dieser Vorschrift (= Erfüllung der Anwartschaftszeit nach dem Rentenbeginn) nicht vorgelegen habe.
Dagegen hat der Kläger am 31.07.1998 Klage beim Sozialgericht Würzburg erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, die ursprüngliche Festlegung des Versicherungsfalles der Berufsunfähigkeit auf den 05.07.1991 sei unzutreffend. Er habe in seiner letzten Tätigkeit auf Kosten der Gesundheit gearbeitet. Der Versicherungsfall der BU müsse daher zumindest soweit zurückverlegt werden, dass § 95 Satz 2 SGB VI bei der Rentengewährung eingreife, dh dass es zu keiner Anrechnung des Arbeitslosengeldes auf die Rente komme. Das Sozialgericht hat eine Auskunft der Firma S. vom 30.11.1999 eingeholt. Danach war der Kläger dort im Rahmen einer Ganztagstätigkeit vom 04.09.1989 bis zum Unfalltag (05.07.1991) an einer Drehbank zur Herstellung von Glasfüßen beschäftigt. Besondere gesundheitliche Einschränkungen seien dabei nicht hervorgetreten.
Mit Urteil vom 04.04.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe den Versicherungsfall der BU zutreffend mit dem Tag des Unfallereignisses (05.07.1991) festgestellt; der Bescheid vom 22.06.1993 sei deshalb rechtmäßig ergangen. Der Kläger sei vor dem Unfalltag nicht berufsunfähig gewesen; er habe vielmehr bis zuletzt im erlernten Beruf gearbeitet und damit mehr als die gesetzliche Lohnhälfte verdient. Die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung sei bei der Beurteilung des bis zum 05.07.1991 bestehenden Leistungsvermögens höher zu bewerten als evtl anderslautende medizinische Befunde (BSG SozR 2200 § 1247 Nr 12), zumal die Beschäftigungsfirma mitgeteilt habe, dass der Kläger bis zum Unfall in seiner Arbeitsleistung gesundheitlich nicht, zumindest nicht wesentlich eingeschränkt war. Auch der Kläger selbst habe im Rahmen mehrerer Begutachtungsuntersuchungen mitgeteilt, dass er mit seiner Arbeit einigermaßen zurecht gekommen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 10.05.2000 beim Bayer.Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Er macht weiterhin einen früheren Versicherungsfall der BU (vor dem 05.07.1991) geltend, verweist im Wesentlichen aber auf noch nicht abgeschlossene Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft (wegen Anerkennung einer Berufskrankheit nach Quecksilberbeeinträchtigung).
Der Kläger beantragt,
ihm auf der Grundlage des am 17.06.1991 gestellten Reha-Antrages ab 01.01.1987 unter Berücksichtigung des § 44 SGB X Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des Sozialgerichts Würzburg (Rentenstreitverfahren) vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 SGG).
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte den Eintritt des Versicherungsfalles der BU beim Kläger zu Recht mit dem Unfallereignis am 05.07.1991 angenommen hat. Dafür spricht in erster Linie die vom Kläger bis dahin ausgeübte Beschäftigung in seinem erlernten Beruf, die durch den Arbeitgeber bestätigt wurde. Zum Beweiswert der tatsächlich ausgeübten Beschäftigung hat das SG aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die rechtlich zutreffenden Schlussfolgerungen gezogen. Hinsichtlich des Eintritts des Versicherungsfalles der BU schließt sich der Senat in vollem Umfang der Auffassung des SG an; von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird deshalb gemäß § 153 Abs 2 SGG abgesehen.
Der vom Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts gestellte Antrag, ihm auf der Grundlage seines bereits am 17.06.1991 bei der Beklagten gestellten Reha-Antrages unter Berücksichtigung des § 44 SGB X ab 01.01.1987 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, stellt sich insoweit als Änderung des ursprünglichen Klagebegehrens dar, als damit weitergehende, über den bisherigen Streitgegenstand hinaus reichende Leistungsansprüche geltend gemacht werden. Darüber hat die Beklagte noch keinen anfechtbaren Verwaltungsakt erlassen, weshalb unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit des erweiterten Prozessbegehrens bestehen, über das der Senat - da es erstmals im Berufungsverfahren gerichtlich geltend gemacht wurde - nur auf Klage entscheiden konnte. Das fehlende Rechtschutzinteresse des Klägers wird nicht durch die Regelungen des § 99 Abs 1 und 2 SGG ersetzt, da auch für die Klageerweiterung die allgemeinen Prozessvoraussetzungen gegeben sein müssen. Selbst wenn die Beklagte mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2001 gestellten Antrag (auf Zurückweisung der Berufung) konkludent über das erweiterte Leistungsbegehren ablehnend entschieden und durch die rügelose Einlassung auf die Klageänderung deren Zulässigkeit iS des § 99 Abs 1 und 2 SGG eröffnet haben sollte, scheitert das Begehren des Klägers schon daran, dass der vorbezeichnete Reha-Antrag unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als (bisher nicht beschiedener) Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X angesehen werden kann. Der Antrag vom 17.06.1991 war allein darauf gerichtet, medizinische Leistungen zur Rehabilitation zu erlangen; ihm kann auch sonst nicht der geringste Hinweis auf die Absicht des Klägers entnommen werden, dass ein zurückliegender, möglicherweise fehlerhafter Leistungsablehnungsbescheid auf seine Richtigkeit überprüft werden sollte. Ein "offener" Antrag gemäß § 44 Abs 4 S 2 SGB X vom 17.06.1991, auf dessen Grundlage rückwirkend ab 01.01.1987 Leistungen bewilligt werden könnten, liegt somit nicht vor. Ließe sich durch Auslegung ermitteln, dass bereits die im Verwaltungsverfahren gestellten Anträge vom 14.08. bzw 02.10.1997 das Begehren auf rückwirkende Feststellung und Gewährung von zu Unrecht nicht erbrachten Sozialleistungen enthielten, ergäbe sich auch hieraus im Hinblick auf die Bestimmung des § 44 Abs 4 SGB X kein Zahlungsanspruch für die (von der Klageerweiterung allein betroffenen) Zeiträume vor dem 01.09.1992 (tatsächlicher Beginn der BU-Rente).
Die Berufung des Klägers musste deshalb insgesamt (einschließlich seines in zweiter Instanz erweiterten Klagebegehrens) zurückgewiesen werden.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vorverlegung des Leistungsfalles der Berufsunfähigkeit im Wege des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Der am 1940 geborene Kläger hat den Beruf eines Glasbläsers erlernt (Prüfung abgelegt 1957) und war nach seinen Angaben von 1957 bis April 1993 (Rentenantrag) ganztätig in diesem Beruf beschäftigt. Am 13.12.1984 hatte er im Glaswerk W. einen Arbeitsunfall erlitten (Prellung des Gesichtsschädels). Nach vorübergehender Arbeitslosigkeit und dem Versuch, sich als Thermometerbläser selbständig zu machen, hat er von September 1989 bis zu einem weiteren Arbeitsunfall am 05.07.1991 bei der Firma S. in W. als Maschinenglasbläser gearbeitet.
Am 07.04.1993 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte entsprach diesem Antrag mit Bescheid vom 22.06.1993 nur teilweise und bewilligte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.09.1992 aufgrund eines am 05.07.1991 eingetretenen Versicherungsfalles (Unfalltag). Wegen der Höhe des anzurechnenden Arbeitslosengeldes ergab sich kein auszahlbarer Betrag. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Bescheid vom 25.10.1993 zurückgewiesen. Das anschließende Klageverfahren (Az: S 8 Ar 564/93 SG Würzburg) endete durch Klagerücknahme am 27.06.1994.
Den am selben Tag gestellten Antrag auf Umwandlung der BU-Rente in Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.09.1994 zunächst ab, gewährte dem Kläger jedoch aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs im Rahmen des dadurch beendeten (weiteren) sozialgerichtlichen Verfahrens beim SG Würzburg (Az: S 8 Ar 791/94) auf der Grundlage eines am 24.06.1994 eingetretenen Leistungsfalls ab 14.04.1995 (nach Ende einer medizinischen Reha-Maßnahme) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die zunächst auf Zeit bewilligte Rente wurde mit Bescheid vom 28.10.1996 als Dauerrente weiter gewährt.
