L 5 RJ 298/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 Ar 523/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 298/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 14.05.1996 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid vom 24.03.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.1994 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, nachdem bereits mit Bescheid vom 23.11.1992 ein solcher Antrag vom 09.09.1992 von der Beklagten abgelehnt worden war.

Am 18.11.1993 stellte der am 1946 geborene Kläger seinen zweiten Antrag. Bei anschließender Begutachtung in der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg der Beklagten durch die Dres. S. , G. , L. und S. fanden sich lenden- und halswirbelsäulenabhängige Beschwerden. Dadurch seien zwar die Wirbelsäule belastende Tätigkeiten nicht mehr möglich, aber sonstige Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Mit Bescheid vom 24.03.1994 lehnte die Bekagte daraufhin Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19.07.1994 zurück. Der Kläger sei nach seinem beruflichen Werdegang auf alle ungelernten Arbeiten, die sich durch die Qualität der Einweisung und Einarbeitung auszeichneten, verweisbar. Es kämen noch Beschäftigungen als Montierer, Sortierer, Verpacker kleiner Gegenstände, Entgrater von Kunststoffteilen und als einfacher Pförtner in Betracht.

Die hiergegen zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobene Klage hat der Kläger mit Beeinträchtigungen seines Arbeitsvermögens durch zwei Bandscheibenvorfälle und eine Operation vom 13.01. 1995 (interlaminäre Fensterung mit Freilegung der Nervenwurzel S1) im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R. begründet. Nach einem Herzinfarkt am 26.09.1995 sind dem Kläger drei Bypässe gelegt worden. Am 14.09.1995 ist eine weitere Bandscheibenoperation erfolgt (Fensterung Lendenwirbelkörper 4 auf 5).

Im Auftrag des SG hat der Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie P.J.R. am 24.01.1996 ein Gutachten erstattet, wonach dem Kläger eine regelmäßige vollschichtige Arbeitsleistung, wenn auch unter einigen Einschränkungen zumutbar sei. Am 11.04.1996 hat der Internisten Dr. K. als Sachverständiger des SG ein aufgehobenes Erwerbsvermögen festgestellt. Zwar zeige sich noch ein belastungsadäquates Blutdruck- und Herzfrequenzverhalten. Damit könne der Kläger noch leichte körperliche Arbeiten vorwiegend in sitzender Stellung ohne Zeitdruck und ohne sonstigen Stress bewältigen. Jedoch sei aufgrund peristierender starker Lumboischialgien nicht mit einer Wiedereingliederung in das Berufsleben zu rechnen. Dieser Zustand bestehe entsprechend einem Arztbrief der Abteilung für Neurochirurgie des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder vom 20.03.1996 (Prof. Dr. G.) seit der zweiten Bandscheibenoperation vom 14.09.1995.

Mit einer Stellungnahme des Internisten Dr. R. vom 06.05.1996 hat die Beklagte dieser Beurteilung widersprochen und angeregt, ein orthopädisches Fachgutachten einzuholen. Auch gehe die Aussage über die Wiedereingliederung in das Berufsleben über die bloße Beurteilung des Leistungsvermögens hinaus und sei nicht Aufgabe eines medizinischen Sachverständigen.

Durch Urteil vom 14.05.1996 hat das SG entsprechend dem geänderten Klageantrag die Beklagte verurteilt, Rentenleistung aufgrund eines am 14.09.1995 eingetretenen Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Die Beschwerden des Klägers seien glaubhaft und durch apparative Untersuchungen verifiziert; nach Ansicht des Sachverständigen Dr. K. könne nicht mit einer Wiedereingliederung in das Berufsleben gerechnet werden. Das Zusammenwirken der bestehenden Gesundheitsstörungen bewirke, dass ein vollschichtiger Einsatz des Klägers seit der vergeblichen Operation im September 1995 nicht mehr möglich sei. Das SG schließe sich den Feststellungen des seit Jahren bekannten Sachverständigen Dr. K. an.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das Urteil des SG lasse in keiner Weise erkennen, welche Gründe für die richterliche Überzeugung von einer Erwerbsunfähigkeit maßgebend gewesen seien.

Der Senat hat zunächst drei Gutachten im Städt. Krankenhaus M. eingeholt. Der Internist Dr. P. (Gutachten vom 25.04.1997) gelangt zu der Feststellung eines bleibenden Erfolgs der Bypass-Operation. Eine Herzinsuffizienz bestehe bislang nicht. Dem Kläger sei damit noch leichte und zeitweise mittelschwere körperliche Arbeit vollschichtig möglich. Dr. K. findet in seinem Gutachten vom 24.04.1997 lediglich diskret ausgebildete radiologische Veränderungen an der Hals- und deutlichere funktionelle Beeinträchtigungen an der Lendenwirbelsäule. Daher seien vollschichtig nur mehr leichte Arbeiten zumutbar. Der neurologische Sachverständige Dr. P. gelangt in seinem Gutachten vom 16.05.1997 zur Feststellung einer guten Kollateralisation der Carotisstenose. Zusammenfassend seien damit jedenfalls leichte Tätigkeiten noch vollschichtig möglich. Die formal-logische und sprachliche Auffassungsgabe und Artikulationsfähigkeit und die Fähigkeit des Klägers, sich auf neue Tätigkeiten und ein neues Arbeitsmilieu umzustellen, seien in durchschnittlicher bis guter Ausprägung vorhanden.

Der Neurochirurg P. D. hat schließlich am 28.04. 2000 ein Gutachten auf Antrag des Klägers erstattet. Zusätzlich haben der Radiologe Dr. K. ein MRT der Hals- und Lendenwirbelsäule und der Neurologe und Psychiater Dr. G. am 29.02. 2000 ein neurophysiologisches Gutachten angefertigt. Die Elektromyographie der Kennmuskeln für die Wirbelabschnitte L5 und S1 ergab einen Normalbefund, die Elektroneurographie (Nervenleitungen) einen Normalbefund an den Armen, am linken Bein eine gewisse Latenzverzögerung. P. D. kommt aber zu dem gleichen Ergebnis wie Dr. K ... In den Vorgutachten sei der Chronifizierung des Leidens keine Rechnung getragen worden, auch nicht der im Verlauf deutlich fortschreitenden Degeneration der beiden operierten Segmente. Weiterhin werde auch der Durchblutungsstörung des Gehirns zu wenig Beachtung geschenkt. Von neurochirurgischer Seite liege der Grad der "GdB-MdE" bei 60 %.

Auf Einwände der Ärztin für Chirurgie Dr. P. vom 05.06. 2000 (fehlende Berücksichtigung der Aktendokumentation, knapper klinischer Untersuchungsbefund ohne Messzahlen, fehlende Würdigung des neurophysiologischen Zusatzgutachtens von Dr. G.) hat der Senat wegen der kranialen Durchblutungsstörungen bei Dr. W. , (BZKH Regensburg) einen Bericht eingeholt, wonach sich die Befunde im Bereich der Hirnversorgungsgefäße nicht wesentlich verschlechtert haben (Internaverschluss rechts bei Zustand nach Carotisdesobliteration mit guter Kollateralkreislaufversorgung über die periorbitalen Gefäße). Anschließend hat der Internist Dr. P. im Auftrag des Senats den Kläger erneut untersucht. In seinem Gutachten vom 16.05.2001 ist dieser Sachverständige zu folgenden Diagnosen gelangt: 1. Seit 1995 bekannte koronare Zwei-Gefäß-Erkrankung mit Zustand nach nicht transmuralem Vorderwandinfarkt 9/1995 und Dreifachbypass-Operation 10/1995, jetzt neu bestehende zunehmende Belastungsangina und mäßiggradig reduzierte linksventriculäre Pumpfunktion. 2. Seit 1996 bekannter asymptomatischer Verschluss der Arteria carotis interna rechts mit guter Kollateralkreislaufversorgung; Zustand nach frustraner Thrombendarteriektomie rechts 10/1995; seit 1996 beschriebene leicht- bis mittelgradige Stenose der Arteria cerebri media links ohne Progredienz; leicht- bis mittelgradige Stenosen der hirnversorgenden Gefäße ohne Progression seit 1996; Verdacht auf stattgehabte Amaurosis fugax rechts (passagerer Sehverlust) 2/2000. 3. Cardiovaskuläres Risikoprofil: seit ca. 1978 bekannte, medikamentös adäquat behandelte essentielle arterielle Hypertonie; seit Jahren bekannte und medikamentös ausreichend behandelte, kombinierte Hyperlipoproteinämie; ausgeprägtes Übergewicht; seit 10/1995 eingestellter Nikotinabusus ohne Anhalt für chronisch-obstruktive Lungenerkrankung; anamnestisch bekannte sekundäre Hyperuricämie. 4. Geringgradiger diffuser toxisch-nutritiver Leberparenchymschaden. 5. Reizmagen, kein Anhalt für Ulcusleiden. Zum Leistungsvermögen hat Dr. P. ausgeführt, der Kläger sei jetzt noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten ohne Zeitdruck und ohne Nacht- und Wechselschicht auszuüben. Es verbleibe auch ohne weitere sozialmedizinische Konsequenzen bei der Einschätzung des neurologischen Vorgutachters Dr. P ... Eine chronische Wurzelreizsymptomatik sei jetzt klinisch nicht zu objektivieren. Es fiele bei aller Zurückhaltung schwer, die Argumentation von P. D. nachzuvollziehen. Der Kläger sei sicher krank und habe chronische Beschwerden, aber wenn die neurophysiologische Untersuchung Normalbefunde beschreibe, dann könne man daraus beim besten Willen kein schwerwiegendes Wurzelreizsymptom ableiten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 14.05.1996 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 24.03.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.1994 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 14.05.1996 zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz, des Arbeitsamtes Regensburg sowie der Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 144 Abs.1 Satz 2, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.d.F. des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 01.03.1993) und auch begründet.

Zu Unrecht hat das SG in seinem Urteil vom 14.05.1996 dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugesprochen.

Nach §§ 43, 44 des sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) sind bei hier unstrittig erfüllter Wartezeit und versicherungsfallnaher Belegungsdichte (sog. 3/5-Belegung) Ansprüche nur gegeben, wenn Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit besteht.

Berufsunfähig ist ein Versicherter nach § 43 Abs. 2 SGB VI, wenn seine Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit des Versicherten hierbei zu beurteilen ist, all jene Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und die ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines Berufes und der besondere Anforderung an seine Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Der Kläger ist jedoch nach seinem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen in zumutbarer Weise fähig, einer vollschichtigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Alle Sachverständigen - bis auf P. D. (wozu später noch Stellung genommen wird) - haben übereinstimmend ein solches zeitlich nicht eingeschränktes Leistungsvermögen vorgefunden. Danach ist der Kläger zwar nicht mehr imstande, seiner letzten Beschäftigung als Bauarbeiter nachzugehen, genießt aber auch keinen Berufsschutz, der ihn nicht auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen ließe.

Ausgangspunkt für die Beurteilung von Berufsunfähigkeit ist der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.107, 169). Denn ein Versicherungsfall ist nicht eingetreten, solange der Versicherte seinen bisherigen Beruf noch ohne wesentliche Einschränkungen weiter ausüben kann (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 126). In der Regel ergibt sich der bisherige Beruf eines Versicherten aus dessen letzter versicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit, die auch dann maßgebend ist, wenn sie nur kurzfristig ausgeübt worden, aber zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.130, 164). Dies ist beim Kläger, der eine Hilfsarbeitertätigkeit beim Familienhilfswerk Köblitzplatte vom 16.07. bis 02.08.1991 lediglich kurzfristig in ungelernter Tätigkeit (Lohngruppe IV, Baufachwerker) ausgeübt hat, die Beschäftigung als Arbeiter in der Baubranche bei der Fa. A ... Vorangegangen waren eine Ausbildung als Maurer ohne Abschluss vom 23.10.1961 bis 31.05.1962 wie u.a. der Erklärung des Klägers vom 9.9.1992 zu entnehmen ist - und anschließende Tätigkeiten als Kraftfahrer, Hilfsarbeiter und Maurer. Die Fa. A. berichtete in ihrer Auskunft vom 27.10.1992 an die Beklagte über eine Beschäftigung vom 25.04.1983 bis 30.11.1987, wonach der Kläger Hilfsarbeiten durchgeführt und Baumaschinen aller Art bedient habe. Am Anfang wurde er für einfachere Arbeiten eingesetzt, später bediente er Baumaschinen (Raupen); die tarifliche Einstufung sei nach Lohngruppe III (Facharbeiter) erfolgt. Mit Auskunft vom 17.3.1998 teilt bescheinigte die Fa. A. eine Tätigkeit als Maschinist und Baukranführer. Zu diesen Sachverhalten hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 25.08.1997 zum Berufsschutz zurecht ausgeführt, dass der Kläger nicht mit dem Status eines "echten" Facharbeiters versehen war. Dagegen sprechen fehlende Ausbildung, Prüfung und Gleichwertigkeitsbescheinigung als Baumaschinenführer. Dies passt auch zu der Tätigkeitsbeschreibung bei der Arbeitsverwaltung am 17.5.1988, wonach der Kläger überwiegend als Maurer eingesetzt gewesen war, genauso wie zu Handlangertätigkeiten und bei Bedarf im Hochkran. Die Lohngruppe III der Tariflohngruppen der Arbeitnehmer des Baugewerbes (Teil B: Maschinisten), in die alle früheren Baggerführer neben drei anderen Qualitätsstufen (Arbeitnehmer mit Prüfung als Baumaschinenführer, Reparaturhandwerker mit Facharbeiterprüfung und Baumaschinenführer mit Fertigkeitsnachweis) eingestuft sind, ist damit auch nicht durchwegs Facharbeitern vorbehalten.

Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2200 § 1246 Nr 13) sind dem Leitberuf des Facharbeiters zum einen gelernte Facharbeiter zuzuordnen, die einen anerkannten Ausbildungsberuf iSd § 25 Berufsbildungsgesetz (BBiG) mit mehr als zweijähriger Ausbildung erlernt und ausgeübt haben, oder Versicherte, die ohne Absolvierung der vorgeschriebenen Ausbildung in einem nach dem BBiG anerkannten Ausbildungsberuf arbeiten und sich durch die praktische Berufsausübung die Kenntnisse angeeignet haben, die sie befähigen, sich unter gelernten Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig und damit vollwertig zu behaupten, oder Versicherte, die in Tätigkeitsbereichen ohne anerkannten Ausbildungsgang oder mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren gearbeitet haben, wenn diese Tätigkeiten den anerkannten Ausbildungsberufen tarifvertraglich gleichgestellt sind und schließlich Versicherte, die eine Berufstätigkeit ausgeübt haben, für die kein Ausbildungsgang iSd BBiG besteht und die auch als solche in einem Tarifvertrag nicht einer Lohngruppe zugeordnet ist, wenn der Umfang der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten und/oder die sonstigen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeiten den Anforderungen an einen Facharbeiter gleichzuachten sind. Beim Kläger, der ohne Abschluss in einer der drei Stufen in dem anerkannten Ausbildungsberuf der Bauarbeiter im Hochbau (Stufenausbildung nach der Verordnung zur Berufsausbildung Bauwirtschaft) gearbeitet hat, kann nach der Beschreibung seiner Tätigkeit nicht das Wissen und die Fähigkeiten eines Baugeräteführer iSd Ausbildung in der dritten Stufe festgestellt werden. Baugeräteführer im genannten Sinne müssen beispielsweise Baumaschinen zum Einsatzort transportieren, Baustellen einrichten, Baukräne aufstellen und diese bedienen. Die Absolventen der gesamten Stufenausbildung gehören zur Gruppe der Facharbeiter, weil sie eine dreijährige Ausbildungsdauer aufweisen. Im Bundesrahmentarif vom 05.06.1978 für das Baugewerbe in der Bundesrepublik Deutschland (samt Anhang mit Berufsgruppen) sind diese als Spezialbaufacharbeiter bezeichnet und in die Tarifgruppe III eingegliedert. Es ist nicht bewiesen, dass der Kläger sich durch die praktische Berufsausübung in den Jahren 1974 bis 1988 die Kenntnisse angeeignet hat, die ihn befähigen, sich unter gelernten Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig und damit vollwertig zu behaupten. Derartiges lässt sich den Auskünften der Fa. Artmann nicht entnehmen. Dagegen spricht auch der berufliche Werdegang mit Arbeitsverhältnissen als Hilfsarbeiter von 1963 bis1970, anschließend bis 1971 als Fernfahrer und von 1971 bis 1974 als Vulkaniseur, wie es der Anamnese von Dr. P. und eigenen Erklärungen im Rentenverfahren zu entnehmen ist, und erst recht der Abbruch der geregelten Ausbildung nach 8 Monaten sowie die Tatsache, dass der Kläger erst 12 Jahre später wieder ein Arbeitsverhältnis auf dem Bau eingegangen. Die letzte Anstellung im Familienhilfswerk K. bis 02.08.1991 erfolgte im übrigen eindeutig in angelernter Tätigkeit (Lohngruppe IV). Auch wenn nach Rechtsprechung des BSG in der tariflichen Einstufung am zuverlässigsten zum Ausdruck kommt, welcher qualitative Wert einer bestimmten Berufstätigkeit beizumessen ist, (01.12 1983, Az: 5b RJ 114/82), an anderer Stelle spricht das BSG davon , dass damit den Versicherungsträgern und Gerichten bei der auf tatsächlichem Gebiet liegenden Ermittlung des qualitativen Werts des bisherigen Berufs ein wertvolles Hilfsmittel an die Hand gegeben ist (vgl. BSG, 28.11.1985, Az: 4a RJ 51/84), muss hier bei einer - relativ hohen - tariflichen Einstufung etwas anderes gelten Denn es ist aus den oben angeführten Gründen und aufgrund schlüssiger Einwendungen der Beklagten nicht ersichtlich, dass die durch den AG vorgenommene Einstufung auf der Qualität der Berufstätigkeit beruht.

Damit - ohne Facharbeiter-Berufsschutz - ist der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Er ist der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten (sonstiger Ausbildungsberuf) zuzuordnen, ohne Anhaltspunkte für die Zuordnung zum oberen Bereich mit Regelausbildung bis zu 2 Jahren, bei denen sich die zumutbaren Verweisungstätigkeiten durch Qualitätsmerkmale, zB durch das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung, oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen müssen, was in der Regel zur konkreten Bennnungspflicht wenigsten einer Tätigkeit führt. Im übrigen wäre der Kläger aber auch zu der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 19.07.1994 benannten Tätigkeit eines einfachen Pförtner imstande, die sich durch qualifizierte Einweisung auszeichnet (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr 61) und als leichte körperliche Arbeit auch ohne Zeitdruck und ohne Nacht- und Wechselschicht ausgeübt werden kann.

Vollends aber kann der Kläger körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten werden und häufig die Handhabung kleiner Teile im Sitzen voraussetzen, bei vorhandener Fingerfertigkeit und exaktem Sehvermögen ausführen, wie sie von der Beklagten ebenfalls im Widerspruchsbescheid als Tätigkeiten eines Montierers, Sortierers, Verpackers kleiner Gegenstände und Entgraters von Kunststoffteilen beschrieben sind. Damit liegt auch keine Erwerbsunfähigkeit vor.(§ 44 Abs.1 Nr. 2 SGB VI in der bis zum 31.12. 2000 geltenden Fassung ebenso wie in der Fassung der §§ 43 bzw. 240 SGB VI, ab 01.01.2001). Denn eine solche ist bei vollschichtigem Erwerbsvermögen ausgeschlossen (§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI in der Fassung des 2. SGB VI- Änderungsgesetzes vom 12.05.1996, bzw. verschärft nach § 43 Abs. 3 ab 01.01.2001 zu 6-stündigem Erwerbsvermögen)

Die Feststellung eines solchen Leistungsvermögens stützt der Senat auf die schlüssigen Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen P.J.R. vom 24.01.1996 sowie Dres. P. vom 25.04.1997, K. vom 24.04.1997, P. vom 16.05.1997 und wiederum P. vom 16.05.2001. Diese Sachverständige sind den erheblichen Einwänden des beratungsärztlichen Dienstes durch Dr. R. vom 06.05.1996, Dr. L. 1996 und Dr. P. vom 05.06.2000 nachgegangen. Der Beklagten ist zunächst zuzustimmen, dass allein Feststellungen eines "seit Jahren bekannten Sachverständigen" (Dr. K.) kein höherer Beweiswert zukommt und keine maßgeblichen Gründe für die richterliche Überzeugung sein können. Im übrigen begründet Dr. K. seine Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens mit fachfremden, chirurgisch-orthopädischen Argumenten. Er wiederholt letztlich die Ausführungen im Arztbrief der Abteilung für Neurochirurgie des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder vom 20.03.1996 (Prof. Dr. G.), die auch vom späteren Sachverständigen, dem Neurochirurgen P. D. in seinem Gutachten vom 28.04.2000 vorgebracht werden. Die Prognose, ob mit einer Wiedereingliederung in das Berufsleben gerechnet werden kann - das wesentliche Argument von P. D. und Dr. K. - ist nicht vom medizinischen Sachverständigen zu treffen. Allenfalls kann damit bei einem neurologischen Sachverständigen ermittelt werden, ob der Versicherte imstande ist, sich auf neue Tätigkeiten und ein neues Arbeitsmilieu umzustellen. Der hierzu berufene neurologische Sachverständige Dr. P. gelangt aber in seinem Gutachten vom 16.05.1997 zur Feststellung einer hinreichenden - in durchschnittlicher bis guter Ausprägung vorhanden - Fähigkeit des Klägers, sich auf neue Tätigkeiten und ein neues Arbeitsmilieu umzustellen, seien. Auch auf streng internistischem Fachgebiet sind die Schlussfolgerungen von Dr. K. widerlegt, soweit er selbst von einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens ausgehen sollte. Denn nach den Ausführungen von Dr. K. zeigte sich noch ein belastungsadäquates Blutdruck- und Herzfrequenzverhalten, was auch mit der letzten echokardiographischen Untersuchung in der Bayerwald-Klinik übereinstimme, wo sich eine gute linksventrikuläre Globalfunktion bei allenfalls diskreter basisnaher postereorer Dyskinesie gezeigt habe. Damit könne der Kläger noch leichte körperliche Arbeiten vorwiegend in sitzender Stellung ohne Zeitdruck und ohne sonstigen Stress bewältigen. Darüber hinaus hat der Internist Dr. P. in zwei Gutachten ein noch nicht aufgehobenes Arbeitsvermögen bestätigt Zunächst ist er unter Verwertung von Befunden des Hausarztes Dr. M. zu dem Ergebnis eines guten Erfolgs der Bypass- Operation ohne Anhalt für eine Verschlimmerung des Herzleidens gelangt. Weder bestand ein Bypass-Verschluss noch eine Herzinsuffizienz. Die Untersuchung vom 01.03.2001 hat zwar eine jetzt neu bestehende zunehmende Belastungsangina und mäßiggradig reduzierte linksventriculäre Pumpfunktion ergeben. Bei Gesamtbetrachtung muss von einer Progression der coronaren Herzkrankheit ausgegangen werden. Damit ist der Kläger aber immer noch in der Lage, statt früher leichte und zeitweise mittelschwere körperliche Arbeit, nunmehr leichte körperliche Arbeiten ohne Zeitdruck und ohne Nacht- und Wechselschicht vollschichtig auszuüben.

Auch auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet sind die Schlussfolgerungen von P. D. widerlegt. Was die Folgen der Operationen vom 13.01.1995 und 14.09.1995 angeht, ist eine Wurzelreizsymptomatik nicht mehr zu objektivieren. Dies zeigt sich schon im Zusatzgutachten des Neurologen und Psychiater Dr. G. , wenn Elektromyographie und -neurographie weitgehend Normalbefunde ergeben. Darauf hat auch Dr. P. am 05.06.2000 hingewiesen, wenn sie anführt, dass P. D. so gut wie gar nicht auf die umfangreiche Aktendokumentation und bei knappem klinischem Untersuchungsbefund ohne Messzahlen auf fehlende Normabweichungen des neurophysiologischen Zusatzgutachtens von Dr.G. eingeht. Damit stehen nicht objektivierbare Folgen der Wirbelsäulendegeneration im Vordergrund, sondern eine erhebliche Beschwerdesymptomatik. Vollends zeigt Dr. P. die Diskrepanz auf, wenn er für den Senat überzeugend ausführt, dass es schwer falle, die Argumentation von P. D. nachzuvollziehen. Der Kläger sei sicher krank und habe chronische Beschwerden. Aber wenn die von ihm selbst veranlasste neurophysiologische Untersuchung explizit nur einen minimalen Restzustand ohne Krankheitswert beschreibe, dann könne man daraus kein schwerwiegendes Wurzelreizsymptom von Dauer ableiten.

Der zu einer Würdigung von Schmerzzuständen geeignete neurologische Sachverständige Dr. P. hat aber - wie schon der Vorgutachter P. R. - hieraus keine zeitliche Leistungsbeeinträchtigung abgeleitet. Rein neurologisch stellen Dr.P. und Dr. P. fest, dass die Versorgung des Gehirns über die verbleibenden Hirngefäße sichergestellt ist, und bestätigen damit den Bericht von Dr.W. aus dem BZKH R. , wonach sich der Befunde des Internaverschluss rechts bei Zustand nach Carotisdesobliteration mit guter Kollateralkreislaufversorgung nicht wesentlich verschlechtert hat.

Aus orthopädischer Sicht (Dr. K.) kann der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten verrichten. Auch dem gegenüber konnte der Senat der Einschätzung von P. D. nicht folgen. Dr. K. ist in seinem Gutachten vom 24.04.1997 zur Feststellung eines Cervikal- und Lumbalsyndroms aber bei nur sehr diskret ausgebildeten radiologischen Veränderungen an der Hals- und deutlichen Funktionsbeeinträchtigung an der Lendenwirbelsäule gelangt. Auch hier widersprechen die Funktionsbefunde der Einschätzung von P. D ...

Die Tätigkeiten, deren Verrichtung dem Kläger noch möglich sind, nämlich leichte körperliche Arbeiten ohne Zeitdruck und ohne Nacht- und Wechselschicht, verengen die möglichen Tätigkeitsfelder nicht in einem Ausmaß, das größere Zweifel an einer normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit auch für leichtere Tätigkeiten gerechtfertigt erscheinen ließe. Nach Ansicht des Senats ist im konkreten Fall keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen anzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 11.05. 1999 - 13 RJ 71/97 m.w.N und des 5. Senats, SozR 3-2600 § 44 Nr 12.). Die qualitativen Leistungseinschränkungen beim Kläger schließen nach Anzahl, Art und Umfang nicht derart weite Bereiche des Arbeitsmarktes aus, dass eine nicht mehr hinzunehmende Unsicherheit bestünde, ob in dem verbliebenen Feld noch ohne weiteres Beschäftigungsmöglichkeiten unterstellt werden können. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. P. ist auch die Fähigkeit des Klägers, sich auf neue Tätigkeiten und ein neues Arbeitsmilieu umzustellen, nicht erkennbar eingeschränkt. Damit können gerade körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten werden und häufig die Handhabung kleiner Teile im Sitzen voraussetzen, bei vorhandener Fingerfertigkeit und exaktem Sehvermögen ausgeführt werden. Sein Restleistungsvermögen erlaubt dem Kläger körperliche Verrichtungen wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, die in kurz angelernten Tätigkeiten (Tätigkeitsfelder) gefordert zu werden pflegen. Demgegenüber hat der Kläger nicht dargelegt, dass er die betreffenden Verrichtungen ("Tätigkeiten der Art nach") als solche nicht mehr ausführen kann oder inwiefern diese in der Arbeitswelt nur unter Bedingungen oder verbunden mit weiteren Anforderungen vorkommen, denen er nicht gewachsen ist.

Auch ist dem Kläger der Arbeitsmarkt nicht praktisch verschlossen. Bei dem vorhandenen negativen Leistungsbild liegt kein sog. Katalogfall vor (vgl. SozR 2200 § 1246 Nrn. 30, 75, 81, 90, 104, 109, 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8, § 1246 Nr. 41) vor. Denn weder hat der Kläger besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104, 117) noch weist er Leistungseinschränkungen auf, die sich in Verbindung mit anderen Einschränkungen besonders erschwerend bei einer Arbeitsplatzsuche auswirkten, wie z.B. die von der Rspr. erwähnten Fälle der Erforderlichkeit zusätzlicher Arbeitspausen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136), Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, jederzeit selbstbestimmtem Wechsel vom Sitzen zum Gehen (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8), Einarmigkeit und Einäugigkeit (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 30).

Ob der Kläger tatsächlich in einen zumutbaren Arbeitsplatz vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt offen und das Risiko der Vermittlung nicht von der gesetzlichen Renten-, sondern von der Arbeitslosenversicherung zu tragen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 19).

Nach allem war das Rechtsmittel daher begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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