L 14 RJ 327/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 544/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 327/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Auslandsrentenrecht (1979 - 1984) und zur Rentenberechtigung eines marokkanischen Versicherten, dem seine Versicherungsbeiträge im Jahr 1984 erstattet worden sind.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Altersrente.

Der im Jahre 1932 geborene Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seinem Heimatland, hat - laut einem Speicherauszug der Beklagten - am 16.06.1984 die Erstattung der vom 09.07.1969 bis 30.06.1984 zur Rentenversicherung abgeführten Beiträge beantragt. Mit Bescheid der Beigeladenen vom 13.08.1984 wurden ihm Arbeitnehmeranteile in Höhe von 39.119,30 DM erstattet. Mit Ausnahme von 38,40 DM erfolgte die Zahlung wegen einer Abtretungserklärung des Klägers an eine deutsche Teilzahlungsbank.

Im Mai 1994 bat der Kläger die Beklagte um Übersendung eines Formulars für die Beantragung der Altersrente, falls ein Anspruch auf Rente bzw. Versorgungsrente zustehe, anderenfalls um Erteilung entsprechender Bescheide (gemeint: eines rechtsmittelfähigen ablehnenden Bescheids). Die Beklagte lehnte den "Antrag auf Gewährung einer Regelaltersrente" mit der Begründung ab, daß die Rentenversicherungsbeiträge erstattet worden seien und aus diesen Beiträgen keine Leistungsansprüche mehr entstehen könnten.

Gegen den diesbezüglichen Bescheid vom 28.06.1994 legte der Kläger im August 1994 Widerspruch ein und trug vor, er sei Analphabet und ungelernter Arbeiter; er habe damals nicht gewußt, daß es sich um eine Beitragserstattung gehandelt habe, vielmehr gedacht, es ginge um eine Prämie für ausländische Gastarbeiter, falls diese Deutschland verließen. Er müsse sieben Kinder ernähren, erhalte in Marokko weder Rente noch Sozialhilfe und sei einverstanden, daß die erstatteten und wieder einzubezahlenden Versicherungsbeiträge von der laufenden Rente einbehalten würden.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten zog die damals noch vorhandene Beitragserstattungsakte der Beigeladenen bei und wies dann den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.1994 zurück, weil der Kläger aufgrund der Erstattung so stehe, als ob Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung nie entrichtet worden seien. Es sei nicht glaubhaft, daß er sich über die Tragweite seiner damaligen Erklärung nicht im klaren gewesen sei; zumindest ergebe sich aus der beigezogenen Akte kein Hinweis darauf. Im Bescheid vom 13.08.1984 sei zudem auf die Folgen der Erstattung aufmerksam gemacht worden. Hierüber hätte sich der Kläger bei der Auskunfts- und Beratungsstelle aufklären lassen können, wenn wegen mangelnder Sprachkenntnisse noch Zweifel vorhanden gewesen wären.

Mit der beim Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage trug der Kläger vor, er habe nie eine Schule besucht und sei in Marokko nur als Bauer tätig gewesen. In Deutschland habe ihm ein Dolmetscher versichert, daß Altersrente nur bei Verbleiben in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) gezahlt werde. Deshalb sei er gezwungen gewesen, sich die Rente auszahlen zu lassen; er habe nämlich in sein Heimatland zurückkehren wollen.

Im Rahmen eines wegen Prozeßkostenhilfe angestrengten Beschwerdeverfahrens behauptete der Kläger weiterhin, er habe im Jahre 1975 bei der Landesversicherungsanstalt Anfrage über die Rentengewährung gehalten und die Mitteilung bekommen, Rente würde nur an in Deutschland wohnende Ausländer gewährt. Die Frage, ob eine solche Rentenverweigerung verfassungsgemäß sei, sei damals bereits höchst streitig gewesen. Er hätte bereits 1975/76 darauf hingewiesen werden müssen, daß zur Frage der Gewährung einer Auslandsrente ins Ausland ein verfassungsgerichtliches Verfahren unter 1 BvR 111/74 und 1 BvR 283/78 anhängig gewesen sei. Dann hätte er seinen Erstattungsanspruch bis zur Reformierung des Auslandsrentenrechts zurückgestellt.

Der Versicherungsträger sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet, die erstatteten Beiträge wieder zurückzunehmen, damit das alte Versicherungsverhältnis wieder auflebe. Eine Korrektur sei möglich, wie die Vorschrift des § 282 Sozialgesetzbuch Teil VI (SGB VI) über die Heiratserstattung aufzeige.

Im übrigen begründete der Kläger die Verpflichtung der Beklagten mit § 44 Sozialgesetzbuch Teil X (SGB X), hilfsweise mit § 45 SGB X, und äußerte sich auch zum Sinn und Zweck der Frist des § 45 Abs.3 SGB X.

Die Beklagte wies auf das wortgleiche Vorbringen eines anderen marokkanischen Klägers in der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht 13 BH (J) 21/94 hin und regte das Ruhen des Verfahrens erster Instanz an.

Nach zeitweiligem Ruhen des Rechtsstreits wurde dieser im September 1996 wieder aufgenommen. Nunmehr behauptete der Kläger, er habe 15 Jahre in Deutschland gearbeitet, aber die deutsche Sprache nicht schreiben und verstehen können und daher niemals gewußt, daß er keine Rente mehr erhalte.

Das Sozialgericht stellte fest, daß die ehemalig beim Bundessozialgericht unter dem Az.: 13 BH (J) 21/94 anhängige Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 27.02.1996 (13 BJ 85/95) als unzulässig verworfen worden ist, und ordnete dem Kläger im Wege der Prozeßkostenhilfe einen Rechtsanwalt bei.

Dieser machte geltend, anläßlich des Beitragserstattungsantrags vom 16.06.1984 hätte sich dem Sachbearbeiter der Beigeladenen aufdrängen müssen, den Kläger darauf hinzuweisen, daß ihm mit Erstattung jegliche späteren Rentenansprüche verloren gingen. Dies um so mehr, als mit dem Rentenanpassungsgesetz 1982 vom 01.12.1981 eine Änderung des Auslandsrentenrechts rückwirkend ab 01.06.1979 eingetreten sei und nunmehr auch der Bezug einer Rente im Ausland möglich gewesen wäre. Der Kläger hätte dann auf den Eintritt der Voraussetzungen der Altersrente gewartet.

Die nötige Beratung sei unterlassen worden. Ein Zusatz im Erstattungsbescheid dergestalt, daß weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausgeschlossen seien, sei nicht genügend. Für einen Laien wie den Kläger heiße dies noch lange nicht, daß er bei Beitragserstattung später keine Ansprüche auf Altersrente haben werde.

Die Beklagte wies nunmehr hinsichtlich der Prüfung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und der Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB X auf die Zuständigkeit der Beigeladenen hin, deren Einbeziehung in das Streitverfahren mit Beschluss des Sozialgerichts vom 08.12.1997 erfolgte.

Die Beigeladene trug vor, zum Zeitpunkt des Antrags des Klägers sei in das von ihr verwendete Formblatt VA 7-2 bereits der Hinweis aufgenommen worden, daß auch an im Ausland sich gewöhnlich aufhaltende Nicht-Deutsche Rente gezahlt werden könne. Der 30.06.1984 sei der letzte Tag gewesen, an dem - aufgrund des Gesetzes zur Förderung der Rückkehrbereitschaft der Ausländer - der Kläger einen Erstattungsantrag hätte stellen können. Nachdem inzwischen die Erstattungsunterlagen nicht mehr vorhanden seien, sei davon auszugehen, daß der Kläger hiervon Gebrauch gemacht habe.

Der Kläger trug vor, dies stimme nicht, die Beigeladene habe ihm im Jahre 1982 im Gegenteil gesagt, daß für Ausländer keine Rente ins Ausland gezahlt werde.

Den Antrag, die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Altersrente zu verurteilen, wies das Sozialgericht mit Urteil vom 13.05.1998 ab.

Es erscheine nicht glaubhaft, daß der Kläger über die Tragweite seines damaligen Erstattungsantrags im Unklaren gewesen sei; die Beklagte habe ihn durch eine herausgegebene Sonderinformation und das entsprechende Merkblatt informiert; bei Zweifeln hätte sich der Kläger in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beigeladenen beraten lassen können. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden - bei Vorfinanzierung der zu erwartenden Beiträge durch eine Bank - habe in der Regel eine umfassende Aufklärung stattgefunden. Sollte sich der Kläger eines Bevollmächtigten oder Dolmetschers bedient haben, so könne dies nicht zu Lasten der Beigeladenen oder der Beklagten gehen. Nach Meinung der Kammer sei es dem im Jahre 1984 52-jährigen Kläger bei seiner Rückkehr nach Marokko nicht so sehr um eine Aufrechterhaltung seines eventuellen Rentenanspruchs gegangen als darum, mit einer beträchtlichen Summe in der Höhe von rund 40.000,- DM zurückkehren zu können. Auch die Vorschriften der §§ 44, 45 SGB X rechtfertigten keine andere Entscheidung, zumal die dort genannten Voraussetzungen nicht gegeben seien.

Nach Zustellung des Urteils erteilte die Beklagte den Bescheid vom 10.06.1998, mit dem sie dem Kläger noch einen Betrag von 41,07 DM (9,25% von 444,- DM, Entgelt aus einer bisher nicht berücksichtigten Mehrfachbeschäftigung im ersten Halbjahr 1984) - erstattete.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung macht der Kläger geltend, der Bescheid über die Rentenabfindung in Höhe von 39.119,30 DM sei aufzuheben und ihm mit einem neuen Bescheid Altersrente unter Einbehaltung der laufenden Rentenzahlungen zur Tilgung der Beitragsschuld zu gewähren.

Der Senat hat die Akte der Beklagten beigezogen und die Beigeladene sowie den Kläger befragt.

Die Beigeladene gibt an, früher wie auch heute bei ihren Auskunfts-und Beratungsstellen keinen Dolmetscher zu beschäftigen. Im Jahre 1984 sei lediglich ein hauptamtlicher Übersetzer für schriftliche Übersetzungen unter anderem aus der französischen in die deutsche Sprache in ihrem Hause tätig gewesen, aber nicht im Rahmen der Auskunft und Beratung eingesetzt worden. Hierfür habe auch kein anderer Mitarbeiter zur Verfügung gestanden. In Deutschland biete sie ferner keine besonderen Sprechtage an, an denen ein Dolmetscher eingesetzt werde. Erfahrungsgemäß bedienten sich ausländische Versicherte für eventuell erforderliche Übersetzer- oder Dolmetschertätigkeiten eines deutschkundigen Bekannten oder Verwandten.

Der Kläger gibt an, er habe von Ausländern gehört, daß nur die in Deutschland bleibenden Ausländer Rente beziehen könnten. Weil er Heimweh gehabt habe, habe er sich abfinden lassen. Der Erstattungsantrag sei bei einer Bank in Düsseldorf ausgefüllt worden, wo auch die Unterlagen verblieben seien. In der Bank habe es vier Dolmetscher gegeben, die die Auskünfte zur Beitragserstattung übersetzt hätten. Jedes Land habe seinen eigenen Dolmetscher gehabt. Er habe von der Bank sofort den Erstattungsbetrag abzüglich mehr als 20% für denjenigen, der den Erstattungsantrag ausgefüllt habe, erhalten. Derjenige, der sein Geld sofort hätte haben wollen, sollte weniger kassieren. Der Erstattungsantrag sei an die Bank gegeben worden.

Zwei Jahre vorher und auch bei Stellung des Erstattungsantrags sei er falsch über die Beitragserstattung beraten worden (Schriftsatz vom 29.01.1999).

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts vom 13.05.1998 aufzuheben und die Beigeladene zur Aufhebung oder zur Rücknahme ihres Erstattungsbescheids zu verurteilen, weiterhin die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.06. 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12. 1994 sowie des Bescheides vom 10.06.1998 zu verpflichten, ihm Altersrente bei Aufrechnung der laufenden Rentenzahlungen mit der Beitragsschuld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozeßakten beider Rechtszüge sowie die Akten der Beklagten vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird hierauf insbesondere wegen der Ausführungen der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), in der Hauptsache jedoch nicht begründet.

Auch der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, daß dem Kläger ein Anspruch auf Altersrente dem Grunde nach nicht zustehen kann. Weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten sind ausgeschlossen (§ 1303 Abs.7 der Reichsversicherungsordnung). Der Erstattungsantrag bezieht sich stets auf die Gesamtheit der bisher entrichteten Beiträge; die Verfallswirkung setzt auch ein, wenn die Erstattung einzelne Beiträge nicht erfaßt haben sollte (BSG vom 02.12.1987 - 1 RA 23/87 in SozR 2200 § 1303 Nr.33).

1) Der Senat sah keine Veranlassung, den Rechtsstreit auszusetzen und der Beigeladenen Gelegenheit zu geben, einen Bescheid gemäß § 44 oder § 45 SGB X zur Ablehnung der Zurücknahme bzw. der Aufhebung des Bescheides vom 13.08.1984 zu geben.

Für die Aufhebung oder Zurücknahme des rechtsverbindlichen Bescheids vom 13.08.1984 ist die Beigeladene zuständig (vgl. BSG vom 22.03.1984 - 11 RA 22/83 in SozR 2200 § 1303 Nr.29), für die Rentengewährung die Beklagte. Die Beigeladene hat ihren Bescheid vom 13.08.1984 nicht aufgehoben oder zurückgenommen, auch nicht durch Verwaltungsakt eine für den Kläger positive Entscheidung gemäß §§ 44, 45 SGB X abgelehnt. Zwar hat sie sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren sinngemäß bekundet, daß sie die erteilten Bescheide für rechtmäßig hält, und sich ausdrücklich dahingehend geäußert, daß ihrer Ansicht nach ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen eines Beratungsfehlers nicht vorliege. Derartige Schriftsätze sind nicht regelmäßig als Verwaltungsakte anzusehen (BSG vom 18.03.1982 - 11 RA 19/81 in SozR 2200 § 1303 Nr.24). Ein deutlicher Wille der Beigeladenen zur Regelung eines Einzelfalles gegenüber einem anderen Beteiligten ist nicht ersichtlich.

Der Senat hielt es im vorliegenden Falle aber für zulässig, ohne vorherige Verbescheidung durch die Beigeladene die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Bescheids vom 13.08.1984 zu überprüfen. Die Erstattung war dem Grunde nach offensichtlich rechtmäßig. Es widerspräche in einem solchen Falle dem Grundsatz der Prozeßökonomie, wenn die Beigeladene ihre bereits zum Ausdruck gebrachte Haltung nochmals durch einen Verwaltungsakt bekräftigen müßte. Hinzu kommt die Besonderheit, daß der eine Rente begehrende Kläger nunmehr - mehr oder minder zufällig - zwei Versicherungsträgern gegenübersteht. Läge die Zuständigkeit in einer Hand, würde - bei entsprechendem vorherigen Vortrag des Klägers - die Ablehnung der Rente mangels Versicherungszeiten auch konkludent die Ablehnung beinhalten, daß der vorausgehende Beitragserstattungsbescheid aufgehoben oder zurückgenommen wird. Hier soll der Kläger nicht schlechter gestellt werden, wenn der eine für die Rentengewährung zuständige Versicherungsträger, die Beklagte, die Bewilligung von Leistungen wegen Beitragserstattung ablehnt, weil die Erstattung dem Gesetz entspreche und der Kläger auch einen Hinweis auf die Rechtsfolgen erhalten habe, und zugleich der für die Überprüfung des Beitragserstattungsbescheids zuständige Träger diese Entscheidung aktiv unterstützt, aber selbst eine Verbescheidung nicht vornimmt.

Im übrigen ging es im vorliegenden Streitfall im wesentlichen nur um einen Beratungsfehler der Beigeladenen, der der Beklagten zuzurechnen wäre. Im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs müßte die Beklagte den Erstattungsbescheid als ungeschehen ansehen, d.h. den Kläger so stellen, als ob dieser (tatsächlich vorhandene) Bescheid nicht ergangen wäre. Mithin käme es nicht mehr darauf an, ob der Erstattungsbescheid noch gemäß §§ 44 ff. SGB X aufgehoben oder zurückgenommen wird.

2) Der Rentenleistungen ablehnende Bescheid der Beklagten vom 28.06.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.1994 ist nicht rechtswidrig, weil der Erstattungsbescheid der Beigeladenen nichtig wäre. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist nur anzunehmen, wenn und soweit dieser an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und das bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich ist (§ 40 Abs.1 SGB X). Vorliegend könnte ein solcher gravierender Fehler nur darin bestehen, daß ein Antrag auf Beitragserstattung gefehlt hat bzw. nicht gestellt worden ist (BSG vom 14.09. 1978 - 11 RA 36/77 und vom 15.10.1981 - 5 b/5 RJ 90/80 in SozR 2200 § 1303 Nrn.12 und 22), weil der Kläger sich nicht bewußt gewesen ist, überhaupt eine rechtlich relevante Erklärung oder eine auf Beitragserstattung gerichtete Erklärung abzugeben, mithin es am Willen und damit an der Willenserklärung selbst gefehlt hätte.

In dieser Richtung hat sich der Kläger im Klageverfahren sinngemäß dahingehend geäußert, geglaubt zu haben, daß er nur eine Art von Prämie für die Aufgabe des Arbeitsplatzes und die Rückkehr in sein Heimatland beantrage. Diese Behauptung ist jedoch unglaubwürdig und wird durch das wiederholte spätere Vorbringen, insbesondere auch im Schriftsatz vom 29.01.1999, widerlegt. Der Kläger hat mehrmals klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er gerade die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge begehrt habe, weil er angenommen habe, daß ein Rentenanspruch nicht mehr entstehen könne. Sein angeblicher Glaube an eine Abfindung bezog sich eindeutig auf eine Rente und nicht auf einen sonstigen Tatbestand. Unerheblich in diesem Zusammenhang ist es, daß das Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern vom 28.11.1983 (BGBl. I, 1377) die nach § 1303 RVO bestehende Möglichkeit der Beitragserstattung zeitweise erweitert und so zeitweise den Anreiz aufrechterhalten hat, statt der Rentenanwartschaft die Beitragserstattung zu wählen. Das Motiv für die kurzzeitige Aufrechterhaltung des Rechts auf Beitragserstattung durch das Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern darf nicht davon ablenken, daß es bei der Leistung weiterhin allein um die Rüccerstattung von Rentenversicherungsbeiträgen ging, wodurch ein späteres Entstehen von Rentenansprüchen aus diesen Beiträgen ausgeschlossen war.

3) Auch das sonstige Vorbringen des Klägers erscheint nicht geeignet, einen Altersrentenanspruch zu begründen. Hierbei müssen folgende Rechtslage und die damaligen Umstände berücksichtigt werden: Die Prozeßführung einiger marokkanischer Versicherten, die versucht haben, Beitragserstattungen "rückgängig zu machen" und Rente zu erlangen, ist vor dem Jahre 1982 vor dem Hintergrund erfolgt, daß § 1315 Abs.1 Nr.1 Reichsversicherungsordnung und § 94 Abs.1 Nr.1 des Angestelltenversicherungsgesetzes ehemals bestimmt haben, daß Renten von Ausländern mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland ruhen. Das Bundesverfassungsgericht hat das Ruhen als unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, soweit dem Ausländer nicht zugleich ein Anspruch auf angemessene Beitragserstattung zustehe (BVerfG vom 20.03.1979 in SozR 2200 § 1315 Nr.5). Nahezu gleichzeitig beanstandete das Bundesverfassungsgericht (Entscheidung vom 26.06.1979 in SozR 2200 § 1233 Nr.12), daß den Ausländern im Jahre 1972 übergangslos die Möglichkeit genommen worden sei, ihr Versicherungsverhältnis durch freiwillige Weiterversicherung fortzuführen.

Der Gesetzgeber hat unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung nicht eine Beitragserstattung in größerem Umfange als bisher vorgesehen, sondern von der Alternative Gebrauch gemacht, den Rentenbezug im Ausland zu ermöglichen. Mit Rentenanpassungsgesetz 1982 vom 01.12.1981 (BGBl. I, 1205) wurde rückwirkend ab 01.06.1979 das Auslandsrentenrecht dahingehend abgeändert, daß auch ein im Ausland lebender ausländischer Versicherter eine Rente für die im Bundesgebiet zurückgelegten Beitragszeiten beanspruchen kann, allerdings beschränkt auf 70% der inländischen Rente (§§ 1316, 1323 RVO). Weitere Regelungen erfolgten durch das Abkommen zwischen der BRD und dem Königreich Marokko über Soziale Sicherheit vom 25.03.1981 (BGBl. 1986 II, 252), in Kraft getreten am 01.08.1986.

Vor Inkrafttreten des Sozialversicherungsabkommens hatte das Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern vom 28.11.1983 (BGBl. I, 1377) mit Wirkung ab 01.12.1983 in das Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz den Art.2 § 27c eingefügt; hiernach war vorgesehen, daß den Ausländern mit dem bisherigen Recht auf Beitragserstattung (§ 1303 RVO) die Wartezeit von zwei Jahren für eine Beitragserstattung nach Rückkehr in ihr Heimatland erlassen wird, wenn die Rückkehr in der Zeit vom 01.10.1983 bis zum 30.09.1984 erfolgte und die Beitragserstattung bis zum 30.06.1984 beantragt wurde.

Hiervon hatte der Kläger - objektiv gesehen - Gebrauch gemacht, und die Beigeladene hat dementsprechend einen rechtmäßigen Erstattungsbescheid erteilt, da alle Voraussetzungen hierfür erfüllt waren. Die damalige Lage des Klägers entsprach nicht derjenigen der marokkanischen Versicherten, die vor dem Jahre 1979 bereits die Beitragserstattung beantragt hatten, und zwar eventuell in Unkenntnis der laufenden Prozesse, in denen die Rechtmäßigkeit des Ruhens einer Rente bei Auslandsaufenthalt überprüft werden sollte. Vielmehr hatte der Kläger im Juni 1984, nachdem bereits längere Zeit eine neue Gesetzeslage galt, seinen Erstattungsantrag gestellt.

Seine Behauptung, im Jahre 1975 unvollständig beraten worden zu sein (Schriftsatz vom 16.11.1995: Fehlender Hinweis auf anhängige Verfassungsbeschwerden zur Überprüfung des Auslandsrentenrechts) liegt in zweifacher Hinsicht neben der Sache. Dieses Vorbringen kann nur - hierauf weisen der genannte Zeitpunkt und die benutzten Argumente zu §§ 44, 45 SGB X sowie zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hin - von einem anderen Versicherten in einer völlig anderen Situation als dem Kläger unmittelbar oder mittelbar über sonstige Quellen übernommen worden sein (vgl. hierzu Beschluss des BSG vom 27.02.1996 - 13 BJ 85/95, Urteile des BVerfG, a.a.O., und Urteile des BSG vom 14.09.1978 - 11 RA 36/77 und vom 19.05.1983 - 1 RA 35/82 in SozR 2200 § 1303 Nrn.12 und 26).

Im übrigen muß darauf verwiesen werden, daß keine Rechtspflicht der Behörden besteht, auf anhängige Rechtsstreite hinzuweisen, in denen eine einschlägige Rechtsfrage geklärt werden soll (BSG vom 07.11.1995 - 12 RK 19/94). Darüber hinaus ist eine Beratung des Klägers durch die Beigeladene im Jahre 1975 nicht nachgewiesen, was aber für die Erfüllung der Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erforderlich wäre.

Auch für die vom Kläger im Berufungsverfahren behauptete unrichtige Beratung im Jahre 1982 gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Es fehlt bereits am Nachweis dafür, daß der Kläger bei der Beigeladenen um Beratung nachgesucht und diese Beratung auch stattgefunden hat.

Die von der Beigeladenen gespeicherten Versicherungsdaten, die von der Beklagten übernommen worden sind, weisen nur darauf hin, daß von der Beigeladenen in der Zeit ab 01.09.1983 unter Mitwirkung des Klägers der Versicherungsverlauf geklärt worden ist und Lücken ergänzt worden sind, und daß ihm diesbezüglich ein Versicherungsverlauf, ggf. zusätzlich mit einem Bescheid über die Feststellung der bisherigen Versicherungszeiten, übersandt worden ist. Die Nichtfeststellbarkeit von Tatsachen, d.h. die Beratung und erst recht die unrichtige Beratung, geht nach allgemeinen Beweisregeln zu Lasten desjenigen, der ein Recht hieraus herleiten will, vorliegend also zu Lasten des Klägers.

Für das Jahr 1984 hat der Kläger zuletzt eingeräumt, von der Beklagten nicht beraten worden zu sein. Vielmehr sollen unrichtige Auskünfte einmal von seinen Landsleuten, ein andermal von Dolmetschern und sonstigen Personen erfolgt sein, die die Vorfinanzierung der bei Beitragserstattung durch die Beigeladene zu erwartenden Summe veranlaßt haben oder zumindest hieran beteiligt waren. Ob der Kläger hierbei unzutreffend über das Bestehen einer Anwartschaft und den Verlust bei Beitragserstattung beraten worden ist, bleibt zweifelhaft. Jedenfalls kann ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nur greifen, wenn die Beigeladene selbst unrichtig beraten hat, d.h. durch ihre eigenen Bediensteten oder durch Dritte, die unmittelbar kraft Gesetzes oder durch Auftrag der Beigeladenen Beratungsaufgaben für diese wahrzunehmen hatten oder wahrnehmen konnten. Dies war nach übereinstimmenden Erklärungen des Klägers und der Beigeladenen nicht der Fall. Für ein Fehlverhalten sonstiger Personen haben die Beklagte und die Beigeladene nicht einzustehen.

Letzten Endes ist auch eine unrichtige, irreführende oder unvollständige Beratung des Klägers durch die Beigeladene insoweit zu verneinen, als sie in aktuellen Antragsbögen und im Erstattungsbescheid vom 13.08.1984 auf die Folgen der Beitragserstattung hingewiesen hat. Mehr konnte von ihr nicht erwartet werden, zumal der Kläger nicht bei ihr im Jahre 1984 wegen Beratung vorgesprochen hat, so daß ein zusätzlicher bzw. besonderer Aufklärungsbedarf erkenntlich gewesen wäre.

Der Erstattungsbescheid wies den Zusatz auf, daß die Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausschließe. Dieser Bescheid im Entwurf ist zwar nicht mehr in den Akten vorhanden, da die Beitragsakte der Beigeladenen wegen der inzwischen verstrichenen Zeit während des Ruhens des Klageverfahrens vernichtet worden ist. Einen eindeutigen Hinweis hierauf gibt aber noch der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 09.12.1994. Der Kläger hat auch eingeräumt, diesen Hinweis erhalten zu haben; sein Bevollmächtigter war vielmehr nur der Ansicht, diese Information sei ungenügend.

Der Senat vermag diese Auffassung nicht zu teilen. Jedem Laien, auch mit einfacher Persönlichkeitsstruktur, muß in diesem Zusammenhang ohne weiteres klar und offensichtlich sein, daß ein Anspruchsverlust dann eintritt, wenn Versicherungsbeiträge aus der Rentenversicherung oder auch aus einer Lebensversicherung oder sonstigen Versicherungen erstattet werden. Werden danach keine neuen Versicherungsbeiträge einbezahlt, d.h. kein neues Versicherungsverhältnis begründet und tritt ein Versicherungsfall ("Schadensfall") auf, ist der Betroffene eben nicht versichert und kann nichts beanspruchen.

Der Hinweis der Beigeladenen in ihrem Bescheid vom 13.08.1984 war genügend. Es war Angelegenheit des Klägers, sich durch Hilfspersonen unverzüglich Kenntnis vom Inhalt eines rechtsrelevanten Schreibens oder Bescheids einer Behörde zu verschaffen und dann die nötigen Schritte einzuleiten. Allenfalls die Überschreitung der Rechtsmittelfrist kann bei sprach- und leseunkundigen Ausländern nachgesehen werden (BVerfG vom 27.07.1971 - 2 BvR 118/71 in BVerfGE 31, 388); eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist aber bereits innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Erstattungsbescheids nicht mehr möglich (§ 66 Abs.2 SGG).

Im übrigen hat die Beigeladene nachgewiesen, daß bei ihr Antragsformulare für Beitragserstattung, gekennzeichnet mit Ausgabe März 1983, mit den wichtigen Informationen über die seit dem Rentenanpassungsgesetz 1982 vorgesehene Möglichkeit des Rentenbezugs im Ausland vorhanden waren (vgl. Seite 2 des Formulars). In diesem Vordruck ist auf Seite 4, vor der Unterschrift des Antragstellers, weiterhin der warnende Hinweis angebracht: "Mir ist bekannt, daß die Erstattung der Beiträge alle weiteren Ansprüche aus sämtlichen bisher zurückgelegten Versicherungszeiten (das sind die erstatteten und die nicht erstatteten Beiträge) ausschließt und daß eine Rücknahme des Erstattungsantrags nach bindend gewordenem Erstattungsbescheid nicht mehr möglich ist." Darüber hinaus hat die Beklagte das Vorhandensein eines Formularschreibens (Sonderinformation) nachgewiesen, in dem auf die im Jahre 1982 erfolgte Gesetzesänderung hingewiesen wurde; ausdrücklich wird in diesem Schreiben an die Versicherten die Frage gestellt, ob unter den geschilderten Umständen ein bereits gestellter Beitragserstattungsantrag zurückgenommen wird.

Es mag dahinstehen, ob der Kläger alle diese Informationen erhalten hat (oder erhalten hätte), sofern er sich selbst zum Zwecke der Beitragserstattung im Jahre 1984 an die Beklagte gewandt hätte. Es ist nicht zu klären, ob ihm aktuelle Erläuterungen der Beigeladenen richtig oder unzutreffend übersetzt oder ob seit Jahren veraltete (womöglich von den Kreditvermittlern besorgte) Antragsformulare und Informationen der Beigeladenen übersetzt worden sind. Dem Anschein nach spricht wohl mehr dafür als dagegen, daß der Kläger sehr wohl wußte, was er tat, und die letztmögliche Gelegenheit zur Beitragserstattung im Juni 1984 ausnutzte.

Jedenfalls sind die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, u.a. eine unzutreffende oder unterlassene Beratung durch die Beigeladene und darüber hinaus die Ursächlichkeit dieses Umstands für den Entschluß des Klägers, sich die Beiträge erstatten zu lassen und seine Rentenanwartschaft aufzugeben, nicht wahrscheinlich gemacht geschweige denn nachgewiesen worden.

Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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