Gemäß § 44 SGB X hat der Kläger am 14.08.1997 selbst und am 02.10.1997 durch seinen Bevollmächtigten beantragt, den Rentenbeginn für die Berufsunfähigkeitsrente auf Dezember 1991/Januar 1992 vorzuverlegen; weiter verlangte er festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 95 Satz 2 SGB VI gegeben waren und ein Ruhenstatbestand für die Rente während der Dauer der Arbeitslosengeldzahlung nicht vorgelegen habe. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.12.1997 die Neufeststellung der Rente wegen Berufsunfähigkeit ab. Zwar gelte der Rehabilitationsantrag vom 17.06.1991 als Rentenantrag, weshalb sich bei einem Versicherungsfall vom 05.07.1991 ein Rentenbeginn ab 01.08.1991 ergeben würde. Vom 05.07.1991 bis 09.06.1993 habe der Kläger aber Verletztengeld (von der Berufsgenossenschaft der keramischen und Glasindustrie) und vom 10.06.1993 bis 22.09.1994 Arbeitslosengeld bezogen. Neben dem Anspruch auf Verletztengeld bestehe kein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Das Arbeitslosengeld habe auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit angerechnet werden müssen, da die Voraussetzungen für den Ausschluss der Anrechnung nach § 95 Satz 2 Nr 2 SGB VI nicht vorgelegen hätten. Der dagegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.07.1998). Bis 09.06.1993 habe ihm gemäß § 116 Abs 1 SGB VI wegen des gleichzeitig bestehenden Anspruchs auf Verletztengeld kein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zugestanden (die Rückabwicklung sei der Einfachheit halber in der Weise erfolgt, dass die AOK Main-Tauberkreis den ihr aus der BU-Rente zugeflossenen Erstattungsbetrag an die Beklägte zurückgezahlt habe). Hinsichtlich des ab 10.06.1993 bezogenen Arbeitslosengeldes sei aber daran festzuhalten, dass dieses nach § 95 Satz 1 SGB VI auf die BU-Rente anzurechnen war, weil der Ausschlusstatbestand nach Satz 2 Nr 2 dieser Vorschrift (= Erfüllung der Anwartschaftszeit nach dem Rentenbeginn) nicht vorgelegen habe.
Dagegen hat der Kläger am 31.07.1998 Klage beim Sozialgericht Würzburg erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, die ursprüngliche Festlegung des Versicherungsfalles der Berufsunfähigkeit auf den 05.07.1991 sei unzutreffend. Er habe in seiner letzten Tätigkeit auf Kosten der Gesundheit gearbeitet. Der Versicherungsfall der BU müsse daher zumindest soweit zurückverlegt werden, dass § 95 Satz 2 SGB VI bei der Rentengewährung eingreife, dh dass es zu keiner Anrechnung des Arbeitslosengeldes auf die Rente komme. Das Sozialgericht hat eine Auskunft der Firma S. vom 30.11.1999 eingeholt. Danach war der Kläger dort im Rahmen einer Ganztagstätigkeit vom 04.09.1989 bis zum Unfalltag (05.07.1991) an einer Drehbank zur Herstellung von Glasfüßen beschäftigt. Besondere gesundheitliche Einschränkungen seien dabei nicht hervorgetreten.
Mit Urteil vom 04.04.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe den Versicherungsfall der BU zutreffend mit dem Tag des Unfallereignisses (05.07.1991) festgestellt; der Bescheid vom 22.06.1993 sei deshalb rechtmäßig ergangen. Der Kläger sei vor dem Unfalltag nicht berufsunfähig gewesen; er habe vielmehr bis zuletzt im erlernten Beruf gearbeitet und damit mehr als die gesetzliche Lohnhälfte verdient. Die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung sei bei der Beurteilung des bis zum 05.07.1991 bestehenden Leistungsvermögens höher zu bewerten als evtl anderslautende medizinische Befunde (BSG SozR 2200 § 1247 Nr 12), zumal die Beschäftigungsfirma mitgeteilt habe, dass der Kläger bis zum Unfall in seiner Arbeitsleistung gesundheitlich nicht, zumindest nicht wesentlich eingeschränkt war. Auch der Kläger selbst habe im Rahmen mehrerer Begutachtungsuntersuchungen mitgeteilt, dass er mit seiner Arbeit einigermaßen zurecht gekommen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 10.05.2000 beim Bayer.Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Er macht weiterhin einen früheren Versicherungsfall der BU (vor dem 05.07.1991) geltend, verweist im Wesentlichen aber auf noch nicht abgeschlossene Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft (wegen Anerkennung einer Berufskrankheit nach Quecksilberbeeinträchtigung).
Der Kläger beantragt,
ihm auf der Grundlage des am 17.06.1991 gestellten Reha-Antrages ab 01.01.1987 unter Berücksichtigung des § 44 SGB X Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des Sozialgerichts Würzburg (Rentenstreitverfahren) vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 SGG).
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte den Eintritt des Versicherungsfalles der BU beim Kläger zu Recht mit dem Unfallereignis am 05.07.1991 angenommen hat. Dafür spricht in erster Linie die vom Kläger bis dahin ausgeübte Beschäftigung in seinem erlernten Beruf, die durch den Arbeitgeber bestätigt wurde. Zum Beweiswert der tatsächlich ausgeübten Beschäftigung hat das SG aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die rechtlich zutreffenden Schlussfolgerungen gezogen. Hinsichtlich des Eintritts des Versicherungsfalles der BU schließt sich der Senat in vollem Umfang der Auffassung des SG an; von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird deshalb gemäß § 153 Abs 2 SGG abgesehen.
Der vom Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts gestellte Antrag, ihm auf der Grundlage seines bereits am 17.06.1991 bei der Beklagten gestellten Reha-Antrages unter Berücksichtigung des § 44 SGB X ab 01.01.1987 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, stellt sich insoweit als Änderung des ursprünglichen Klagebegehrens dar, als damit weitergehende, über den bisherigen Streitgegenstand hinaus reichende Leistungsansprüche geltend gemacht werden. Darüber hat die Beklagte noch keinen anfechtbaren Verwaltungsakt erlassen, weshalb unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit des erweiterten Prozessbegehrens bestehen, über das der Senat - da es erstmals im Berufungsverfahren gerichtlich geltend gemacht wurde - nur auf Klage entscheiden konnte. Das fehlende Rechtschutzinteresse des Klägers wird nicht durch die Regelungen des § 99 Abs 1 und 2 SGG ersetzt, da auch für die Klageerweiterung die allgemeinen Prozessvoraussetzungen gegeben sein müssen. Selbst wenn die Beklagte mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2001 gestellten Antrag (auf Zurückweisung der Berufung) konkludent über das erweiterte Leistungsbegehren ablehnend entschieden und durch die rügelose Einlassung auf die Klageänderung deren Zulässigkeit iS des § 99 Abs 1 und 2 SGG eröffnet haben sollte, scheitert das Begehren des Klägers schon daran, dass der vorbezeichnete Reha-Antrag unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als (bisher nicht beschiedener) Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X angesehen werden kann. Der Antrag vom 17.06.1991 war allein darauf gerichtet, medizinische Leistungen zur Rehabilitation zu erlangen; ihm kann auch sonst nicht der geringste Hinweis auf die Absicht des Klägers entnommen werden, dass ein zurückliegender, möglicherweise fehlerhafter Leistungsablehnungsbescheid auf seine Richtigkeit überprüft werden sollte. Ein "offener" Antrag gemäß § 44 Abs 4 S 2 SGB X vom 17.06.1991, auf dessen Grundlage rückwirkend ab 01.01.1987 Leistungen bewilligt werden könnten, liegt somit nicht vor. Ließe sich durch Auslegung ermitteln, dass bereits die im Verwaltungsverfahren gestellten Anträge vom 14.08. bzw 02.10.1997 das Begehren auf rückwirkende Feststellung und Gewährung von zu Unrecht nicht erbrachten Sozialleistungen enthielten, ergäbe sich auch hieraus im Hinblick auf die Bestimmung des § 44 Abs 4 SGB X kein Zahlungsanspruch für die (von der Klageerweiterung allein betroffenen) Zeiträume vor dem 01.09.1992 (tatsächlicher Beginn der BU-Rente).
Die Berufung des Klägers musste deshalb insgesamt (einschließlich seines in zweiter Instanz erweiterten Klagebegehrens) zurückgewiesen werden.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved