Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 1020/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 310/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.04.2002 aufgehoben, soweit darin Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2000 zuerkannt worden ist, und die Klage auch insoweit abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis 31.12.2000. Die am 1949 geborene Klägerin war zuletzt vom 01.11.1989 bis 31.05.2000 als Pflege- und Schwesternhelferin in einem Seniorenwohn- und Pflegeheim beschäftigt. Ab 27.04.1998 war sie arbeitsunfähig, ein Arbeitsversuch ist im Januar 1999 gescheitert. Auf ihren Rentenantrag vom 18.02.1998 wurde sie von dem Allgemeinmediziner Dr.L. untersucht. Der Gutachter sah eine längerdauernde reaktive Depression nach dem Unfalltod des Sohnes 1995 im Vordergrund der Beschwerden und hielt eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme für erforderlich. Mittelfristig sei nach vorübergehender Arbeitsunfähigkeit wieder mit vollschichtigem Leistungsvermögen zu rechnen. Dementsprechend wurde der Rentenantrag am 27.05.1998 abgelehnt. Während des Widerspruchsverfahrens unterzog sich die Klägerin einem Heilverfahren in der P.-Fachklinik S ... Im Entlassungsbericht vom 05.08.1998 heißt es, wegen längerer depressiver Reaktion und Tinnitus aurium sei eine Reintegration in den Arbeitsprozess wenig sinnvoll. Die nervenärztlich-sozialmedizinische Begutachtung vom 07.10.1998 durch Dr.H. ergab eine leichtere depressive Verstimmung im Sinn einer abklingenden längerdauernden depressiven Reaktion. Nach Ansicht dieses Gutachters ist eine zeitliche Leistungsminderung nicht zu begründen. Daraufhin wurde der Widerspruch am 25.11.1998 zurückgewiesen. Im Klageverfahren holte das Gericht Befundberichte der Dres.O. , M. und L. ein. Letztere führt als Fachärztin für psychotherapeutische Medizin ab 27.10.1998 tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie durch. Laut ihren Angaben ist es seit der Wiederaufnahme der Berufstätigkeit am 04.01.1999 zur Verstärkung der Kopfschmerzen und verstärkten Schlafstörungen gekommen. Eine Befundverschlechterung sah auch Dr.O. durch das Hinzutreten eines Hörsturzes im März 1999 als gegeben an. Im Auftrag des Gerichts erstellte der Neurologe und Psychiater Dr.P. vom 15.07.1999 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung. Er bejahte entsprechend der Einschätzung der psychosomatischen Klinik in S. und der behandelnden Psychotherapeutin eine hochpathologische Trauerreaktion, die ab Jahresbeginn verschlimmert und dringend psychiatrisch behandlungsbedürftig sei. Auch leichteste Arbeiten seien nicht vollschichtig zumutbar. Demgegenüber hielt die von der Beklagten zugezogene Dr.W. leichte Arbeiten unter qualitativen Einschränkungen für vollschichtig zumutbar. Laut deren fachpsychiatrisch-psychologischer Stellungnahme nach Aktenlage entspricht das Gutachten des Dr.P. nicht dem gängigen Qualitätsstandard. Sowohl Anamnese als auch psychiatrischer Befund seien mangelhaft, medizinische Wertung und Leistungseinschränkungen nicht schlüssig. Demgegenüber verwies Dr.P. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 07.10.1999 auf den Bericht der behandelnden Psychotherapeutin, wonach keine leichtere depressive Verstimmung wie von den Fachärzten in S. und H. angenommen vorliege. Die zunehmende Depression behindere die Klägerin beruflich und familiär massiv.
Das Sozialgericht Augsburg verurteilte die Beklagte am 18.04. 2000 zur Leistung von Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis 31.12.2000 und wies die Klage im Übrigen ab. Es stützte sich auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des Dr.P. , der das zeitnächste Gutachten erstellt habe. Der Versicherungsfall sei am Tag der Klinikaufnahme in S. am 11.06.1998 eingetreten. Die Begrenzung der Rente erfolge wegen der Behandlungsfähigkeit der Krankheit. Gegen das am 10.05.2000 zugestellte Urteil legte die Klägerin am 30.05.2000 Berufung ein. Zur Abklärung der Arbeitsunfähigkeit hatte der Psychiater G. die Klägerin im Auftrag des MDK am 22.07.1999 untersucht. Er hatte eine mittelschwere depressive Episode mit Somatisierung diagnostiziert, Reha-Maßnahmen für dringend indiziert erachtet und die Arbeitsunfähigkeit bis zum Abschluss der Reha-Maßnahmen bejaht. Das von der Beklagten bewilligte Heilverfahren in S. brach die Klägerin nach 14 Tagen ab. Im Entlassungsbericht vom 04.11.2000 heißt es, die Klägerin habe sich gegen das therapeutische Behandlungsangebot entschieden. Ausgehend vom Aufnahmebefund liege eine mittelschwere bis schwere depressive Episode vor, Erwerbstätigkeit sei zur Zeit gar nicht möglich. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.S. , stellvertretender Chefarzt einer Fachklinik für psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik, sah sich außer Stande, die in Auftrag gegebene Untersuchung durchzuführen. Die Eheleute hätten in unverschämter Weise auf der Anwesenheit des Partners bei der Untersuchung bestanden und eine Entspannung sei aufgrund der hohen aggressiven Spannung und Bedrohlichkeit des Ehemanns nicht möglich gewesen. Auch nach Unterrichtung über die daraus entstehende Folge der Entscheidung nach Aktenlage verweigerte die Klägerin die Bereitschaft zu einer Untersuchung ohne die Anwesenheit des Ehemanns. In Absprache mit der Klägerin teilte Dr.L. am 04.08.2001 mit, den angeforderten Befundbericht nicht erstellen zu wollen, um die therapeutische Beziehung nicht zu gefährden. Im Auftrag des Gerichts erstellte Prof.Dr.N. , Leiter der Forensik in der psychiatrischen Klinik der LMU am 01.02.2000 ein Gutachten nach Aktenlage. Er diagnostizierte eine Dysthymie und ab 1999 eine mittelgradige depressive Episode. Die Aussage des Dr.P. zum beruflichen Leistungsvermögen hielt er trotz der Mängel des Gutachtens für nachvollziehbar, nachdem Herr G. seinen Befund eine Woche nach Dr.P. erhoben habe und der Aufnahmebefund der H.-Klinik vorliege. Die Frage nach der zumutbaren Willensanspannung könne ohne persönliche Untersuchung nur beschränkt beantwortet werden. Der Eindruck Dr.H. von einer Verdeutlichungstendenz sei nicht widerlegbar. Weil die Aufnahme in der P.-Klinik S. und die Aufnahme der ambulanten Psychotherapie 1998 für einen erheblichen Leidensdruck sprächen und der Abbruch in S. eventuell durch narzißtische Persönlichkeitsanteile zu erklären sei, sei es insgesamt eher unwahrscheinlich, dass die Klägerin die psychische Störung aus eigener Kraft überwinden konnte. Demgegenüber vertrat Dr.W. die Ansicht, die angebliche Verschlimmerung Anfang 1999 sei nicht zwingend. Weder sei eine Minderung der Funktionseinbußen im psychopathologischen Befund beschrieben noch habe eine Intensivierung der Behandlungsmaßnahmen stattgefunden, vielmehr eine Ablehnung von Medikamenten und Reha-Angeboten. Die Mängel im Gutachten des Dr.P. seien mit dem Gutachten Prof.Dr.N. nicht ausgeräumt, und insbesondere sei von einer Dauerbehinderung erst nach Ausschöpfung aller Therapiemaßnahmen auszugehen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.04.2002 vertrat Prof.Dr.N. die Ansicht, die Mängel des Gutachtens von Dr.P. seien die Leistungsbeurteilung; diese sei aber aus den Gutachten von Herrn G. und der H.-Klinik ableitbar. Die Beklagte monierte, der Sachverständige stütze sich zu sehr auf Annahmen und Mutmaßungen. Eine qualifizierte, kriteriengeleitete und qualitätsgesicherte fachärztliche psychiatrische Begutachtung habe im relevanten Zeitraum nicht stattgefunden. Diese könne durch ein restrospektives Gutachten nach Aktenlage nicht ersetzt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.04.2000 aufzuheben, soweit darin Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2000 zuerkannt worden ist, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Schwerbehindertenakte, der Akten des Arbeitsamts, der Akten des Sozialgerichts Augsburg sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand ist allein der Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis 31.12.2000. Die Klägerin hat keine Berufung gegen die zeitliche Begrenzung der Rente eingelegt, sie hat vielmehr am 06.09.2000 Antrag auf Weiterzahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt. Dieser Antrag ist offen.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.04.2000 ist insoweit aufzuheben, als es der Klägerin einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis 31.12.2000 zuerkannt hat. Es ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin in diesem Zeitraum erwerbsunfähig war.
Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit ausser Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 Satz 1 und Satz 2 Ziffer 2 SGB VI in der bis 31.12.2000 maßgebenden Fassung). Bei der Prüfung, ob Erwerbsunfähigkeit vorliegt, kommt es nicht auf den bisherigen Beruf an, sondern darauf, ob mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichtet werden können. Der Senat ist zwar überzeugt, dass die Klägerin im maßgebenden Zeitraum wegen einer psychischen Erkrankung nicht mehr in ihrem Beruf als Altenpflegerin tätig sein konnte. Es konnte jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass sie auch keine anderen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten konnte.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist der Leistungsfall nicht bereits zum Zeitpunkt der Klinikaufnahme in S. am 11.06.1998 eingetreten. Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf die schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr.N. , der sämtliche vorhandenen Vorbefunde sorgfältig gewürdigt und seine Schlussfolgerungen insoweit überzeugend begründet hat. Danach ist für das Jahr 1998 keine durchgehende schwerwiegende seelische Störung zu belegen. Die Ärzte, die die Klägerin 1998 untersucht bzw. begutachtet haben, nämlich Dr.H. , Dr.L. und die Ärzte der P.-Klinik S. haben eine reaktive Depression im Sinne einer Anpassungsstörung (ICD 10: F43.21) diagnostiziert. Dabei handelt es sich um eine mildere depressive Symptomatik im Sinne einer Dysthymie. Nach dem auch von Prof.Dr.N. als gründlich und überzeugend eingestuften Gutachten Dr.H. ist bei dem von ihm erfassten Zustandsbild von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte und mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.
Von einer schweren Beeinträchtigung berichten erst Herr G. und die Ärzte der H.-Klinik. Die psychischen Beschwerden der Klägerin sind ab 1999 aufgrund von Anzahl und Schwere der auftretenden Symptome als depressive Episode einzuordnen. Der Umstand, dass die Einschätzungen von Dr.H. auf der einen und von Dr.P. und Herrn G. auf der anderen Seite derart voneinander abweichen, ist am ehesten damit zu erklären, dass es zu Beginn des Jahres 1999 bei der Klägerin zu einer deutlichen Befundverschlechterung gekommen ist. Dr.H. hat die Klägerin weniger als drei Monate nach der Entlassung aus der S.-Klinik untersucht, in deren Entlassungsbericht von einer deutlichen Stimmungsaufhellung und affektiven Stabilisierung die Rede ist. Die von Herrn G. 1999 gestellte Diagnose einer depressiven Episode erscheint auch Dr.W. nachvollziehbar, die ebenfalls einräumt, dass eine Dysthymie im Verlauf in eine depressive Episode übergehen kann.
Obwohl sich die Schwere der psychischen Störung ab 1999 anders darstellt als davor, ist nicht von einem Versicherungsfall ab 1999 auszugehen. Dabei kann dahinstehen, ob die diagnostische Einschätzung von Prof.Dr.N. hinsichtlich des Schweregrades der depressiven Episode als mittelgradig zutreffend ist. Dr.W. und Prof.N. weisen übereinstimmend darauf hin, dass für die sozialmedizinische Beurteilung nicht die Diagnose, sondern der Nachweis wesentlicher Beeinträchtigungen entscheidend ist. Dieser Nachweis ist weder dem Gutachten des Dr.P. noch dem des Prof.Dr.N. zu entnehmen.
Prof.N. stimmt Frau Dr.W. darin zu, dass das Gutachten des Dr.P. insoweit mangelhaft ist. Neben dem Fehlen der Krankheitsanamnese mit ihrer Modulierbarkeit durch therapeutische Maßnahmen, äußere Bedingungen und Belastungen, der biographischen Anamnese, der Arbeits- und Sozialanamnese ist der psychiatrische Befund des Gutachtens nicht vollständig. So fehlen insbesondere Angaben über das Antriebsverhalten und die emotionale Schwingungsfähigkeit sowie die Strukturanalyse der Persönlichkeit. Es handelt sich dabei um gravierende formalmethodische Mängel, die keine schlüssige Leistungseinschätzung erlauben. Funktionelle Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bei psychischen Störungen ohne entsprechenden psychopathologischen Befund sind nicht begründbar (Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, herausgegeben vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger, Oktober 2001, S.10).
Wenn Prof.Dr.N. der Leistungseinschätzung des Dr.P. dennoch folgt, so geschieht dies unter Bezugnahme auf das Gutachten des Herrn G. und den Entlassungsbericht der H.-Klinik vom 04.11.2000. Darin wird tatsächlich beschrieben, dass die Klägerin in ihrem Alltag nachhaltig beeinträchtigt war. Die zugrundeliegenden Untersuchungen hatten jedoch eine andere Zielrichtung als die Abklärung der sozialrechtlich relevanten Fragen zum Leistungsvermögen. So ging es dem MDK um die Frage der Arbeitsunfähigkeit, also um die Einsatzfähigkeit als Altenpflegerin. Der Aufnahmebefund der H.-Klinik wurde zu Therapiezwecken erhoben. Eine qualifizierte, kriteriengeleitete und qualitätsgesicherte fachärztliche psychiatrische Begutachtung zur Abklärung des beruflichen Leistungsvermögens hat also im maßgeblichen Zeitraum nicht stattgefunden.
Die von Prof.Dr.N. angeführten Berichte der Dres.O. , H. , S. und M. sind ohne relevante Aussagekraft, da sie überwiegend lediglich Diagnosen enthalten und von Nichtpsychiatern erstellt worden sind. Dr.L. , die behandelnde Psychotherapeutin hat in ihrem Befundbericht vom 07.03. 1999 wohl eine Leidensverschlimmerung ab Januar 1999 beschrieben, hingegen lediglich von verstärkten Kopfschmerzen und Schlafstörungen berichtet. Detaillierte Ausführungen zum Sozialverhalten und der Alltagsbewältigung fehlen. Bemühungen des Berufungsgerichts um eine Ergänzung der Befundlage sind am Widerstand Dr.L. gescheitert, die am 04.08.2001 erklärt hat, die seit fast drei Jahren bestehende stabile therapeutische Beziehung nicht gefährden zu wollen.
Es mag sein, dass die Ablehnung von Psychopharmaka nicht lediglich auf einen mangelnden Leidensdruck zurückzuführen ist, wie dies Frau Dr.W. vermutet. Es gehört zur Alltagserfahrung eines jeden klinisch tätigen Psychiaters, dass von vielen Patienten trotz eines hohen Leidensdruckes die empfohlenen bzw. verordneten Psychopharmaka nicht eingenommen werden. Entscheidend ist jedoch, dass die Indizwirkung eines starken Leidensdruckes erst von einer konsequent durchgeführten psycho-pharmakologischen Behandlung ausgeht. Diese findet jedoch seit 1999 nicht statt. Schließlich wurden nach 1999 auch keine zusätzlichen Behandlungsmaßnahmen aufgesucht. Die ambulante Psychotherapie hat die Klägerin bereits im Oktober 1998 begonnen und das Betreuungsangebot der Klinik in S. hat die Klägerin abgelehnt. Der Aufenthalt in der P. Klinik S. hat bereits im Jahr 1998 stattgefunden. Es mag sein, dass die Klägerin triftige Gründe für den Abbruch des stationären Aufenthaltes in der H.-Klinik hatte. Eine Indizwirkung für das Ausmaß von Leistungseinschränkungen kann aus dem Abbruch der Maßnahme jedoch nicht abgeleitet werden.
Entscheidend ist, dass die Frage danach, ob die Klägerin die zweifellos vorhandenen psychischen Störungen bei zumutbarer Willensanspannung aus eigener Kraft oder mit ärztlicher Hilfe überwinden konnte, unbeantwortet bleiben musste. Nachdem Dr.H. festgestellt hatte, dass das Beschwerdebild der Klägerin betont wirkte und nicht ganz frei von Verdeutlichungstendenzen, und nachdem Herr Dr.P. selbst konstatiert hatte, dass die Klägerin offenbar der Meinung sei, dass aufgrund des ihr widerfahrenen Leidens die Rente zustehe, hätte es nahegelegen, die bestehende Symptomatik gegenüber Aggravation oder Simulation eindeutig abzugrenzen. Dr.P. präzisierte jedoch nicht, in welchem Ausmaß die depressive Symptomatik bewusstseinsnahe Anteile hat bzw. eine eigenständige Dynamik entwcckelt hat. Prof.Dr.N. schließlich räumt ein, dass ohne persönliche Untersuchung hierzu nur in einem sehr beschränkten Umfang Einschätzungen getroffen werden können. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, aus welchen Gründen die stationäre Behandlung in der H.-Klinik abgebrochen wurde. Möglicherweise kann der Therapieabbruch auf dem Hintergrund von Enttäuschungen über die bisherigen, letztlich erfolglosen Behandlungsversuche verstanden werden. Ebenso ist in Erwägung zu ziehen, dass es durch etwaige Konfrontationen mit ihrer derzeitigen Lebenssituation durch die Therapeuten zu Kränkungen gekommen ist, für die Menschen mit narzißtischen Persönlichkeitsanteilen besonders anfällig sind. Wenn man von der Diagnose "neurotische Depression mit narzißtischen Persönlichkeitsanteilen" ausgeht, erscheint es eher unwahrscheinlich, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, die psychische Störung aus eigener Kraft bzw. mit ärztlicher Hilfe zu überwinden. Ob diese Diagnose zu stellen ist, ist unklar. Prof.Dr.N. vermutet es lediglich. Eine dauerhafte Fähigkeitsstörung ist daher nicht nachgewiesen.
Letztlich scheitert der Anspruch der Klägerin daran, dass das Gutachten des Dr.P. mangelhaft ist und die Klägerin die vom Gericht für notwendig befundene Untersuchung durch einen Psychiater nicht hat durchführen lassen. Das Nachlassen der körperlichen und geistigen Kräfte sind die für den Rentenanspruch vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale, die vorliegen müssen, damit ein Rentenanspruch zugesprochen werden kann. Soweit an einem dieser Tatbestandsmerkmale noch Zweifel bestehen und alle Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, geht dies zu Lasten des Versicherten, der den Rentenanspruch geltend macht (BSGE vom 28.08.1991 in SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr.8). Ebenso wie in allen Prozessordnungen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren der Grundsatz der objektiven Beweislast; danach sind die Folgen der objektiven Beweislosigkeit bzw. des nicht Festgestelltseins einer Tatsache von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will.
Die Abklärung ihres Leistungsvermögens hat die Klägerin mit ihrer Weigerung vereitelt, sich ohne Beisein des Ehemannes begutachten zu lassen. Es obliegt jedoch allein dem Sachverständigen, die Modalitäten der Untersuchung zu bestimmen. Die Verpflichtung zur Untersuchung verletzt weder die in Art.1 Abs.1 Grundgesetz geschützte Würde des Menschen noch das in Art.2 Abs.2 Grundgesetz geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit (Hauck/Haines- Kommentar, § 62 Rdnr.2 mit Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.06.1983 - 1 BvR 843/83). Die Untersuchung wäre der Klägerin daher ohne ihrem Ehemann zumutbar gewesen. Es ist selbstverständlich, dass die Erhebung eines psychischen Befundes durch die Anwesenheit eines Dritten gestört wird und den Wert eines Gutachtens zunichte machen kann. Dies umsomehr, wenn der Dritte unmittelbar Beteiligter der Krankheitsbewältigung ist und dem Probanden sehr nahe steht. Auch würde so die Ergänzung der Eigen- durch eine Fremdanamnese von vornherein unmöglich gemacht.
Ausgehend von dem Zustand, wie er sich nach der Begutachtung durch Herrn G. darstellt, konnte die Klägerin im maßgebenden Zeitraum noch leichte und vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne dauerndes Gehen und Stehen, ohne überwiegende Zwangshaltung, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten sowie ohne besondere Anforderungen an das Hörvermögen, an die nervliche Belastbarkeit und ohne besonderen Zeitdruck vollschichtig verrichten. Im Positiven kamen also noch leichte und ruhige Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr in ungezwungener Körperhaltung in Frage. Damit konnte die Klägerin aber noch eine Vielzahl leichter gewerblicher Arbeiten wie Packen, Kontrollieren, Sortieren, etc., verrichten. Angesichts der erhaltenen Funktionsfähigkeit der oberen Extremitäten und der ausreichenden Belastbarkeit von Wirbelsäule und unteren Extremitäten bestehen daher keine Zweifel, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig einsatzfähig war. Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung ergeben sich nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis 31.12.2000. Die am 1949 geborene Klägerin war zuletzt vom 01.11.1989 bis 31.05.2000 als Pflege- und Schwesternhelferin in einem Seniorenwohn- und Pflegeheim beschäftigt. Ab 27.04.1998 war sie arbeitsunfähig, ein Arbeitsversuch ist im Januar 1999 gescheitert. Auf ihren Rentenantrag vom 18.02.1998 wurde sie von dem Allgemeinmediziner Dr.L. untersucht. Der Gutachter sah eine längerdauernde reaktive Depression nach dem Unfalltod des Sohnes 1995 im Vordergrund der Beschwerden und hielt eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme für erforderlich. Mittelfristig sei nach vorübergehender Arbeitsunfähigkeit wieder mit vollschichtigem Leistungsvermögen zu rechnen. Dementsprechend wurde der Rentenantrag am 27.05.1998 abgelehnt. Während des Widerspruchsverfahrens unterzog sich die Klägerin einem Heilverfahren in der P.-Fachklinik S ... Im Entlassungsbericht vom 05.08.1998 heißt es, wegen längerer depressiver Reaktion und Tinnitus aurium sei eine Reintegration in den Arbeitsprozess wenig sinnvoll. Die nervenärztlich-sozialmedizinische Begutachtung vom 07.10.1998 durch Dr.H. ergab eine leichtere depressive Verstimmung im Sinn einer abklingenden längerdauernden depressiven Reaktion. Nach Ansicht dieses Gutachters ist eine zeitliche Leistungsminderung nicht zu begründen. Daraufhin wurde der Widerspruch am 25.11.1998 zurückgewiesen. Im Klageverfahren holte das Gericht Befundberichte der Dres.O. , M. und L. ein. Letztere führt als Fachärztin für psychotherapeutische Medizin ab 27.10.1998 tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie durch. Laut ihren Angaben ist es seit der Wiederaufnahme der Berufstätigkeit am 04.01.1999 zur Verstärkung der Kopfschmerzen und verstärkten Schlafstörungen gekommen. Eine Befundverschlechterung sah auch Dr.O. durch das Hinzutreten eines Hörsturzes im März 1999 als gegeben an. Im Auftrag des Gerichts erstellte der Neurologe und Psychiater Dr.P. vom 15.07.1999 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung. Er bejahte entsprechend der Einschätzung der psychosomatischen Klinik in S. und der behandelnden Psychotherapeutin eine hochpathologische Trauerreaktion, die ab Jahresbeginn verschlimmert und dringend psychiatrisch behandlungsbedürftig sei. Auch leichteste Arbeiten seien nicht vollschichtig zumutbar. Demgegenüber hielt die von der Beklagten zugezogene Dr.W. leichte Arbeiten unter qualitativen Einschränkungen für vollschichtig zumutbar. Laut deren fachpsychiatrisch-psychologischer Stellungnahme nach Aktenlage entspricht das Gutachten des Dr.P. nicht dem gängigen Qualitätsstandard. Sowohl Anamnese als auch psychiatrischer Befund seien mangelhaft, medizinische Wertung und Leistungseinschränkungen nicht schlüssig. Demgegenüber verwies Dr.P. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 07.10.1999 auf den Bericht der behandelnden Psychotherapeutin, wonach keine leichtere depressive Verstimmung wie von den Fachärzten in S. und H. angenommen vorliege. Die zunehmende Depression behindere die Klägerin beruflich und familiär massiv.
Das Sozialgericht Augsburg verurteilte die Beklagte am 18.04. 2000 zur Leistung von Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis 31.12.2000 und wies die Klage im Übrigen ab. Es stützte sich auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des Dr.P. , der das zeitnächste Gutachten erstellt habe. Der Versicherungsfall sei am Tag der Klinikaufnahme in S. am 11.06.1998 eingetreten. Die Begrenzung der Rente erfolge wegen der Behandlungsfähigkeit der Krankheit. Gegen das am 10.05.2000 zugestellte Urteil legte die Klägerin am 30.05.2000 Berufung ein. Zur Abklärung der Arbeitsunfähigkeit hatte der Psychiater G. die Klägerin im Auftrag des MDK am 22.07.1999 untersucht. Er hatte eine mittelschwere depressive Episode mit Somatisierung diagnostiziert, Reha-Maßnahmen für dringend indiziert erachtet und die Arbeitsunfähigkeit bis zum Abschluss der Reha-Maßnahmen bejaht. Das von der Beklagten bewilligte Heilverfahren in S. brach die Klägerin nach 14 Tagen ab. Im Entlassungsbericht vom 04.11.2000 heißt es, die Klägerin habe sich gegen das therapeutische Behandlungsangebot entschieden. Ausgehend vom Aufnahmebefund liege eine mittelschwere bis schwere depressive Episode vor, Erwerbstätigkeit sei zur Zeit gar nicht möglich. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.S. , stellvertretender Chefarzt einer Fachklinik für psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik, sah sich außer Stande, die in Auftrag gegebene Untersuchung durchzuführen. Die Eheleute hätten in unverschämter Weise auf der Anwesenheit des Partners bei der Untersuchung bestanden und eine Entspannung sei aufgrund der hohen aggressiven Spannung und Bedrohlichkeit des Ehemanns nicht möglich gewesen. Auch nach Unterrichtung über die daraus entstehende Folge der Entscheidung nach Aktenlage verweigerte die Klägerin die Bereitschaft zu einer Untersuchung ohne die Anwesenheit des Ehemanns. In Absprache mit der Klägerin teilte Dr.L. am 04.08.2001 mit, den angeforderten Befundbericht nicht erstellen zu wollen, um die therapeutische Beziehung nicht zu gefährden. Im Auftrag des Gerichts erstellte Prof.Dr.N. , Leiter der Forensik in der psychiatrischen Klinik der LMU am 01.02.2000 ein Gutachten nach Aktenlage. Er diagnostizierte eine Dysthymie und ab 1999 eine mittelgradige depressive Episode. Die Aussage des Dr.P. zum beruflichen Leistungsvermögen hielt er trotz der Mängel des Gutachtens für nachvollziehbar, nachdem Herr G. seinen Befund eine Woche nach Dr.P. erhoben habe und der Aufnahmebefund der H.-Klinik vorliege. Die Frage nach der zumutbaren Willensanspannung könne ohne persönliche Untersuchung nur beschränkt beantwortet werden. Der Eindruck Dr.H. von einer Verdeutlichungstendenz sei nicht widerlegbar. Weil die Aufnahme in der P.-Klinik S. und die Aufnahme der ambulanten Psychotherapie 1998 für einen erheblichen Leidensdruck sprächen und der Abbruch in S. eventuell durch narzißtische Persönlichkeitsanteile zu erklären sei, sei es insgesamt eher unwahrscheinlich, dass die Klägerin die psychische Störung aus eigener Kraft überwinden konnte. Demgegenüber vertrat Dr.W. die Ansicht, die angebliche Verschlimmerung Anfang 1999 sei nicht zwingend. Weder sei eine Minderung der Funktionseinbußen im psychopathologischen Befund beschrieben noch habe eine Intensivierung der Behandlungsmaßnahmen stattgefunden, vielmehr eine Ablehnung von Medikamenten und Reha-Angeboten. Die Mängel im Gutachten des Dr.P. seien mit dem Gutachten Prof.Dr.N. nicht ausgeräumt, und insbesondere sei von einer Dauerbehinderung erst nach Ausschöpfung aller Therapiemaßnahmen auszugehen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.04.2002 vertrat Prof.Dr.N. die Ansicht, die Mängel des Gutachtens von Dr.P. seien die Leistungsbeurteilung; diese sei aber aus den Gutachten von Herrn G. und der H.-Klinik ableitbar. Die Beklagte monierte, der Sachverständige stütze sich zu sehr auf Annahmen und Mutmaßungen. Eine qualifizierte, kriteriengeleitete und qualitätsgesicherte fachärztliche psychiatrische Begutachtung habe im relevanten Zeitraum nicht stattgefunden. Diese könne durch ein restrospektives Gutachten nach Aktenlage nicht ersetzt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.04.2000 aufzuheben, soweit darin Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2000 zuerkannt worden ist, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Schwerbehindertenakte, der Akten des Arbeitsamts, der Akten des Sozialgerichts Augsburg sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand ist allein der Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis 31.12.2000. Die Klägerin hat keine Berufung gegen die zeitliche Begrenzung der Rente eingelegt, sie hat vielmehr am 06.09.2000 Antrag auf Weiterzahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt. Dieser Antrag ist offen.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.04.2000 ist insoweit aufzuheben, als es der Klägerin einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente vom 01.01.1999 bis 31.12.2000 zuerkannt hat. Es ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin in diesem Zeitraum erwerbsunfähig war.
Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit ausser Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 Satz 1 und Satz 2 Ziffer 2 SGB VI in der bis 31.12.2000 maßgebenden Fassung). Bei der Prüfung, ob Erwerbsunfähigkeit vorliegt, kommt es nicht auf den bisherigen Beruf an, sondern darauf, ob mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichtet werden können. Der Senat ist zwar überzeugt, dass die Klägerin im maßgebenden Zeitraum wegen einer psychischen Erkrankung nicht mehr in ihrem Beruf als Altenpflegerin tätig sein konnte. Es konnte jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass sie auch keine anderen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten konnte.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist der Leistungsfall nicht bereits zum Zeitpunkt der Klinikaufnahme in S. am 11.06.1998 eingetreten. Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf die schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr.N. , der sämtliche vorhandenen Vorbefunde sorgfältig gewürdigt und seine Schlussfolgerungen insoweit überzeugend begründet hat. Danach ist für das Jahr 1998 keine durchgehende schwerwiegende seelische Störung zu belegen. Die Ärzte, die die Klägerin 1998 untersucht bzw. begutachtet haben, nämlich Dr.H. , Dr.L. und die Ärzte der P.-Klinik S. haben eine reaktive Depression im Sinne einer Anpassungsstörung (ICD 10: F43.21) diagnostiziert. Dabei handelt es sich um eine mildere depressive Symptomatik im Sinne einer Dysthymie. Nach dem auch von Prof.Dr.N. als gründlich und überzeugend eingestuften Gutachten Dr.H. ist bei dem von ihm erfassten Zustandsbild von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte und mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.
Von einer schweren Beeinträchtigung berichten erst Herr G. und die Ärzte der H.-Klinik. Die psychischen Beschwerden der Klägerin sind ab 1999 aufgrund von Anzahl und Schwere der auftretenden Symptome als depressive Episode einzuordnen. Der Umstand, dass die Einschätzungen von Dr.H. auf der einen und von Dr.P. und Herrn G. auf der anderen Seite derart voneinander abweichen, ist am ehesten damit zu erklären, dass es zu Beginn des Jahres 1999 bei der Klägerin zu einer deutlichen Befundverschlechterung gekommen ist. Dr.H. hat die Klägerin weniger als drei Monate nach der Entlassung aus der S.-Klinik untersucht, in deren Entlassungsbericht von einer deutlichen Stimmungsaufhellung und affektiven Stabilisierung die Rede ist. Die von Herrn G. 1999 gestellte Diagnose einer depressiven Episode erscheint auch Dr.W. nachvollziehbar, die ebenfalls einräumt, dass eine Dysthymie im Verlauf in eine depressive Episode übergehen kann.
Obwohl sich die Schwere der psychischen Störung ab 1999 anders darstellt als davor, ist nicht von einem Versicherungsfall ab 1999 auszugehen. Dabei kann dahinstehen, ob die diagnostische Einschätzung von Prof.Dr.N. hinsichtlich des Schweregrades der depressiven Episode als mittelgradig zutreffend ist. Dr.W. und Prof.N. weisen übereinstimmend darauf hin, dass für die sozialmedizinische Beurteilung nicht die Diagnose, sondern der Nachweis wesentlicher Beeinträchtigungen entscheidend ist. Dieser Nachweis ist weder dem Gutachten des Dr.P. noch dem des Prof.Dr.N. zu entnehmen.
Prof.N. stimmt Frau Dr.W. darin zu, dass das Gutachten des Dr.P. insoweit mangelhaft ist. Neben dem Fehlen der Krankheitsanamnese mit ihrer Modulierbarkeit durch therapeutische Maßnahmen, äußere Bedingungen und Belastungen, der biographischen Anamnese, der Arbeits- und Sozialanamnese ist der psychiatrische Befund des Gutachtens nicht vollständig. So fehlen insbesondere Angaben über das Antriebsverhalten und die emotionale Schwingungsfähigkeit sowie die Strukturanalyse der Persönlichkeit. Es handelt sich dabei um gravierende formalmethodische Mängel, die keine schlüssige Leistungseinschätzung erlauben. Funktionelle Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bei psychischen Störungen ohne entsprechenden psychopathologischen Befund sind nicht begründbar (Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, herausgegeben vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger, Oktober 2001, S.10).
Wenn Prof.Dr.N. der Leistungseinschätzung des Dr.P. dennoch folgt, so geschieht dies unter Bezugnahme auf das Gutachten des Herrn G. und den Entlassungsbericht der H.-Klinik vom 04.11.2000. Darin wird tatsächlich beschrieben, dass die Klägerin in ihrem Alltag nachhaltig beeinträchtigt war. Die zugrundeliegenden Untersuchungen hatten jedoch eine andere Zielrichtung als die Abklärung der sozialrechtlich relevanten Fragen zum Leistungsvermögen. So ging es dem MDK um die Frage der Arbeitsunfähigkeit, also um die Einsatzfähigkeit als Altenpflegerin. Der Aufnahmebefund der H.-Klinik wurde zu Therapiezwecken erhoben. Eine qualifizierte, kriteriengeleitete und qualitätsgesicherte fachärztliche psychiatrische Begutachtung zur Abklärung des beruflichen Leistungsvermögens hat also im maßgeblichen Zeitraum nicht stattgefunden.
Die von Prof.Dr.N. angeführten Berichte der Dres.O. , H. , S. und M. sind ohne relevante Aussagekraft, da sie überwiegend lediglich Diagnosen enthalten und von Nichtpsychiatern erstellt worden sind. Dr.L. , die behandelnde Psychotherapeutin hat in ihrem Befundbericht vom 07.03. 1999 wohl eine Leidensverschlimmerung ab Januar 1999 beschrieben, hingegen lediglich von verstärkten Kopfschmerzen und Schlafstörungen berichtet. Detaillierte Ausführungen zum Sozialverhalten und der Alltagsbewältigung fehlen. Bemühungen des Berufungsgerichts um eine Ergänzung der Befundlage sind am Widerstand Dr.L. gescheitert, die am 04.08.2001 erklärt hat, die seit fast drei Jahren bestehende stabile therapeutische Beziehung nicht gefährden zu wollen.
Es mag sein, dass die Ablehnung von Psychopharmaka nicht lediglich auf einen mangelnden Leidensdruck zurückzuführen ist, wie dies Frau Dr.W. vermutet. Es gehört zur Alltagserfahrung eines jeden klinisch tätigen Psychiaters, dass von vielen Patienten trotz eines hohen Leidensdruckes die empfohlenen bzw. verordneten Psychopharmaka nicht eingenommen werden. Entscheidend ist jedoch, dass die Indizwirkung eines starken Leidensdruckes erst von einer konsequent durchgeführten psycho-pharmakologischen Behandlung ausgeht. Diese findet jedoch seit 1999 nicht statt. Schließlich wurden nach 1999 auch keine zusätzlichen Behandlungsmaßnahmen aufgesucht. Die ambulante Psychotherapie hat die Klägerin bereits im Oktober 1998 begonnen und das Betreuungsangebot der Klinik in S. hat die Klägerin abgelehnt. Der Aufenthalt in der P. Klinik S. hat bereits im Jahr 1998 stattgefunden. Es mag sein, dass die Klägerin triftige Gründe für den Abbruch des stationären Aufenthaltes in der H.-Klinik hatte. Eine Indizwirkung für das Ausmaß von Leistungseinschränkungen kann aus dem Abbruch der Maßnahme jedoch nicht abgeleitet werden.
Entscheidend ist, dass die Frage danach, ob die Klägerin die zweifellos vorhandenen psychischen Störungen bei zumutbarer Willensanspannung aus eigener Kraft oder mit ärztlicher Hilfe überwinden konnte, unbeantwortet bleiben musste. Nachdem Dr.H. festgestellt hatte, dass das Beschwerdebild der Klägerin betont wirkte und nicht ganz frei von Verdeutlichungstendenzen, und nachdem Herr Dr.P. selbst konstatiert hatte, dass die Klägerin offenbar der Meinung sei, dass aufgrund des ihr widerfahrenen Leidens die Rente zustehe, hätte es nahegelegen, die bestehende Symptomatik gegenüber Aggravation oder Simulation eindeutig abzugrenzen. Dr.P. präzisierte jedoch nicht, in welchem Ausmaß die depressive Symptomatik bewusstseinsnahe Anteile hat bzw. eine eigenständige Dynamik entwcckelt hat. Prof.Dr.N. schließlich räumt ein, dass ohne persönliche Untersuchung hierzu nur in einem sehr beschränkten Umfang Einschätzungen getroffen werden können. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, aus welchen Gründen die stationäre Behandlung in der H.-Klinik abgebrochen wurde. Möglicherweise kann der Therapieabbruch auf dem Hintergrund von Enttäuschungen über die bisherigen, letztlich erfolglosen Behandlungsversuche verstanden werden. Ebenso ist in Erwägung zu ziehen, dass es durch etwaige Konfrontationen mit ihrer derzeitigen Lebenssituation durch die Therapeuten zu Kränkungen gekommen ist, für die Menschen mit narzißtischen Persönlichkeitsanteilen besonders anfällig sind. Wenn man von der Diagnose "neurotische Depression mit narzißtischen Persönlichkeitsanteilen" ausgeht, erscheint es eher unwahrscheinlich, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, die psychische Störung aus eigener Kraft bzw. mit ärztlicher Hilfe zu überwinden. Ob diese Diagnose zu stellen ist, ist unklar. Prof.Dr.N. vermutet es lediglich. Eine dauerhafte Fähigkeitsstörung ist daher nicht nachgewiesen.
Letztlich scheitert der Anspruch der Klägerin daran, dass das Gutachten des Dr.P. mangelhaft ist und die Klägerin die vom Gericht für notwendig befundene Untersuchung durch einen Psychiater nicht hat durchführen lassen. Das Nachlassen der körperlichen und geistigen Kräfte sind die für den Rentenanspruch vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale, die vorliegen müssen, damit ein Rentenanspruch zugesprochen werden kann. Soweit an einem dieser Tatbestandsmerkmale noch Zweifel bestehen und alle Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, geht dies zu Lasten des Versicherten, der den Rentenanspruch geltend macht (BSGE vom 28.08.1991 in SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr.8). Ebenso wie in allen Prozessordnungen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren der Grundsatz der objektiven Beweislast; danach sind die Folgen der objektiven Beweislosigkeit bzw. des nicht Festgestelltseins einer Tatsache von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will.
Die Abklärung ihres Leistungsvermögens hat die Klägerin mit ihrer Weigerung vereitelt, sich ohne Beisein des Ehemannes begutachten zu lassen. Es obliegt jedoch allein dem Sachverständigen, die Modalitäten der Untersuchung zu bestimmen. Die Verpflichtung zur Untersuchung verletzt weder die in Art.1 Abs.1 Grundgesetz geschützte Würde des Menschen noch das in Art.2 Abs.2 Grundgesetz geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit (Hauck/Haines- Kommentar, § 62 Rdnr.2 mit Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.06.1983 - 1 BvR 843/83). Die Untersuchung wäre der Klägerin daher ohne ihrem Ehemann zumutbar gewesen. Es ist selbstverständlich, dass die Erhebung eines psychischen Befundes durch die Anwesenheit eines Dritten gestört wird und den Wert eines Gutachtens zunichte machen kann. Dies umsomehr, wenn der Dritte unmittelbar Beteiligter der Krankheitsbewältigung ist und dem Probanden sehr nahe steht. Auch würde so die Ergänzung der Eigen- durch eine Fremdanamnese von vornherein unmöglich gemacht.
Ausgehend von dem Zustand, wie er sich nach der Begutachtung durch Herrn G. darstellt, konnte die Klägerin im maßgebenden Zeitraum noch leichte und vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne dauerndes Gehen und Stehen, ohne überwiegende Zwangshaltung, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten sowie ohne besondere Anforderungen an das Hörvermögen, an die nervliche Belastbarkeit und ohne besonderen Zeitdruck vollschichtig verrichten. Im Positiven kamen also noch leichte und ruhige Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr in ungezwungener Körperhaltung in Frage. Damit konnte die Klägerin aber noch eine Vielzahl leichter gewerblicher Arbeiten wie Packen, Kontrollieren, Sortieren, etc., verrichten. Angesichts der erhaltenen Funktionsfähigkeit der oberen Extremitäten und der ausreichenden Belastbarkeit von Wirbelsäule und unteren Extremitäten bestehen daher keine Zweifel, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig einsatzfähig war. Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung ergeben sich nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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