L 5 RJ 298/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 146/98 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 298/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. November 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1941 geborene Kläger war vom 29.04.1965 bis zum 30.09.1991 269 Monate beitragspflichtig in Deutschland als Arbeiter für Versetzarbeiten von Natursteinen - "Versetzer" - beschäftigt.

Er bezieht ab 10.01.1996 als Invalide der 1. Kategorie slowenische Rente für 34 Monate Versicherungszeiten vom 14.03.1959 bis 02.12.1964.

Nach einem Gutachten vom 14.02.1996 aus Zelje/Slowenien lag ein chronisch psychotischer Prozess mit schizophrenen Ideen und Anzeichen seit den letzten 2 Jahren vor. Nach dem Gutachten des Dr. A. in der ärztlichen Gutachterstelle der Beklagten in Regensburg vom 02. bis 04.12.1996 sei der Versicherte zwar nicht mehr in der Lage, seine berufliche Tätigkeit als Steinmetz auszuüben, aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihm noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen und ohne häufiges Bücken vollschichtig zumutbar.

Mit Bescheid vom 10.04.1997 lehnte die Beklagte den Rentenantrag vom 26.07.1995 ab, da der Kläger - ohne Berufsschutz - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.1997 wies die Beklagte auch den Widerspruch zurück, den der Kläger auf einen psychiatrischen Befund des Dr.P. vom 19.08.1997 gestützt hatte. Danach habe die Geisteskrankheit sich bereits zur Zeit seines Aufenthalts in Deutschland manifestiert und sei jetzt fortgeschritten, was auch der Beratungsarzt Dr.R. seit der Zeit der Antragstellung einräumte. Jedoch lägen am 26.07.1995 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (sog. 3/5-Belegung) nicht vor. Der vorangehende Zeitraum bis 26.07.1990 enthalte nur 15 statt 36 Monate Pflichtbeitragszeiten. Alternativ fehle es an einer durchgehenden Belegung vom 01.01.1984 bis zum 30.06.1995, da die Beitragsentrichtung am 01.10.1991 ende.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und angeführt, dass seine Krankheit bereits 1991 ausgebrochen sei und ihn an der Aufrechterhaltung seines Versicherungsschutzes gehindert habe. Weiter hat er eine Bescheinigung des Arbeitsamtes Zelje vom 23.01.1998 vorgelegt, wonach er seit 23.12.1994 ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet sei.

Das SG hat am 03.11.1998 ein Gutachten nach Aktenlage - unter Berücksichtigung eines Attests des Dr.P. vom 07.10. 1998 - von der Ärztin für Sozialmedizin Dr.T. eingeholt. Danach könne der Zeitpunkt des Versicherungsfalles nicht bestimmt werden, da ärztliche Unterlagen vor dem 14.02. 1996 fehlten. Nach dem daraufhin beigebrachten Bericht des Dr.P. vom 21.11.1994 habe der Kläger Schlaf- und Verdauungsstörungen gehabt. Bis Juni sei alles in Ordnung gewesen. Vom 21.11. bis 06.12.1994 sei der Kläger im psychiatrischen Krankenhaus V. wegen eines neuroleptischen Syndroms gewesen, welches nach der Behandlung in einer psychiatrischen Einrichtung in Deutschland aufgetreten sei. Dabei handelte es sich um die Krankenanstalten D. , nach deren Entlassungsbericht der Kläger wegen eines Suizidversuchs eingeliefert worden sei. Er habe sich in letzter Zeit verstärkt von serbischen Volksgruppen verfolgt und bedroht gefühlt, sei seit einem Jahr arbeitslos und wegen ständiger Übermüdung nicht in der Lage gewesen, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Es liege eine Erstmanifestation einer Psychose vor. Dr.T. hat daraufhin in ihrem Gutachten vom 15.10.1999 ausgeführt, dass der Versicherungsfall spätestens am 10.09.1994 eingetreten sei.

Durch Urteil vom 24.11.1999 hat das SG die Klage aus versicherungsrechtlichen Gründen abgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und Berichte des Dr.P. vom 20.04.2000 und des Psychiatrischen Krankenhauses Vojnik (Aufenthalte vom 22.11.1999 bis 06.01.2000 und 06.01. bis 14.04. 2000 sowie im November 1994) beigebracht.

Nach Anfragen des Senats war der Kläger beim Arbeitsamt Duisburg nicht erfasst, was dieser im Schreiben vom 10.09.2000 bestätigte. Er habe auch bis 10.09.1994 keine Hilfe bei Ärzten gesucht und seinen Lebensunterhalt mit erspartem Geld bestritten.

Die Beklagte hat errechnet, dass noch im Zeitraum vom 01.02.1988 bis 29.06.1993 Pflichtbeiträge im Umfang von 36 Monate enthalten wären.

Der Kläger stellt sinngemäß den Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 24. November 1999 sowie des Bescheides vom 10.04.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11. 1997 zu verurteilen, ihm aufgrund seines am 26.07.1995 gestellten Antrags Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.November 1999 zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz sowie der Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die auf Erwerb- bzw. Berufsunfähigkeitsrente gerichtete Berufung ist statthaft und zulässig (§ 144 Abs.1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.d.F. des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 01.03.1993). Die Berufung ist auch fristgemäß binnen drei Monaten eingelegt (§ 151 Abs.1 SGG). Dabei wirkt die Einlegung beim Erstgericht fristwahrend.

Die Berufung erweist sich jedoch als sachlich unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verneint, da dieser zu der Zeit, als er noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (besondere Wartezeit) erfüllt hat, nicht hinreichend erwerbsgemindert gewesen ist.

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kann der Kläger, für den wegen der Antragstellung nach 1992 das SGB VI gilt (vgl. § 300 Absatz 1 SGB VI), nur dann beanspruchen, wenn

a) die letzten fünf Jahre vor dem Eintritt der Berufs bzw. Erwerbsunfähigkeit mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt wären (§§ 43 Abs.1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI) oder

b) die Zeit vom 01.01.1984 bis zum Eintritt von Berufs bzw. Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll belegt oder noch belegbar wäre (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI) oder

c) die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Tatbestands eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit erfüllt ist (§§ 43 Abs.4, 44 Abs.4 i.V.m. 53 SGB VI) oder

d) der Leistungsfall spätestens im Jahre 1984 eingetreten wäre (§ 240 Abs.2 SGB VI).

Für die beiden letzten Möglichkeiten (Alternativen c) und d) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Kläger hat noch bis 30.09.1991 voll gearbeitet, was gegen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 1984 spricht. Seine Erkrankungen haben keinen Bezug zu seiner Erwerbstätigkeit im Sinne des deutschen Rechts der Berufskrankheiten (BKVO), auch wenn der Kläger anführt, seine Krankheit in Deutschland erworben zu haben.

Letztmals vor dem Juli 1993 waren innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit durch die dem Kläger vom deutschen Versicherungsträger bestätigten Zeiten belegt (Alternative a, siehe oben). Für eine Ausdehnung des vom besonderen Versicherungsschutz verminderter Erwerbsfähigkeit erfassten Zeitraums über den Juli 1983 hinaus fehlt es an sogenannten Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 43 Abs.3 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung). Der Senat hat sich bemüht, den Sozialstatus des Klägers ab 01.10.1992 aufzuklären. Letztlich hat er aber mit seinem Schreiben vom 10.09.2000 selbst erklärt, weder ein Leistungsverhältnis zum Arbeitsamt begründet noch Lohnersatzleistungen wegen Krankheit bezogen zu haben. Damit entfällt eine Versicherung nach § 3 SGB VI, ein Dehnungstatbestand (Anwartschaftserhaltungszeiten) wie auch - was nachfolgend bedeutsam wird (Alternative b) - jeglicher Ansatzpunkt für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Selbst wenn die Zeit seit 23.12.1994, als der Kläger nach einer Bescheinigung des Arbeitsamtes Zelje/Jugoslawien ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet war, nach dem ABK SLO als Anwartschaftserhaltungszeit zählte, ist seit dem 30.09.1991 eine Lücke von über zwei Jahren vorhanden, die eine 3/5-Belegung verhindert.

Die Zeit ab Juli 1993 ist auch nicht mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll belegt oder noch belegbar (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI). Vielmehr endet die Versicherungspflicht des Klägers schon am 30.09.1991. Der Kläger hat keinerlei Veranlassung zur Beratung durch einen Rentenversicherungsträger oder eine soziale öffentlichen Stelle (§§ 13 ff. SGB I) gegeben und hat damit aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruch keinen noch belegbaren Anschlusszeitraum.

Der Beweis eines "medizinischen" Versicherungsfalles (verminderter Erwerbsfähigkeit) in der Mitte des Jahres 1993 ist nicht erbracht. Dagegen sprechen bereits die vom SG angestrengten Ermittlungen bzgl. der erstmaligen Einlieferung des Klägers in eine psychiatrische Klinik in D. (Evangelischen Krankenanstalten D. vom 06.10.1994). Danach handele es sich um die Erstmanifestation einer endogenen Psychose. Weiter teilte der Kläger in einem Brief vom 08.02.1999 an die Sachverständige mit, dass sich sein Gesundheitszustand 1993 verschlimmert habe und er seit 1994 krank sei. 1995 sei sein Bruder gestorben, worauf sich sein Gesundheitszustand zusätzlich verschlimmert habe. Nach dem Bericht des Dr.P. vom 21.11.1994 habe der Kläger Schlafstörungen und Verdauungsstörungen, wohingegen bis Juni alles in Ordnung gewesen sei. Bei diesen Befundtatsachen ist die Schlussfolgerung von Dr. T. ihrem Gutachten vom 15.10.1999 überzeugend, dass frühestens am 10.09.1994 der "Versicherungsfall" eingetreten ist uns sich trotz der im Krankenhausentlassungsbericht geschilderten typischen Symptome "seit über einem Jahr" ein früherer Versicherungsfall aufgrund fehlender objektiver Befunde nicht begründen lässt.

Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass das Leistungsvermögen des Klägers in seinem Beruf wie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt herabgesunken ist. Gemäß § 44 SGB VI (in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung) liegt Erwerbsunfähigkeit nur vor, wenn der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (bzw. ab 01.04.1999 einen Betrag von DM 630,00) übersteigt. Ab 01.01.2001 ist nur derjenige erwerbsunfähig, der teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs.1 Satz 2; Versicherte, die auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein bzw. § 43 Abs.2; Versicherte, die außerstande sind, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein). Die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten beurteilt sich aber nicht nur nach der im Gesetz allein genannten - gesundheitlichen - Fähigkeit, Arbeiten zu verrichten. Ein Versicherter ist auch dann erwerbsunfähig, wenn ihm der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 10.12.1996, BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr.13), wenn er lediglich noch zur Teilzeitarbeit fähig ist. Bei der bestehenden Beweislage ist weder ein Unvermögen zu achtstündigem (sog. vollschichtigem) Erwerb nachgewiesen, noch das weitergehende Unvermögen von unter sechs Stunden. Das Gutachten von Dr. T. sowie die vom Kläger vorgelegten Befunde über Behandlungen lassen eine solche Schlussfolgerung nicht zu. Dagegen spricht auch die Bescheinigung des Arbeitsamtes Zelje, wonach der Kläger seit 23.12.1994 arbeitslos gemeldet war, was eine Verfügbarkeit voraussetzt und nur bei Arbeitsfähigkeit gegeben sein kann.

Ebensowenig ist eine Erwerbsminderung im Beruf des Klägers bewiesen, der vom 30.07.1990 bis 30.09.1991 als Steinmetz bei der Firma M. mit Versetzarbeiten von Natursteinen beschäftigt gewesen und nach dem Lohntarifvertrag für das Steinmetz- und Bildhauerhandwerk für Nordrhein-Westfalen vom 01.06. 1990 nicht in der Facharbeitern vorbehaltenen Lohngruppe erfasst war.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved