Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 211/98 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 318/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 7. April 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Der am 1937 geborene Kläger hat vom Juni 1971 bis Dezember 1974 in Deutschland 37 Monate Versicherungszeiten erworben. In seiner Heimat Jugoslawien sind vom September bis November 1954, vom Januar bis Februar 1965, vom Juni 1966 bis Mai 1971, vom Mai 1986 bis November 1987 sowie vom Januar 1990 bis Dezember 1996 - lückenhaft - Versicherungszeiten nachgewiesen.
Am 03.10.1996 stellte der Kläger Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, den die Beklagte mit Bescheid vom 08.10.1997/Widerspruchsbescheid vom 15.12.1997 ablehnte; nach den ärztlich festgestellten Leistungseinschränkungen (Herzleistungsminderung bei Bluthochdruck, Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Verschleißerscheinungen, ohne Wurzelreizung, Nierensteine, Pyelonephritis rechts ohne Nierenfunktionsstörung und Minderung des Hörvermögens) sei der Kläger noch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Schicht- bzw. Nachtdienst, ohne Einwirkung von Lärm und in trockener normal temperierter Umgebung zu verrichten.
Dagegen hat der Kläger am 09.02.1998 Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben. Sein Gesundheitszustand sei nicht zutreffend beurteilt worden.
Das SG hat Auskünfte ehemaliger Arbeitgeber - ergebnislos - und ein medizinisches Gutachten nach Aktenlage von dem Internisten und Radiologen Dr. R. vom 14.01.2000 eingeholt. Der Sachverständige stellt folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Erheblicher Bluthochdruck mit organischen Herzveränderungen;
2. degenerative Wirbelsäulenveränderungen ohne Nervenwurzelreizung;
3. Nierensteinneigung ohne Nierenfunktionsstörung;
4. Schwerhörigkeit.
Damit könne der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten in sitzender Körperhaltung, in geschlossenen und temperierten Räumen ausüben. Stresswirkungen und besondere Anforderungen an das Hörvermögen sowie Lärmeinwirkungen seien zu vermeiden.
Durch Gerichtsbescheid vom 07.04.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder erwerbs- noch berufsunfähig. Der Sachverhalt sei in medizinischer Hinsicht durch das Gutachten nach Aktenlage hinreichend geklärt.
Mit seiner dagegen am 02.06.2000 zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung hat der Kläger erneut Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und wegen Berufsunfähigkeit als Elektriker begehrt. Dazu hat er ein Attest vom 10.04.2001 über Arbeitsunfähigkeit und Invalidität I. Kategorie, eine Arbeitserlaubnis (§ 19 AFG) vom 28.02.1974, worin er als Elektriker bezeichnet wird, und eine Auskunft über Arbeitslosigkeit in Jugoslawien vom 01.01.1984 bis 01.10.1984, 10.01.1986 bis 30.11.1986 und 01.12.1987 bis 22.03.1989 beigebracht. Der jugoslawische Versicherungsträger hat am 26.01.2002 eine Versicherung bis 20.11.1997 bescheinigt.
Die Beklagte hatte zwischenzeitlich einen Versicherungsfall vom 10.04.2001 "anerkannt", da sich nach Feststellung von Dr. D. die Nierenfunktion verschlechtert habe.
Das LSG hat am 06.03.2002 ein weiteres Gutachten des Dr. R. eingeholt, wonach sich erst aus dem Bericht vom April 2001 eine Verschlimmerung ergebe, die aber noch um 6-8 Monate zurückdatiert werden könne. Bis dahin habe "grenzwertig" ein vollschichtiges Erwerbsvermögen vorgelegen.
Der Kläger stellt den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des vom SG Landshut vom 07.04.2000 sowie des Bescheides vom 08.10.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.12.1997 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.11.1996 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des SG Landshut vom 07.04. 2000 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die auf Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente gerichtete Berufung ist statthaft und zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 01.03.1993). Sie ist auch fristgemäß eingelegt (§§ 151 Abs. 1, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1, S. 2, 66 Abs. 2 SGG).
In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.
Ein Anspruch auf Regelaltersrente war nicht Gegenstand der getroffenen Entscheidung. Auf einen solchen Versicherungsfall war der 1993 gestellte Antrag des Klägers nicht gerichtet. Er hat auch nicht im Wege einer unter Umständen möglichen Klageänderung einen derartigen Antrag gestellt. Dennoch sei darauf hingewiesen, daß der Kläger mit dem Tag der Entscheidung das 65. Lebensjahr vollendet hat und außer der noch fehlenden Antragstellung nach derzeitiger Erkenntnislage einer solchen Leistung nichts entgegensteht.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger weder ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU - § 43 SGB VI) noch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU - § 44 SGB VI) zusteht. Auch nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Vorschriften des Reformgesetzes der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. 1827) ist dies nicht der Fall.
Da der Kläger vor dem streitigen Zeitraum eine Versicherungszeit von mehr als 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat, ist die Wartezeit der Versicherung gegen EU/BU (§§ 50, 51 SGB VI) erfüllt. Der am 14.05.1937 geborene Kläger war 37 Monate lang in Deutschland zwischen dem Juni 1971 bis Dezember 1974 versicherungspflichtig beschäftigt. Durch Zusammenrechnung (Art. 25 deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.1968 - DJUSVA - BGBl. II S. 1438) ist die allgemeine Wartezeit gegeben, was für eine Regelaltersrente genügt.
Der Kläger kann aber Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht beanspruchen, weil die letzten fünf Jahre vor dem zur Mitte des Jahres 2000 anzunehmenden (s.u.) Eintritts der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit nicht mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind (sog. drei-Fünftel Belegung; §§ 43 Abs. 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI), was nach in den neuesten Ermittlungen der Beklagten nur bis November 1999 der Fall ist. Damit fehlt es am persönlichen Anwendungsbereich der Anspruchsnormen für EU/BU. In Jugoslawien hat der Kläger zuletzt vom Januar 1990 bis 20.11.1997 durchgehend Beiträge entrichtet und wurde anschließend berentet. Wegen der vorangehenden Lücken bis Mai 1986 sowie ab November 1987 bis zum Januar 1990 kann er seinen vor der Einführung des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG 1984) erworbenen Anspruch nicht mehr weiter aufrechterhalten (Anwartschaftserhaltungszeiten: vgl. §§ 240, 241 SGB VI bzw. Art. 3 DJUSVA: freiwillige Weiterversicherung). Gründe für die Voraussetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zur Einräumung besonderer Nachtentrichtungsfristen sind nicht ersichtlich. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des sozialrechtlichen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger (oder ein für diesen handelnder Dritter) die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. z.B. BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 12 m.w.N.). Für eine derartige Pflichtverletzung gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Die Rentenversicherungsträger waren ohne besonderen Anlaß nicht verpflichtet, im Laufe des Jahres 1984 die möglicherweise durch das HBegleitG 1984 betroffenen Versicherten zu ermitteln und diese individuell über die geänderten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Renten wegen EU bzw BU zu informieren (vgl. BSGE 75, 199 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 48; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 12; BSG SozR 3-5750 Art. 2 § 6 Nr. 7). Nach den Feststellungen des LSG bestand für die Beklagte seinerzeit auch kein konkreter Anlaß zu einer entsprechenden Beratung des Klägers, denn dieser hat sich erstmals mit seinem Rentenantrag an die Beklagte gewandt und damit zu einem Zeitpunkt, als die Beitragslücken im Versicherungsverlauf nicht mehr geschlossen werden konnten. Ob ein Herstellungsanspruch auf eine unzureichende oder falsche Beratung durch jugoslawische Stellen gestützt werden könnte, kann dahinstehen, denn nach den Akten hat der Kläger auch dort nicht um entsprechende Beratung nachgesucht. Gegenteiliges ist auch nicht vorgetragen worden (BSG , Entscheidung vom 01.02.2001, Az: B 13 RJ 1/00 R).
Der die Einstandspflicht der Beklagten eigentlich begründende Tatbestand für eine Versicherung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (medizinischer Versicherungsfall) ist nicht vor Mitte des Jahres 2000 eingetreten. Die EU-Versicherung gewährt Nachteilausgleich durch Rente nur, falls der Versicherungsfall gegeben ist, d.h., das versicherte Gut, die Erwerbsfähigkeit des Versicherten, durch die in dieser Versicherung abgedeckten Risiken (Krankheit, Behinderung) in einem die gesetzliche oder richterrechtliche Anspruchsschwelle überschreitenden Maße dauerhaft beeinträchtigt ist. Dies ist nach ständiger höchstrichterlichen Rechtsprechung (zuletzt Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, BSGE 80, 24) schon dann der Fall, wenn ein untervollschichtiges Erwerbsvermögen vorhanden ist. Dann gilt der Arbeitmarkt als praktisch verschlossen. Daran hat sich auch durch das Reformgesetz von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. 1827) dem Grunde nach nichts geändert, wenngleich auch die "Opfergrenze" der zumutbaren Erwerbstätigkeit von 8 auf 6 Stunden herabgesetzt worden ist.
Der Beweis eines solchen schon vor Mitte des Jahres 2000 geminderten Leistungsvermögens ist nicht erbracht. Dies stützt der Senat auf die schlüssigen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. R ... Nach dessen Feststellungen waren dem Kläger zumindest leichte körperliche Tätigkeiten noch vollschichtig möglich und zumutbar. Sein Erwerbsvermögen war lediglich in qualitativer Hinsicht beeinträchtigt. Auch wenn Dr. R. bereits in seinem ersten Gutachten für das SG dieses Leistungsvermögen als grenzwertig bezeichnet hat, konnte er sich doch nicht zu einer Beurteilung dahingehend verstehen, dass dasselbe bereits unter das Ausmaß der Vollschichtigkeit herabgesunken war. Schließlich sind die Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit schlüssig, als sich erstmals den im Mai 2001 übersandten Arztberichten eine wesentliche Verschlimmerung entnehmen lässt. Dies bestätigte auf Nachfrage durch den Senat auch der Prüfarzt der Beklagten Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 06.08.2001. Erst aufgrund der im Berufungsverfahren nachgereichten medizinischen Unterlagen ist danach eine Verschlechterung des Gesundheitszustands anzunehmen. Auch mit dem sich logischerweise ergebenden weiteren Bemühen, Rückschlüsse auf den Beginn der Verschlimmerung aufgrund der im April 2001 erhobenen Befunde zu ziehen, konnte dem Kläger nicht geholfen werden. Der erneut befragte Sachverständige Dr. R. konnte eine erhebliche Minderung des Leistungsvermögens nur auf Mitte des Jahres 2000 (6-8 Monate zurück) feststellen.
Mit der Feststellung eines maßgeblichen Erwerbsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 44 SGB VI) sowie eines darin bestehenden vollschichtigen Erwerbsmögens entfällt für den Kläger gleichzeitig ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Nach der wegen des bereits 1996 gestellten Antrags anzuwendenden Vorschrift des § 43 SGB VI ist das festgestellte Leistungsvermögen zum bisherigen Beruf des Versicherten in Beziehung zu setzen. Gemäß § 43 Abs. 2 sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nach der von der Rechtsprechung entwickelten Stufentheorie zur Auslegung der sozialen Zumutbarkeit (Vier-Stufentheorie) genießt der Kläger keinen qualifizierten Berufsschutz. Damit ist er auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, auf dem er wie oben ausgeführt vollschichtig erwerbstätig sein kann. Auf der Stufe des Facharbeiters (3. Stufe) ist der Kläger deswegen nicht anzusiedeln, weil er keine Berufsausbildung im formellen Sinne (Berufsbildungsgesetz) mit einem entsprechenden Lehrabschluss durchlaufen hat. Eine Gleichstellung an Kenntnissen und Fähigkeiten aufgrund der in 37 Monaten ausgeübten Beschäftigung in Deutschland vom Juni 1971 bis Dezember 1974 kann - auch wegen der kurzen Zeitdauer - nicht erfolgen. Hierzu fehlt es am Nachweis des Erwerbs derartiger Kenntnisse und Fähigkeiten, die den Kläger auf die gleiche Stufe wie einen Facharbeiter stellen würden. Seine ehemaligen Arbeitgeber konnten keine Ausküfte mehr erteilen, so dass weder aufgrund der tariflichen Einstufung noch Aussagen über die Art seiner Tätigkeit (Anlerndauer, Höhergruppierung im Laufe der Berufstätigkeit) Indizien zur Annahme eines Facharbeiterstatus vorhanden sind.
Die Berufung war daher nach allem zurückzuweisen.
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Der am 1937 geborene Kläger hat vom Juni 1971 bis Dezember 1974 in Deutschland 37 Monate Versicherungszeiten erworben. In seiner Heimat Jugoslawien sind vom September bis November 1954, vom Januar bis Februar 1965, vom Juni 1966 bis Mai 1971, vom Mai 1986 bis November 1987 sowie vom Januar 1990 bis Dezember 1996 - lückenhaft - Versicherungszeiten nachgewiesen.
Am 03.10.1996 stellte der Kläger Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, den die Beklagte mit Bescheid vom 08.10.1997/Widerspruchsbescheid vom 15.12.1997 ablehnte; nach den ärztlich festgestellten Leistungseinschränkungen (Herzleistungsminderung bei Bluthochdruck, Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Verschleißerscheinungen, ohne Wurzelreizung, Nierensteine, Pyelonephritis rechts ohne Nierenfunktionsstörung und Minderung des Hörvermögens) sei der Kläger noch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Schicht- bzw. Nachtdienst, ohne Einwirkung von Lärm und in trockener normal temperierter Umgebung zu verrichten.
Dagegen hat der Kläger am 09.02.1998 Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben. Sein Gesundheitszustand sei nicht zutreffend beurteilt worden.
Das SG hat Auskünfte ehemaliger Arbeitgeber - ergebnislos - und ein medizinisches Gutachten nach Aktenlage von dem Internisten und Radiologen Dr. R. vom 14.01.2000 eingeholt. Der Sachverständige stellt folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Erheblicher Bluthochdruck mit organischen Herzveränderungen;
2. degenerative Wirbelsäulenveränderungen ohne Nervenwurzelreizung;
3. Nierensteinneigung ohne Nierenfunktionsstörung;
4. Schwerhörigkeit.
Damit könne der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten in sitzender Körperhaltung, in geschlossenen und temperierten Räumen ausüben. Stresswirkungen und besondere Anforderungen an das Hörvermögen sowie Lärmeinwirkungen seien zu vermeiden.
Durch Gerichtsbescheid vom 07.04.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder erwerbs- noch berufsunfähig. Der Sachverhalt sei in medizinischer Hinsicht durch das Gutachten nach Aktenlage hinreichend geklärt.
Mit seiner dagegen am 02.06.2000 zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung hat der Kläger erneut Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und wegen Berufsunfähigkeit als Elektriker begehrt. Dazu hat er ein Attest vom 10.04.2001 über Arbeitsunfähigkeit und Invalidität I. Kategorie, eine Arbeitserlaubnis (§ 19 AFG) vom 28.02.1974, worin er als Elektriker bezeichnet wird, und eine Auskunft über Arbeitslosigkeit in Jugoslawien vom 01.01.1984 bis 01.10.1984, 10.01.1986 bis 30.11.1986 und 01.12.1987 bis 22.03.1989 beigebracht. Der jugoslawische Versicherungsträger hat am 26.01.2002 eine Versicherung bis 20.11.1997 bescheinigt.
Die Beklagte hatte zwischenzeitlich einen Versicherungsfall vom 10.04.2001 "anerkannt", da sich nach Feststellung von Dr. D. die Nierenfunktion verschlechtert habe.
Das LSG hat am 06.03.2002 ein weiteres Gutachten des Dr. R. eingeholt, wonach sich erst aus dem Bericht vom April 2001 eine Verschlimmerung ergebe, die aber noch um 6-8 Monate zurückdatiert werden könne. Bis dahin habe "grenzwertig" ein vollschichtiges Erwerbsvermögen vorgelegen.
Der Kläger stellt den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des vom SG Landshut vom 07.04.2000 sowie des Bescheides vom 08.10.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.12.1997 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.11.1996 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des SG Landshut vom 07.04. 2000 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die auf Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente gerichtete Berufung ist statthaft und zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 01.03.1993). Sie ist auch fristgemäß eingelegt (§§ 151 Abs. 1, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1, S. 2, 66 Abs. 2 SGG).
In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.
Ein Anspruch auf Regelaltersrente war nicht Gegenstand der getroffenen Entscheidung. Auf einen solchen Versicherungsfall war der 1993 gestellte Antrag des Klägers nicht gerichtet. Er hat auch nicht im Wege einer unter Umständen möglichen Klageänderung einen derartigen Antrag gestellt. Dennoch sei darauf hingewiesen, daß der Kläger mit dem Tag der Entscheidung das 65. Lebensjahr vollendet hat und außer der noch fehlenden Antragstellung nach derzeitiger Erkenntnislage einer solchen Leistung nichts entgegensteht.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger weder ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU - § 43 SGB VI) noch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU - § 44 SGB VI) zusteht. Auch nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Vorschriften des Reformgesetzes der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. 1827) ist dies nicht der Fall.
Da der Kläger vor dem streitigen Zeitraum eine Versicherungszeit von mehr als 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat, ist die Wartezeit der Versicherung gegen EU/BU (§§ 50, 51 SGB VI) erfüllt. Der am 14.05.1937 geborene Kläger war 37 Monate lang in Deutschland zwischen dem Juni 1971 bis Dezember 1974 versicherungspflichtig beschäftigt. Durch Zusammenrechnung (Art. 25 deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.1968 - DJUSVA - BGBl. II S. 1438) ist die allgemeine Wartezeit gegeben, was für eine Regelaltersrente genügt.
Der Kläger kann aber Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht beanspruchen, weil die letzten fünf Jahre vor dem zur Mitte des Jahres 2000 anzunehmenden (s.u.) Eintritts der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit nicht mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind (sog. drei-Fünftel Belegung; §§ 43 Abs. 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI), was nach in den neuesten Ermittlungen der Beklagten nur bis November 1999 der Fall ist. Damit fehlt es am persönlichen Anwendungsbereich der Anspruchsnormen für EU/BU. In Jugoslawien hat der Kläger zuletzt vom Januar 1990 bis 20.11.1997 durchgehend Beiträge entrichtet und wurde anschließend berentet. Wegen der vorangehenden Lücken bis Mai 1986 sowie ab November 1987 bis zum Januar 1990 kann er seinen vor der Einführung des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG 1984) erworbenen Anspruch nicht mehr weiter aufrechterhalten (Anwartschaftserhaltungszeiten: vgl. §§ 240, 241 SGB VI bzw. Art. 3 DJUSVA: freiwillige Weiterversicherung). Gründe für die Voraussetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zur Einräumung besonderer Nachtentrichtungsfristen sind nicht ersichtlich. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des sozialrechtlichen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger (oder ein für diesen handelnder Dritter) die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. z.B. BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 12 m.w.N.). Für eine derartige Pflichtverletzung gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Die Rentenversicherungsträger waren ohne besonderen Anlaß nicht verpflichtet, im Laufe des Jahres 1984 die möglicherweise durch das HBegleitG 1984 betroffenen Versicherten zu ermitteln und diese individuell über die geänderten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Renten wegen EU bzw BU zu informieren (vgl. BSGE 75, 199 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 48; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 12; BSG SozR 3-5750 Art. 2 § 6 Nr. 7). Nach den Feststellungen des LSG bestand für die Beklagte seinerzeit auch kein konkreter Anlaß zu einer entsprechenden Beratung des Klägers, denn dieser hat sich erstmals mit seinem Rentenantrag an die Beklagte gewandt und damit zu einem Zeitpunkt, als die Beitragslücken im Versicherungsverlauf nicht mehr geschlossen werden konnten. Ob ein Herstellungsanspruch auf eine unzureichende oder falsche Beratung durch jugoslawische Stellen gestützt werden könnte, kann dahinstehen, denn nach den Akten hat der Kläger auch dort nicht um entsprechende Beratung nachgesucht. Gegenteiliges ist auch nicht vorgetragen worden (BSG , Entscheidung vom 01.02.2001, Az: B 13 RJ 1/00 R).
Der die Einstandspflicht der Beklagten eigentlich begründende Tatbestand für eine Versicherung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (medizinischer Versicherungsfall) ist nicht vor Mitte des Jahres 2000 eingetreten. Die EU-Versicherung gewährt Nachteilausgleich durch Rente nur, falls der Versicherungsfall gegeben ist, d.h., das versicherte Gut, die Erwerbsfähigkeit des Versicherten, durch die in dieser Versicherung abgedeckten Risiken (Krankheit, Behinderung) in einem die gesetzliche oder richterrechtliche Anspruchsschwelle überschreitenden Maße dauerhaft beeinträchtigt ist. Dies ist nach ständiger höchstrichterlichen Rechtsprechung (zuletzt Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, BSGE 80, 24) schon dann der Fall, wenn ein untervollschichtiges Erwerbsvermögen vorhanden ist. Dann gilt der Arbeitmarkt als praktisch verschlossen. Daran hat sich auch durch das Reformgesetz von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. 1827) dem Grunde nach nichts geändert, wenngleich auch die "Opfergrenze" der zumutbaren Erwerbstätigkeit von 8 auf 6 Stunden herabgesetzt worden ist.
Der Beweis eines solchen schon vor Mitte des Jahres 2000 geminderten Leistungsvermögens ist nicht erbracht. Dies stützt der Senat auf die schlüssigen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. R ... Nach dessen Feststellungen waren dem Kläger zumindest leichte körperliche Tätigkeiten noch vollschichtig möglich und zumutbar. Sein Erwerbsvermögen war lediglich in qualitativer Hinsicht beeinträchtigt. Auch wenn Dr. R. bereits in seinem ersten Gutachten für das SG dieses Leistungsvermögen als grenzwertig bezeichnet hat, konnte er sich doch nicht zu einer Beurteilung dahingehend verstehen, dass dasselbe bereits unter das Ausmaß der Vollschichtigkeit herabgesunken war. Schließlich sind die Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit schlüssig, als sich erstmals den im Mai 2001 übersandten Arztberichten eine wesentliche Verschlimmerung entnehmen lässt. Dies bestätigte auf Nachfrage durch den Senat auch der Prüfarzt der Beklagten Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 06.08.2001. Erst aufgrund der im Berufungsverfahren nachgereichten medizinischen Unterlagen ist danach eine Verschlechterung des Gesundheitszustands anzunehmen. Auch mit dem sich logischerweise ergebenden weiteren Bemühen, Rückschlüsse auf den Beginn der Verschlimmerung aufgrund der im April 2001 erhobenen Befunde zu ziehen, konnte dem Kläger nicht geholfen werden. Der erneut befragte Sachverständige Dr. R. konnte eine erhebliche Minderung des Leistungsvermögens nur auf Mitte des Jahres 2000 (6-8 Monate zurück) feststellen.
Mit der Feststellung eines maßgeblichen Erwerbsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 44 SGB VI) sowie eines darin bestehenden vollschichtigen Erwerbsmögens entfällt für den Kläger gleichzeitig ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Nach der wegen des bereits 1996 gestellten Antrags anzuwendenden Vorschrift des § 43 SGB VI ist das festgestellte Leistungsvermögen zum bisherigen Beruf des Versicherten in Beziehung zu setzen. Gemäß § 43 Abs. 2 sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nach der von der Rechtsprechung entwickelten Stufentheorie zur Auslegung der sozialen Zumutbarkeit (Vier-Stufentheorie) genießt der Kläger keinen qualifizierten Berufsschutz. Damit ist er auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, auf dem er wie oben ausgeführt vollschichtig erwerbstätig sein kann. Auf der Stufe des Facharbeiters (3. Stufe) ist der Kläger deswegen nicht anzusiedeln, weil er keine Berufsausbildung im formellen Sinne (Berufsbildungsgesetz) mit einem entsprechenden Lehrabschluss durchlaufen hat. Eine Gleichstellung an Kenntnissen und Fähigkeiten aufgrund der in 37 Monaten ausgeübten Beschäftigung in Deutschland vom Juni 1971 bis Dezember 1974 kann - auch wegen der kurzen Zeitdauer - nicht erfolgen. Hierzu fehlt es am Nachweis des Erwerbs derartiger Kenntnisse und Fähigkeiten, die den Kläger auf die gleiche Stufe wie einen Facharbeiter stellen würden. Seine ehemaligen Arbeitgeber konnten keine Ausküfte mehr erteilen, so dass weder aufgrund der tariflichen Einstufung noch Aussagen über die Art seiner Tätigkeit (Anlerndauer, Höhergruppierung im Laufe der Berufstätigkeit) Indizien zur Annahme eines Facharbeiterstatus vorhanden sind.
Die Berufung war daher nach allem zurückzuweisen.
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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