Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 267/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 323/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.04.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) über den 31.05.1997 hinaus.
Die am ...1946 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war in Deutschland als Montiererin, Kontrolleurin und Galvanikarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Am 28.08.1994 und 02.08.1995 war sie in Italien in Verkehrsunfälle verwickelt, bei denen sie zunächst einen Bruch des 2. Halswirbelkörpers und einen Kieferbruch und sodann eine Deckplattenimpressionsfraktur am neunten und elften Brustwirbelkörper, eine Schienbein- und Wadenbeinfraktur links und eine linksseitige Rippenfraktur erlitt; außerdem kam es zu einem Pneumothorax und zu Kontusionsherden der linken Lunge.
Wegen der Folgen dieser Unfälle beantragte die Klägerin am 20.05.1996 die Gewährung von Rente. Im Anschluss an die Gutachten der Sozialmedizinerin Dr.M ... vom 13.02.1997 und des Chirurgen Dr.L ... vom 22.05.1997 bewilligte die Beklagte mit Rücksicht auf die noch nicht vollständige Ausheilung der Unterschenkelfraktur links mit Bescheid vom 13.08.1997 Rente wegen EU auf Zeit vom 01.03.1996 bis 31.05.1997. Der gegen diesen Bescheid am 12.09.1997 erhobene Widerspruch, mit dem die Klägerin Rentenleistungen auf Dauer begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.02.1998).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht Nürnberg (SG) hat im vorbereitenden Verfahren das für die Z ... Versicherungs-AG erstellte unfallchirurgische Gutachten des Dr.R ... vom 15.08.1997, die Unterlagen und einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr.Ro ... sowie die Leistungsakte des Arbeitsamtes Nürnberg zum Verfahren beigezogen. Der zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.Sch ... ist in seinem Gutachten vom 22.10.1998 zu der Auffassung gelangt, die Klägerin könne zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch ganztags tätig sein und dabei leichte Tätigkeiten in wohltemperierten geschlossenen Räumen, überwiegend im Sitzen (unterbrochen durch kurzfristiges Gehen und Stehen), verrichten. Vermieden werden sollten wiederholte Überkopfarbeiten, Arbeiten mit stereotypen stärkeren Belastungen des linken Armes, Arbeiten mit wiederholtem Rumpf- oder Kniebeugen oder wiederholtem Heben von Lasten aus dem Kreuz oder aus den Knien heraus.
Dieser sozialmedizinischen Beurteilung hat sich das SG angeschlossen und die Klage mit Urteil vom 20.04.1999 abgewiesen. Nach dem von Dr.Sch ... gezeichneten Leistungsbild sei die Klägerin, wenn auch mit qualitativen Einschränkungen, noch vollschichtig einsetzbar. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass bei der Klägerin im außer-orthopädischen Bereich wesentliche Gesundheitsstörungen vorlägen. Da sie keinen Beruf erlernt habe, sei die Klägerin wieder auf alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, wenn dabei die vom gerichtlichen Sachverständigen genannten Einschränkungen berücksichtigt würden. Ab 01.06.1997 stehe daher Rente nicht mehr zu.
Gegen das am 10.06.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.07.1999 eingelegte Berufung der Klägerin: Sie leide immer noch unter den Folgen ihrer Verkehrsunfälle und sei ohne Gehhilfe nicht in der Lage, weitere Entfernungen zurückzulegen. Wegen der Gehbehinderung komme es immer wieder zu Stürzen und und erneuten Frakturen, wie dies zuletzt am 01.07.1999 geschehen sei. Auch verspüre sie bei den geringsten Berührungen des linken Kniegelenks heftige Schmerzen. Ergänzend macht die Klägerin geltend, sie habe sich durchgehend um Arbeitsstellen beworben und sei laufend beim Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldet. Wegen ihrer schlechten gesundheitlichen Konstitution sei ihr bislang aber kein Arbeitsplatz vermittelt worden.
Der Senat hat die Röntgenaufnahmen der Beklagten und des Klinikums Fürth sowie einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Allgemeinarztes Dr.Ro ... zum Verfahren beigezogen. Der zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Prof. Dr.W.Mo ... gelangte im Gutachten vom 21.08.2000 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne unter Beachtung funktioneller Einschränkungen leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus noch vollschichtig verrichten. Zusätzliche Pausen seien nicht notwendig; eine Gehstrecke von 4 x 500 Metern sei zumutbar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Nürnberg vom 20.04.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.08.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 16.02.1998 zu verurteilen, ihr über den 31.05.1997 hinaus Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 20.04.1999 wegen Verfristung zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der vom Senat beigezogenen Unterlagen der Beklagten und der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Monatsfrist zur Einlegung der Berufung gemäß § 151 Abs 1 SGG gewahrt. Denn das angefochtene Urteil des SG Nürnberg wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 10.06.1999 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung endete jedoch nicht am 10.07.1999, der ein Samstag war, sondern gemäß § 64 Abs 2 SGG am darauffolgenden Montag (12.07.1999). Der Senat konnte gemäß § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis gegeben haben.
In der Sache hat das Rechtsmittel der Klägerin keinen Erfolg. Das SG hat vielmehr zu Recht festgestellt, dass der Klägerin ab 01.06.1997 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht. Sie ist über den Wegfall der Zeitrente (31.05.1997) hinaus weder berufs- noch erwerbsunfähig iS des Gesetzes.
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhält die Versicherte, die die Wartezeit und die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt und berufs- oder erwerbsunfähig ist. Bei der Klägerin liegt schon Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vor. Danach sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Diese Voraussetzungen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) erfüllt die Klägerin nicht, da die festgestellten Gesundheitsstörungen nicht so ausgeprägt sind, dass ihr nicht noch vollschichtig zumindest leichte Tätigkeiten möglich wären, zumal weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt und deshalb die Arbeitsmarktlage bei der Beurteilung der BU außer Betracht zu bleiben hat (vgl BSG in SozR 3-2200 § 1247 Nr 20).
Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen schränken ihre Einsatzfähigkeit weder für sich allein noch in der Gesamtschau in einem rentenrechtlich erheblichen Umfange ein. Nach den Befunderhebungen und Untersuchungsergebnissen des vom Senat gehörten ärztlichen Sachverständigen Prof. Dr.W.Mo ... ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin im Wesentlichen durch folgende Gesundheitsstörungen eingeschränkt:
1. Linksseitiger Hüftgelenksverschleiß als Folge eines Verkehrsunfalles.
2. Chronische Wirbelsäulenbeschwerden im Rücken- und Brustbereich als Folge eines gestörten statischen Aufbaus (hohlrun der Rücken) mit dadurch erklärbaren, gehäuft auftretenden Kreuzschmerzen.
3. Geringere Beschwerden im linken Schultergelenk nach sogenannter typischer subkapitaler Fraktur (klassischer Bruch unterhalb des Oberarmkopfes).
Diese Gesundheitsstörungen, auf welche die Klägerin ihr Rentenbegehren stützt, bedingen jedoch weder Erwerbs- noch Berufsunfähigkeit über den 31.05.1997 hinaus. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des von ihm gehörten Sachverständigen Prof. Dr.W.Mo ... im Gutachten vom 21.08.2000. Danach sind die (knöchernen) Aufbraucherscheinungen bei der Klägerin im Wesentlichen unbedeutend. Dies gilt sowohl für die Wirbelsäule als auch für die betroffenen Gelenke mit Ausnahme des linken Hüftgelenkes. Die Wirbelsäule weist eine nur geringgradige Veränderung des statischen Aufbaus mit einem hohlrunden Rücken auf. Sie ist aber gut beweglich; ein Bewegungsschmerz wurde von der Klägerin nicht angegeben. Bezüglich der bei den Verkehrsunfällen erlittenen Frakturen weist Prof. Dr.W.Mo ... darauf hin, dass diese nahezu folgenlos verheilt sind und deshalb das statische Gefüge sowie den Wirbelsäulenaufbau nicht (mehr) einschränken. Die Pfannenbodenfraktur (mit sekundärer Pfannenprotrusion) hat bisher noch zu keinen wesentlichen arthrotischen Veränderungen geführt. Die Beweglichkeit des linken Hüftgelenkes ist zwar - mäßig - eingeschränkt, nach den Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen aber so weit erhalten, dass alle wichtigen Funktionen einschließlich des Sitzens möglich sind. Insoweit ist eine Befundverschlimmerung zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht zwingend zu erwarten, da der Hüftkopf nicht wesentlich verändert ist und vor allem noch keine ausgesprochene Hüftkopfnekrose vorliegt. Soweit die Klägerin Schmerzen in der linken Hüfte angibt, haben diese wegen der dort bestehenden posttraumatischen Strukturveränderungen eine reelle Basis und sind deswegen durchaus glaubhaft; allerdings ist zu bemerken, dass im Bereich des rechten Hüftgelenks weitgehend normale Verhältnisse bestehen, weshalb beispielsweise bei stehender Arbeitsposition eine die linke Seite entlastende Verlagerung des Hauptgewichts auf das rechte Bein und die rechte Hüfte erfolgen kann.
In der zusammenfassenden Würdigung der bei der Klägerin auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen hat der ärztliche Sachverständige deutlich darauf hingewiesen, dass der Zustand der Klägerin im Alter von gut 50 Jahren insgesamt so ist, wie er in diesem Alter zu sein pflegt. Die Folgen der Verkehrsunfälle hat die Klägerin bemerkenswert gut bewältigt. Sie ist daher - damit findet sich Prof. Dr.Mo ... in Übereinstimmung mit den bisher gehörten ärztlichen Sachverständigen - für leichte Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des im Juli 1999 erlittenen Bruchs des linken Oberarmkopfes. Diese Fraktur ist nach der Beurteilung Prof.Dr.Mo ...s so gut verheilt, dass sie auch röntgenologisch nicht mehr feststellbar ist. In der Gesamtbeurteilung lässt der Sachverständige keinen Zweifel daran, dass der Klägerin eine leichte Ganztagsbeschäftigung zumutbar ist, wenn damit keine schweren körperlichen Arbeiten, keine monotone Körperhaltung, keine Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten oder Einordnen von Lasten in übergeordnete Regale sowie keine häufigen Drehbewegungen verbunden sind.
Die Kägerin ist damit in der Lage, bei Beachtung der von Prof.Mo ... aufgezeigten Einschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Auf entsprechende Tätigkeiten muss sie sich zumutbar verweisen lassen. Denn sie genießt nach ihrem beruflichen Werdegang und im Hinblick auf ihr versicherungspflichtiges Erwerbsleben keinen Berufsschutz. Die Klägerin hat keine Prüfung in einem Fachberuf abgelegt und war auch nicht als Facharbeiterin oder längerfristig angelernte Arbeiterin versicherungspflichtig tätig. Bei den im Rentenverfahren angegebenen Berufsverrichtungen handelt es sich durchwegs um ungelernte Arbeiten - das gilt auch für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Galvanikarbeiterin -, für die erfahrungsgemäß eine Einarbeitung von wenigen Tagen genügt. Die Klägerin ist daher im Rahmen des vom BSG entwickelten Mehrstufenschemas ohne Einschränkung auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Da die Klägerin unter Einbeziehung aller bei ihr festgestellten Gesundheitsstörungen nicht an der Ausübung einer regelmäßigen Ganztagsbeschäftigung gehindert ist, braucht vorliegend auch eine zustandsangemessene Tätigkeit weder nachgewiesen noch benannt zu werden. Bei den aus arbeitsmedizinischer Sicht genannten Einsatzbedingungen, die zum Schutz der Klägerin vor unzumutbaren Belastungen am Arbeitsplatz eingehalten werden müssen, handelt es sich zur Überzeugung des Senats nicht um Einschränkungen, die entweder als "gravierende Einzelbehinderung" oder durch eine außergewöhnliche "Summierung einer Mehrzahl krankheitsbedingter Leistungseinschränkungen" einen denkbaren Arbeitseinsatz auf so wenige Gelegenheiten reduzieren, dass diese wegen Geringfügigkeit außer Betracht zu bleiben hätten. Solange eine Versicherte im Stande ist, unter betriebsüblichen Bedingungen noch vollschichtig und regelmäßig Erwerbsarbeit zu leisten, besteht keine Pflicht der Verwaltung und Gerichte, konkrete Arbeitsplätze und Verweisungstätigkeiten mit im Einzelnen nachprüfbaren Belastungselementen zu benennen. Vielmehr ist in solchen Fällen von einer ausreichenden Zahl vorhandener Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen (BSG in SozR 2000 § 1246 Nr 90).
Für den streitigen Rentenanspruch ist schließlich auch der Umstand unbeachtlich, dass die Klägerin keinen ihrem Leistungsvermögen angepassten Arbeitsplatz inne hat. Der Senat verkennt nicht, dass es für die Klägerin mit Rücksicht auf die gegenwärtige Arbeitsmarktlage, insbesondere im Hinblick auf ihre Arbeitsentwöhnung und ihr Alter, schwierig sein wird, einen zustandsangemessenen Arbeitsplatz in abhängiger Beschäftigung zu finden. Dieses Risiko hat jedoch nicht der hier beklagte Versicherungsrententräger, sondern die Arbeitslosenversicherung zu tragen.
Bei der Klägerin liegen und lagen somit über den 31.05.1997 die Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen BU nicht vor. Daraus folgt zugleich, dass auch ein Anspruch auf Rente wegen EU, der an noch weitergehende Voraussetzungen geknüpft ist, nicht besteht. Die Berufung der Klägerin musste daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) über den 31.05.1997 hinaus.
Die am ...1946 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war in Deutschland als Montiererin, Kontrolleurin und Galvanikarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Am 28.08.1994 und 02.08.1995 war sie in Italien in Verkehrsunfälle verwickelt, bei denen sie zunächst einen Bruch des 2. Halswirbelkörpers und einen Kieferbruch und sodann eine Deckplattenimpressionsfraktur am neunten und elften Brustwirbelkörper, eine Schienbein- und Wadenbeinfraktur links und eine linksseitige Rippenfraktur erlitt; außerdem kam es zu einem Pneumothorax und zu Kontusionsherden der linken Lunge.
Wegen der Folgen dieser Unfälle beantragte die Klägerin am 20.05.1996 die Gewährung von Rente. Im Anschluss an die Gutachten der Sozialmedizinerin Dr.M ... vom 13.02.1997 und des Chirurgen Dr.L ... vom 22.05.1997 bewilligte die Beklagte mit Rücksicht auf die noch nicht vollständige Ausheilung der Unterschenkelfraktur links mit Bescheid vom 13.08.1997 Rente wegen EU auf Zeit vom 01.03.1996 bis 31.05.1997. Der gegen diesen Bescheid am 12.09.1997 erhobene Widerspruch, mit dem die Klägerin Rentenleistungen auf Dauer begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.02.1998).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht Nürnberg (SG) hat im vorbereitenden Verfahren das für die Z ... Versicherungs-AG erstellte unfallchirurgische Gutachten des Dr.R ... vom 15.08.1997, die Unterlagen und einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr.Ro ... sowie die Leistungsakte des Arbeitsamtes Nürnberg zum Verfahren beigezogen. Der zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.Sch ... ist in seinem Gutachten vom 22.10.1998 zu der Auffassung gelangt, die Klägerin könne zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch ganztags tätig sein und dabei leichte Tätigkeiten in wohltemperierten geschlossenen Räumen, überwiegend im Sitzen (unterbrochen durch kurzfristiges Gehen und Stehen), verrichten. Vermieden werden sollten wiederholte Überkopfarbeiten, Arbeiten mit stereotypen stärkeren Belastungen des linken Armes, Arbeiten mit wiederholtem Rumpf- oder Kniebeugen oder wiederholtem Heben von Lasten aus dem Kreuz oder aus den Knien heraus.
Dieser sozialmedizinischen Beurteilung hat sich das SG angeschlossen und die Klage mit Urteil vom 20.04.1999 abgewiesen. Nach dem von Dr.Sch ... gezeichneten Leistungsbild sei die Klägerin, wenn auch mit qualitativen Einschränkungen, noch vollschichtig einsetzbar. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass bei der Klägerin im außer-orthopädischen Bereich wesentliche Gesundheitsstörungen vorlägen. Da sie keinen Beruf erlernt habe, sei die Klägerin wieder auf alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, wenn dabei die vom gerichtlichen Sachverständigen genannten Einschränkungen berücksichtigt würden. Ab 01.06.1997 stehe daher Rente nicht mehr zu.
Gegen das am 10.06.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.07.1999 eingelegte Berufung der Klägerin: Sie leide immer noch unter den Folgen ihrer Verkehrsunfälle und sei ohne Gehhilfe nicht in der Lage, weitere Entfernungen zurückzulegen. Wegen der Gehbehinderung komme es immer wieder zu Stürzen und und erneuten Frakturen, wie dies zuletzt am 01.07.1999 geschehen sei. Auch verspüre sie bei den geringsten Berührungen des linken Kniegelenks heftige Schmerzen. Ergänzend macht die Klägerin geltend, sie habe sich durchgehend um Arbeitsstellen beworben und sei laufend beim Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldet. Wegen ihrer schlechten gesundheitlichen Konstitution sei ihr bislang aber kein Arbeitsplatz vermittelt worden.
Der Senat hat die Röntgenaufnahmen der Beklagten und des Klinikums Fürth sowie einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Allgemeinarztes Dr.Ro ... zum Verfahren beigezogen. Der zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Prof. Dr.W.Mo ... gelangte im Gutachten vom 21.08.2000 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne unter Beachtung funktioneller Einschränkungen leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus noch vollschichtig verrichten. Zusätzliche Pausen seien nicht notwendig; eine Gehstrecke von 4 x 500 Metern sei zumutbar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Nürnberg vom 20.04.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.08.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 16.02.1998 zu verurteilen, ihr über den 31.05.1997 hinaus Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 20.04.1999 wegen Verfristung zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der vom Senat beigezogenen Unterlagen der Beklagten und der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Monatsfrist zur Einlegung der Berufung gemäß § 151 Abs 1 SGG gewahrt. Denn das angefochtene Urteil des SG Nürnberg wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 10.06.1999 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung endete jedoch nicht am 10.07.1999, der ein Samstag war, sondern gemäß § 64 Abs 2 SGG am darauffolgenden Montag (12.07.1999). Der Senat konnte gemäß § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis gegeben haben.
In der Sache hat das Rechtsmittel der Klägerin keinen Erfolg. Das SG hat vielmehr zu Recht festgestellt, dass der Klägerin ab 01.06.1997 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht. Sie ist über den Wegfall der Zeitrente (31.05.1997) hinaus weder berufs- noch erwerbsunfähig iS des Gesetzes.
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhält die Versicherte, die die Wartezeit und die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt und berufs- oder erwerbsunfähig ist. Bei der Klägerin liegt schon Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vor. Danach sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Diese Voraussetzungen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) erfüllt die Klägerin nicht, da die festgestellten Gesundheitsstörungen nicht so ausgeprägt sind, dass ihr nicht noch vollschichtig zumindest leichte Tätigkeiten möglich wären, zumal weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt und deshalb die Arbeitsmarktlage bei der Beurteilung der BU außer Betracht zu bleiben hat (vgl BSG in SozR 3-2200 § 1247 Nr 20).
Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen schränken ihre Einsatzfähigkeit weder für sich allein noch in der Gesamtschau in einem rentenrechtlich erheblichen Umfange ein. Nach den Befunderhebungen und Untersuchungsergebnissen des vom Senat gehörten ärztlichen Sachverständigen Prof. Dr.W.Mo ... ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin im Wesentlichen durch folgende Gesundheitsstörungen eingeschränkt:
1. Linksseitiger Hüftgelenksverschleiß als Folge eines Verkehrsunfalles.
2. Chronische Wirbelsäulenbeschwerden im Rücken- und Brustbereich als Folge eines gestörten statischen Aufbaus (hohlrun der Rücken) mit dadurch erklärbaren, gehäuft auftretenden Kreuzschmerzen.
3. Geringere Beschwerden im linken Schultergelenk nach sogenannter typischer subkapitaler Fraktur (klassischer Bruch unterhalb des Oberarmkopfes).
Diese Gesundheitsstörungen, auf welche die Klägerin ihr Rentenbegehren stützt, bedingen jedoch weder Erwerbs- noch Berufsunfähigkeit über den 31.05.1997 hinaus. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des von ihm gehörten Sachverständigen Prof. Dr.W.Mo ... im Gutachten vom 21.08.2000. Danach sind die (knöchernen) Aufbraucherscheinungen bei der Klägerin im Wesentlichen unbedeutend. Dies gilt sowohl für die Wirbelsäule als auch für die betroffenen Gelenke mit Ausnahme des linken Hüftgelenkes. Die Wirbelsäule weist eine nur geringgradige Veränderung des statischen Aufbaus mit einem hohlrunden Rücken auf. Sie ist aber gut beweglich; ein Bewegungsschmerz wurde von der Klägerin nicht angegeben. Bezüglich der bei den Verkehrsunfällen erlittenen Frakturen weist Prof. Dr.W.Mo ... darauf hin, dass diese nahezu folgenlos verheilt sind und deshalb das statische Gefüge sowie den Wirbelsäulenaufbau nicht (mehr) einschränken. Die Pfannenbodenfraktur (mit sekundärer Pfannenprotrusion) hat bisher noch zu keinen wesentlichen arthrotischen Veränderungen geführt. Die Beweglichkeit des linken Hüftgelenkes ist zwar - mäßig - eingeschränkt, nach den Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen aber so weit erhalten, dass alle wichtigen Funktionen einschließlich des Sitzens möglich sind. Insoweit ist eine Befundverschlimmerung zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht zwingend zu erwarten, da der Hüftkopf nicht wesentlich verändert ist und vor allem noch keine ausgesprochene Hüftkopfnekrose vorliegt. Soweit die Klägerin Schmerzen in der linken Hüfte angibt, haben diese wegen der dort bestehenden posttraumatischen Strukturveränderungen eine reelle Basis und sind deswegen durchaus glaubhaft; allerdings ist zu bemerken, dass im Bereich des rechten Hüftgelenks weitgehend normale Verhältnisse bestehen, weshalb beispielsweise bei stehender Arbeitsposition eine die linke Seite entlastende Verlagerung des Hauptgewichts auf das rechte Bein und die rechte Hüfte erfolgen kann.
In der zusammenfassenden Würdigung der bei der Klägerin auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen hat der ärztliche Sachverständige deutlich darauf hingewiesen, dass der Zustand der Klägerin im Alter von gut 50 Jahren insgesamt so ist, wie er in diesem Alter zu sein pflegt. Die Folgen der Verkehrsunfälle hat die Klägerin bemerkenswert gut bewältigt. Sie ist daher - damit findet sich Prof. Dr.Mo ... in Übereinstimmung mit den bisher gehörten ärztlichen Sachverständigen - für leichte Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des im Juli 1999 erlittenen Bruchs des linken Oberarmkopfes. Diese Fraktur ist nach der Beurteilung Prof.Dr.Mo ...s so gut verheilt, dass sie auch röntgenologisch nicht mehr feststellbar ist. In der Gesamtbeurteilung lässt der Sachverständige keinen Zweifel daran, dass der Klägerin eine leichte Ganztagsbeschäftigung zumutbar ist, wenn damit keine schweren körperlichen Arbeiten, keine monotone Körperhaltung, keine Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten oder Einordnen von Lasten in übergeordnete Regale sowie keine häufigen Drehbewegungen verbunden sind.
Die Kägerin ist damit in der Lage, bei Beachtung der von Prof.Mo ... aufgezeigten Einschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Auf entsprechende Tätigkeiten muss sie sich zumutbar verweisen lassen. Denn sie genießt nach ihrem beruflichen Werdegang und im Hinblick auf ihr versicherungspflichtiges Erwerbsleben keinen Berufsschutz. Die Klägerin hat keine Prüfung in einem Fachberuf abgelegt und war auch nicht als Facharbeiterin oder längerfristig angelernte Arbeiterin versicherungspflichtig tätig. Bei den im Rentenverfahren angegebenen Berufsverrichtungen handelt es sich durchwegs um ungelernte Arbeiten - das gilt auch für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Galvanikarbeiterin -, für die erfahrungsgemäß eine Einarbeitung von wenigen Tagen genügt. Die Klägerin ist daher im Rahmen des vom BSG entwickelten Mehrstufenschemas ohne Einschränkung auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Da die Klägerin unter Einbeziehung aller bei ihr festgestellten Gesundheitsstörungen nicht an der Ausübung einer regelmäßigen Ganztagsbeschäftigung gehindert ist, braucht vorliegend auch eine zustandsangemessene Tätigkeit weder nachgewiesen noch benannt zu werden. Bei den aus arbeitsmedizinischer Sicht genannten Einsatzbedingungen, die zum Schutz der Klägerin vor unzumutbaren Belastungen am Arbeitsplatz eingehalten werden müssen, handelt es sich zur Überzeugung des Senats nicht um Einschränkungen, die entweder als "gravierende Einzelbehinderung" oder durch eine außergewöhnliche "Summierung einer Mehrzahl krankheitsbedingter Leistungseinschränkungen" einen denkbaren Arbeitseinsatz auf so wenige Gelegenheiten reduzieren, dass diese wegen Geringfügigkeit außer Betracht zu bleiben hätten. Solange eine Versicherte im Stande ist, unter betriebsüblichen Bedingungen noch vollschichtig und regelmäßig Erwerbsarbeit zu leisten, besteht keine Pflicht der Verwaltung und Gerichte, konkrete Arbeitsplätze und Verweisungstätigkeiten mit im Einzelnen nachprüfbaren Belastungselementen zu benennen. Vielmehr ist in solchen Fällen von einer ausreichenden Zahl vorhandener Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen (BSG in SozR 2000 § 1246 Nr 90).
Für den streitigen Rentenanspruch ist schließlich auch der Umstand unbeachtlich, dass die Klägerin keinen ihrem Leistungsvermögen angepassten Arbeitsplatz inne hat. Der Senat verkennt nicht, dass es für die Klägerin mit Rücksicht auf die gegenwärtige Arbeitsmarktlage, insbesondere im Hinblick auf ihre Arbeitsentwöhnung und ihr Alter, schwierig sein wird, einen zustandsangemessenen Arbeitsplatz in abhängiger Beschäftigung zu finden. Dieses Risiko hat jedoch nicht der hier beklagte Versicherungsrententräger, sondern die Arbeitslosenversicherung zu tragen.
Bei der Klägerin liegen und lagen somit über den 31.05.1997 die Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen BU nicht vor. Daraus folgt zugleich, dass auch ein Anspruch auf Rente wegen EU, der an noch weitergehende Voraussetzungen geknüpft ist, nicht besteht. Die Berufung der Klägerin musste daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.
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